Titel:
Hinreichende Differenzierung bei der Gewährung von Billigkeitsleistungen für Dienstleistungs- und Einzelhandelsunternehmen
Normenketten:
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2, Nr. 3, § 124a Abs. 4 S. 4
GG Art. 3 Abs. 1
Leitsätze:
1. Eine Differenzierung des Richtliniengebers anhand der Art eines Unternehmens und der sich daraus ergebenden Auswirkungen einer Betriebsschließung auf die Betriebskosten verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
2. Aus dem Sozialstaatsprinzip ergibt sich zugunsten der von einer Pandemie schwer getroffenen Wirtschaft nur die staatliche Pflicht zu einem Ausgleich, dessen nähere Gestaltung weitgehend dem Gesetzgeber überlassen bleibt. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ist einem streitgegenständlichen Bescheid zu entnehmen, dass der Antragsteller aus der Sicht der Behörde die Voraussetzungen für eine indirekte Betroffenheit nach der Richtlinie über die Gewährung von Dezemberhilfe nicht erfüllt, dann darf das Verwaltungsgericht davon ausgehen, dass der Antragsteller in diesem Zusammenhang etwaig für ihn günstige Tatsachen von sich aus vortragen wird und das Gericht nicht von sich aus Ermittlungen anstellen oder entsprechende Hinweise erteilen muss. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Dezemberhilfe, Hinreichende Differenzierung bei der Gewährung von Billigkeitsleistungen für Dienstleistungs- und Einzelhandelsunternehmen, Richtlinie für die Gewährung außerordentlicher Wirtschaftshilfe des Bundes für Dezember 2020, coronabedingte Einbußen, sachliche Differenzierungsgründe, Überbrückungshilfe, Amtsaufklärungspflicht, Billigkeitsleistungen, Willkürverbot, indirekte Betroffenheit
Vorinstanz:
VG Regensburg, Urteil vom 19.05.2023 – RO 16 K 21.1294
Fundstelle:
BeckRS 2023, 24494
Tenor
I. Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 19. Mai 2023 – RO 16 K 21.1294 – wird abgelehnt.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 149.310,58 € festgesetzt.
Gründe
1
Mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt die Klägerin ihre vor dem Verwaltungsgericht erfolglose Klage auf Verpflichtung der Beklagten, ihr unter Aufhebung des Bescheids vom 7. Juni 2021 die beantragte Dezemberhilfe in Höhe von 149.310,58 € zu gewähren, weiter. Mit diesem Bescheid hat die Beklagte die Gewährung einer Dezemberhilfe abgelehnt, den Bescheid vom 13. Januar 2021 über eine Abschlagszahlung in Höhe von 50.000 € zurückgenommen und den zu erstattenden Betrag auf 50.000 € festgesetzt.
2
Mit der fristgerecht beantragten Zulassung der Berufung gegen das klageabweisende Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 19. Mai 2023 und der fristgerecht eingereichten Begründung für den Zulassungsantrag macht die Klägerin ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), besondere rechtliche und tatsächliche Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) sowie die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) geltend.
3
Die Beklagte ist dem Zulassungsantrag entgegengetreten.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die vorgelegten Gerichts- und Behördenakten verwiesen.
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Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor bzw. sind bereits nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 genügenden Weise dargelegt.
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Das Verwaltungsgericht hat zur Begründung des Urteils ausgeführt, dass die Klägerin keinen Anspruch auf die beantragte Dezemberhilfe habe, weil sich auf der Grundlage der aus der einschlägigen Zuwendungsrichtlinie ergebenden Verwaltungspraxis kein Anspruch ergebe. Die Klägerin sei nicht antragsberechtigt im Sinne der Ziffer 2.1) der Richtlinie über die Gewährung von Dezemberhilfe, weil sie nicht direkt betroffen sei. Sie habe ein Einzelhandelsunternehmen betrieben und sei daher nicht direkt von den Schließungsanordnungen aufgrund der Beschlüsse von Bund und Ländern vom 28. Oktober, 25. November und 2. Dezember 2020 betroffen gewesen. Sie sei auch nicht indirekt von den Schließungsanordnungen betroffen gewesen. Die Klägerin habe selbst nicht vorgetragen, das sie mindestens 80% ihrer Umsätze mit direkt von den genannten Maßnahmen betroffenen Unternehmen erzielt habe. Schließlich sei sie auch nicht über Dritte betroffen gewesen (vgl. Ziffer 2.1 b) cc) der Richtlinie). Auch das Vorliegen dieser Voraussetzungen sei weder erkennbar noch von der Klägerin ausreichend dargelegt. Die dargestellte Beschränkung der Antragsberechtigung stelle auch eine durch sachbezogene Gesichtspunkte gerechtfertigte und damit jedenfalls nicht willkürliche Ab- und Eingrenzung der maßgeblichen Zuwendungsmaßstäbe dar. Bei der November- und Dezemberhilfe handle es sich um ein Instrument, das spezifisch eine Betroffenheit durch die genannten politischen Beschlüsse voraussetze. Dies unterscheide die Dezemberhilfe von anderen Instrumenten und Programmen der Corona-Wirtschaftshilfe, die ohne Bezug auf bestimmte einschränkende Maßnahmen oder konkrete politische Beschlüsse an coronabedingte Einbußen anknüpften. Der abweichende Charakter der Dezemberhilfe zeige sich nicht zuletzt darin, dass hierbei abweichend von den übrigen Instrumenten der Corona-Wirtschaftshilfe ein anteiliger Ersatz von Umsätzen stattfinde, wohingegen ansonsten die Leistungen in aller Regel auf den (anteiligen) Ersatz bestimmter Fixkosten beschränkt seien. Dieser besondere Charakter der November- und Dezemberhilfe sei eine sachliche und willkürfreie Erwägung, die es rechtfertige, auch hinsichtlich der Antragsberechtigung entsprechend zu differenzieren. Die streng formal und ausschließlich an die Schließungsanordnung anknüpfende Differenzierung werde auch dadurch gerechtfertigt, dass nicht im Rahmen der Dezemberhilfe Antragsberechtigten andere Billigkeitsleistungen bzw. spezielle branchenspezifische Regelungen zur Verfügung gestanden hätten.
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In ihrem Zulassungsvorbringen differenziert die Klägerin bereits nicht nach den einzelnen von ihr angeführten Zulassungsgründen. Soweit ihr Vorbringen den genannten Zulassungsgründen der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils, der rechtlichen und tatsächlichen Schwierigkeiten sowie der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugeordnet werden kann, ergibt sich Folgendes:
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1. Die Berufung ist nicht wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils zuzulassen. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen dann, wenn nach dem Vortrag des Rechtsmittelführers gegen dessen Richtigkeit gewichtige Gesichtspunkte sprechen. Davon ist immer dann auszugehen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und wenn sich nicht ohne nähere Prüfung die Frage beantworten lässt, ob die Entscheidung möglicherweise im Ergebnis aus einem anderen Grund richtig ist (BVerfG, B.v. 7.10.2020 – 2 BvR 2426.17 – juris Rn. 34; BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – juris Rn. 9). Der Rechtsmittelführer muss konkret darlegen, warum die angegriffene Entscheidung aus seiner Sicht im Ergebnis falsch ist. Dazu muss er sich mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts konkret auseinandersetzen und im Einzelnen dartun, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese Annahmen ernstlichen Zweifeln begegnen (Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124a Rn. 62 f.). Solche ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils legt die Klägerin nicht dar.
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1.1 Die Klägerin bringt zunächst vor, dass die Selbstbindung der Verwaltung ihre Grenzen dort habe, wo eine Vergabepraxis wesentlich Gleiches ungleich behandle. Im Rahmen der Vergabepraxis sei kein Grund ersichtlich, weshalb die Klägerin als Einzelhandelsunternehmen anders behandelt worden sei als die im Zuge des Lockdowns bereits zum 2. November 2020 geschlossenen Branchen. Der Vergabebehörde hätte es somit oblegen, die de facto hinsichtlich der Corona-Ausgangssituation und deren Folgen gleichbetroffenen Branchen zueinander gleich zu behandeln, insbesondere unter dem Aspekt, dass Betriebe wie der der Klägerin „Knall auf Fall“ zum 16. Dezember 2020 geschlossen worden seien. Die vom Verwaltungsgericht herausgearbeitete eingeschränkte gerichtliche Überprüfungsmöglichkeit führe dazu, dass trotz massiver Ungleichbehandlung von wesentlich gleich zu behandelnden Branchen die Ungleichbehandlung dann als gerechtfertigt angesehen werde, wenn nur die einzelnen Branchen für sich genommen gleichbehandelt würden.
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Mit diesem Vorbringen zieht die Klägerin die Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils nicht ernsthaft in Zweifel. Soweit die Klägerin meint, das Verwaltungsgericht habe lediglich darauf abgestellt, ob die Beklagte die im Rahmen der Dezemberhilfe antragsberechtigten Unternehmen gleich behandelt habe, aber nicht geprüft, ob die Ungleichbehandlung wesentlich gleich zu behandelnder Branchen gerechtfertigt gewesen sei, trifft dies schon in der Sache nicht zu. Das Verwaltungsgericht hat zwar zunächst geprüft, ob die Klägerin entsprechend der Vergabepraxis der Beklagten Anspruch auf die beantragte Dezemberhilfe hätte und dies verneint. Daran anschließend hat das Verwaltungsgericht weiter geprüft (UA S. 12 bis 16), ob die die Grundlage der Verwaltungspraxis bildende Richtlinie die Antragsberechtigten bzw. die Zuwendungsmaßstäbe willkürlich ab- bzw. eingrenzt und ist zum Ergebnis gekommen, dass dies nicht der Fall ist. Dem Zulassungsverbringen lässt sich nicht entnehmen, dass die vom Verwaltungsgericht genannten Differenzierungsgründe nicht sachgerecht wären bzw. eine wesentliche Gleichheit zwischen den Unternehmen, die antragsberechtigt nach der Richtlinie über die Gewährung von Dezemberhilfe waren, und solchen, die Überbrückungshilfe III beantragen konnten, bestünde.
11
Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet es, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Er gilt sowohl für ungleiche Belastungen als auch für ungleiche Begünstigungen. Verboten ist auch ein gleichheitswidriger Ausschluss, bei dem eine Begünstigung dem einen Personenkreis gewährt, dem anderen aber vorenthalten wird. Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber/Richtliniengeber, die von gelockerten, auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können. Differenzierungen bedürfen stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Art. 3 Abs. 1 GG gebietet nicht nur, dass die Ungleichbehandlung an ein der Art nach sachlich gerechtfertigtes Unterscheidungskriterium anknüpft, sondern verlangt auch für das Maß der Differenzierung einen inneren Zusammenhang zwischen den vorgefundenen Verschiedenheiten und der differenzierenden Richtlinie, der sich als sachlich vertretbarer Unterscheidungsgesichtspunkt von hinreichendem Gewicht erweist. Der Gleichheitssatz ist dann verletzt, wenn eine Gruppe von Richtlinienadressaten oder -betroffenen im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können (vgl. dazu allgemein BVerfG, B.v. 21.6.2011 – 1 BvR 2035/07- juris Rn. 63 f.). Gemessen daran ist die von der Klägerin behauptete Vergleichbarkeit von Einzelhandelsunternehmen und den von der Dezemberhilfe begünstigten Unternehmen nicht gegeben. Zum einen lassen sich die Unternehmen hinsichtlich der zeitlichen Betroffenheit von Schließungsanordnungen unterscheiden. Die Einstellung der Geschäftsbetriebe auf Grundlage der Beschlüsse vom 28. Oktober 2020, 25. November 2020 und 2. Dezember 2020 erfolgte bereits ab dem 2. November 2020 und damit gegenüber dem 16. Dezember 2020 rund sieben Wochen früher. Der sachliche Differenzierungsgrund in Form der zeitlich längeren und dadurch intensiveren Betroffenheit ist nicht zu beanstanden. Zudem richtet sich die Dezemberhilfe an Dienstleistungsunternehmen, während die nach dem Beschluss vom 13. Dezember 2020 untersagten Tätigkeiten den Verkauf von Gütern und Waren betreffen. Die Kostenstruktur von Dienstleistungsunternehmen unterscheidet sich von den Einzelhandelsunternehmen wie dem der Klägerin. Die Differenzierung erfolgt also anhand der Art des Unternehmens und der sich daraus ergebenden Auswirkungen einer Betriebsschließung auf die Betriebskosten. Während bei Dienstleistungsunternehmen die Wertschöpfung durch die Erbringung der DienstIeistung erfolgt, ist beim Einzelhandel die Differenz zwischen dem Einkaufs- und Verkaufspreis der Ware das wertschöpfende Element. In rechtlicher Hinsicht geht es darum, ob es für die durch die Richtlinie bzw. die darauf beruhende Verwaltungspraxis hervorgerufene Ungleichbehandlung bei dem Bemessungsmaßstab für die Vergabe von Wirtschaftshilfen (Umsatz einerseits und Fixkosten andererseits) einen hinreichenden, nicht willkürlichen Differenzierungsgrund gibt. Als solche hat das Verwaltungsgericht das Anknüpfen an politische Beschlüsse (die auch tatsächlich mit einer unterschiedlichen Belastung einhergehen, s.o.) anstelle von konkreten coronabedingten Einbußen angeführt. Die Klägerin hat nicht substantiiert dargelegt, dass der vom Verwaltungsgericht unter Berufung auf die Motivation des Zuwendungsgebers genannte Differenzierungsgrund willkürlich ist. Zudem bestehen auch für Einzelhandelsunternehmen – worauf auch das Verwaltungsgericht abgestellt hat – staatliche Unterstützungsprogramme zum Ausgleich für die ab dem 16. Dezember 2020 angeordneten Betriebsschließungen (Überbrückungshilfe III, erweiterte Abschreibungsmöglichkeiten).
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1.2 Auch der Einwand der Klägerin, die Ungleichbehandlung der verschiedenen Branchen ergebe sich aus der ermessensfehlerhaften Anwendung der Vergabevorschriften, das Verwaltungsgericht hätte zumindest in Analogie oder ergänzender Auslegung der Vergabevorschriften die Klägerin als direkt Betroffene behandeln müssen, führt nicht zur Zulassung der Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils.
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Da nur der Zuwendungsgeber bzw. die Beklagte die Interpretationshoheit über die maßgeblichen Verwaltungsvorschriften besitzen (BayVGH, B.v. 14.10.2022 – 22 ZB 22.212 – juris Rn. 23; B.v. 8.11.2021 – 6 ZB 21.1889 – juris Rn. 20), scheidet eine analoge Ausdehnung der durch die Richtlinie über die Dezemberhilfe vorgegebenen Antragsberechtigung auf die Klägerin aus. Für einen atypischen, im Rahmen der Ermessensausübung zu würdigenden Fall, also eine Konstellation, die zwar mit der der Dezemberhilfe zugrundeliegenden und in der Verwaltungspraxis auch so umgesetzten Zwecksetzung vergleichbar ist, bei der aber die Beklagte ohne sachlichen Grund und entgegen Art. 3 Abs. 1 GG die Gewährung der Dezemberhilfe gleichheitswidrig verweigert, trägt die Klägerin nichts Substantiiertes vor. Insbesondere reicht der Verweis darauf, dass die Klägerin verpflichtet war, aufgrund des Bund-Länder-Beschlusses vom 13. Dezember 2020 ihr Geschäft zum 16. Dezember 2020 zu schließen, nicht aus, weil sachlicher Anknüpfungspunkt und Zweckrichtung der Dezemberhilfe die Beschlüsse vom 28. Oktober, 25. November und 2. Dezember 2020 und die spezifische Betroffenheit des Dienstleistungssektors waren.
14
Soweit das Vorbringen der Klägerin so zu verstehen sein sollte, dass sie einen Anspruch auf Dezemberhilfe habe, weil die ihrer Ansicht nach gleichheitswidrige Regelung auf die zu Unrecht ausgeschlossenen Branchen erstreckt werden müsse, scheitert dieser Anspruch schon daran, dass die Richtlinie über die Gewährung von Dezemberhilfe nicht gleichheitswidrig ist, weil es sachliche Differenzierungsgründe dafür gibt, dass diese Billigkeitsleistung nur den von den Beschlüssen vom 28. Oktober, 25. November und 2. Dezember 2020 betroffenen Unternehmen zugute kommt (s.o.). Ein derartiger Anspruch ergibt sich auch nicht aus der sog. ausgleichspflichtigen Inhaltsbestimmung des Eigentums, weil es nach dem Grundsatz der Rechtmäßigkeit der Entschädigung nicht zulässig ist, der Klägerin kraft Richterrechts einen Ausgleichsanspruch zu gewähren (BGH, U.v. 11.5.2023 – III ZR 41/22 – juris Rn. 48; U.v. 17.3.2022 – III ZR 79/21 – juris Rn. 59). Aus dem Sozialstaatsprinzip ergibt sich zugunsten der von einer Pandemie schwer getroffenen Wirtschaft nur die staatliche Pflicht zu einem Ausgleich, dessen nähere Gestaltung weitgehend dem Gesetzgeber überlassen bleibt. Dabei kommt dem Gesetzgeber ein erheblicher Gestaltungsspielraum zu, der sich daran zu orientieren hat, für grundsätzlich wirtschaftliche Unternehmen die Folgen der Pandemie abzumildern (BGH, U.v. 11.5.2023 – III ZR 41/22 – juris Rn. 53). Dass der Richtliniengeber diesen Gestaltungsrahmen mit der Gewährung von Überbrückungshilfe für Einzelhandelsunternehmen nicht eingehalten hätte, ist nicht vorgetragen und auch nicht ersichtlich.
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1. 3 Auch der Einwand der Klägerin zur ihrer indirekten Betroffenheit führt nicht zur Zulassung der Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils. Entgegen der Auffassung der Klägerin musste das Verwaltungsgericht ihr keine Hinweise zu der ihr obliegenden Darlegungs- bzw. Beweislast bezüglich des Vorliegens der Voraussetzungen von Ziffer 2.1 b) cc) der Richtlinie über die Gewährung von Dezemberhilfe erteilen. Im Ergebnis macht die Klägerin mit diesem Vorbringen eine Verletzung der Amtsaufklärungspflicht des § 86 Abs. 1 VwGO und damit einen Verfahrensmangel geltend. Die Anforderungen an die Darlegung einer Aufklärungsrüge (vgl. BVerwG, B.v. 30.6.2021 – 9 B 46.20 – juris Rn. 17) erfüllt die Klägerin mit den angeführten Gesichtspunkten jedoch nicht. Insbesondere legt sie nicht dar, weshalb sich dem Verwaltungsgericht eine weitere Sachaufklärung, ohne dass in der mündlichen Verhandlung seitens der Klägerin darauf hingewirkt worden wäre, hätte aufdrängen müssen. Die Voraussetzungen für eine „indirekte Betroffenheit“ waren der Klägerin aus der Richtlinie über die Gewährung von Dezemberhilfe bekannt. Dem streitgegenständlichen Bescheid ist zu entnehmen, dass die Beklagte die Voraussetzungen für eine indirekte Betroffenheit der Klägerin nicht als gegeben ansah. Das Verwaltungsgericht durfte daher davon ausgehen, dass die Klägerin in diesem Zusammenhang etwaig für sie günstige Tatsachen von sich aus vortragen würde und musste nicht von sich aus Ermittlungen anstellen oder der Klägerin entsprechende Hinweise erteilen.
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1. 4 Aus dem Hinweis der Klägerin, dass in höherer Instanz die Frage zu prüfen sei, inwieweit die Klägerin aufgrund der besonderen Umstände der Richtlinien- und Gesetzgebung des Pandemiefalls und der erhaltenen Leistung auf den Behalt der Leistung vertrauen durfte, lassen sich keine substantiierten Anhaltspunkte dafür entnehmen, weshalb die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zum mangelnden Vertrauensschutz der Klägerin rechtlich zweifelhaft sein sollten.
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2. Die Berufung ist auch nicht wegen rechtlicher und tatsächlicher Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zuzulassen. Zur hinreichenden Darlegung dieses Zulassungsgrundes sind konkrete entscheidungserhebliche tatsächliche bzw. rechtliche Fragen in fallbezogener Auseinandersetzung mit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts zu benennen. Es muss dargelegt werden, bei welchen Fragen und aus welchen Gründen die Rechtssache besondere rechtliche oder tatsächliche Schwierigkeiten aufweist. Die Klägerin führt nicht aus, weshalb diese Voraussetzungen im konkreten Fall vorliegen und in welcher Hinsicht das vorliegende Verfahren in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht das durchschnittliche Maß erheblich überschreitende Schwierigkeiten aufweist.
18
3. Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegt ebenfalls nicht vor. Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache zu, wenn eine Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung des Rechtsstreits erheblich, bislang höchstrichterlich oder obergerichtlich nicht geklärt ist und über den entscheidenden Einzelfall hinaus bedeutsam ist; die Frage muss ferner im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts einer berufungsgerichtlichen Klärung zugänglich sein und dieser auch bedürfen (BayVGH, B.v. 16.5.2023 – 22 ZB 22.1468 – juris Rn. 36).
19
Vorliegend fehlt es schon an der Formulierung einer grundsätzlich klärungsbedürftigen Rechtsfrage. Die Klägerin erwähnt zwar, dass die vorliegende Rechtssache grundsätzliche Bedeutung habe, weil es über den Einzelfall hinaus für mehrere tausend Textileinzelhandelsbetriebe sowohl für die Vergangenheit als auch für die Zukunft ähnliche Konstellationen gebe, eine konkrete Rechtsfrage ist damit aber nicht formuliert. Auch die behauptete Notwendigkeit der Überprüfung der angefochtenen Entscheidung lässt die konkrete rechtliche Fragestellung offen. Soweit die Klägerin grundsätzlich geklärt haben möchte, ob die Gewährung von Dezemberhilfe auch auf Einzelhandelsunternehmen, insbesondere Textilhandelsgeschäfte auszudehnen sei, besteht jedenfalls keine Klärungsbedürftigkeit. Die Fragestellung lässt sich ohne weiteres aufgrund der ober- und höchstgerichtlichen Rechtsprechung zu Billigkeitsleistungen und dem Willkürverbot (BVerfG, B.v. 21.6.2011 – 1 BvR 2035/07- juris Rn. 63 f.; BayVGH, B.v. 8.11.2021 – 6 ZB 21.2023 – juris Rn. 19; OVG NW, B.v. 26.3.2021 -13 B 363/21.NE – juris Rn. 91 ff. m.w.N.) beantworten. Auch liegt inzwischen eine obergerichtliche Entscheidung speziell zur Ausdehnung der Dezemberhilfe auf Einzelhandelsgeschäfte vor (OVG MV, B.v. 9.2.2023 – 2 LZ 598/22 OVG – juris). Eine grundsätzliche Bedeutung scheidet auch deshalb aus, weil Leistungen aus dem Hilfsprogramm der Dezemberhilfe nicht mehr beantragt werden können.
20
Eine grundsätzliche Klärungsbedürftigkeit ergibt sich auch nicht im Hinblick auf eine etwaige Hinweispflicht des Verwaltungsgerichts bezüglich der Vorlage von Belegen zum Nachweis der „indirekten Betroffenheit“. Ob das Verwaltungsgericht seiner Aufklärungs- bzw. Hinweispflicht nachgekommen ist, ist eine Frage des konkreten Einzelfalls und einer grundsätzlichen Klärung nicht zugänglich. Dies gilt auch, soweit die Klägerin die Schutzwürdigkeit ihres Vertrauens auf den Behalt der Abschlagszahlung als grundsätzlich klärungsbedürftig bezeichnet.
21
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.
22
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).