Inhalt

VGH München, Beschluss v. 10.08.2023 – 13 A 22.2665, 13 AS 22.2683
Titel:

Erfolgloser Prozesskostenhilfeantrag in einem Flurbereinigungsverfahren

Normenketten:
VwGO § 42, § 166
ZPO § 114 Abs. 1 S. 1
FlurbG § 10, § 61
Leitsätze:
1. Wie im allgemeinen verwaltungsgerichtlichen Verfahren sind die Rechtsmittel des Widerspruchs sowie der Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage auch im Verfahren vor dem Flurbereinigungsgericht nur zulässig, wenn der Rechtsmittelführer geltend machen kann, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Antragsteller, der keine eigenen Grundstücke im Flurbereinigungsgebiet besitzt, hat keine Rechtsmittelbefugnis für eine Klage gegen eine flurbereinigungsrechtliche Ausführungsanordnung. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Prozesskostenhilfe für beabsichtigte Klage und beabsichtigten Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung, Ausführungsanordnung, (keine) Glaubhaftmachung hinreichender Erfolgsaussichten, Übertragung der Anteile an einer Erbengemeinschaft auf die Ehefrau, Keine Widerspruchs- und Klagebefugnis, Prozesskostenhilfe, Flurbereinigungsverfahren, Erbengemeinschaft, Klagebefugnis, Flurbereinigungsgebiet
Fundstelle:
BeckRS 2023, 24473

Tenor

I. Die Verfahren 13 A 22.2665 und 13 AS 22.2683 werden zur gemeinsamen Entscheidung hinsichtlich der Anträge auf Prozesskostenhilfe verbunden.
II. Die Anträge auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe werden abgelehnt.

Gründe

I.
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Der Antragsteller gehörte bis zum 21. Dezember 2016 einer Erbengemeinschaft an, die mit einer Einlagefläche von knapp 28 ha Teilnehmerin des am 10. Januar 2016 nach §§ 1, 4, 37 FlurbG angeordneten Flurneuordnungs- und Dorferneuerungsverfahrens G. ist (Besitzstand Grundbuchblatt 3834/905). Nachdem der Antragsteller seinen Anteil an der Erbengemeinschaft an seine Ehefrau übertragen hatte, wurde diese aufgrund Berichtigungsbewilligung vom 1. Juli 2016 am 22. Dezember 2016 in das Grundbuch eingetragen. Der Kläger ist damit seit dem 22. Dezember 2016 nicht mehr als Eigentümer eines Grundstücks im Verfahrensgebiet eingetragen.
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Mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 22. September 2022 erließ das Amt für Ländliche Entwicklung M. (ALE) gemäß § 61 FlurbG die Ausführungsanordnung mit Wirkung zum 1. Dezember 2022 und ordnete die sofortige Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO an. Auf die Begründung des Bescheids wird Bezug genommen. Die Ausführungsanordnung wurde durch Niederlegung in der Verwaltung der Gemeinde Kammerstein vom 4. Oktober 2022 bis 18. Oktober 2022 und durch öffentliche Bekanntgabe der Niederlegung am 4. Oktober 2022 bekannt gegeben.
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Der Antragsteller erhob mit Schreiben vom 8. Oktober 2022, eingegangen beim ALE am 11. Oktober 2022 Widerspruch gegen die Ausführungsanordnung, „als Miterbe und Zedent der Sicherungsabtretung ohne Eigentumsübertragung sowie als Bevollmächtigter der Miterben am ungeteilten Nachlass von Prof. Dr. Dr. K. H. und seiner Ehefrau“. Er begründete diesen damit, dass die gesetzlichen Voraussetzungen der Ausführungsanordnung noch nicht vorlägen. Der Flurbereinigungsplan sei noch nicht unanfechtbar geworden. Er verweise auf 78 nicht bearbeitete, nicht erledigte und nicht verbeschiedene Einsprüche/Widersprüche, Anträge und sonstige Beschwerden. Der Antragsteller beharre auf seinem Rechtsanspruch auf Berücksichtigung und Bearbeitung aller seiner Rechtsmittel. Auf die Begründung des Widerspruchs wird im Übrigen vollumfänglich Bezug genommen.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 21. November 2022 wies das ALE den Widerspruch kostenpflichtig zurück. Der Widerspruchsbescheid wurde dem Antragsteller mit Schreiben vom 28. November 2022 übermittelt, und ihm nach eigenen Angaben am 29. November 2022 zugestellt.
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Inhaltlich wurde in dem Widerspruchsbescheid ausgeführt, der Widerspruch sei bereits unzulässig, weil der Antragsteller nach Übertragung seines Eigentumsanteils auf seine Ehefrau nicht mehr Teilnehmer des Verfahrens nach § 10 Nr. 1 FlurbG und damit auch nicht Adressat der Ausführungsanordnung sei. Es mangele dem Antragsteller mithin an der Widerspruchsbefugnis. Weiter sei der Widerspruch hinsichtlich einzelner vorgebrachter Gesichtspunkte auch deshalb unzulässig, weil diese sich nicht gegen die Ausführungsanordnung nach § 61 FlurbG, sondern inhaltlich gegen den Flurbereinigungsplan oder die Abgrenzung des Flurbereinigungsgebiets richteten. Gegen diesen könnten Einwendungen nicht mehr erhoben werden, da er unanfechtbar sei. Hilfsweise sei der Widerspruch auch unbegründet. Die Voraussetzungen des § 61 FlurbG lägen vor. Der Flurbereinigungsplan sei unanfechtbar. Die vom Antragsteller bzw. seiner Ehefrau eingelegten Rechtsbehelfe seien bearbeitet und verbeschieden worden. Die Verfahren seien nach Durchführung von Widerspruchs- und Gerichtsverfahren rechtskräftig abgeschlossen. Der Erlass der Ausführungsanordnung entspreche auch ordnungsgemäßer Ermessensausübung. Solange sich keine Anhaltspunkte dafür aufdrängten, dass der Flurbereinigungsplan in seiner Gesamtheit gegenüber allen Teilnehmern fehlerhaft sei, sei der Erlass der Ausführungsanordnung bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 61 FlurbG ermessensfehlerfrei.
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Der Antragsteller hat daraufhin mit Eingang bei Gericht am 28. Dezember 2022 unter
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Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt B. S.
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Klage gegen den Widerspruchsbescheid des ALE erhoben (Az. 13 A 22.2665), mit der die Aufhebung der durch das ALE erlassenen Ausführungsanordnung beantragt wird, sowie die Verurteilung des ALE zur ordnungsgemäßen Bearbeitung und Verbescheidung der vom Antragsteller erhobenen Anträge, Widersprüche und Beschwerden, und schließlich die Verurteilung des ALE zu einem Schadensersatz in einer vom Gericht festzusetzenden Höhe, jedoch nicht unter 1.000 EUR je Jahr des Nutzungsentzugs.
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Daneben hat der Antragsteller unter Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt B.S. auch die Aussetzung des Vollzugs und Fortgangs des Flurbereinigungsverfahrens beantragt (Az.13 AS 22.2683).
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Eine endgültige Begründung zu dem Antrag ist trotz der seit Antragstellung verstrichenen Zeit unter Berufung auf gesundheitliche Gründe bislang nicht bei Gericht eingereicht worden. Bereits im Antragsschriftsatz hat der Antragsteller erklärt, es sei ihm aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich, die umfangreichen Akten aufzuarbeiten. Außerdem stehe eine Entscheidung der Staatsanwaltschaft aus zu der Neuzuweisung von ausschließlich minderwertigen Wiesen mit relativen Bodenwerten unter 10 für die Einlage von hochwertigen Ackerflächen ohne entsprechenden Flächenausgleich. Es liege eindeutig ein grober und vorsätzlicher Verstoß gegen das FlurbG vor. Dieser sei im abgelaufenen Verfahren nicht behandelt worden. Vorläufig würden die eingelegten Widersprüche zum Gegenstand der Begründung gemacht, insbesondere auch die dem ALE vorgelegten Auszüge aus den Notarurkunden.
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Das ALE hat für den Antragsgegner die Akten des Widerspruchsverfahrens vorgelegt. Einen Antrag hat der Antragsgegner nicht gestellt.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten in den Verfahren 13 A 22.2665 und 13 AS 22.2683 sowie die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
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Die Anträge bleiben ohne Erfolg.
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Die Prozesskostenhilfeverfahren konnten sachgerecht zur gemeinsamen Entscheidung verbunden werden (§ 93 Satz 1 VwGO, § 138 Abs. 1 Satz 2 FlurbG).
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Die Anträge auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt B.S. für eine beabsichtigte noch zu erhebende Klage (13 A 22.2665) und einen beabsichtigten Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage (13 AS 22.2683) waren mangels hinreichender Erfolgsaussichten abzulehnen.
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1. Ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (§ 138 Abs. 1 Satz 2 FlurbG, § 166 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
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Hinsichtlich der Erfolgsaussichten dürfen die Anforderungen dabei nicht überspannt werden. Eine überwiegende Wahrscheinlichkeit in dem Sinn, dass der Prozesserfolg schon gewiss sein muss, ist nicht erforderlich, sondern es genügt bereits eine sich bei summarischer Überprüfung ergebende Offenheit des Erfolgs. Die Prüfung der Erfolgsaussichten soll nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das summarische Verfahren der Prozesskostenhilfe zu verlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten lassen. Das Prozesskostenhilfeverfahren will den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatsgrundsatz erfordert, nämlich nicht selbst bieten, sondern ihn erst zugänglich machen (stRspr BVerfG, vgl. etwa B.v. 4.8.2016 – 1 BvR 380/16 – juris Rn. 12; B.v. 28.7.2016 – 1 BvR 1695/15 – juris Rn. 16 f.; B.v. 13.7.2016 – 1 BvR 826/13 – juris Rn. 11 f.; B.v. 20.6.2016 – 2 BvR 748/13 – juris Rn. 12; siehe zum Ganzen: BayVGH, B.v. 14.1.2021 – 10 C 21.65 – juris Rn. 4)
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2. Dies zu Grunde gelegt waren die Prozesskostenhilfeanträge für Klage (13 A 22.2665) und Antrag (13 AS 22.2683) vorliegend abzulehnen. Dahin gestellt bleiben kann dabei, ob der Antragsteller durch Vorlage der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach § 117 Abs. 4 ZPO die wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe (§ 166 VwGO i.V.m. § 115 ZPO) glaubhaft gemacht hat. Denn der beabsichtigten Klage und dem beabsichtigten Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kommen nicht die erforderlichen hinreichenden Erfolgsaussichten zu.
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a) Die beabsichtigte Klage wäre bei summarischer Prüfung (Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 166 Rn. 37) bereits unzulässig. Wie im allgemeinen verwaltungsgerichtlichen Verfahren sind die Rechtsmittel des Widerspruchs sowie der Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage auch im Verfahren vor dem Flurbereinigungsgericht nach § 42 Abs. 2 VwGO nur zulässig, wenn der Rechtsmittelführer geltend machen kann, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein (BayVGH, U.v. 6.12.2018 – 13 A 18.532 – juris Rn. 10; Mayr in Wingerter/Mayr, FlurbG, 10. Aufl. 2018, § 141 Rn. 6, 14 und § 142 Rn. 6). Das ist vorliegend nicht der Fall.
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Dem Antragsteller, der den Antrag auf Prozesskostenhilfe und die beabsichtigte Klage im eigenen Namen eingereicht hat – was nicht zuletzt auch die beigefügte Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zeigt – ist nach Übertragung seiner Erbanteile auf seine Ehefrau seit dem 22. Dezember 2016 nicht mehr Teil der Erbengemeinschaft und damit nicht mehr als Eigentümer eines im Flurbereinigungsgebiet des Verfahrens G. gelegenen Grundstücks eingetragen. Seine Ehefrau ist nach § 15 FlurbG in seine Verfahrensposition im Flurbereinigungsverfahren eingetreten und als seine Rechtsnachfolgerin Teilnehmerin des Verfahrens geworden. Der Antragsteller, der keine eigenen Grundstücke im Flurbereinigungsgebiet besitzt, ist hingegen nicht mehr Teilnehmer nach § 10 Nr. 1, Nr. 2 FlurbG und hat die Rechtsmittelbefugnis verloren. Der Senat verweist diesbezüglich auf die ausführliche Darstellung in seinem Urteil vom 6. Dezember 2018 (Az. 13 A 18.532).
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Auf die inhaltlichen Rügen des Antragstellers gegen die Ausführungsanordnung vom 22. September 2022 kommt es mithin angesichts der Unzulässigkeit der beabsichtigten Klage nicht mehr an.
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b) Der beabsichtigte Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO wäre ebenfalls unzulässig. Auch insoweit besitzt der Antragsteller nicht die erforderliche Antragsbefugnis, die im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO analog § 42 Abs. 2 VwGO zu prüfen ist (vgl. Hoppe in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 80 Rn. 73). Um Wiederholungen zu vermeiden wird auf die Ausführungen zur Klage oben unter a) verwiesen.
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Dahingestellt bleiben kann damit, ob vorliegend die formalen Anforderungen aus § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO an die Anordnung des Sofortvollzugs in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO noch gewahrt sind (vgl. hierzu: BVerwG, B.v. 10.10.2012 – 7 VR 11.12 u.a. – juris Rn. 6; B.v. 30.3.2007 – 9 VR 7.07 – AUR 2008, 70 – juris Rn. 4).
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3. Das Prozesskostenhilfeverfahren ist gerichtsgebührenfrei.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).