Inhalt

VGH München, Beschluss v. 22.08.2023 – 19 CE 23.981
Titel:

Ausweisung eines Ausländers mit minderjährigen Kindern mit deutscher Staatsangehörigkeit 

Normenketten:
AufenthG § 60a Abs. 2 S. 1, Abs. 5, § 81 Abs. 4
VwGO § 106 S. 2, § 161 Abs. 2
BayVwVfG Art. 43 Abs. 2
GG Art. 6
EMRK Art. 8 Abs. 1, Abs. 2
Leitsätze:
1. Eine dem § 81 Abs. 4 AufenthG vergleichbare Fiktionswirkung misst das Gesetz einem (rechtzeitig gestellten) Antrag auf Verlängerung der Geltungsdauer einer Duldung nicht bei. Das Erlöschen der Duldung kann damit nur durch deren Verlängerung vor Ablauf der Geltungsdauer verhindert werden. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ist von einer persönlichen Verbundenheit zwischen ausgewiesenem Elternteil und deutschem Kind auszugehen, ist eine Prognose anzustellen, mit welcher Trennungszeit bei ausländerrechtlichen Maßnahmen zu rechnen wäre. Dabei sind insbesondere die voraussichtliche Dauer des Visumverfahrens und die Auswirkung des Auslandsaufenthalts auf die Familie einzubeziehen. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Erledigung der Hauptsache, Aussetzung der Abschiebung, Bestandskräftige Ausweisung, Aufschiebende Bedingung, Prozessvergleich, Erlöschen der Duldung durch Ablauf der Geltungsdauer, Minderjährige Kinder mit deutscher Staatsangehörigkeit, Einreise und Aufenthaltsverbot infolge Ausweisung, Visumverfahren, Prognose der Trennungsdauer, bestandskräftige Ausweisung, aufschiebende Bedingung, Erlöschen der Duldung, Ablauf der Geltungsdauer, minderjährige deutsche Kinder, Einreise- und Aufenthaltsverbot
Vorinstanz:
VG Regensburg, Beschluss vom 11.05.2023 – RN 9 E 23.694
Fundstelle:
BeckRS 2023, 24480

Tenor

I. Das Verfahren wird eingestellt. Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg vom 11. Mai 2023 (Az. RN 9 E 23.694) ist in den Ziffern I. und II. wirkungslos geworden.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
III. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 1.250,00 EUR festgesetzt.

Gründe

1
Aufgrund der übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Beteiligten bzw. Fiktion der Zustimmung des Antragsgegners gemäß § 161 Abs. 2 Satz 2 VwGO (nach freiwilliger Ausreise des Antragstellers) ist das Verfahren entsprechend § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen und der Beschluss des Verwaltungsgerichts für wirkungslos zu erklären (§ 173 VwGO, § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO).
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Über die Kosten des Verfahrens ist gemäß § 161 Abs. 2 VwGO nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands zu entscheiden. In der Regel entspricht es billigem Ermessen, gemäß dem Grundsatz des § 154 Abs. 1 VwGO dem Beteiligten die Verfahrenskosten aufzuerlegen, der ohne die Erledigung in dem Rechtsstreit voraussichtlich unterlegen wäre.
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Nach diesen Grundsätzen sind die Kosten des Verfahrens dem Antragsteller aufzuerlegen, denn dieser wäre im maßgeblichen Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses mit seinem Antrag nach § 123 VwGO voraussichtlich unterlegen.
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Das Verwaltungsgericht hat das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs zu Recht verneint.
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2.1 Der Antragsteller war nicht mehr im Besitz einer rechtswirksamen Duldung. Die ihm zuletzt bis 15. März 2023 erteilte Duldung ist mit Ablauf des 14. März 2023 gemäß Art. 43 Abs. 2 BayVwVfG durch Zeitablauf erloschen (vgl. BayVGH, U.v. 1.10.2019 – 14 BV 17.1278 u.a. – juris Rn. 21; B.v. 27.2.2019 – 10 CS 19.180 – juris Rn. 14; U.v. 11.10.2016 – 10 BV 15.590 – juris Rn. 16). Dies hatte zur Folge, dass die gegen den Antragsteller verfügte Ausweisung nach Ziffer I.2 des gerichtlichen Vergleichs wirksam und vollziehbar geworden war, woraus die vollziehbare Ausreisepflicht des Antragstellers gemäß §§ 50 Abs. 1, 51 Abs. 1 Nr. 5, 58 Abs. 2 Satz 2 AufenthG resultiert.
6
Der Verlängerungsantrag vom 18. April 2023 vermochte das Erlöschen der Duldung mit Ablauf ihrer Geltungsdauer am 15. März 2023 nicht zu verhindern. Bei der Duldung handelt es nicht um einen Aufenthaltstitel im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 AufenthG (vgl. Dollinger in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 14. Aufl. 2022, AufenthG § 60a Rn. 60), der nach § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG bei Antragstellung auf Verlängerung vor Ablauf der Geltungsdauer vom Zeitpunkt der Antragstellung bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als fortbestehend gilt. Eine – dem § 81 Abs. 4 AufenthG vergleichbare – Fiktionswirkung misst das Gesetz einem (rechtzeitig gestellten) Antrag auf Verlängerung der Geltungsdauer einer Duldung nicht bei. Das Erlöschen der Duldung kann damit nur durch deren Verlängerung vor Ablauf der Geltungsdauer verhindert werden. Ein mehr als einen Monat nach Ablauf der Geltungsdauer gestellter Verlängerungsantrag kann nicht zu einer in diesem Sinne rechtzeitigen Verlängerung führen (was im Übrigen bei verspäteter Antragstellung auf Verlängerung eines Aufenthaltstitels auch nicht der Fall wäre, vielmehr hätte die Ausländerbehörde in einem solchen Fall gemäß § 81 Abs. 4 Satz 3 AufenthG zu entscheiden, ob zur Vermeidung einer unbilligen Härte die Fortgeltungswirkung aufgrund einer Ermessensentscheidung angeordnet wird).
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Nach Ziffer I.2 des Vergleichs wird die Ausweisung unabhängig von der in Ziffer I.1 getroffenen Regelung auch dann wirksam und vollziehbar, wenn die nach den Ziffern II.1 und II.2 erteilte Duldung „bestandskräftig vorzeitig erlischt“ (Alternative 1) oder „bestandskräftig nicht mehr verlängert wird“ (Alternative 2). Diese Regelung ist dahingehend zu verstehen, dass sie auch das Erlöschen der Duldung kraft Gesetzes gemäß Art. 43 Abs. 2 BayVwVfG umfasst. Zwar kann eine gesetzlich eintretende Rechtsfolge nicht in Bestandskraft erwachsen, weil diese Wirkung Verwaltungsakten im Sinne des Art. 35 BayVwVfG vorbehalten ist und diesen wesensmäßig innewohnt. Der Senat hält aber eine Überbetonung des Wortlautes der im Vergleich getroffenen Regelung für unzutreffend. Aufgrund seiner Doppelnatur als Prozessvergleich und verwaltungsrechtlicher Vertrag im Sinne der Art. 54 ff. BayVwVfG unterliegt der Vergleich den allgemein für Rechtsgeschäfte geltenden Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB i.V.m. Art. 62 BayVwVfG (vgl. BVerwG, U.v. 25.4.1996 – 3 C 8.95 – juris Rn. 37; U.v. 28.5.1980 – 7 A 2.79 – juris Rn. 90; VGH BW, U.v. 1.2.2023 – 14 S 370/22 – juris Rn. 157). Auslegungsmaßstab ist damit der objektive Empfängerhorizont. Danach haben die Beteiligten mit der fraglichen Bestimmung eine Regelung für den Fall getroffen, dass rechtlich verbindlich feststeht, dass die Duldung rechtlich nicht mehr existiert. Dabei mögen ausweislich der Formulierung der beiden Tatbestandsalternativen der Vergleichsziffer I.2 die Fallgestaltungen im Vordergrund gestanden haben, dass die Duldung entweder durch Widerruf (§ 60a Abs. 5 Satz 2 AufenthG) erlischt oder eine Ablehnung der Verlängerung bestandskräftig wird, was – wegen der insoweit teilidentischen Rechtswirkungen – die Bestätigung der Verlängerungsversagung durch rechtskräftiges Urteil einschließt. Damit erfassen beide Tatbestandsalternativen ihrem Wortlaut nach jeweils Fälle des Unwirksamwerdens der Duldung aufgrund eines Verwaltungsaktes. Dem steht aber ein Erlöschen der Duldung gemäß Art. 43 Abs. 2 BayVwVfG kraft Gesetzes in der rechtlichen Wirkung gleich, weil auch in einem solchen Falle keine rechtswirksame Duldung mehr besteht mit der Folge, dass die Aussetzung der Abschiebung entfällt, sich die vollziehbare Ausreisepflicht aktualisiert und die Abschiebungsandrohung ohne vorherige Ankündigung zu vollziehen ist (§ 60a Abs. 5 Satz 3 AufenthG). Lediglich für den Fall des Widerrufs regelt § 60a Abs. 5 Satz 4 AufenthG abweichend davon eine Pflicht zur Ankündigung der Abschiebung mit einem zeitlichen Vorlauf von mindestens einem Monat, wenn die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt war (vgl. dazu, dass diese Bestimmung auf den Fall des Erlöschens durch Eintritt einer auflösenden Bedingung keine Anwendung findet: Dollinger in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 14. Aufl. 2022, AufenthG § 60a Rn. 63). Dass die Fallgestaltung des Erlöschens der Duldung kraft Gesetzes infolge des Ablaufs ihrer Geltungsdauer nicht von der Regelung in Ziffer I.2 des Vergleichs erfasst sein sollte, obwohl sie einen vergleichbaren Sachverhalt voraussetzt und mit vergleichbaren Rechtsfolgen verknüpft ist, lässt sich bei Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont nicht feststellen. Nach der Begründung des gerichtlichen Vergleichsvorschlags gemäß § 106 Satz 2 VwGO vom 30. November 2018, den die Beteiligten durch ihre am 7. Dezember 2018 (Antragsgegner) und 11. Dezember 2018 (Antragsteller) beim Verwaltungsgericht eingegangenen Annahmeerklärungen unverändert als gerichtlichen Vergleich abgeschlossen haben, ist Anknüpfungspunkt des Vergleichs die gelebte Vater-Kind-Beziehung des Antragstellers zu seinem Sohn F. Diese bildet zugleich die Grundlage für die dem Antragsteller nach Ziffern II.1 und II.2 des Vergleichs zu erteilende Duldung (Pflege der familiären Lebensgemeinschaft zum Kind). Sollte die Pflege der Vater-Kind-Beziehung zukünftig dergestalt vernachlässigt werden, dass dies zum Entfall der Duldungsvoraussetzungen führt, muss nach der Begründung des gerichtlichen Vergleichsvorschlags (vgl. Vergleichsvorschlag vom 30.11.2018, S. 5 oben) zugleich der Grund entfallen, von einem Vollzug der Ausweisung abzusehen. Daraus geht hervor, dass die Vergleichsbestimmung in Ziffer I.2 eine Regelung für den Fall trifft, dass der Antragsteller nicht mehr über eine (rechtlich wirksame) Duldung verfügt, unabhängig davon, auf welcher rechtlichen Grundlage diese entfallen ist. Zwar knüpft die Begründung an ein Entfallen der Duldungsvoraussetzungen aufgrund einer Vernachlässigung der Pflege der Vater-Kind-Beziehung des Antragstellers zu seinem Sohn F. an. Während somit die Vergleichsregelung die Rechtsfolge an das formale Entfallen der Duldung (als Verwaltungsakt) knüpft, nimmt die Begründung eine materielle Betrachtungsweise ein, indem sie sich auf das Entfallen der Duldungsvoraussetzungen gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG i.V.m. Art. 6 GG und Art. 8 Abs. 1 EMRK bezieht. Dennoch folgt aus Ziffer II.1 Satz 2 des Vergleichs, wonach die Gültigkeitsdauer [der gemäß Satz 1 derselben Ziffer erteilten Duldung] bei weiterem Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen auf Antrag jeweils um ein halbes Jahr verlängert wird, dass die rechtzeitige Antragstellung auf Verlängerung der Duldung vorausgesetzt ist. Durch die solchermaßen in den Vergleich aufgenommene Voraussetzung des weiteren Vorliegens des bzw. der Duldungsgründe nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG ist die Verknüpfung von materiellen Duldungsvoraussetzungen und Antragstellung hergestellt, weil erst die (rechtzeitige) Antragstellung der Ausländerbehörde die Möglichkeit gibt, das weitere Vorliegen der materiellen Duldungsvoraussetzungen zu prüfen und gegebenenfalls die Duldung zu verlängern. Selbst wenn eine Duldung – unabhängig davon, dass ein vorheriger Antrag bei der zuständigen Behörde Sachurteilsvoraussetzung einer auf Duldungserteilung gerichteten Verpflichtungsklage und damit auch eines Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz gemäß § 123 VwGO ist – bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen von Amts wegen erteilt werden muss (in diesem Sinne: Nds.OVG, B.v. 21.3.2021 – 13 ME 75/21 – juris Rn. 6 f. m.V.a. OVG NW, B.v. 24.3.2010 – 18 B 84/10 – juris Rn. 6; Röder in Decker/Bader/Kothe, Migrations- und Integrationsrecht, 15. Ed. Stand 15.4.2023, AufenthG § 60a Rn. 21), wurde durch den abgeschlossenen Vergleich ein Antragserfordernis explizit geregelt und damit für die Beteiligten verbindlich. Danach oblag es dem Antragsteller, rechtzeitig die Verlängerung der Duldung zu beantragen, um den Eintritt der Rechtsfolge der Ziffer I.2 des Vergleichs zu vermeiden. Hierzu bedurfte es – neben der Vorlage des Reisepasses – der Vorlage eines vollständig ausgefüllten Antragsformulars (u.a. mit Wohnraumbescheinigung mit Bestätigung der Meldebehörde), weil erst damit der Ausländerbehörde die Nachprüfung des (weiteren) Vorliegens von Duldungsgründen (u.a. des gemeinsamen melderechtlichen Wohnsitzes des Antragstellers und seiner Kinder) ermöglicht wurde. Dieses Erfordernis war dem Antragsteller auch aufgrund der Vorgehensweise bei den vorangegangenen Duldungsverlängerungen bekannt (vgl. z.B. S. 774, 781, 811, 821, 846, 851, 884, 891, 903 d.A.). Der am 18. April 2023 gestellte Antrag vermochte den Eintritt der Rechtsfolge der Ziffer I.2 des Vergleichs wegen des zwischenzeitlichen Erlöschens der Duldung am 14. März 2023 nicht mehr zu hindern. Demzufolge ist die aufschiebende Bedingung der Ziffer I.1 i.V.m. Ziffer I.2 des Vergleichs mit der Folge der Wirksamkeit und Vollziehbarkeit der Ausweisung eingetreten. Auf einen eventuell abweichenden (tatsächlichen oder mutmaßlichen) Parteiwillen als rein subjektive Erwägung kommt es insoweit mangels entsprechender Anhaltspunkte im Vergleichsvertrag nicht an. 2.2 Dem Antragsteller stand im maßgeblichen Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses auch kein Rechtsanspruch auf Duldung zu. Denn es lagen zugunsten des Antragstellers keine Duldungsgründe gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG mehr vor.
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Gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG ist die Abschiebung eines Ausländers auszusetzen, solange diese aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die geltend gemachte rechtliche Unmöglichkeit der Abschiebung des Antragstellers lag jedoch nicht vor:
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Rechtlich unmöglich i.S.v. § 60a Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 AufenthG ist die Abschiebung, wenn sich im Verhältnis zum Ausländer für die Bundesrepublik Deutschland aus einfachem Gesetzesrecht oder aus Unions-, Verfassungs- bzw. Völkergewohnheitsrecht ein zwingendes Abschiebungsverbot ergibt (vgl. Dollinger in Bergmann/Dienelt, 14. Aufl. 2022, AufenthG § 60a Rn. 24; Röder in Decker/Bader/Kothe, Migrations- und Integrationsrecht, 13. Ed. 15.10.2022, AufenthG § 60a Rn. 32). Der Abschiebung des Antragstellers standen jedoch – wie die mittlerweile erfolgte freiwillige Ausreise des Antragstellers belegt – keine rechtlichen Gründe gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG i.V.m. dem Schutz der Familie und des Privatlebens nach Art. 6 GG, Art. 8 EMRK im Hinblick auf die familiäre Lebensgemeinschaft mit seinen drei minderjährigen Kindern (mit deutscher Staatsangehörigkeit) sowie deren Mutter entgegen.
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Art. 6 GG vermittelt keinen unmittelbaren Anspruch auf Einreise und Aufenthalt im Bundesgebiet. Dies gilt auch für den Nachzug zu berechtigterweise in Deutschland lebenden Familienangehörigen. Allerdings sind die Ausländerbehörden verpflichtet, bei ihren Entscheidungen die bestehenden familiären Bindungen eines Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, zu berücksichtigen und sie entsprechend ihrem Gewicht in den behördlichen Erwägungen zur Geltung zu bringen (vgl. BVerfG, B.v. 10.5.2008 – 2 BvR 588/08 – juris). Ebenso wenig wie Art. 6 GG gewährleistet Art. 8 Abs. 1 EMRK ein Recht des Ausländers, in einen bestimmten Mitgliedstaat einzureisen und sich dort aufzuhalten. Ein Staat ist vielmehr berechtigt, die Einreise von Ausländern in sein Hoheitsgebiet und ihren Aufenthalt dort nach Maßgabe seiner vertraglichen Verpflichtungen zu regeln (Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte – EGMR –, U.v. 18.10.2006 (Üner) Nr. 46410/99 – juris). Maßnahmen im Bereich der Einwanderung können jedoch das Recht auf Achtung des Familienlebens berühren. Eingriffe sind unter den Voraussetzungen des Art. 8 Abs. 2 EMRK statthaft und müssen ein ausgewogenes Gleichgewicht zwischen den gegenläufigen Interessen des Einzelnen und der Gesellschaft herstellen. Dabei ist eine Abwägung nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip durchzuführen (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 30.3.2010 – 1C 8.09 – juris m.w.N. zur Rechtsprechung des EGMR).
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Im Hinblick auf die Schutzwirkungen aus Art. 8 Abs. 2 EMRK ist vorliegend auch zu berücksichtigen, dass der Aufenthalt des Antragstellers im Bundesgebiet bislang auf einer vergleichsweisen Regelung beruhte und unter dem Vorbehalt stand, dass nicht infolge erneuter Strafbarkeit oder Erlöschens der Duldung die aufschiebend bedingten Wirkungen der Ausweisung eintreten. Ein derart rechtlich unsicherer Aufenthalt kann gegen die Eröffnung des Schutzbereichs des Art. 8 Abs. 1 EMRK sprechen (vgl. EGMR, U.v. 16.9.2004 – Ghiban, Nr. 11103/03 – juris, NVwZ 2005, 1046 und U.v. 7.10.2004 – Dragan, Nr. 33743/03 – juris, NVwZ 2005, 1043; jeweils zum Fall des nicht durch einen Aufenthaltstitel gedeckten Aufenthalts).
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Die aufenthaltsrechtlichen Schutzwirkungen aus Art. 6 GG entfalten sich nicht schon aufgrund formalrechtlicher familiärer Bindungen; entscheidend ist vielmehr die tatsächliche Verbundenheit zwischen den Familienmitgliedern (vgl. BVerfG, B.v. 12.5.1987 – 2 BvR 1226/83 – juris Rn. 87; B.v. 8.12.2005 – 2 BvR 1001/04 – juris Rn. 17 ff. m.w.N; B.v. 23.1.2006 – 2 BvR 1935/05 – juris Rn. 16.). Bei der vorzunehmenden Bewertung der familiären Beziehungen verbietet sich eine schematische Einordnung und Qualifizierung als entweder aufenthaltsrechtlich grundsätzlich schutzwürdige Lebens- und Erziehungsgemeinschaft oder Beistandsgemeinschaft oder aber als bloße Begegnungsgemeinschaft ohne aufenthaltsrechtliche Schutzwirkungen, zumal auch der persönliche Kontakt mit dem Kind in Ausübung eines Umgangsrechts unabhängig vom Sorgerecht Ausdruck und Folge des natürlichen Elternrechts und der damit verbundenen Elternverantwortung ist und daher unter dem Schutz des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG steht. Nicht entscheidend ist, ob eine Hausgemeinschaft vorliegt und ob die von einem Familienmitglied erbrachte Lebenshilfe auch von anderen Personen erbracht werden könnte. Der Annahme einer familiären Lebensgemeinschaft steht nicht entgegen, dass ein Elternteil nur ausschnittsweise am Leben teilnimmt und keine alltäglichen Erziehungsentscheidungen trifft. Der spezifische Erziehungsbeitrag eines Elternteils wird durch die Betreuung des Kindes durch den anderen Elternteil nicht entbehrlich. Die Entwicklung eines Kindes wird nicht nur durch quantifizierbare Betreuungsbeiträge der Eltern, sondern auch durch die geistige und emotionale Auseinandersetzung geprägt. Es kommt jedoch darauf an, ob die vorhandenen Kontakte in ihrer Bedeutung für das Verhältnis zum Kind dem auch sonst Üblichen entsprechen und auf diese Weise die Vater-Kind-Beziehung gelebt wird. Erforderlich ist daher, dass der Sorgeberechtigte nach außen erkennbar in ausreichendem Maße Verantwortung für die Betreuung und Erziehung seines minderjährigen Kindes übernimmt (BayVGH, B.v. 17.12.2018 – 10 C 18.2177 – juris Rn. 19; B.v. 28.7.2015 – 10 ZB 15.858 – juris Rn. 5). Es kommt darauf an, ob zwischen dem Ausländer und seinem Kind auf Grund des gepflegten persönlichen Umgangs ein Eltern-Kind-Verhältnis besteht, das von der nach außen manifestierten Verantwortung für die leibliche und seelische Entwicklung des Kindes geprägt ist (VGH BW, U.v. 20.9.2018 – 11 S 240/17 – juris Rn. 80; U.v. 5.8.2002 – 1 S 1381/01 – juris, Rn. 19). Rechtliche Schutzwirkungen entfalten Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 Abs. 1 EMRK nur dann, wenn im konkreten Einzelfall eine tatsächliche Verbundenheit zwischen dem Elternteil und seinem Kind besteht, die eine hinreichende Konstanz der Beziehung erwarten lässt und auf deren Aufrechterhaltung das Kind zu seinem Wohl angewiesen ist (BVerfG, B.v. 5.6.2013 – 2 BvR 586/13 – juris Rn. 14).
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Bei aufenthaltsrechtlichen Entscheidungen, die den Umgang mit einem Kind berühren, ist maßgeblich auch auf die Sicht des Kindes abzustellen und im Einzelfall zu untersuchen, ob tatsächlich eine persönliche Verbundenheit besteht, auf deren Aufrechterhaltung das Kind zu seinem Wohl angewiesen ist. Dabei sind die Belange des Elternteils und des Kindes umfassend zu berücksichtigen. Dementsprechend ist im Einzelfall zu würdigen, in welcher Form die Elternverantwortung ausgeübt wird und welche Folgen eine endgültige oder vorübergehende Trennung für die gelebte Eltern-Kind-Beziehung und das Kindeswohl hätte. In diesem Zusammenhang ist davon auszugehen, dass der persönliche Kontakt des Kindes zu seinen Eltern und der damit verbundene Aufbau und die Kontinuität emotionaler Bindungen zu Vater und Mutter in der Regel der Persönlichkeitsentwicklung des Kindes dienen (vgl. BVerfG, B.v. 9.12.2021 – 2 BvR 1333/21 – juris Rn. 48 m.w.N.). Eine auch nur vorübergehende Trennung kann nicht als zumutbar angesehen werden, wenn das Gericht keine Vorstellung davon entwickelt, welchen Trennungszeitraum es für zumutbar erachtet. Ein hohes, gegen die Aufenthaltsbeendigung sprechendes Gewicht haben die Folgen einer vorübergehenden Trennung insbesondere, wenn ein noch sehr kleines Kind betroffen ist, das den nur vorübergehenden Charakter einer räumlichen Trennung möglicherweise nicht begreifen kann und diese rasch als endgültigen Verlust erfährt (vgl. BVerfG, B.v. 9.12.2021 – 2 BvR 1333/21 – juris Rn. 48 m.w.N.).
14
Gemessen daran ist vorliegend zu berücksichtigen, dass nicht die dauerhafte Trennung der Familienangehörigen, sondern nur die vorübergehende Trennung bis zum Ablauf der Sperrfrist des Einreise- und Aufenthaltsverbots sowie bis zur Erteilung des – zur erneuten Einreise zum Zweck des Familiennachzugs gemäß § 6 Abs. 3 AufenthG trotz der beabsichtigten Einführung der Visafreiheit kosovarischer Staatsangehöriger für den Schengen-Raum ab spätestens 1. Januar 2024 (siehe dazu sogleich) erforderlichen – Visums im Raum stand. Für den Antragsteller bedeutete dies grundsätzlich, dass er – nicht anders als jeder andere ausgewiesene Ausländer – in sein Herkunftsland auszureisen hatte und aufgrund des mit der Ausweisungsverfügung verbundenen befristeten Einreise- und Aufenthaltsverbots gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG erst nach Ablauf der Sperrfrist des § 11 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. Abs. 3 AufenthG und Visumserteilung wieder in das Bundesgebiet zurückkehren darf. Die in Ziffer 2 des Ausweisungsbescheides vom 19. September 2018 auf zwei Jahre festgesetzte, nach der Stellungnahme der Ausländerbehörde vom 5. Mai 2023 bei unveränderter Sachlage nur noch mit einem Jahr zu veranschlagende Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots war Gegenstand des gegen den genannten Bescheid durchgeführten, mit dem durch die Beteiligten abgeschlossenen gerichtlichen Vergleich beendeten Klageverfahrens und ist daher im vorliegenden Verfahren grundsätzlich nicht mehr zu überprüfen. Soweit der Antragsteller die Belange seiner beiden jüngeren, nach Beendigung des Klageverfahrens geborenen Kinder geltend gemacht hatte, wären diese in einem Verfahren zur nachträglichen Aufhebung oder Verkürzung der Frist gemäß § 11 Abs. 4 AufenthG zu prüfen. Dennoch dürfte in der vorliegend vorzunehmenden Abwägung im Rahmen der Zumutbarkeit der tatsächlichen Trennungsdauer die von der Ausländerbehörde in den Blick genommene Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots von einem Jahr (einschließlich der Dauer des während dieser Zeit im Herkunftsland parallel einzuleitenden Visumverfahrens) auch im Hinblick auf die Trennung von den beiden jüngeren Kindern noch zumutbar sein:
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Ist von einer persönlichen Verbundenheit zwischen Elternteil und Kind auszugehen, ist eine Prognose anzustellen, mit welcher Trennungszeit bei ausländerrechtlichen Maßnahmen zu rechnen wäre. In die Prognose der Trennungszeit ist insbesondere einzubeziehen, wie lange gegebenenfalls ein Visumsverfahren voraussichtlich dauern würde und welche Auswirkungen ein derartiger Auslandsaufenthalt des Ausländers für die Familie hätte (vgl. BVerwG, U.v. 30.7.2013 – 1 C 15.12 – juris). Diesbezüglich muss unter anderem geklärt sein, ob die grundsätzliche Möglichkeit zum Familiennachzug besteht (vgl. BayVGH, U.v. 7.12.2021 – 10 BV 21.1821 – Rn. 40 m.w.N.; OVG SH, B.v. 3.1.2022 – 4 MB 68/21 – juris), wobei nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts neben „einfachrechtlichen Unsicherheiten“ (bezogen auf den in Betracht kommenden familiären Aufenthaltstitel) eine eventuell fehlende Mitwirkung des Betroffenen im Visumverfahren ebenso zu berücksichtigen ist (BVerfG, B.v. 9.12.2021 – 2 BvR 1333/21 – juris Rn. 52 ff.). Denn die tatsächliche Dauer des Visumverfahrens hängt entscheidend von der Mitwirkung des Ausländers ab. Eine fehlende Mitwirkung kann daher auch längere Wartezeiten rechtfertigen. Der Ausländer hat es in diesem Zusammenhang durch die Gestaltung seiner Ausreise auch selbst in der Hand, die für die Durchführung des Visumverfahrens erforderliche Dauer seiner Abwesenheit vom Bundesgebiet möglichst kurz zu halten, indem er beispielsweise – unter Mitwirkung der zuständigen Ausländerbehörde – deren Vorabzustimmung nach § 31 Abs. 3 AufenthV einholt (vgl. BayVGH, B.v. 19.6.2018 – 10 CE 18.993 – juris Rn. 5). Im Rahmen der Prognose der voraussichtlichen tatsächlichen Trennungszeit ist darüber hinaus wegen des erforderlichen Antrags auf Erteilung eines Visums die Wartezeit auf einen Termin zur Antragstellung ebenso zu berücksichtigen (BVerfG, B.v. 9.12.2021 – 2 BvR 1333/21 – juris Rn. 60) wie ein möglicherweise infolge der Abschiebung (oder, wie hier, der Ausweisung) eintretendes Einreise- und Aufenthaltsverbot.
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Im Rahmen der Abwägungsentscheidung (ob eine vorübergehende Trennung in Anbetracht der prognostischen Trennungszeit zumutbar ist) ist zu berücksichtigen, dass sowohl die Regelungen über das mit einer Ausweisung zu verbindende (befristete) Einreise- und Aufenthaltsverbot in § 11 Abs. 1, Abs. 2 Satz 3 und Abs. 3 AufenthG als auch die Regelungen zum Visumserfordernis in § 5 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 und 2 AufenthG dem Schutz wichtiger öffentlicher Interessen dienen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll den aus Gründen der öffentlichen Sicherheit bzw. Ordnung Ausgewiesenen vom Bundesgebiet fernhalten, bis die aus seinem persönlichen Verhalten resultierende Wiederholungsgefahr bzw. das generalpräventive Ausweisungsinteresse (zur Abschreckung anderer Ausländer von der Begehung von Straftaten im Bundesgebiet) voraussichtlich entfallen ist. Die Pflicht zur Einreise mit dem erforderlichen Visum soll gewährleisten, dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug vor der Einreise geprüft werden können, um die Zuwanderung von Personen, die diese Voraussetzung nicht erfüllen, von vornherein zu verhindern. Dabei dürfen auch generalpräventive Aspekte Berücksichtigung finden, damit das Visumverfahren seine Funktion als wichtiges Steuerungsinstrument der Zuwanderung wirksam erfüllen kann. § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG wirkt dem Anreiz entgegen, nach illegaler Einreise Bleibegründe zu schaffen mit der Folge, dieses Verhalten mit einem Verzicht auf das vom aus dem Ausland durchzuführende Visumverfahren zu honorieren (BVerwG, U.v. 10.12.2014 – 1 C 15.14, U.v. 11.1.2011 – 1 C 23.09 – jeweils juris). Auch kann sich in der Abwägungsentscheidung zu Lasten des Ausländers auswirken, dass er Einfluss darauf hat, rechtzeitig einen Termin bei der Auslandsvertretung zu vereinbaren, die Vorabzustimmung zu erreichen und auf die Verkürzung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 4 AufenthG hinzuwirken (BVerfG, B.v. 9.12.2021 – 2 BvR 1333/21 – juris Rn. 61).
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Nicht zuletzt im Hinblick darauf, dass auch die für die Erteilung des Visums zuständigen Behörden an Art. 6 GG und Art. 8 EMRK gebunden sind, bestehen keine Zweifel an der grundsätzlichen Möglichkeit eines Familiennachzugs nach §§ 27 ff. AufenthG, hier insbesondere nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG. „Einfachrechtliche Unwägbarkeiten bzw. Unsicherheiten“ im Sinne der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung vermindern die Wahrscheinlichkeit, dass dem Antragsteller tatsächlich ein Visum nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG erteilt werden wird, nicht entscheidend. Da die Aufenthaltserlaubnis gemäß § 28 Abs. 1 Satz 2 AufenthG abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG in den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 und 3 zu erteilen ist, stünde eine fehlende Lebensunterhaltssicherung der Visumerteilung nicht entgegen. Von dem aufgrund der begangenen Straftaten bestehenden Ausweisungsinteresse nach §§ 5 Abs. 1 Nr. 2, 54 Abs. 1 Nr. 1, 1b AufenthG, soweit dieses nach Ablauf der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots noch nicht verbraucht ist, kann gemäß § 27 Abs. 3 Satz 2 AufenthG im Ermessen abgesehen werden, wobei die auf Seiten des Antragstellers betroffenen Grund- bzw. Menschenrechte aus Art. 6 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK zu beachten wären. Des Weiteren besitzt der Antragsteller einen bis 6. August 2024 gültigen Reisepass (Bl. 784 d.A.), weshalb § 5 Abs. 1 Nr. 1a und 4 i.V.m. § 3 AufenthG der Aufenthaltserlaubniserteilung nicht entgegenstehen.
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Darüber hinaus ist auch noch das Einreise- und Aufenthaltsverbot aufgrund der Ausweisung zu berücksichtigen, welches jedoch mit Blick auf die Stellungnahme der Ausländerbehörde vom 5. Mai 2023 bei entsprechender Antragstellung und unveränderter Sachlage nur noch mit einem Jahr zu veranschlagen ist.
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Im Hinblick darauf sowie auf den Umstand, dass der Antragsteller durch seine rechtskräftig abgeurteilten Straftaten aus dem Bereich der Drogenkriminalität ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse (§ 54 Abs. 1 Nr. 1, 1b AufenthG) verwirklicht hat, welches das Gewicht der durch den Antragsteller gefährdeten Rechtsgüter widerspiegelt, erscheint auch unter Berücksichtigung der rechtlich geschützten Belange des Antragstellers sowie seiner mit ihm lebenden Familienangehörigen eine Trennungszeit im Bereich von einem Jahr im vorliegenden Einzelfall im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK als zumutbar. Dabei ist – die tatsächliche Trennungsdauer abmildernd – zu berücksichtigen, dass gegenseitige Besuche möglich sind. Neben Besuchen der Kinder mit ihrer Mutter beim Antragsteller im Kosovo – die finanziell nicht ausgeschlossen sind, wie der nach dem Akteninhalt im Frühjahr 2023 stattgefundene Besuchsaufenthalt der Lebensgefährtin des Antragstellers mit den Kindern bei Verwandten im Kosovo belegt – wird es auch dem Antragsteller mit einer Betretenserlaubnis gemäß § 11 Abs. 8 AufenthG, wie das Verwaltungsgericht überzeugend dargelegt hat, möglich sein, seine Kinder sowie seine Lebensgefährtin in Deutschland zu besuchen. Dies wird künftig voraussichtlich noch durch die spätestens zum 1. Januar 2024 beabsichtigte Einführung der Visafreiheit für kosovarische Staatsangehörige erleichtert werden. Der entsprechende Vorschlag der Europäischen Kommission vom 4. Mai 2016 zur Überführung der Bezugnahme auf „Kosovo“ von Anhang I (Visumpflicht) in Anhang II (Visumfreiheit) der Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EU) 2018/1806 (Visa-VO), der zur Folge hätte, dass Inhaber biometrischer Reisepässe des Kosovo für Kurzaufenthalte (d.h. von bis zu 90 Tagen in einem Zeitraum von 180 Tagen) in der Europäischen Union kein Visum benötigten, bedarf jedoch – nach Billigung durch das Europäische Parlament in erster Lesung am 28. März 2019 und durch den Rat in erster Lesung am 9. März 2023 – noch der Billigung durch das Europäische Parlament in zweiter Lesung (vgl. https://data.consilium.europa.eu/doc/document/ST-5103-2023-REV-1-ADD-1/de/pdf, abgerufen am 31.7.2023). Unter Berücksichtigung des Alters der Kinder des Antragstellers, der Möglichkeit von gegenseitigen Besuchen und der Möglichkeit des Führens und der Aufrechterhaltung eines medialen Kontaktes zu den Kindern, ist in der Trennungszeit von etwa einem Jahr nicht zu erwarten, dass diese die räumliche Trennung als endgültigen Verlust erfahren könnten, auch wenn es bei Kleinkindern wie den beiden 2020 und 2022 geborenen jüngeren Kindern wohl (eher) nicht möglich ist, ihnen die Hintergründe für die vorübergehende Abwesenheit des Vaters zu vermitteln. Diese Erwägungen gelten – insbesondere angesichts der Möglichkeit persönlicher Begegnungen bei Besuchen – auch im Hinblick auf das im Oktober 2022 geborene Kleinkind des Antragstellers. Andererseits ist jedoch zu berücksichtigen, dass der Antragsteller aus allein von ihm zu vertretenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen ist und er es durch entsprechend frühzeitiges Tätigwerden (Terminbuchung, Antragstellung etc.) selbst in der Hand hat, die – nach Ende der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots – für die Durchführung des Visumverfahrens erforderliche Dauer seiner Abwesenheit im Bundesgebiet möglichst kurz zu halten. Soweit daher eine Trennungszeit im Bereich von einem Jahr im Raum steht, ist daher zu berücksichtigen, dass diese maßgeblich aus dem Fehlverhalten des Antragstellers resultiert.
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Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller etwa einen unersetzbar notwendigen Beitrag zur Bewältigung eines familiären Alltags geleistet hätte, auf den seine Kinder auch nicht temporär verzichten könnten, waren nicht dargelegt.
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Es liegt mithin, worauf das Verwaltungsgericht zu Recht hinweist, in der besonderen Verantwortung des Antragstellers, zusammen mit dem anderen Elternteil die längere Abwesenheit familien- und kindeswohlverträglich (so wie es grundsätzlich auch Eltern tun müssen, die eine berufsbedingte Trennung eines Elternteils vom Kind bewältigen müssen, wie z.B. Soldaten im Auslandseinsatz, Seeleute, Entwicklungshelfer) zu gestalten (vgl. Dietz, NVwZ-Extra 2022, 1 ff.). Wenn die durch die Sperrfrist sowie die Nachholung des Visumverfahrens einhergehende Trennung des Antragstellers von seinem Kind einen längeren Zeitraum als die reine Bearbeitungszeit des Visumverfahrens beansprucht, so beruht dies (und eine dadurch etwaig eintretende bzw. stärkere Beeinträchtigung des Kindeswohls) auf dem Fehlverhalten des Antragstellers.
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Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren folgt aus §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 1, 63 Abs. 2 Satz 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5 und 8.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1, 158 Abs. 1 VwGO; §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).