Inhalt

VGH München, Beschluss v. 30.08.2023 – 23 C 23.1045
Titel:

Erfolglose PKH-Beschwerde: Artgerechte Haltung von Hunden

Normenketten:
VwGO § 166
ZPO § 114 Abs. 1 S. 1
TierSchG § 15 Abs. 2, § 16a Abs. 1 S. 2 Nr. 2
TierSchHuV § 4
Leitsätze:
1. Beamteten Tierärzten kommt die Rolle eines unabhängigen Sachverständigen zu, denen in Bezug auf die art- und bedürfnisgerechte Unterbringung, Ernährung und Pflege eines Tieres sowie der Einschätzung, ob in Ermangelung dessen eine erhebliche Vernachlässigung vorliegt, eine vorrangige Beurteilungskompetenz zukommt. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein amtstierärztliches Gutachten ist grundsätzlich ausreichend und maßgeblich dafür, einen Verstoß gegen die Grundpflichten zur artgerechten Tierhaltung nach § 2 TierSchG nachzuweisen. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die von dem beamteten Tierarzt getroffenen Feststellungen können nur durch substantiiertes Vorbringen – etwa durch fachliche Stellungnahmen von Amtstierärzten anderer Körperschaften oder dort beschäftigten Fachtierärzten – in Frage gestellt werden. Schlichtes Bestreiten reicht jedenfalls ebenso wenig aus wie unsubstantiierte, pauschale Behauptungen, Gegenbehauptungen oder (eidesstattliche) Versicherungen des Tierhalters. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
4. Von einem Tierhalter muss erwartet werden dürfen, dass er grundsätzlich ohne den Erlass vollziehbarer behördlicher Einzelanordnungen Willens und in der Lage ist, eine artgerechte Ernährung seiner Tiere sicherzustellen und sich die hierfür erforderlichen Kenntnisse anzueignen. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Hundehaltung, beamteter Tierarzt, Beurteilungskompetenz, Tierhalter, amtsärztliche Gutachten, Prozesskostenhilfe, Herausgabeanspruch, Aujeszkysche Krankheit
Vorinstanz:
VG Würzburg, Beschluss vom 24.05.2023 – W 9 K 23.76
Fundstelle:
BeckRS 2023, 24496

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

1
Die gemäß § 146 Abs. 1 bis 3 VwGO statthafte, form- und fristgerecht (§ 147 Abs. 1 VwGO) eingelegte Beschwerde, für die kein Vertretungszwang (§ 67 Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 2 VwGO) besteht und mit der der Kläger begehrt, ihm unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 24. Mai 2023 für das von ihm unter dem Az. W 9 K 23.76 eingeleitete Klageverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen, ist unbegründet.
2
1. Nach sachgerechter Auslegung (§ 88 VwGO) begehrt der Kläger mit seiner auf Herausgabe der vom Landratsamt am 21. Dezember 2022 im Wege der unmittelbaren Ausführung fortgenommenen Hunde gerichteten Klage die Aufhebung des Bescheids des Landratsamts vom 3. Januar 2023, namentlich soweit darin die Fortnahme und anderweitige pflegliche Unterbringung der beiden auf seinem Anwesen gehaltenen Hunde auf seine Kosten (Nrn. 2 und 3) und das Abhängigmachen der Rückgabe der Tiere von der Vorlage des Nachweises einer den Anforderungen des § 2 TierSchG entsprechenden Haltung (Nr. 5 des Bescheids) verfügt wurde. Darüber hinaus ist Gegenstand der Klage die Verpflichtung des Beklagten zur Herausgabe der Tiere im Rahmen einer Vollzugsfolgenbeseitigung (§ 113 Abs. 1 Satz 3 VwGO).
3
2. Für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe genügt es zwar, dass ein Obsiegen ebenso wahrscheinlich ist wie ein Unterliegen oder die Entscheidung jedenfalls von einer schwierigen, ungeklärten Tatsachen- bzw. Rechtsfrage abhängt (vgl. Wysk in Wysk, VwGO, 3. Aufl. 2020, § 166 Rn. 36; Neumann/Schaks in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 166 Rn. 64 ff.; BVerfG, B.v. 28.1.2013 – 1 BvR 274/12 – NJW 2013, 1727 Rn. 11 ff.). Hinreichende Erfolgsaussichten liegen allerdings dann nicht vor, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen ist, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist oder konkrete und nachvollziehbare Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine Beweisaufnahme mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Antragstellers ausgehen wird (vgl. Wysk, a.a.O. Rn. 37; Neumann/Schaks, a.a.O. Rn. 64, 71; BVerfG, a.a.O. Rn. 14; B.v. 28.10.2019 – 2 BvR 1813/18 – NJW 2020, 534 Rn. 27).
4
Davon ausgehend teilt der Senat die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die Klage zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfegesuchs keine hinreichende Erfolgsaussicht bot (§ 166 VwGO, § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Hieran hat sich bis zur Entscheidung des Senats nichts geändert (vgl. zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt in der Beschwerdeinstanz OVG LSA, B.v. 28.10.2019 – 4 O 238/19 – NJW 2020, 944 Rn. 14; Neumann/Schaks, a.a.O. Rn. 81; Bader in Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth/von Albedyll, VwGO, 8. Aufl. 2021, § 166 Rn. 34).
5
Dem vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Herausgabe der Hunde im Wege eines Folgenbeseitigungsanspruchs bzw. eines öffentlich-rechtlichen Herausgabeanspruchs steht nach Aktenlage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ein Besitzrecht der Behörde aus den voraussichtlich rechtmäßigen Verfügungen über die Fortnahme und anderweitige pflegliche Unterbringung (Nr. 2 des Bescheids) sowie über das Abhängigmachen der Rückgabe der Tiere von der Vorlage eines Nachweises ordnungsgemäßer Haltungsbedingungen (Nr. 5 des Bescheids) entgegen, da der Kläger den behördlicherseits geforderten Nachweis, dass er inzwischen eine Haltung sicherstellen kann, die den Anforderungen des § 2 TierSchG bzw. § 2a TierSchG i.V.m. der Tierschutz-Hundeverordnung (TierSchHuV) entspricht, bislang nicht vorgelegt hat. Darüber hinaus steht dem geltend gemachten Herausgabeanspruch das mit Bescheid des Landratsamts vom 2. Februar 2023 verfügte und für sofort vollziehbar erklärte Haltungs- und Betreuungsverbot von Hunden entgegen; dieses ist auch im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vollziehbar, da das Verwaltungsgericht den hiergegen gerichteten Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz mit rechtskräftigem Beschluss vom 8. Februar 2023 – Az. W 9 S 23.146 – abgelehnt hat (vgl. auch Beschluss des Senats v. 6.4.2023 – 23 C 23.569; OVG SH, B.v. 5.6.2019 – 4 MB 42/19 – juris Rn. 13).
6
Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat zur Begründung zunächst auf die Gründe des erstinstanzlichen Beschlusses Bezug (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Das Verwaltungsgericht hat hierin seinerseits auf die Gründe des im Verfahren W 9 S 23.146 ergangenen Beschlusses vom 8. Februar 2023 verwiesen, in welchem es auf den Seiten 12 ff. begründet hat, dass und weshalb der Kläger den Anforderungen gemäß §§ 2, 2a TierSchG i.V.m. § 8 TierSchHuV zuwidergehandelt hat, wodurch die beiden streitgegenständlichen Hunde erheblich vernachlässigt wurden, so dass die Anordnung der Fortnahme und anderweitigen pfleglichen Unterbringung auf der Grundlage des § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TierSchG gerechtfertigt war.
7
Die vom Kläger insbesondere in der Klagebegründung vom 5. März 2023 vorgetragenen Zweifel an den amtstierärztlichen Feststellungen vermögen deren fachliche Beurteilung, wonach die Haltung der weggenommenen Tiere nicht den tierschutzrechtlichen Anforderungen genügte, die Tiere erheblich vernachlässigt waren und erhebliche Mängel, u.a. im Hinblick auf die Unterbringung, Ernährung und die ärztliche Versorgung, vorlagen, nicht zu erschüttern, geschweige denn zu widerlegen. Im Rahmen des Vollzugs tierschutzrechtlicher Bestimmungen wird, wovon das Verwaltungsgericht zutreffend ausgegangen ist, den beamteten Tierärzten durch das Gesetz die Rolle eines unabhängigen Sachverständigen zugewiesen (vgl. § 15 Abs. 2 TierSchG). Damit kommt ihnen bei der Frage, ob die Anforderungen des § 2 TierSchG, insbesondere in Bezug auf die art- und bedürfnisgerechte Unterbringung, Ernährung und Pflege eines Tieres erfüllt sind, wie auch bei der Einschätzung, ob in Ermangelung dessen eine erhebliche Vernachlässigung i.S.v. § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Halbsatz 1 TierSchG vorliegt, eine vorrangige Beurteilungskompetenz zu (stRspr, vgl. BayVGH, B.v. 7.11.2022 – 23 CS 22.1852; B.v. 25.9.2020 – 23 CS 20.1931 – juris Rn. 27; Metzger in Lorz/Metzger, TierSchG, 7. Aufl. 2019, § 15 Rn. 19 u. § 16a Rn. 41). Ein amtstierärztliches Gutachten ist grundsätzlich ausreichend und maßgeblich dafür, einen Verstoß gegen die Grundpflichten zur artgerechten Tierhaltung nach § 2 TierSchG nachzuweisen (vgl. BVerwG, B.v. 2.4.2014 – 3 B 62.13 – juris Rn. 10; BayVGH, B.v. 25.9.2020 – 23 CS 20.1931 – juris Rn. 27). Etwas anderes kann allenfalls dann gelten, wenn das Gutachten erkennbare Mängel aufweist, etwa von unzutreffenden sachlichen Voraussetzungen ausgeht, unlösbare Widersprüche enthält oder im Hinblick auf die gutachterlich zu treffenden Feststellungen und ihre Herleitung und Begründung unvollständig ist, oder wenn Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde oder Unparteilichkeit des Sachverständigen besteht (vgl. BVerwG, U.v. 6.2.1985 – 8 C 15.84 – BVerwGE 71, 38 – juris Rn. 23; BayVGH, B.v. 25.9.2020 – 23 CS 20.1931 – juris Rn. 27; Lorz/Metzger, TierSchG. 7. Aufl. 2019, § 15 Rn. 18 m.w.N.). Abgesehen davon können die von dem beamteten Tierarzt getroffenen Feststellungen nur durch substantiiertes Vorbringen – etwa durch fachliche Stellungnahmen von Amtstierärzten anderer Körperschaften oder dort beschäftigten Fachtierärzten – in Frage gestellt werden (vgl. NdsOVG, U.v. 20.4.2016 – 11 LB 29/15 – juris Rn. 39; BayVGH, B.v. 25.9.2020 – 23 CS 20.1931 – juris Rn. 27). Schlichtes Bestreiten reicht jedenfalls ebenso wenig aus wie unsubstantiierte, pauschale Behauptungen, Gegenbehauptungen oder (eidesstattliche) Versicherungen des Tierhalters (stRspr, vgl. BayVGH, B.v. 25.9.2020 – 23 CS 20.1931 – a.a.O. m.w.N.; OVG Berlin-Bbg, B.v. 28.6.2010 – 5 S 10.10 – juris Rn. 9).
8
Dies zugrunde gelegt vermag das klägerische Vorbringen die amtstierärztlichen Feststellungen und Einschätzungen nicht in Zweifel zu ziehen.
9
a) Die amtstierärztliche Einschätzung, dass die Fütterung von rohem Fleisch aus der Schweine-Freilandhaltung des Klägers einer artgerechten Ernährung nicht entspricht, ist schlüssig und nachvollziehbar. Dabei kann offen bleiben, ob eine vorwiegend auf rohem Fleisch basierende Ernährung den ernährungsphysiologischen Bedürfnissen von sich noch im Wachstum befindlichen Hunden generell gerecht werden kann. Denn jedenfalls entspricht die Einschätzung der Amtstierärzte, dass bei der Fütterung rohen Schweinefleisches aus einer Freilandhaltung die Möglichkeit der Übertragung der Aujeszkyschen Krankheit bestehe, welche bei Hunden unweigerlich zum Tod führe, da es keine Impfung und Heilung gebe, so dass dieses Fleisch nicht an Hunde verfüttert werden dürfe, der – soweit ersichtlich – einhelligen Meinung in der frei zugänglichen Literatur (vgl. nur https://www.petspremium.de/inspiration/duerfen-hunde-schweinefleisch-fressen/; https://futalis.de/hunderatgeber/ernaehrung/grundlagen/fuetterungstipps/gesunde-lebensmittel/schweinefleisch; https://www.hundeo.com/gesundheit/schweinefleisch-essen/; https://www.petsdeli.de/magazin/hunde/hunde-ernaehrung/kann-man-hunden-schweinefleisch-fuettern, jeweils abgerufen am 29.8.2023). Der Kläger setzt dem auch nichts entgegen. Seiner Ansicht, die Möglichkeit einer Übertragung der Aujeszkyschen Krankheit von rohem Schweinefleisch bestehe nur rein theoretisch, da Deutschland seit 2004 frei von Aujeszky sei und seine Schweine auch keinen Kontakt zu Wildschweinen haben könnten, entgegnet die Amtsveterinärin in ihrem Gutachten vom 30. Januar 2023, die Aujeszkysche Krankheit sei in Deutschland in der Wildschweinpopulation durchaus noch endemisch (laut dem Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit seien konstant rund zehn Prozent der Wildschweine im Freistaat Bayern Träger des Virus) und im Landkreis Hassberge sei der letzte AK-Fall 2021 festgestellt worden. Die klägerische Einschätzung, die von ihm gehaltenen Schweine könnten keinen Kontakt zu Wildschweinen haben, so dass die Gefahr der Übertragung der Aujeszkyschen Krankheit rein theoretischer Natur sei, erscheint nach Aktenlage mehr als zweifelhaft, da die – ausweislich des klägerischen Vortrags auf einem waldartigen Grundstück gehaltenen – Schweine bereits mehrfach ausgebrochen waren. Zwar ist das Gelände der Schweine grundsätzlich mit einem Elektrozaun gesichert, allerydings genügte dieser bei der behördlichen Kontrolle am 21. Dezember 2022 ausweislich des hierüber gefertigten Ergebnisprotokolls nicht den Anforderungen an einen untergrabsicheren Schutzzaun und war nicht stromführend. Zudem musste nach Einschätzung des Amtsveterinärs aufgrund des Phänotyps mancher Ferkel davon ausgegangen werden, dass Wildschweine zwischenzeitlich Eintritt in das Gehege hatten. Im Übrigen kann der Erreger auch durch Gegenstände übertragen werden und standen ausweislich des Ergebnisprotokolls bei der Kontrolle am 21. Dezember 2022 einsatzbereite und leicht zugängliche Vorrichtungen für eine Reinigung und Desinfektion der Schuhe an den Ein- und Ausgängen des Geheges nicht zur Verfügung (vgl. § 4 Abs. 1 i.V.m. Anl. 4 Abschnitt I Nr. 1 e) Schweinehaltungshygieneverordnung).
10
Soweit der Kläger ausführt, selbst wenn das Veterinäramt die Fütterung von rohem Schweinefleisch untersagen sollte, sei dies kein Grund für eine anderweitige Unterbringung der Hunde, weil er in diesem Fall seine Hunde eben mit Rindfleisch oder wie auch immer das Veterinäramt es für „richtig“ halte füttern würde, wird hiermit zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine ordnungsgemäße Ernährung nachgewiesen. Denn der Kläger beharrt zugleich weiterhin vehement darauf, er habe „bei der Haltung seiner Hunde, obwohl er keinerlei Erfahrung bezüglich Hundehaltung hatte, nichts falsch gemacht“, und rohes Schweinefleisch stelle jedenfalls in Verbindung mit Wachsmaisstärke in Bioqualität und einer zusätzlichen Calciumquelle die optimale Ernährung für die Hunde dar. Dies ist insbesondere mit Blick darauf, dass ein junger Hund aus dem Besitz des Klägers aufgrund ungeklärter Ursache plötzlich verstorben war und der nachvollziehbaren Erläuterung der Amtsveterinäre zur möglichen Übertragung der Aujeszkyschen Krankheit insbesondere bei der vorliegenden Freilandhaltung der Schweine des Klägers schlichtweg nicht nachvollziehbar. Das Beharren auf seiner ursprünglichen, fachlich nicht vertretbaren Ansicht zur Ernährung offenbart eine wenig ausgeprägte Einsichtsfähigkeit in eigenes Fehlverhalten sowie eine weiterhin unzureichende Sachkunde hinsichtlich des Haltens von Hunden und lässt daher das Bekunden des Klägers, er würde auf behördliche Anordnung hin dann eben Rindfleisch füttern, aus derzeitiger Sicht wenig glaubhaft erscheinen. Von einem Tierhalter muss im Übrigen auch erwartet werden dürfen, dass er grundsätzlich ohne den Erlass vollziehbarer behördlicher Einzelanordnungen nach § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TierSchG Willens und in der Lage ist, eine artgerechte Ernährung seiner Tiere sicherzustellen und sich die hierfür erforderlichen Kenntnisse anzueignen.
11
b) Die Behauptung des Klägers, der Pflegezustand der Hunde sei sehr gut gewesen, sie hätten keine Kletten gehabt und das Fell sei nicht verfilzt gewesen, widerspricht den – auch bildlich – dokumentierten amtstierärztlichen Feststellungen. Danach war dieser Zustand bei einem der Hunde bereits bei mehreren Kontrollen zwischen dem 11. Oktober und 21. Dezember 2022 festgestellt und der Kläger mit Schreiben vom 13. Oktober 2022 auf den mäßigen Pflegezustand des Hundes hingewiesen worden. Der schriftlichen Aufforderung der Behörde vom 24. November 2022, den Hund unverzüglich in einen ordentlichen Pflegezustand zu bringen, indem die Verfilzungen und Verklebungen zu entfernen und das Fell erforderlichenfalls stellenweise zu scheren sei, kam der Kläger offensichtlich nicht (erfolgreich) nach, da ausweislich des amtstierärztlichen Gutachtens vom 22. Dezember 2022 bei der Fortnahme am 21. Dezember 2022 beide Hunde im Fell Verfilzungen mit Kletten zeigten. Die Amtsveterinärin verweist in ihrem Gutachten vom 30. Januar 2023 darauf, dass das verfilzte und mit Kletten durchsetzte Fell seine Wärmespeicherfunktion nicht erfüllen konnte. Wenn der Kläger meint, Pyrenäenberghunde betrieben ihre Fellpflege vollkommen selbständig, mag dies in der ursprünglichen Haltungsform als Herdenschutzhund grundsätzlich zutreffen; der Kläger verkennt dabei allerdings den amtstierärztlich festgestellten Pflegezustand der Hunde, welcher dokumentiert, dass sie unter den vorgefundenen Haltungsbedingungen zu einer ausreichenden Fellpflege offensichtlich über Wochen hinweg eben gerade nicht in der Lage waren, so dass Handlungsbedarf seitens des Halters bestand. Daher vermag auch sein Vortrag, er habe das sieben Hektar große, waldartige Grundstück inzwischen von Kletten befreit, für sich genommen noch keine künftig art- und verhaltensgerechte Pflege nachzuweisen, zumal der Kläger – wie ausgeführt – der im Vorfeld der Wegnahme erlassenen behördlichen Anordnung vom 24. November 2022 nicht nachgekommen war.
12
c) Nicht zu beanstanden ist auch die amtstierärztliche Einschätzung, dass das mit Stroh ausgelegte Kälberiglu den Anforderungen an eine tierschutzgerechte Unterbringung gemäß §§ 2 Nr. 1, 2a TierSchG i.V.m. § 4 TierSchHuV nicht gerecht wird.
13
Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 TierSchHuV muss im Freien gehaltenen Hunden eine Schutzhütte zur Verfügung stehen, die, sofern sie nicht beheizbar ist, aus wärmedämmendem Material hergestellt sein muss, so dass die Hunde den Innenraum mit ihrer Körperwärme warm halten können. Diese Anforderungen erfüllt das Kälberiglu nicht. Des Weiteren muss gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 TierSchHuV auch außerhalb der Hütte ein witterungsgeschützter, schattiger und wärmegedämmter Liegeplatz, der weich oder elastisch verformbar ist, vorhanden sein, da die Hunde wählen können müssen, ob sie die Hütte oder den Liegeplatz nutzen (Hirt/Maisack/Moritz/Felde, § 4 TierSchHuV Rn. 1a f.). Auch dies war den amtstierärztlichen Feststellungen zufolge nicht der Fall (vgl. Gutachten v. 30.1.2023).
14
Ob den Hunden, wie der Kläger vorträgt, tatsächlich – insbesondere auch während der behördlicherseits zumindest in der Vergangenheit festgestellten Zeiten längerer Abwesenheit des Klägers (Wohnsitzabmeldung nach Großbritannien zum 5.4.2022 sowie nach Grönland zum 24.10.2022) – zwei Garagen im Stallgebäude sowie ein Wintergarten mit Fußbodenheizung zur Verfügung stehen, zu denen sie selbständig ungehinderten Zugang haben, erscheint nach Aktenlage zweifelhaft. Auch war eine behördliche Anfrage nach einer Betreuungsperson für die Tiere in Zeiten der Abwesenheit des Klägers vom 13. Oktober 2022 unbeantwortet geblieben und konnte der Kläger bei seiner Festnahme am 20. Dezember 2022 der Polizei keine Person benennen, die sich um die Hunde kümmern könne. Bei den behördlichen Kontrollen am 11. Oktober, 9. November und 23. November 2022 wurde jeweils niemand angetroffen und die Tiere befanden sich allein auf dem Grundstück. Dass der Kläger, wie er vorträgt, 24 Stunden am Tag und sieben Tage die Woche vor Ort sei und sich in Vollzeit um seine Hunde kümmere, war mithin zumindest in der Vergangenheit nicht feststellbar und ist mit den angeführten Wohnsitzabmeldungen nicht zu vereinbaren. Eine diesbezügliche Veränderung der Umstände hätte der Kläger daher im Klageverfahren substantiiert und glaubhaft darzulegen. Eine Rückgabe fortgenommener und anderweitig pfleglich untergebrachter Tiere an den Halter kann erst erfolgen, wenn dieser die Sicherstellung einer mangelfreien (d.h. in allen Punkten den Anforderungen des § 2 TierSchG entsprechenden) Tierhaltung nachgewiesen hat (st.Rspr, vgl. BayVGH, U.v. 30.1.2008 – 9 B 05.3146, 9 B 06.2992 – juris Rn. 25; B.v. 21.4.2016 – 9 CS 16.539 – juris LS 3 und Rn. 27; B.v. 21.6.2023 – 23 ZB 23.100 – juris Rn. 10; ebenso Hirt in Hirt/Maisack/Moritz/Felde, TierSchG, 4. Auflage 2023, § 16a Rn. 32).
15
Der amtstierärztlichen Feststellung, der Kläger habe den Kot im Hauptaufenthaltsbereich der Hunde nicht täglich entfernt, wie § 8 Abs. 2 Nr. 4 TierSchHuV dies fordert, tritt er ebenfalls nicht substantiiert entgegen. Die Amtstierärzte stellten dem Gutachten vom 22. Dezember 2022 zufolge bei der Wegnahme am 21. Dezember 2022 herumliegende Kothaufen in unterschiedlichen Aggregatszuständen im Aufenthaltsbereich der Hunde fest.
16
d) Die mangelnde Hygiene und die Defizite bei der Pflege mögen die festgestellte massive Giardien-Infektion, die zu hochgradigem und länger anhaltendem Durchfall bei den streitgegenständlichen Hunden geführt hat, begünstigt haben. Jedenfalls wurde der ausweislich des amtstierärztlichen Gutachtens vom 22. Dezember 2022 bereits im Zeitpunkt der Fortnahme und anderweitigen Unterbringung bestehende Durchfall der Hunde vom Kläger nach eigenem Bekunden nicht bemerkt. Das klägerische Bestreiten der bereits zum Zeitpunkt der Fortnahme bestehenden Durchfallerkrankung ist vor dem Hintergrund der Feststellungen des Amtstierarztes und des Berichts des Tierheims, in dem die Hunde untergebracht waren, vom 28. Dezember 2022 unsubstantiiert. Hinzu kommt, dass bei der behördlichen Kontrolle am 9. Februar 2023 festgestellt wurde, dass der Kläger wieder drei Hunde hielt, die unter Durchfall litten (s. Bericht über die Kontrolle am 9.2.2023 nebst Fotos). Der erforderlichen tierärztlichen Behandlung wurden die Hunde nicht zugeführt, so dass der Kläger nicht ausreichend für die Gesundheit der Hunde Sorge getragen hat (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 TierSchHuV). Auf ein subjektives Verschulden seitens des Tierhalters kommt es hierbei nicht an. Zwar führt der Kläger aus, dass mindestens 20% der Haushunde mit steigender Tendenz Giardienbefall aufwiesen, welcher oft ohne sichtbare klinische Symptome bleibe. Allerdings verlief die Infektion vorliegend gerade nicht symptomlos und sind junge Tiere bei übermäßiger Schädigung der Darmmucosa in der Verdauung beeinträchtigt und nicht in der Lage, wichtige Nährstoffe aufzunehmen (amtstierärztliches Gutachten v. 30.1.2023). Da – wie ausgeführt – auch nach der Wegnahme der streitgegenständlichen Hunde erneut Hunde mit einer offenbar unbehandelten Durchfallerkrankung auf dem Grundstück des Klägers festgestellt wurden, kann nach Aktenlage auch nicht mit hinreichender Sicherheit davon ausgegangen werden, dass in der klägerischen Hundehaltung künftig eine tierärztliche Behandlung entsprechender Erkrankungen gewährleistet ist.
17
e) Soweit der Kläger der Einschätzung des Amtsveterinärs einer mangelhaften Sozialisierung mit dem Einwand entgegentritt, besonders der ältere Hund sei Fremden und Eindringlingen gegenüber sehr abweisend und verteidige sein Revier und seine Herde mit lautem Gebell, stellt er lediglich seine eigene Einschätzung derjenigen der Amtsveterinäre gegenüber, ohne sich substantiiert und überzeugend hiermit auseinanderzusetzen.
18
In dem amtstierärztlichen Gutachten vom 29. Dezember 2022 wird ausgeführt, die Mitarbeiter des Tierheims berichteten auch eine Woche nach Beginn der dortigen Unterbringung, während derer sie sich bemüht hätten, langsam und ohne Druck eine Beziehung aufzubauen, weiterhin insbesondere bei dem jungen Hund von Angst und Stresssymptomen schon bei vorsichtiger Annäherung. Den Beobachtungen des Amtstierarztes zufolge habe sich das Verhalten im Vergleich zur ersten Begutachtung unmittelbar zu Beginn der Unterbringung kaum verändert. Erneut hätten beide Tiere eine mangelnde Sozialisierung gezeigt, welche sich in Unsicherheit im Umgang mit fremden Menschen und Situationen, Ahnungslosigkeit und Überforderung in Bezug auf Spiel- oder Annäherungsangebote äußere. Spiel als eine der wichtigsten Verhaltensweisen im Verhaltensrepertoire von Jungtieren scheine ihnen gänzlich unbekannt zu sein. Sämtliche Faktoren, die bei erschreckten aber sozialisierten Hunden griffen (Anwesenheitszeit, Angebot von Leckerlies, Aufforderung zum Spiel) seien ergebnislos gewesen. Insbesondere der jüngere Hund sei unfähig gewesen, unbekannte Reize oder Personen stressfrei annehmen zu können.
19
Vor diesem Hintergrund ist die amtstierärztliche Einschätzung, es sei deutlich geworden, dass das unmittelbar nach der Fortnahme und Unterbringung am 22. Dezember 2022 gezeigte Verhalten nicht in der ungewohnten Umgebung, den Einflüssen der Wegnahme oder den Rasseeigenschaften begründet war, sondern die beiden Hunde ausgeprägtes Deprivationsverhalten zeigten, nachvollziehbar. Demnach zeigten beide Tiere übermäßige Angst und Unsicherheit, was auf mangelnde Sozialisierung und fehlende Coping-Strategien im Umgang mit Umweltreizen schließen lasse. Durch die ständige Angst und den Stress im Kontakt mit neuen Personen und Ereignissen sowie ungewohnten Reizen seien die Tiere einem andauernden Leiden ausgesetzt und hätten, insbesondere der ältere Hund, womöglich schon irreversible Schäden erlitten (Gutachten der Amtsveterinärin v. 30.1.2023).
20
f) Diese Feststellungen rechtfertigen die Bewertung, dass die Fortnahme und anderweitige Unterbringung auf der Grundlage des § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TierSchG auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch gerechtfertigt ist und bislang keine in jeder Hinsicht ordnungsgemäße Haltung der Tiere nachgewiesen wurde. Auf die übrigen aufgeworfenen Fragen, insbesondere ob den Hunden stets ausreichend frisches Wasser zur Verfügung stand und steht, kommt es daher nicht entscheidend an.
21
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Anders als das Prozesskostenhilfeverfahren erster Instanz ist das Beschwerdeverfahren in Prozesskostenhilfesachen kostenpflichtig. Eine Streitwertfestsetzung ist entbehrlich, weil gemäß Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG eine Festgebühr anfällt. Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 127 Abs. 4 ZPO nicht erstattet.
22
Diese Entscheidung ist nach § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.