Titel:
Entschädigung für auf behördliche Anordnung getötete Rinder
Normenketten:
TierGesG § 16 Abs. 1, Abs. 4
BayAGTierGesG Art. 4 S. 1
Leitsätze:
1. Die Höhe der nach dem Tiergesundheitsgesetz (TierGesG) zu leistenden Entschädigung ist von einem beamteten Tierarzt zu schätzen (§ 16 Abs. 1 TierGesG, Art. 4 S. 1 BayAGTierGesG). Diese Schätzung des beamteten Tierarztes ist hinsichtlich ihrer tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen gerichtlich voll überprüfbar. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die gesetzliche Schätzungsbefugnis impliziert aber, dass der Gesetzgeber hinsichtlich des Ergebnisses der Ermittlung des gemeinen Werts Unschärfen bewusst in Kauf nimmt. Eine solche Schätzung stellt grundsätzlich eine zulässige Vollzugserleichterung dar und entbindet davon, den gemeinen Wert des jeweiligen getöteten Tieres durch ein Sachverständigengutachten exakt ermitteln zu müssen. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
3. Nach § 16 Abs. 4 S. 3 TierGesG werden bei der Festsetzung der Entschädigung Steuern nicht berücksichtigt. Diese Regelung ist eindeutig. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Tierseuchenrechtliche Entschädigung, Gesetzliche behördliche Schätzungsbefugnis hinsichtlich des gemeinen Wertes von Tieren, Tierseuche, Rinder, Entschädigung, gemeiner Wert, Schätzung, Sachverständigengutachten, Steuern
Vorinstanz:
VG Regensburg, Urteil vom 09.05.2023 – RO 5 K 20.187
Fundstelle:
BeckRS 2023, 24498
Tenor
I. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 9. Mai 2023 – RO 5 K 20.187 – wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 1.690,65 € festgesetzt.
Gründe
1
Der Antrag auf Zulassung der Berufung, mit dem der Kläger sein Begehren gegenüber der Beklagten, ihm eine höhere Entschädigung für seine auf behördliche Anordnung getöteten Rinder zu gewähren, weiterverfolgt, bleibt ohne Erfolg. Aus dem Vorbringen des Klägers, auf das sich die Prüfung des Verwaltungsgerichtshofs beschränkt (§ 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO), ergeben sich die geltend gemachten Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nrn. 1, 2, 3 und 5 VwGO nicht.
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1. Die Berufung ist nicht wegen eines der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegenden Verfahrensmangels zuzulassen, auf dem die Entscheidung beruhen kann, § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO.
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1.1. Soweit der Kläger vorträgt, er als Landwirt habe witterungsbedingt nicht persönlich in der mündlichen Verhandlung anwesend sein können und eine Verlegung sei nicht in Erwägung gezogen worden, legt er keine Verletzung seines Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) dar.
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Der Kläger war in der mündlichen Verhandlung durch seinen Prozessbevollmächtigten vertreten. Gewichtige Gründe, die die persönliche Anwesenheit des Klägers in diesem Termin zur Aufklärung des Sachverhalts hätten erforderlich erscheinen lassen können, wurden weder vorgetragen noch sind solche ersichtlich. Im Übrigen setzt die Berufung auf die Verletzung rechtlichen Gehörs voraus, dass die im konkreten Fall gegebenen prozessualen Möglichkeiten, sich Gehör zu verschaffen, genutzt werden (BVerfG, B.v. 10.2.1987 – 2 BvR 314/86 – BVerfGE 74, 220/225 = NJW 1987, 1191; BVerwG, B.v. 21.7.2016 – 10 BN 1.15 – juris Rn. 8; U.v. 3.7.1992 – 8 C 58.90 – NJW 1992, 3185; BayVGH, B.v. 1.12.2015 – 13a ZB 15.30224 – juris Rn. 7; B.v. 5.2.2016 – 9 ZB 15.30247 – juris Rn. 21; VGH BW, B.v. 11.5.2017 – A 11 S 1002/17 – juris Rn. 7; Kraft in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 108 Rn. 115). Zu den verfahrensrechtlichen Befugnissen, von denen ein Beteiligter erforderlichenfalls Gebrauch machen muss, um seinen Anspruch auf rechtliches Gehör durchzusetzen, zählt auch die Stellung eines Antrags auf Terminsverlegung oder Vertagung der Verhandlung bei Vorliegen triftiger Gründe bzw. im Falle der anwaltlichen Vertretung bei plausibler Darlegung, weshalb seine persönliche Anwesenheit erforderlich ist (BVerwG, B.v. 4.8.2008 – 1 B 3.08 – juris Rn. 9; U.v. 30.8.1982 – 9 C 1.81 – DÖV 1983, 237). Ein derartiger Antrag wurde vorliegend indes nicht gestellt. Der Bevollmächtigte des Klägers hat an dem Termin teilgenommen und sich zur Sache eingelassen. Das persönliche Erscheinen der Beteiligten war ausweislich der ordnungsgemäßen Ladung vom 15. Februar 2023 nicht erforderlich.
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1.2. Die Zulassungsbegründung macht des Weiteren eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) und der gerichtlichen Aufklärungspflicht (§ 86 VwGO) unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Ablehnung eines gestellten Beweisantrags geltend.
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Der Bevollmächtigte des Klägers hat in der mündlichen Verhandlung am 9. Mai 2023 „zum Beweis der Tatsache, dass höhere Markt-, Leistungs- und Abstammungsdaten bei den einzelnen Tieren zum Tötungsstichtag zugrunde zu legen gewesen wären, die Anhörung des sachverständigen Zeugen H., hilfsweise die Einholung eines Sachverständigengutachtens nach Maßgabe des Gerichts“ beantragt.
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a) Das Erstgericht hat den Beweisantrag mit der Begründung abgelehnt, es handele sich um einen Ausforschungsbeweisantrag, da nicht dargelegt werde, aus welchen Gründen die Ermittlung des gemeinen Werts durch die Beklagte unzutreffend gewesen sei; vielmehr werde ohne Grundlage behauptet, der Wert sei höher.
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Im angegriffenen Urteil (UA S. 6 ff.) hat das Verwaltungsgericht hinsichtlich der Ermittlung des gemeinen Wertes, der gemäß § 16 Abs. 1 TierGesG der Entschädigung zugrunde zu legen ist, erläutert, dass hierfür der Preis maßgeblich sei, der nach der Beschaffenheit des Tieres, ohne Rücksicht auf die Wertminderung, die das Tier infolge der Tierseuche oder einer tierseuchenrechtlich vorgeschriebenen oder behördlich angeordneten Maßnahme erlitten hat, für gewöhnlich am Markt zu erzielen sei (§ 16 Abs. 1 Satz 2 TierGesG). In der Rechtsprechung werde auf die Legaldefinition des § 9 Abs. 2 BewG zurückgegriffen (vgl. Düsing/Martinez/Wanser, 1. Aufl. 2016, TierGesG § 16 Rn. 1; BVerwG, U. v. 20.1.2005 – 3 C 15.04 – NVwZ-RR 2005, 446 m.w.N.), wonach der gemeine Wert durch den Preis bestimmt werde, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsgutes bei einer Veräußerung zu erzielen wäre. Dabei seien alle Umstände, die den Preis beeinflussen, zu berücksichtigen; ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse hätten außer Betracht gelassen zu werden. Die Schätzung des Wertes des Tieres zum Zeitpunkt der Tötung nehme die zuständige Behörde bei der Antragsbearbeitung unter Berücksichtigung amtlicher Marktnotierungen vor. Der gemeine Wert einer Kuh werde von der Beklagten in ständiger Verwaltungspraxis anhand der „Einführung zur Entschädigung von Tierverlusten und Schätzung des gemeinen Wertes von Rindern“ festgesetzt. Für die Erfassung in der Schätztabelle würden folgende Informationen benötigt: Marktpreis als regionale Komponente, Alter, Rasse, Trächtigkeitsstadium, Eiweißleistung und Gesamtzuchtwert. Hierbei werde auf alle wertbildenden Faktoren abgestellt, die durch den Geschädigten nachgewiesen worden seien. Soweit dies belegt werde, würden Leistungsdaten, Abstammung, Trächtigkeit und Zuchtwert wertsteigernd berücksichtigt. Soweit die Eiweißleistung einer Kuh im positiven Sinn von der durchschnittlichen Eiweißleistung dieser Rasse in Bayern abweiche, werde laut Schätztabelle ein Eiweißzuschlag in Höhe von 4 Euro pro kg Eiweiß berechnet. Sei eine Kuh tragend, werde ein Zuschlag in Höhe von 5% ab dem fünften Trächtigkeitsmonat, in Höhe von 10% im sechsten und siebten Trächtigkeitsmonat sowie in Höhe von 15% ab dem achten Trächtigkeitsmonat vorgenommen. Schließlich werde ein Ausgleichswert für den entgangenen Zuchtwert gewährt. Der Zuchtwert des jeweiligen Tieres werde anhand einer Punkteskala bewertet und ein Zuschlag in Höhe von 25 Euro pro Punkt gewährt, der über dem durchschnittlichen Gesamtzuchtwert von 100 Punkten liege. Soweit kein Nachweis der besonderen wertsteigernden Faktoren erbracht werden könne, werde ein Durchschnittswert angesetzt. Dieser Grundwert ergebe sich aus dem mittleren Verkaufspreis von Rindern der zu schätzenden Rasse in der Region, wobei der Berechnung bei der vorliegend in Rede stehenden Rasse Fleckvieh mindestens drei aktuelle Märkte zugrunde gelegt würden. Da ein weibliches Hausrind erst nach der ersten Kalbung Milch gebe, lägen für diejenigen Kühe, die noch nie gekalbt hätten, keine Leistungsdaten hinsichtlich ihrer Milchleistung vor, so dass ein Eiweißzuschlag nicht gewährt werde. Für Kälber seien mangels Richtlinien die Summen zu veranschlagen, die üblicherweise für das Verwaltungsverfahren zugrunde gelegt würden. Dies sei vorliegend die Marktpreistabelle des Rinderzuchtverbands Franken. Als Marktpreis sei unter Rückgriff auf den Marktbericht Rinderzucht Franken (Ansbach) vom 6. November 2019 für männliche Kälber je geschätztem kg Lebendkörpergewicht 4,36 Euro und für weibliche Kälber 2,19 Euro als Grundpreis herangezogen worden. Höhere Werte aufgrund der Abstammung oder der Leistungsdaten der Eltern könnten nicht gewährt werden. Kälber würden als Mast- oder Zuchtkälber eingeordnet, soweit die Tiere als Zuchtkälber eingestuft würden, werde als Entschädigung ein höherer Preis pro kg Lebendgewicht ausbezahlt.
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Der gemeine Wert der streitgegenständlichen Kühe und Kälber sei von der Amtsveterinärin unter Berücksichtigung dieser Vorgaben gemäß § 16 Abs. 1 TierGesG, Art. 4 Satz 1 BayAGTierGesG in rechtmäßiger Weise geschätzt worden (wird hinsichtlich der einzelnen Tiere näher ausgeführt). Die vom Klägerbevollmächtigten vorgelegten Schätzungen des Sachverständigen H. könnten nicht zugrunde gelegt werden, da der Sachverständige den gemeinen Wert als Bruttobetrag errechnet habe; zudem sei nicht ersichtlich, auf welche Werte der Gutachter abstelle und aus welchen Faktoren sich der höhere Wert im Einzelnen ergeben solle.
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b) Die Verletzung der Aufklärungspflicht und des rechtlichen Gehörs kann nur dann mit Erfolg gerügt werden, wenn dargelegt wird, dass die Ablehnung der beantragten Beweiserhebung im Prozessrecht keine Stütze findet (vgl. Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 86 Rn. 64; BVerfG, B.v. 26.6.2002 – 1 BvR 670/91 – BVerfGE 105, 279 = juris Rn. 99; BVerwG, U.v. 11.2.2014 – 8 C 49.12 – ZOV 2014, 109 = juris Rn. 26). Eine Verletzung der Aufklärungspflicht oder des rechtlichen Gehörs scheidet auch dann aus, wenn nicht die in der Begründung des Gerichts genannten, aber andere Gründe des Verfahrensrechts die beantragte Beweiserhebung ausschließen (OVG NW, B.v. 2.1.2020 – 19 A 183/18.A – juris Rn. 12 ff.; HessVGH, B.v. 10.7.2007 – 7 UZ 422/07.A – juris Rn. 18; BVerwG, U.v. 16.3.1994 – 11 C 48.92 – NVwZ 1994, 1095 – juris Rn. 21; Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 86 Rn. 64). Dem Beteiligten muss durch eine im Ergebnis untragbare Ablehnung die Möglichkeit abgeschnitten worden sein, auf die Tatsachengrundlage des Gerichts durch die gewünschte Beweiserhebung einzuwirken (NdsOVG, B.v. 16.12.2004 – 8 LA 262/04 – juris Rn. 5; Kautz in Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 5. Aufl. 2021, § 138 VwGO Rn. 13; Dahm NVwZ 2000, 1385).
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Liegen bereits Gutachten oder sachverständige Stellungnahmen zu einer entscheidungserheblichen Tatsache vor, steht es nach § 98 VwGO, § 412 Abs. 1 ZPO im Ermessen des Tatsachengerichts, ob es zusätzliche Sachverständigengutachten oder sonstige sachverständige Stellungnahmen einholt. Dabei kann es sich ohne Verstoß gegen seine Aufklärungspflicht auf Gutachten oder gutachterliche Stellungnahmen stützen, die eine Behörde im Verwaltungsverfahren eingeholt hat. Ein Verfahrensmangel liegt nur dann vor, wenn sich die Einholung eines weiteren Gutachtens wegen fehlender Eignung der vorliegenden Gutachten hätte aufdrängen müssen. Gutachten und fachliche Stellungnahmen sind insbesondere dann ungeeignet, wenn sie grobe, offen erkennbare Mängel oder unlösbare Widersprüche aufweisen, wenn sie von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgehen, wenn Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde oder der Unparteilichkeit des Gutachters besteht, ein anderer Sachverständiger über neue oder überlegenere Forschungsmittel oder größere Erfahrung verfügt oder wenn das Beweisergebnis durch substantiierten Vortrag eines der Beteiligten oder durch eigene Überlegungen des Gerichts ernsthaft erschüttert wird (vgl. BVerwG, B.v. 3.2.2010 – 7 B 35.09 – juris Rn. 12; B.v. 27.3.2013 – 10 B 34.12 – NVwZ-RR 2013, 620 = juris Rn. 4). Ein Beweisantrag, der auf die Vernehmung eines sachverständigen Zeugen gerichtet ist (§ 98 VwGO i.V.m. § 414 ZPO), muss neben der Behauptung dessen besonderer Sachkunde im Einzelnen substantiiert darlegen, welche kraft seiner besonderen Sachkunde wahrgenommenen Tatsachen er bekunden soll (BVerwG, B.v. 19.12.2012 – 10 B 28.12 – juris Rn. 4 m.w.N.).
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Die für die Ermittlung der Höhe der Entschädigung von auf behördliche Anordnung getöteten Tieren einschlägigen gesetzlichen Vorschriften (§ 16 Abs. 1 TierGesG, Art. 4 Satz 1 AGTierGesG) sehen ausdrücklich eine behördliche Schätzungsbefugnis vor, die zunächst grundsätzlich von einem beamteten Tierarzt auszuüben ist. Wenngleich – worauf bereits das Verwaltungsgericht hingewiesen hat – die Schätzung des beamteten Tierarztes hinsichtlich ihrer tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen gerichtlich voll überprüfbar ist (vgl. BVerwG, U. v. 20.1.2005 – 3 C 15.04 – NVwZ-RR 2005, 446), impliziert die gesetzliche Schätzungsbefugnis, dass der Gesetzgeber hinsichtlich des Ergebnisses der Ermittlung des gemeinen Werts Unschärfen bewusst in Kauf nimmt. Eine solche Schätzung stellt grundsätzlich eine zulässige Vollzugserleichterung dar und entbindet die Beklagte davon, den gemeinen Wert des jeweiligen getöteten Tieres durch ein Sachverständigengutachten exakt ermitteln zu müssen (vgl. auch BVerwG, U.v. 14.12.2017 – 9 C 11.16 – BVerwGE 161, 119 Rn. 27 zur Schätzung der ortsüblichen Nettokaltmiete bei im Eigentum des Zweitwohnungssteuerpflichtigen stehenden Wohnungen).
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c) Dies zugrunde gelegt ist gegen die Ablehnung des gestellten Beweisantrags unter Berücksichtigung des Zulassungsvorbringens im Ergebnis rechtlich nichts zu erinnern, da das Zulassungsvorbringen die Erforderlichkeit der Anhörung des benannten sachverständigen Zeugen oder einer (erneuten) Begutachtung nicht darlegt.
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Zur Begründung der Erforderlichkeit der Anhörung des von ihm benannten sachverständigen Zeugen bzw. der Einholung eines Sachverständigengutachtens trägt der Kläger vor, bereits die Beklagte hätte im Rahmen ihrer Amtsermittlungspflicht den Zahlen des sachverständigen Zeugen H. im Einzelnen fachlich nachgehen müssen. Im Amtsermittlungsprozess hätte auch das Verwaltungsgericht dies nachholen müssen und nicht darin eine Ausforschung sehen dürfen. Denn der Kläger dürfe und müsse davon ausgehen, dass der sachverständige Zeuge, der immerhin einen Fachverband führe, tatsächliche Marktwerte ermittelt habe, so dass die Differenz zwischen den von ihm ermittelten Beträgen und den Werten des Veterinäramts einer Aufklärung bedurft hätte. Diese könne der Kläger alleine nicht leisten. Mit den Unterlagen des Herrn H. habe er aber eine ausreichend konkrete Anknüpfungstatsache dafür erbracht, dass die tatsächlichen Tierwerte höher lägen als von der Beklagten angenommen. Die Anhörung des sachverständigen Zeugen hätte im Einzelnen erbracht, dass der gemeine Wert, wie ihn die Beklagte schätzen ließ, nicht an tatsächlichen Marktpositionen orientiert worden sei.
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Dieses Vorbringen ist für sich genommen nicht geeignet, das dem Verwaltungsgericht gemäß § 98 VwGO i.V.m. § 412 Abs. 1 ZPO eingeräumte Ermessen zu einer erneuten Begutachtung zu verdichten. Auch werden keine Hilfstatsachen benannt, aus denen sich die Schlussfolgerung ergeben soll, dass der gemeine Wert höher zu schätzen gewesen wäre.
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Das Zulassungsvorbringen behauptet keine konkreten Leistungs- und Abstammungsdaten der einzelnen Tiere, die von denjenigen abweichen, die die Amtsveterinärin ihrer Schätzung zugrunde gelegt hat (s. UA, Tatbestand S. 2 ff., sowie Entscheidungsgründe S. 7 ff.), und setzt sich mit Letzteren auch in keiner Weise auseinander. Wenn der Kläger ausführt, dies könne er nicht leisten, ist dies nicht nachvollziehbar, da ihm als Landwirt und Mitglied eines Zuchtverbands diese Daten zu den in seinem Eigentum stehenden Tieren bekannt sein müssen. Soweit die Zulassungsbegründung auf „Unterlagen des Herrn H.“ verweist, mit denen der Kläger „eine ausreichend konkrete Anknüpfungstatsache dafür erbracht habe, dass die tatsächlichen Tierwerte höher lägen“ als von der Beklagten angenommen, legt er solche Unterlagen nicht vor und benennt sie nicht konkret. Es ist im Berufungszulassungsverfahren nicht Aufgabe des Senats, aus den Akten Anknüpfungstatsachen oder Erkenntnisse herauszusuchen, die den Standpunkt des Rechtsmittelführers stützen könnten. Da der Kläger im erstinstanzlichen Verfahren einzig eine E-Mail des benannten sachverständigen Zeugen H. an die Amtsveterinärin vom 21. November 2019 vorgelegt hat, wird davon ausgegangen, dass das Zulassungsvorbringen sich hierauf bezieht. In dieser E-Mail führt Herr H. hinsichtlich sieben der streitgegenständlichen Rinder gegenüber den Schätzungen der Amtsveterinärin höhere Schätzwerte an und erläutert, diese seien „aufgrund der derzeitigen Auktionspreise auf den Zuchtviehmärkten sowie der Abstammungen“ ermittelt worden. Es wird allerdings nicht näher spezifiziert, welche Märkte und Marktpreise sowie welche Abstammungsdaten hinsichtlich der einzelnen Rinder konkret zugrunde gelegt wurden und ob auch weitere Parameter wie das Alter, die Eiweißleistung der Milchkühe, die Trächtigkeit oder das Gewicht der Kälber Berücksichtigung gefunden haben. Ob Herr H. seiner Beurteilung hinsichtlich der jeweiligen Tiere andere Schätzungsgrundlagen zugrunde gelegt hat als die Amtsveterinärin, bleibt unklar. Es kann daher aufgrund des Zulassungsvorbringens nicht festgestellt werden, ob und inwieweit der Schätzung zugrunde zu legende Ausgangs- und Anknüpfungstatsachen einer weiteren Aufklärung bedurft hätten. Mit dem seitens der Amtsveterinärin bzw. der Beklagten angewandten, im angegriffenen Urteil erläuterten und für rechtmäßig befundenen Schätzungsverfahren setzt der Kläger sich ebenfalls nicht auseinander.
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Dass die vom Verwaltungsgericht im angegriffenen Urteil herangezogenen sachverständigen Schätzungen des gemeinen Wertes der Tiere durch die beamtete Tierärztin nicht in sachgerechter Weise durchgeführt worden oder sonst nicht nachvollziehbar oder unvertretbar wären, weil ihnen unrichtige Tatsachen oder Maßstäbe zu Grunde gelegt worden, wesentliche Tatsachen außer Acht gelassen oder sonstige Erfahrungssätze verletzt worden wären, ist daher nicht dargelegt. Im Hinblick darauf, dass es für die Schätzung von Werten regelmäßig an einer mathematisch exakten, zwingend nur ein einziges Ergebnis als richtig ausweisenden Methode fehlt und die Schätzung ein und desselben Gegenstandes durch verschiedene Schätzer deshalb eine gewisse Bandbreite von Ergebnissen zur Folge haben kann (OVG Bbg., U.v. 29.1.2004 – 4 A 20/00 – juris Rn. 71), genügt es hierfür nicht, lediglich einen von einer bereits vorliegenden sachverständigen Schätzung abweichenden Betrag zu nennen, ohne diesen durch die Angabe des bei der Ermittlung angewandten Verfahrens oder zumindest der zugrunde gelegten „Ausgangs- und Anknüpfungstatsachen” nachvollziehbar zu machen oder sich konkret mit der bereits vorliegenden anderweitigen Schätzung auseinanderzusetzen.
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Nach alldem ist das Zulassungsvorbringen nicht geeignet, das dem Verwaltungsgericht gemäß § 98 VwGO i.V.m. § 412 Abs. 1 ZPO eingeräumte Ermessen zu einer (erneuten) Begutachtung zu verdichten. Mangels Angabe hinreichend konkreter Anknüpfungstatsachen ist eine Verpflichtung des Verwaltungsgerichts zur Anhörung des benannten sachverständigen Zeugen ebenfalls nicht dargelegt.
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1.3. Soweit das Zulassungsvorbringen geltend macht, der Anhörung des sachverständigen Zeugen hätte es auch deshalb bedurft, weil aufzuklären gewesen wäre, ob dieser brutto oder netto geschätzt habe, und es sei für den Klägerbevollmächtigten überraschend gewesen, dass das Verwaltungsgericht unkritisch von einer Brutto-Schätzung ausgegangen sei, wird vor dem Hintergrund obiger Ausführungen die Entscheidungserheblichkeit eines etwaigen Verfahrensmangels nicht dargelegt.
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Zwar hat Herr H. in seiner E-Mail vom 21. November 2019 angegeben, die genannten Beträge verstünden sich „zuzüglich der gesetzlichen Mehrwertsteuer“, was in der Tat auf die Schätzung von Nettobeträgen hinweist. Allerdings erforderte die bloße Angabe abweichender Schätzwerte ohne die Benennung hinreichend konkreter Ausgangs- und Anknüpfungstatsachen hinsichtlich der einzelnen Tiere und Marktdaten unabhängig von der Frage, ob die Beträge in brutto oder netto angegeben waren, nach der allein maßgeblichen und nach den obigen Ausführungen auch nicht zu beanstandenden Auffassung des Verwaltungsgerichts keine weitere Sachaufklärung. Mangels Entscheidungserheblichkeit kommt es daher auf das Vorliegen eines etwaigen Gehörsverstoßes durch eine geltend gemachte Überraschungsentscheidung ebenfalls nicht an.
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2. Die Berufung ist nicht wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung zuzulassen, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Solche sind anzunehmen, wenn der Rechtsmittelführer einen tragenden Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellt (vgl. BVerfG, B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – NVwZ 2016, 1243 = juris Rn. 16; B.v. 18.6.2019 – 1 BvR 587/17 – BVerfGE 151, 173 = juris Rn. 32 m.w.N.) und dies zugleich Zweifel an der Richtigkeit des Ergebnisses begründet (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – DVBl 2004, 838 = juris Rn. 9).
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Dies ist vorliegend nicht gegeben. Aus obigen Ausführungen zur Ablehnung des Beweisantrags (s.o. 1.2.) ergibt sich zugleich, dass eine Fehlerhaftigkeit der behördlichen Schätzung weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO entsprechend dargelegt ist.
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3. Die Rechtssache weist schließlich auch weder besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) noch eine grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) auf.
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3.1. Soweit der Kläger geltend macht, die Schätzung der Tierwerte sei schwierig, so dass besondere tatsächliche Schwierigkeiten die Rechtssache prägten, führt dies nicht zur Zulassung der Berufung. Besondere tatsächliche Schwierigkeiten i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO entstehen bei einer Rechtssache durch einen besonders unübersichtlichen und/oder einen schwierig zu ermittelnden Sachverhalt. Keine besonderen tatsächlichen Schwierigkeiten bestehen daher regelmäßig bei Sachverhalten, die sich durch Beweiserhebung zuverlässig klären lassen (Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124 Rn. 33).
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Wenngleich das Ergebnis der streitgegenständlichen Schätzung nicht im Sinne eines „Vollbeweises“ ermittelt werden kann, ist sie im Hinblick auf die tatsächlichen Grundlagen und die Frage der fachlichen Vertretbarkeit einer Beweiserhebung zugänglich (vgl. BVerwG, U. v. 20.1.2005 – 3 C 15/04 – NVwZ-RR 2005, 446; OVG Bbg., U.v. 29.1.2004 – a.a.O. – juris Rn. 68). Im Übrigen ist – wie ausgeführt – nicht dargelegt, dass sich dem Verwaltungsgericht eine weitere Aufklärung aufdrängen musste.
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3.2. Die klägerseits aufgeworfene Frage, ob auch bei steuerlich pauschalierenden Landwirten lediglich die Netto-Werte ersatzfähig sind, verleiht der Rechtssache weder eine grundsätzliche Bedeutung noch birgt sie besondere rechtliche Schwierigkeiten.
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Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, wenn sie eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage aufwirft, die klärungsbedürftig sowie für den Rechtsstreit entscheidungserheblich ist und eine über die einzelfallbezogene Rechtsanwendung hinausgehende Bedeutung hat (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124 Rn. 36). Besondere rechtliche Schwierigkeiten i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO weist eine Rechtssache auf, wenn das Zulassungsvorbringen gegen das erstinstanzliche Urteil Rechtsfragen von solcher Schwierigkeit aufwirft, dass sie sich wegen ihrer Komplexität nicht im Zulassungsverfahren klären lassen. Keine grundsätzliche Bedeutung und besonderen rechtlichen Schwierigkeiten weist eine Rechtssache auf, wenn sich die rechtlichen Fragen ohne Weiteres aus dem Gesetz beantworten lassen oder in der Rechtsprechung geklärt sind (vgl. BayVGH, B.v. 21.12.2021 – 23 ZB 17.2446 – juris Rn. 65 m.w.N.).
28
Dies ist vorliegend der Fall. Die aufgeworfene Frage lässt sich in Anwendung der gesetzlichen Vorschriften ohne Weiteres beantworten und ist im Übrigen in der Rechtsprechung geklärt. Nach § 16 Abs. 4 Satz 3 TierGesG (vormals § 67 Abs. 4 Satz 3 TierSG) werden bei der Festsetzung der Entschädigung Steuern nicht berücksichtigt. Diese Regelung ist eindeutig (vgl. zu § 67 Abs. 1 Satz 1 TierSG BVerwG, B.v. 5.12.1997 – 3 B 172.97 – Buchholz 418.6 TierSG Nr. 16; BVerwG, B.v. 6.6.2014 – 3 B 58.13 – BeckRS 2014, 53411).
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 GKG und entspricht dem bezifferten erstinstanzlichen Klageantrag.
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Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).