Inhalt

VGH München, Beschluss v. 24.08.2023 – 22 ZB 22.1282
Titel:

Gewerbeuntersagung wegen länger zurückliegender Straftaten

Normenketten:
GewO § 35 Abs. 1, § 57
BayVwVfG Art. 49
Leitsätze:
Ob länger zurückliegende Straftaten einem Gewerbetreibenden im Rahmen eines Untersagungsverfahrens nach § 35 GewO oder eines Widerrufsverfahrens bezüglich einer Reisegewerbekarte noch entgegengehalten werden dürfen, ist auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung aller einschlägigen Umstände zu beantworten, in die namentlich die Art und die Umstände der Delikte sowie die Entwicklung der Persönlichkeit des Betroffenen einzubeziehen sind. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2. Haben gewichtige Umstände zum Verlust der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit geführt, bedarf es aussagekräftiger, zweifelsfrei erwiesener und über eine lange Zeit hinweg vorliegender Tatsachen, um einen erforderlichen tiefgreifenden Einstellungs- und Verhaltenswandel und damit eine Wiedererlangung der Zuverlässigkeit bejahen zu können. Ein bloßes rechtstreues Verhalten über einen längeren Zeitraum nach Begehung von Straftaten bis zum Bescheiderlass genügt nicht, weil ein rechtstreues Verhalten als solches von jedem Gewerbetreibenden ohne Weiteres erwartet werden kann. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Widerruf einer Reisegewerbekarte, Gewerbeuntersagung, gewerberechtliche Zuverlässigkeit, Berücksichtigung länger zurückliegender Straftaten, Unzuverlässigkeit, Gesamtwürdigung
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 25.11.2021 – M 16 K 20.5362
Fundstellen:
GewA 2023, 464
LSK 2023, 24490
BeckRS 2023, 24490

Tenor

I. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 25. November 2021 – M 16 K 20.5362 – wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 20.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
1
Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger seine in erster Instanz erfolglose Klage auf Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 21. September 2020 weiter.
2
Die Beklagte erteilte dem Kläger am 23. Dezember 1993 einer Reisegewerbekarte für das Anbieten bestimmter Leistungen, u.a. Teppichreinigung. Zudem zeigte der Kläger bei der Beklagten im Jahr 2009 die Ausübung des Gewerbes „Verkauf von Eisenwaren u.a.“ an.
3
Mit Urteil des Amtsgerichts München vom 22. November 2016, rechtskräftig seit dem 30. November 2016, wurde der Kläger wegen Steuerhinterziehung in 11 tatmehrheitlichen Fällen, davon in drei Fällen in Tatmehrheit mit einem weiteren Fall der Steuerhinterziehung, gemäß § 369 Abs. 2, § 370 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AO, §§ 52, 53 StGB zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde, sowie einer Geldstrafe von 360 Tagessätzen verurteilt. Dem lag nach den Feststellungen des Amtsgerichts zugrunde, dass der Kläger in den Jahren 2008 – 2013 gewerbliche Einkünfte und Umsätze aus Schrott- und Metallverkäufen, Abbrucharbeiten und Entsorgungsleistungen erzielte, seinen Schrotthandel aber in den Jahren 2007 – 2009 unter dem Namen seines Sohnes ausübte und zudem Geschäftsvorfälle über Strohleute abwickelte. Entgegen seiner Verpflichtung gab der Kläger nach den Feststellungen für das Jahr 2008 keine Einkommensteuererklärung sowie für die Jahre 2008 – 2011 und 2013 keine Gewerbesteuererklärung ab. Darüber hinaus machte er in seinen Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 2009 und 2010, in seinen Einkommensteuererklärungen für die Jahre 2009 – 2013 sowie in seiner Gewerbesteuererklärung für das Jahr 2012 unrichtige Angaben. Dadurch verkürzte er Steuern in Höhe von insgesamt 170.532 €. Bereits zuvor war der Kläger mit Urteil des Amtsgerichts München vom 13. März 2008, rechtskräftig seit dem 2. April 2008, wegen Steuerhinterziehung zu einer Geldstrafe von 200 Tagessätzen verurteilt worden.
4
Mit Bescheid vom 21. September 2020 widerrief die Beklagte die Reisegewerbekarte des Klägers (Nr. 1) und untersagte ihm die Ausübung des angemeldeten Gewerbes (Nr. 2) sowie die Tätigkeit als Vertretungsberechtigter einer Gewerbetreibenden oder als mit der Leitung eines Gewerbebetriebs beauftragte Person sowie die Ausübung jeglicher selbstständigen Tätigkeit im stehenden Gewerbe (Nr. 3). Der Bescheid wurde damit begründet, dass der Kläger wegen der der strafrechtlichen Verurteilung zugrunde liegenden Tatsachen als gewerberechtlich unzuverlässig einzustufen sei.
5
Der Kläger erhob Klage gegen den Bescheid zum Verwaltungsgericht München, das diese mit Urteil vom 25. November 2021 abwies. Das Urteil wurde dem Kläger am 22. April 2022 zugestellt. Mit am 23. Mai 2022, einem Montag, beim Verwaltungsgericht eingegangenem Schriftsatz beantragte der Kläger die Zulassung der Berufung und begründete den Antrag mit Schriftsatz vom 22. Juni 2022, am gleichen Tag beim Verwaltungsgerichtshof eingegangen.
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Die Beklagte ist dem Antrag entgegengetreten.
7
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
8
Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg, da sich aus den Darlegungen in der Antragsbegründung des Klägers (vgl. zu deren Maßgeblichkeit § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO) nicht ergibt, dass einer der Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 VwGO vorliegt.
9
1. Der Kläger macht ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO geltend, die jedoch nicht vorliegen.
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Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils bestehen dann, wenn nach dem Vortrag des Rechtsmittelführers gegen die Richtigkeit des Urteils gewichtige Gesichtspunkte sprechen. Davon ist immer dann auszugehen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und wenn sich nicht ohne nähere Prüfung die Frage beantworten lässt, ob die Entscheidung möglicherweise im Ergebnis aus einem anderen Grund richtig ist (BVerfG, B.v. 7.10.2020 – 2 BvR 2426/17 – juris Rn. 15; BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – juris Rn. 9). Der Rechtsmittelführer muss konkret darlegen, warum die angegriffene Entscheidung aus seiner Sicht im Ergebnis falsch ist. Dazu muss er sich mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts konkret auseinandersetzen und im Einzelnen dartun, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese Annahmen ernstlichen Zweifeln begegnen (Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124a Rn. 62 f.).
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1.1 Der Kläger trägt in Bezug auf die gewerberechtliche Zuverlässigkeit nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO vor, das Verwaltungsgericht habe nicht hinreichend berücksichtigt, dass die dem Urteil zugrunde liegenden Vorfälle zuletzt im Jahr 2013 stattgefunden hätten. Es hätte berücksichtigt werden müssen, dass er sich seitdem nichts mehr habe zuschulden kommen lassen. Die Bewährungszeit sei abgelaufen. Seit 2013 sei er insbesondere seinen steuerlichen Verpflichtungen vollständig nachgekommen. Sein Betrieb sei derzeit wirtschaftlich gesund; Steuerrückstände bestünden nicht. Etwaige Forderungen würden mit einer Ratenzahlung bedient. Verbindlichkeiten aus dem der Verurteilung zugrunde liegenden Sachverhalt bestünden nicht mehr. Er sei den Obliegenheiten nach § 295 InsO nachgekommen und habe die Restschuldbefreiung erlangt. Der Kläger habe die damalige strafrechtliche Verurteilung, auch im Hinblick auf eine schwere Erkrankung seiner Verlobten und eine schwere Erkrankung seines Sohnes, zum Anlass genommen, von da an gewissenhaft auf die Einhaltung der Rechtsordnung Bedacht zu nehmen. Er sei seitdem weder steuerrechtlich noch strafrechtlich oder ordnungswidrigkeitenrechtlich in Erscheinung getreten. Er habe einen Steuerberater beauftragt, seine Angelegenheiten zu betreuen.
12
1.1.1 Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts ist die Beklagte zu Recht von der gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit des Klägers ausgegangen. Nicht das Strafurteil, sondern das Verhalten des Gewerbetreibenden, das zu dem Urteil geführt habe, könne eine Gewerbeuntersagung erfordern. Die Gewerbebehörden und Verwaltungsgerichte müssten sich selbst davon überzeugen, welcher Sachverhalt einer Strafe zugrunde gelegen habe – wobei sie in der Regel von den tatsächlichen Feststellungen des Strafgerichts ausgehen dürften –, und in eigener Verantwortung prüfen, ob die der Bestrafung zugrunde liegenden Tatsachen eine Verneinung der Zuverlässigkeit rechtfertigten. Bei länger zurückliegenden Straftaten habe eine Gesamtwürdigung aller einschlägigen Umstände zu erfolgen. Danach rechtfertige sich die negative Prognose hinsichtlich der gewerberechtlichen Zuverlässigkeit des Klägers aus dem der Verurteilung wegen Steuerhinterziehung zugrunde liegenden Sachverhalt. Es handele sich um einen gewerbebezogenen Rechtsverstoß. Der Kläger sei mit erheblicher krimineller Energie mittels Täuschung und Verschleierung vorgegangen, habe Dritte involviert und in Kauf genommen, dass dem Fiskus ein erheblicher Schaden entstehe. Dieses Verhalten lasse auf einen Charakter des Klägers schließen, der die negative Zukunftsprognose der Beklagten trage, auch wenn seit Begehung der Tat einige Jahre vergangen seien, in denen sich der Kläger nichts mehr habe zuschulden kommen lassen.
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1.1.2 Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung hat der Kläger mit seinem Vortrag nicht begründet.
14
Zwar datiert die dem Bescheid und dem Urteil zugrunde liegende Verurteilung aus dem Jahr 2017; die zugrunde liegenden Taten wurden in den Jahren 2008 – 2013 begangen. Insoweit ist zunächst zu berücksichtigen, dass kein Verwertungsverbot gemäß § 51 Abs. 1 BZRG wegen Tilgungsreife der Verurteilungen gemäß § 45, § 46 BZRG bestand. Die mit Urteil vom 22. November 2016 abgeurteilte Steuerhinterziehung unterliegt gemäß § 46 Abs. 1 Nr. 4 BZRG einer Tilgungsfrist von 15 Jahren.
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Jenseits dessen ist die Frage, ob länger zurückliegende Straftaten einem Gewerbetreibenden im Rahmen eines Untersagungsverfahrens nach § 35 GewO oder eines Widerrufsverfahrens bezüglich einer Reisegewerbekarte noch entgegengehalten werden dürfen, auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung aller einschlägigen Umstände zu beantworten, in die namentlich die Art und die Umstände der Delikte sowie die Entwicklung der Persönlichkeit des Betroffenen einzubeziehen sind (BayVGH, B.v. 5.3.2014 – 22 ZB 12.2174 u.a. – juris Rn. 34; B.v. 2.8.2021 – 22 ZB 21.1302 – juris Rn. 15; B.v. 24.1.2022 – 22 ZB 21.229 – juris Rn. 21).
16
Die Einschätzung des Verwaltungsgerichts ist insoweit nicht zu beanstanden. Art und Umstände der Delikte sprechen hier gegen die Zuverlässigkeit des Klägers: Er hat über einen langen Zeitraum hinweg (2008 bis 2013) unter Ausnutzung einer Strohmannkonstellation und Involvierung Dritter als formelle Geschäftsführer eine Vielzahl steuerrechtlicher Verstöße begangen, und dabei eine nicht unerhebliche kriminelle Energie durch Täuschung und Verschleierungshandlungen an den Tag gelegt (vgl. das Strafurteil des AG München, U.v. 22.11.2016 – 1121 Ls 306 Js 155909/16 – S. 8). Darin manifestiert sich eine ausgeprägte Bereitschaft, die Gebote der Rechtsordnung zu verletzen und die öffentliche Hand um des eigenen Vermögensvorteils willen zu schädigen. Dieses Fehlverhalten betrifft die Rechtstreue und Redlichkeit des Klägers in Bezug auf unmittelbar mit der Gewerbeausübung verbundene steuerliche Pflichten und damit den Kernbereich der Voraussetzungen, die jeder Gewerbetreibende, aber auch jeder Vertretungsberechtigte und jeder (faktische) Betriebsleiter eines Gewerbetreibenden erfüllen muss, um als zuverlässig gelten zu können. Angesichts des Gewichts der Umstände, die in der Höhe der verhängten Strafe zum Ausdruck kommen und zum Verlust der Zuverlässigkeit des Klägers geführt haben, bedürfte es – im maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheiderlasses – aussagekräftiger, zweifelsfrei erwiesener und über eine lange Zeit hinweg vorliegender Tatsachen, um den erforderlichen tiefgreifenden Einstellungs- und Verhaltenswandel und damit eine Wiedererlangung der Zuverlässigkeit durch den Kläger bejahen zu können (vgl. BayVGH, B.v. 5.3.2014 – 22 ZB 12.2174 u.a. – juris Rn. 36). Ein bloßes – hier unterstelltes – rechtstreues Verhalten über einen längeren Zeitraum nach Begehung der Straftaten bis zum Bescheiderlass genügt dafür nicht, weil ein rechtstreues Verhalten als solches von jedem Gewerbetreibenden ohne Weiteres erwartet werden kann. Darüber hinausgehende Umstände hat der Kläger nicht dargelegt. Insbesondere macht er nicht geltend, dass er etwa den durch seine Straftaten verursachten hohen finanziellen Schaden wiedergutgemacht habe. Vielmehr zeigt der Verweis auf die Erfüllung der Obliegenheiten nach § 295 InsO und die Erlangung der Restschuldbefreiung, dass eine vollständige Tilgung der steuerlichen Verbindlichkeiten ihm nicht möglich war.
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1.2 Der Kläger macht weiter geltend, das Verwaltungsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass das öffentliche Interesse im Sinne des Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BayVwVfG gefährdet sei, weil er zur Begehung nicht unerheblicher Straftaten im Zusammenhang mit seinem Gewerbe neige. Dies verfange nicht, da er durch mittlerweile fast zehn Jahre rechtstreue Ausübung des Gewerbes das Gegenteil gezeigt habe.
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1.2.1 Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, die Unzuverlässigkeit eines Reisegewerbetreibenden indiziere die konkrete Gefährdung wichtiger Gemeinschaftsgüter und erfordere damit den Widerruf der Reisegewerbekarte. Nach § 57 Abs. 1 GewO sei die Reisegewerbekarte zwingend zu versagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigten, dass der Antragsteller die für die beabsichtigte Tätigkeit erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitze. Die Vorschrift trage dem erhöhten Schutzbedürfnis der Kunden und Vertragspartner Rechnung; damit seien wichtige Gemeinschaftsgüter betroffen und der Widerruf der Reisegewerbekarte zum Schutz der Allgemeinheit erforderlich. Da der Kläger in Zusammenhang mit seiner gewerblichen Betätigung zur Begehung nicht unerheblicher Straftaten neige, sei ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet.
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1.2.2 Die Ausführungen des Verwaltungsgerichts treffen zu. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann bereits aus dem Fehlen erforderlicher Eignungsvoraussetzungen die Gefährdung des öffentlichen Interesses gefolgert werden (vgl. BVerwG, B.v. 17.8.1993 – 1 B 112.93 – juris Rn. 6 zum Widerruf einer Maklererlaubnis). Ein solcher Fall liegt hier vor. Die in diesem Zusammenhang vom Kläger erhobenen Einwände bezüglich seiner zwischenzeitlichen Rechtstreue betreffen wiederum seine gewerberechtliche Zuverlässigkeit; insoweit kann auf die Ausführungen unter 1.1.2 verwiesen werden.
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1.3 Der Kläger meint zudem, die Gewerbeuntersagung sei unverhältnismäßig. Es hätte berücksichtigt werden müssen, dass die den Versäumnissen zugrunde liegenden Umstände außergewöhnlich gewesen seien und der Kläger diese nunmehr bewältigt habe.
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Das Verwaltungsgericht hat darauf hingewiesen, dass die Beklagte bezüglich des Widerrufs der Reisegewerbekarte zu Recht davon ausgegangen sei, dass das öffentliche Interesse am Widerruf das Interesse des Klägers an der Fortführung seiner selbstständigen Tätigkeit überwiege. Die Gewerbeuntersagung sei nicht unverhältnismäßig, weil nach der Rechtsprechung eine den gesetzlichen Anforderungen des § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO entsprechende Gewerbeuntersagung allenfalls in extremen Ausnahmefällen gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen könne, wofür hier keine Anhaltspunkte ersichtlich seien.
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Mit dieser Argumentation setzt sich der Kläger in seinem Zulassungsvorbringen nicht auseinander. Der pauschale Verweis auf außergewöhnliche Umstände wie Krankheit in der Familie, die er nunmehr bewältigt habe, genügt nicht, um ernstliche Zweifel an der Einschätzung des Verwaltungsgerichts bezüglich der Verhältnismäßigkeit der Behördenentscheidungen zu erwecken.
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2. Der Kläger macht weiterhin besondere tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten der Rechtssache geltend (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).
24
Dies ergebe sich daraus, dass der Kläger sich seit fast zehn Jahren in seinem Gewerbe und privat rechtstreu verhalte. Das Gericht habe nicht hinreichend berücksichtigt, dass der Kläger sich nichts mehr habe zuschulden kommen lassen. Die besondere Schwierigkeit liege in der Abgrenzung, wann ein strafrechtlich verurteilter Gewerbetreibender seine anschließende Rechtstreue ausreichend unter Beweis gestellt habe.
25
Ein Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO liegt insoweit nicht vor. Eine Berufungszulassung wegen besonderer rechtlicher Schwierigkeiten setzt voraus, dass der Rechtsstreit eine in einem Berufungsverfahren klärungsbedürftige und klärungsfähige – nämlich entscheidungserhebliche – Rechtsfrage aufwirft. Klärungsbedürftig ist die Rechtsfrage nur dann, wenn ihre Beantwortung sich nicht ohne weiteres aus dem Gesetz ergibt und sie sich auch nicht auf Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung mithilfe der üblichen Regeln sachgerechter Gesetzesinterpretation beantworten lässt (vgl. BVerwG, B.v. 24.8.1999 – 4 B 72.99 – juris Rn. 7; Happ in Eyermann, VwGO, § 124 Rn. 28; Kraft in Eyermann, VwGO, § 132 Rn. 20). Hier lässt sich die Frage, inwieweit länger zurückliegende Straftaten bei der Beurteilung der gewerberechtlichen Zuverlässigkeit zu berücksichtigen sind, jedoch anhand der dazu vorliegenden Rechtsprechung beantworten (vgl. oben 1.1.2).
26
3. Schließlich trägt der Kläger vor, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung insoweit, als die Frage nach einer negativen Zukunftsprognose aufgrund von viele Jahre zurückliegenden Straftaten, ohne dass es zu neuen Verurteilungen gekommen sei, über den Einzelfall hinaus bedeutsam sei.
27
Auch hierauf kann eine Zulassung der Berufung nicht gestützt werden. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO kommt einer Rechtssache zu, wenn eine vom Kläger zu formulierende Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung des Rechtsstreits erheblich (Klärungsfähigkeit), bislang höchstrichterlich oder obergerichtlich nicht geklärt und über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus bedeutsam ist; die Frage muss ferner im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts einer berufungsgerichtlichen Klärung zugänglich sein und dieser Klärung auch bedürfen (Klärungsbedürftigkeit, vgl. BVerwG, B.v. 16.11.2010 – 6 B 58.10 – juris Rn. 3).
28
Insoweit mangelt es dem Vorbringen schon an einer konkreten Rechts- oder Tatsachenfrage. Selbst wenn man den klägerischen Vortrag an dieser Stelle als ausreichend erachten würde, handelte es sich entsprechend den Ausführungen unter 2. nicht um eine obergerichtlich nicht geklärte Rechtsfrage. Eine Bedeutsamkeit über den Einzelfall hinaus kommt auch schon deshalb nicht in Betracht, weil zur Beantwortung der Frage, inwieweit lange zurückliegende Straftaten bei der Prognose der gewerberechtlichen Zuverlässigkeit zu berücksichtigen sind, eine Einzelfallentscheidung anhand sämtlicher Umstände des konkreten Falles zu treffen ist (s.o. 1.1.2).
29
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung aus § 47, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. den Empfehlungen in Nrn. 54.1, 54.2.1 und 54.2.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Dabei wird hier davon ausgegangen, dass das wirtschaftliche Interesse des Klägers hinsichtlich des Widerrufs der Reisegewerbekarte und der Gewerbeuntersagung identisch ist.
30
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).