Inhalt

VGH München, Beschluss v. 31.08.2023 – 15 ZB 23.634
Titel:

Fehlende Privilegierung eines landwirtschaftlichen Nebenerwerbsbetriebs

Normenkette:
BayBO Art. 57 Abs. 1 Nr. 1 lit. c, Art. 75
Leitsätze:
Verfahrensfreiheit eines Vorhabens nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 1 c BayBO (verneint), da Nachhaltigkeit eines landwirtschaftlichen Nebenerwerbsbetriebs aufgrund defizitärer Stellungnahme der Fachbehörde nicht nachgewiesen (Rn. 2 – 7)
Für eine Baueinstellungsverfügung bedarf es grundsätzlich keiner Fristsetzung, weil die Baueinstellung sich in einem bloßem Unterlassen bzw. einer Duldung erschöpft und im Übrigen eine Fristsetzung dem Zweck der Baueinstellung, tatsächliche Veränderungen bis zu einer abschließenden Entscheidung im Baugenehmigungsverfahren zu verhindern, regelmäßig zuwiderliefe. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Baueinstellung, landwirtschaftlicher Betrieb, Fristsetzung, Privilegierung, Ernsthaftigkeit und Nachhaltigkeit der Betriebsführung
Vorinstanz:
VG Regensburg, Urteil vom 14.02.2023 – RN 6 K 20.2433
Fundstelle:
BeckRS 2023, 24478

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Kläger wendet sich gegen einen Bescheid des Beklagten vom 17. September 2020, mit dem er unter Anordnung der sofortigen Vollziehung (Ziffer 2.) verpflichtet wurde, die auf dem Grundstück FlNr. … der Gemarkung S. (im Folgenden: Baugrundstück) durchgeführten Bauarbeiten unverzüglich einzustellen (Ziffer 1.) und ihm für den Fall der Nichtbefolgung ein Zwangsgeld i.H. von 1.000 Euro angedroht wurde (Ziffer 3.).
2
Das Verwaltungsgericht Regensburg hat die hiergegen gerichtete Klage mit Urteil vom 14. Februar 2023 abgewiesen. Der Bescheid verstoße nicht gegen den Bestimmtheitsgrundsatz, da aus seiner Gesamtheit unter Bezugnahme auf ein bereits errichtetes Gebäude, das erweitert werden solle, sich eindeutig entnehmen lasse, dass diese Bauarbeiten ohne schuldhaftes Zögern einzustellen seien. Es sei nicht nachgewiesen, dass es sich bei dem im Bau befindlichen Gebäude um ein verfahrensfreies Vorhaben nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 1 c BayBO handele. Zwar attestierten die Stellungnahmen des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (im Folgenden: AELF) das Vorliegen eines landwirtschaftlichen Betriebes, unter Berücksichtigung der Erläuterung durch den Sachbearbeiter in der mündlichen Verhandlung, er habe die vereinbarte Zahlung von 125.000 Euro für die Einräumung eines Nießbrauchsrechts bei der Wirtschaftlichkeitsberechnung nicht miteinbezogen, seien sie aber nicht hinreichend aussagekräftig. Es sei derzeit nicht nachgewiesen, dass künftig ein angemessenes Entgelt erzielt werde. Wegen der Einzelheiten wird auf das Urteil Bezug genommen.
3
Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung macht der Kläger geltend, an der Richtigkeit des Urteils bestünden ernstliche Zweifel (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Der Kläger habe ausreichend Belege geliefert, dass er einen landwirtschaftlichen Nebenerwerbsbetrieb betreibe, was vom AELF auch bestätigt werde. Zwar halte das Verwaltungsgericht einen Pachtvertrag über 12 Jahre mit einem Pachtzins von 0 Euro und die Zahlung von 125.000 Euro für das Nießbrauchrecht für wirklichkeitsfremd, es herrsche aber Privatautonomie. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den Schriftsatz des Bevollmächtigten des Klägers vom 3. Mai 2023 verwiesen.
4
Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakten sowie die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
5
1. Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, denn an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts bestehen keine ernstlichen Zweifel (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Der streitgegenständliche Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Senat folgt den Gründen des angefochtenen Urteils und nimmt hierauf Bezug (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Lediglich ergänzend ist im Hinblick auf das Vorbringen des Klägers im Zulassungsverfahren zu bemerken:
6
Entgegen der Auffassung des Klägers ist die Formulierung, dass die Bauarbeiten unverzüglich eingestellt werden sollen, nicht zu unbestimmt. Für eine Baueinstellungsverfügung bedarf es grundsätzlich keiner Fristsetzung, weil die Baueinstellung sich in einem bloßem Unterlassen bzw. einer Duldung erschöpft und im Übrigen eine Fristsetzung dem Zweck der Baueinstellung, tatsächliche Veränderungen bis zu einer abschließenden Entscheidung im Baugenehmigungsverfahren zu verhindern, regelmäßig zuwiderliefe (Decker in Busse/Kraus, Bayerische Bauordnung, Stand Februar 2023, Art. 75 Rn. 78).
7
Zwar trifft der Vortrag des Klägers zu, dass das AELF in zwei Stellungnahmen angenommen hatte, dass eine Privilegierung vorliegt. Das Verwaltungsgericht ist jedoch zu Recht davon ausgegangen, dass aufgrund der Aussage des Sachbearbeiters in der mündlichen Verhandlung diese Stellungnahmen nicht tragfähig sind. Der Sachbearbeiter hat in der mündlichen Verhandlung angegeben, dass er bei seinen Stellungnahmen bei der Wirtschaftlichkeitsberechnung die Zahlung von 125.000 Euro durch den Sohn des Klägers für das Nießbrauchsrecht nicht berücksichtigt hat, da er keine Kenntnis davon gehabt habe. Zwar mag es sich dabei, wie der Kläger meint, um einen Fall der Privatautonomie handeln, dies ändert aber nichts daran, dass die Berechnungsgrundlage des Sachbearbeiters für eine nachhaltige Gewinnerzielung unzutreffend war und demnach kein Nachweis für die Nachhaltigkeit des Betriebs vorliegt. Im Hinblick darauf, dass zwei Personen in dem Betrieb arbeiten und diese lediglich einen Gewinn von 6.000 Euro jährlich erwirtschaften, kann bei einer Berücksichtigung von 504 angegebenen Arbeitskraftstunden pro Jahr nicht von einem angemessenen Entgelt ausgegangen werden. Demnach ist die Nachhaltigkeit des Betriebs nicht nachgewiesen, denn so wie der Kläger zutreffend auf S. 7 seines Schriftsatzes vom 3. Mai 2023 ausführt, ist strenger als bei Vollerwerbsbetrieben davon auszugehen, dass eine Privilegierung zu verneinen ist, wenn bei objektiver Betrachtung kein Gewinn zu erzielen ist. Andere Umstände, die die Ernsthaftigkeit und Nachhaltigkeit der Betriebsführung indizieren würden, werden nicht dargelegt.
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2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten billigerweise selbst, weil sie sich im Zulassungsverfahren keinem eigenen Kostenrisiko aussetzt und kein Grund ersichtlich ist, der es gebieten würde, ihre etwaigen außergerichtlichen Kosten ausnahmsweise als erstattungsfähig anzusehen (vgl. § 162 Abs. 3 VwGO). Die Streitwertfestsetzung für das Zulassungsverfahren ergibt sich aus § 47 Abs. 3 und § 52 Abs. 1 und 2 GKG und entspricht der Streitwertfestsetzung im erstinstanzlichen Verfahren.
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3. Dieser Beschluss, mit dem die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig wird (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO), ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).