Titel:
Erfolglose Klage der Nachbarin gegen Änderung der Betriebsweise einer Pferdekoppel im Innenbereich
Normenkette:
BauGB § 34
Leitsatz:
Die nach § 34 Abs. 1 BauGB maßgebliche nähere Umgebung ist vom Baugrundstück und nicht von durch das Bauvorhaben ggf. betroffenen Nachbargrundstücken aus zu bestimmen. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Pferdehaltung im Innenbereich, Gebot der Rücksichtnahme, Nachbarin, Bestimmtheit, Gebietserhaltungsanspruch, nähere Umgebung, Geruchs- und Geräuschbelastungen
Vorinstanz:
VG Ansbach, Urteil vom 25.04.2023 – AN 3 K 21.2266
Fundstelle:
BeckRS 2023, 24517
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 7.500,00 Euro festgesetzt.
Gründe
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Die Klägerin wendet sich als Eigentümerin eines mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks (FlNr. … Gemarkung …) gegen eine der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung für die Änderung der Betriebsweise einer bestehenden Pferdekoppel mit Unterstand und Heulager auf deren an der gemeinsamen Erschließungsstraße (... Straße) gegenüberliegenden Grundstück (Baugrundstück, FlNr. … derselben Gemarkung).
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Nach der ursprünglichen Baugenehmigung für die Pferdekoppel vom 7. September 2016 durften maximal drei Pferde dauerhaft in den Monaten November bis Februar gehalten werden. Außerhalb dieses Zeitraums durfte die tägliche Unterbringungszeit fünf Stunden nicht überschreiten. Mit Bescheid vom 23. November 2023 wurde der Beigeladenen, die auf dem Baugrundstück wohnt und eine Tierarztpraxis betreibt, die von ihr beantragte Änderungsgenehmigung erteilt. Diese fasst die immissionsschutzrechtlichen Nebenbestimmungen der Baugenehmigung ausdrücklich neu und bestimmt u.a., dass die Pferdekoppel im Rahmen der tierärztlichen Tätigkeit zur Einstellung und Beobachtung von Pferdepatienten sowie durch Dritte als Wechselkoppel genutzt werden darf. Es dürfen maximal fünf Pferde gehalten werden.
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Die Klägerin hat gegen den Bescheid vom 23. November 2023 Klage erhoben und außerdem den einstweiligen Rechtsschutzantrag gestellt, deren aufschiebende Wirkung anzuordnen. Letzteren hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 3. Mai 2022 (Az. AN 3 S 22.1039) abgelehnt. Die Beschwerde hiergegen blieb erfolglos (B.v. 26.7.2022, Az. 9 CS 22.1275). Mit Urteil vom 25. April 2023 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Ein nachbarrechtlich relevanter Verstoß könne nicht mit der Unbestimmtheit der Baugenehmigung begründet werden. Ein Gebietserhaltungsanspruch der Klägerin werde nicht verletzt und es werde hinsichtlich der Geruchsbelastung auch nicht gegen das Gebot der Rücksichtnahme verstoßen. Hiergegen richtet sich der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung. Sie macht ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils geltend.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen und den vorgelegten Behördenakt verwiesen.
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Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Der allein geltend gemachte Zulassungsgrund gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegt nicht vor.
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Zu Recht ist das Verwaltungsgericht unter Verweis auf die im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ergangenen Beschlüsse davon ausgegangen, dass die erteilte Baugenehmigung rechtmäßig ist und keine zumindest auch dem Schutz der Klägerin als Nachbarin dienenden Rechte verletzt. Der Senat nimmt gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO auf die Gründe des angefochtenen Urteils und den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 2. Mai 2022 (AN 3 S 22.1039) sowie den des Senats vom 26. Juli 2022 (9 CS 22.1275) Bezug; er sieht zur Vermeidung von Wiederholungen insoweit von einer weiteren Begründung ab. Lediglich ergänzend wird im Hinblick auf das Zulassungsvorbringen noch folgendes ausgeführt:
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1. Das lediglich erstinstanzlichen Vortrag wiederholende Zulassungsvorbringen, die streitgegenständliche Baugenehmigung sei nicht bestimmt genug, weil die Klägerin nicht erkennen könne, was ihr zugemutet werde, weckt keine Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils. Die Verwendung des Begriffs „Wechselkoppel“ und/oder die Regelung, dass die Koppel für „Patientenpferde“ (bzw. „Pferdepatienten“, s. Bescheid vom 23.11.2021) zugelassen ist, ohne dass ein „konkretes Zeitfenster“ für deren Einstelldauer festgesetzt wurde, führen nicht zu nachbarrechtsrelevanten Unklarheiten. Das Verwaltungsgericht hat hierzu u.a. zutreffend darauf abgestellt, dass nach der Baugenehmigung auf der Koppel jedenfalls maximal fünf Pferde stehen dürfen, sodass die zu erwartende Belastung erkennbar ist. Mit diesen und den weiteren Erwägungen zur Bestimmtheit setzt sich die Klägerin nicht auseinander.
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2. Der Klägerin kann auch nicht darin gefolgt werden, dass ihr ein Gebietserhaltungsanspruch zur Seite stehe, weil sowohl ihr Grundstück als auch das der Beigeladenen in einem allgemeinen Wohngebiet lägen und sich die Pferdekoppel nicht einfüge. Denn das Verwaltungsgericht ging im Hinblick auf die beiden Grundstücke von unterschiedlichen Gebieten, nämlich für das Grundstück der Klägerin von einem allgemeinen Wohngebiet entsprechend der Festsetzung des Bebauungsplans Nr. 12 und „wohl einem Misch- oder Dorfgebiet“ für den Bereich des Baugrundstücks aus, wozu sich die Klägerin nicht verhält. Sie benennt nur, wie schon im erstinstanzlichen Verfahren, als für die Abgrenzung der näheren Umgebung maßgebliches „Geviert“ dasjenige, welches sich „aus der …-Straße, dem … …, der … Straße sowie der … Straße, … Straße und den nördlichen Verlauf von West nach Ost der … Straße“ ergebe. Dieser Umgriff kann, insbesondere was seine östliche Ausdehnung jenseits der gemeinsamen Erschließungsstraße (* … Straße) anbelangt, ohne nähere Begründung aber nicht nachvollzogen werden. Die nach § 34 Abs. 1 BauGB maßgebliche nähere Umgebung ist vom Baugrundstück und nicht von durch das Bauvorhaben ggf. betroffenen Nachbargrundstücken aus zu bestimmen (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 28.11.2019 – 9 ZB 16.2300 – juris Rn. 6 m.w.N.). Im Übrigen legt die Klägerin auch nicht dar, dass die von ihr als maßgeblich angesehene Umgebung als faktisches allgemeines Wohngebiet anzusehen wäre und deshalb ihr Gebietserhaltungsanspruch verletzt sein könnte. Damit, dass sie lediglich behauptet, mit Ausnahme des Tierarztbetriebs der Beigeladenen gebe es ausschließlich Wohnbebauung, der bestehende Reitverein sei wegen einer ca. 2 m hohen umgebenden Mauer und seiner Ausrichtung mit seinen Ställen zur … Straße hin nicht prägend und andere (emittierende) Nutzungen gebe es im maßgeblichen Quartier nicht, macht sie solches nicht plausibel, zumal sie auch die auf dem Baugrundstück bereits bestehende und genehmigte Pferdekoppel ausblendet.
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3. Schließlich führt auch das Vorbringen, das Bauvorhaben sei mit Blick auf die von ihm ausgehenden Geruchs- und Geräuschbelastungen rücksichtslos, nicht zum Erfolg des Zulassungsantrags. Das Verwaltungsgericht ist nicht von einem Abstand von 40 m zwischen dem Grundstück der Klägerin und dem Pferdeunterstand ausgegangen, sondern von einem entsprechenden Abstand zum Wohnhaus der Klägerin (s. UA, S. 3). Hinsichtlich der Koppel und dem Grundstück der Klägerin hat es zwar eine kürzeste Entfernung von 21 m angenommen, während die Klägerin von 18 m ausgeht. Das Sachgebiet Technischer Umweltschutz des Landratsamts hat jedoch jedenfalls die auch von der Klägerin grundsätzlich geforderte Einzelfallprüfung zur Geruchsbelastung, sowohl hinsichtlich der Koppelfläche als auch des Unterstands, vorgenommen, und festgestellt, dass keine schädlichen Umwelteinwirkungen in Form von Gerüchen zu erwarten seien. Auf die betreffende Bewertung vom 23. August 2022 (vgl. GA Bl. 81 ff.) hat das Verwaltungsgericht Bezug genommen. Die Klägerin vermag diese mit dem Hinweis auf die von ihr vorgenommene luftbildbasierte Abstandsmessung und ihren jedenfalls unsubstantiierten Einwänden, hinsichtlich der Schutzbedürftigkeit sei ein (reines) Wohngebiet zu Grunde zu legen und nicht der Unterstand, sondern die Koppelfläche sei als geruchsintensiver Funktionsbereich bzw. Emissionsschwerpunkt zu behandeln, nicht zu erschüttern. Soweit die Klägerin eine „worst case-Betrachtung“ bei nächster Nähe von fünf Pferden zu ihrem Grundstück für erforderlich hält, verhält sie sich auch nicht zu den Erwägungen des Verwaltungsgerichts, welches u.a. ausführt, dass sich die Pferde keinesfalls dauerhaft in geringstmöglicher Entfernung aufhalten werden. Die von der Klägerin erneut angesprochene vorherrschende Hauptwindrichtung wurde ausweislich der vorgenommenen Einzelfallbewertung berücksichtigt. Die Erkrankung der Klägerin und ihre Schwerbehinderung waren dagegen nicht zu berücksichtigen, was bereits erstinstanzlich und in der Beschwerdeentscheidung des Senats im Eilverfahren ausgeführt wurde. Zu angeblich unzumutbaren Geräuschimmissionen enthält die Zulassungsbegründung keinerlei Ausführungen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Da sich die Beigeladene im Zulassungsverfahren nicht geäußert hat, entspricht es der Billigkeit, dass sie ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt (§ 162 Abs. 3 VwGO).
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Die Festsetzung des Streitwerts für das Zulassungsverfahren ergibt sich aus § 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG und entspricht der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwendungen erhoben wurden.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).