Inhalt

VGH München, Beschluss v. 21.08.2023 – 5 C 22.1782
Titel:

Begehren auf Berichtigung des Geburtsdatums im Melderegister bietet keine Erfolgsaussicht

Normenketten:
DSGVO Art. 5 Abs. 1 lit. d, Art. 16 S. 1
BMG § 6 Abs. 1 S. 1
Leitsätze:
1. Bei einem vermeintlich falsch eingetragenen Geburtsdatum im Melderegister muss der Berichtigungsanspruch nach § 6 Abs. 1 S. 1 BMG iVm Art. 16 S. 1 DSGVO auf die Ersetzung des unrichtigen Geburtsdatums durch das richtige Datum gerichtet sein. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der für die Datenverarbeitung Verantwortliche kann nur zur Verarbeitung solcher personenbezogenen Daten verpflichtet werden, deren Richtigkeit sich feststellen lässt. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)
3. Für die Richtigkeit eines im Melderegister eingetragenen Geburtsdatums spricht auch, dass der Betroffene selbst in der Vergangenheit das angeblich falsche Geburtsdatum angegeben hat. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Anspruch auf Berichtigung des Geburtsdatums im Melderegister, Berichtigungsanspruch, unrichtige personenbezogene Daten, Nichterweislichkeit der Richtigkeit, Melderegister, Prozesskostenhilfe
Vorinstanz:
VG Augsburg, Beschluss vom 25.07.2022 – Au 1 K 21.2436
Fundstelle:
BeckRS 2023, 24506

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

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1. Die zulässige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 25. Juli 2022, mit dem dieses den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren abgelehnt hat, ist unbegründet. Der Antrag wurde zurecht abgelehnt, da die Rechtsverfolgung des Antragstellers keine Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO).
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a) Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe setzt voraus, dass die Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, die Erfolgsaussichten des Klagebegehrens also zumindest offen sind. Es genügt eine gewisse Wahrscheinlichkeit, die bereits gegeben ist, wenn ein Obsiegen ebenso in Frage kommt wie ein Unterliegen. Allerdings genügt eine nur entfernte, theoretische Wahrscheinlichkeit nicht. In tatsächlicher Hinsicht genügt jedenfalls eine Glaubhaftigkeit der tatsächlichen Angaben (vgl. § 118 Abs. 2 S. 1 ZPO). Kommt eine Beweisaufnahme ernsthaft in Betracht und liegen keine konkreten und nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür vor, dass die Beweisaufnahme mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Antragstellers ausgehen würde (BVerfG, B.v. 8.12.2020 – 1 BvR 149/16 – juris Rn.14), ist Prozesskostenhilfe zu bewilligen (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 166 Rn. 26).
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b) Mit Blick auf die vorstehenden Grundsätze ist es nicht hinreichend wahrscheinlich, dass die vom Kläger erhobene Klage auf Berichtigung seines Geburtsdatums im Melderegister der Beklagten Erfolg haben könnte.
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aa) Anspruchsgrundlage für den geltend gemachten Berichtigungsanspruch ist § 6 Abs. 1 Satz 1 BMG i.V.m. Art. 16 Satz 1 DSGVO. Danach hat die betroffene Person das Recht, von dem Verantwortlichen unverzüglich die Berichtigung sie betreffender unrichtiger personenbezogener Daten zu verlangen. Voraussetzung für das Bestehen eines Berichtigungsanspruchs des Klägers ist, dass er auf die Ersetzung eines unrichtigen Geburtsdatums durch das richtige Datum gerichtet ist.
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Aus Art. 5 Abs. 1 Buchst. d i.V.m. Abs. 2 DSGVO ergibt sich eine Beweislastregel für die Richtigkeit des nach dem Begehren der betroffenen Person neu einzutragenden Datums. Der für die Datenverarbeitung Verantwortliche kann nur zur Verarbeitung solcher personenbezogenen Daten verpflichtet sein, deren Richtigkeit sich feststellen lässt. Ist dies nicht der Fall, kann der Anspruchsteller keine Berichtigung verlangen und die Nichterweislichkeit der Richtigkeit des Datums, dessen Verarbeitung er verlangt, geht zu seinen Lasten (BVerwG, U.v. 2.3.2022 – 6 C 7/20 – juris Rn. 52).
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bb) Die Richtigkeit des vom Kläger angegeben Geburtsdatum des 20. Juni 1965 lässt sich nicht feststellen. Ein Berichtigungsanspruch steht dem Kläger daher nicht zu.
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In seiner Beschwerdeschrift vom 30. Juli 2022 führt der Kläger aus, mithilfe von Zeugen und einer Taufurkunde könne bewiesen werden, dass die Jahre 1966 bis 1968 als Geburtsjahre nicht in Betracht kämen. Auch in der Klageschrift vom 3. November 2021 trägt der Kläger vor, die Taufbescheinigung mit dem Eintrag des 8. Mai 1966 widerlege den 20. Juni 1968 als Geburtsdatum, und benennt mehrere Verwandte als mögliche Zeugen. Jeder, der ihn näher kenne, wisse, dass ein Geburtsdatum im Jahr 1968 nicht zutreffend sei.
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Aus dem Vortrag des Klägers ergibt sich bereits nicht, inwieweit diese Beweismittel geeignet wären, den 20. Juni 1965 als richtiges Geburtsdatum zu belegen. Dies gilt zunächst für die Taufbescheinigung mit dem Eintrag des 8. Mai 1966, was allenfalls gegen den 20. Juni 1968 als richtiges Geburtsdatum spricht. Die angebliche Kenntnis der benannten Zeugen soll sich nur negativ darauf beziehen, dass der 20. Juni 1968 nicht der Geburtstag des Klägers sein soll. Sollte ein Onkel des Klägers, wie dieser vorträgt, im Jahr 1966 eine Geburtsnachricht erhalten haben, würde dies nicht dessen Kenntnis von dem seitens des Klägers behaupteten Geburtsdatum belegen. Falls es zutreffen sollte, dass eine Cousine des Klägers ca. zwei Monate vor ihm geboren wurde, würde dies gleichermaßen nicht darauf schließen lassen, dass die Eltern der Cousine das genaue Geburtsdatum des Klägers kennen. Die Eltern des Klägers haben offenbar bei zahlreichen Gelegenheiten seit seiner Kindheit den 20. Juni 1968 als Geburtsdatum angegeben, z.B. in Erklärungen gegenüber deutschen Meldebehörden und in der Beantragung von Ausweisdokumenten. Es ist nicht ersichtlich, weshalb einer jetzt gegenteiligen Aussage der Eltern eher Glauben geschenkt werden könnte als deren früheren Angaben. Auch hat der Kläger nicht begründet, weshalb seine Eltern u.a. gegenüber öffentlichen Stellen ein falsches Geburtsdatum angegeben haben könnten. Er erklärt nur allgemein ohne Bezug zu seinem Fall sinngemäß, bei Jungen türkischer Staatsangehörigkeit sei es insoweit „hin und wieder“ zu falschen Angaben gekommen, um die Militärpflichtzeit zu verkürzen. Der Bürgermeister derjenigen Gemeinde, in deren Personenstandsregister die Geburt des Klägers vermerkt wurde, könnte allenfalls Angaben zur allgemeinen Verwaltungspraxis machen.
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Im Übrigen hat der Kläger selbst in der Vergangenheit das angeblich falsche Geburtsdatum angegeben, ohne dies plausibel zu erklären. Angesichts der Folgeprobleme, die er durch dieses Geburtsdatum z.B. während der Ausbildung erfahren haben will, hätte es nahegelegen, es wesentlich frühzeitiger zu korrigieren. Auch kann schon im Hinblick auf möglicherweise drohende Konsequenzen nicht angenommen werden, dass er in Einbürgerungsanträgen wissentlich falsche Angaben gemacht hat.
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Die Schulzeugnisse, in denen der 20. Juni 1965 als Geburtsdatum genannt wird, belegen nicht, dass die anderslautenden Angaben z.B. in amtlichen türkischen Dokumenten und früheren Aussagen des Klägers fehlerhaft sind. Wie es zu diesen Einträgen in den Schulzeugnissen gekommen ist, lässt sich im Übrigen nicht mehr nachvollziehen.
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Soweit der Kläger auf die Möglichkeit hinweist, eine Auskunft bei einem Standesamt in der Türkei einzuholen, ist nicht ersichtlich, weshalb dort ein anderes Geburtsdatum des Klägers vermerkt sein sollte als in anderen türkischen amtlichen Dokumenten wie dem Personalausweis, dem Nationalpass und der Entlassungsurkunde aus der türkischen Staatsangehörigkeit.
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Im Ergebnis spricht viel für die Richtigkeit des im Melderegister eingetragenen Geburtsdatums des Klägers. Diese Anhaltspunkte werden durch den Vortrag des Klägers nicht entkräftet. Erst recht lässt sich das vom Kläger behauptete Geburtsdatum nicht mit der erforderlichen Gewissheit feststellen.
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2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Anders als das Prozesskostenhilfeverfahren erster Instanz ist das Beschwerdeverfahren in Prozesskostenhilfesachen kostenpflichtig.
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Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, weil gemäß Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) eine Festgebühr anfällt. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet (§ 166 VwGO i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO).
15
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).