Inhalt

VGH München, Urteil v. 29.06.2023 – 13 A 20.1633, 13 A 20.1801
Titel:

Klage gegen Flurbereinigungsplan

Normenkette:
FlurbG § 15, § 44 Abs. 1 S. 1, S. 2, § 144 S. 1
Leitsätze:
1. Ein vom Vorstand der Teilnehmergemeinschaft vor Beschluss über die Feststellung der Ergebnisse der Wertermittlung beschlossener Flurbereinigungsplan ist materiell rechtswidrig.  (Rn. 33 – 35)
2. Das Flurbereinigungsgericht ist nach § 144 Satz 1 FlurbG befugt und aufgrund des flurbereinigungsrechtlichen Beschleunigungsgebots gehalten, durch erneuten Beschluss des Flurbereinigungsplans auf Grundlage der festgestellten Ergebnisse der Wertermittlung einen den Vorgaben des § 44 Abs. 1 Satz 2 FlurbG genügenden rechtlichen Zustand herbeizuführen. (Rn. 62 und 63)
Schlagworte:
Klage gegen Flurbereinigungsplan, Erwerb eines weiteren Besitzstandes durch einen Teilnehmer, Beschluss des Flurbereinigungsplans ohne vorherigen Beschluss der Feststellung der Ergebnisse der Wertermittlung, Wertgleichheit der Abfindung, Änderung und erneuter Beschluss des Flurbereinigungsplans durch Urteil, Flurbereinigungsplan, Flurbereinigungsgericht
Fundstellen:
BayVBl 2024, 274
BeckRS 2023, 24472
LSK 2023, 24472

Tenor

I.Die Verfahren 13 A 20.1633 und 13 A 20.1801 werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
II.Der Flurbereinigungsplan wird wie folgt geändert: Das Abfindungsflurstück 1...4 wird dem Besitzstand des Klägers vollständig zugeteilt und dem Abfindungsflurstück 1...1 zugemessen. Soweit die Zuteilung den Abfindungsanspruch des Klägers übersteigt, erfolgt sie als Mehrausweisung ohne Geldausgleich.
III.Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war notwendig. Für die baren Auslagen des Gerichts wird ein Pauschsatz von 1.200,- Euro erhoben. Das Verfahren ist gebührenpflichtig.
IV.Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
V.Die Revision wird nicht zugelassen.  

Tatbestand

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Der Kläger ist mit einer Einlagefläche von insgesamt 19,6759 ha Teilnehmer des am 20. Juni 2005 nach §§ 1, 4 und 37 FlurbG angeordneten Verfahrens Flurneuordnung und Dorferneuerung M.-P. Er wurde durch Eintragung im Grundbuch am 30. Mai 2016 Eigentümer des Besitzstandes Grundbuchblatt 3...7/6...7 (im Folgenden Besitzstand 3...7/6...7) mit einer Einlagefläche von 17,3593 ha. Dieser Besitzstand ist Gegenstand des Klageverfahrens 13 A 20.1633. Zudem ist er seit 13. August 2020 als Rechtsnachfolger seiner Mutter auch Eigentümer des Besitzstandes Grundbuchblatt 3297/694 (im Folgenden Besitzstand 3297/694) mit einer Einlagefläche von 2,3166 ha. Dieser Besitzstand ist Gegenstand des Klageverfahrens 13 A 20.1801. Weiterer Teilnehmer des Flurbereinigungsverfahrens ist der Vater des Klägers, dessen Besitzstand jedoch nicht Gegenstand der vorliegenden Klageverfahren ist. Alle drei Besitzstände werden gemeinsam bewirtschaftet. Der Kläger wendet sich in beiden vorliegenden Klageverfahren gegen den Flurbereinigungsplan Teil I.
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1. In seiner Sitzung vom 1./2. April 2008 beschloss der Vorstand der Beklagten, der Teilnehmergemeinschaft M.-P. (TG), die Grundsätze der Wertermittlung und ergänzte diese am 20. April 2011. Nach Durchführung der Wertermittlung wurden den Teilnehmern am 29. Februar 2012 im Rahmen einer Teilnehmerversammlung die Ergebnisse der Wertermittlung nach § 32 Satz 1 FlurbG i.V.m. Art. 9 Satz 1 Gesetz zur Ausführung des Flurbereinigungsgesetzes (AGFlurbG) bekannt gegeben und anschließend zwei Wochen zur Einsichtnahme für die Beteiligten ausgelegt. Nach erfolgter Nachschätzung erfolgte im Vorstand der Beklagten am 31. Mai 2012 ein Beschluss zur Behebung begründeter Einwendungen.
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Am 11. Juni 2013 beschloss der Vorstand der Beklagten den Flurbereinigungsplan Teil l. Am 8. Oktober 2013 beschloss er sodann die Feststellung der Ergebnisse der Wertermittlung nach § 32 Satz 3 FlurbG, Art. 9 Satz 3 AGFlurbG. Das Amt für Ländliche Entwicklung Mittelfranken (ALE) ordnete für das Verfahren mit Wirkung zum 4. November 2013 die vorläufige Besitzeinweisung an.
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Ab dem 24. Februar 2014 wurden die festgestellten Ergebnisse der Wertermittlung einen Monat lang im Markt E. öffentlich bekanntgegeben. Für beide hier streitgegenständlichen Besitzstände wurde mit Schreiben vom 19. März 2014 Widerspruch gegen die Feststellung der Wertermittlungsergebnisse eingelegt. Hinsichtlich des Besitzstands 3...7/6...7 wurde der Widerspruch gegen die Feststellung der Wertermittlungsergebnisse mit Widerspruchsbescheid des Spruchausschusses beim ALE vom 17. Juni 2020 vollständig zurückgewiesen. Beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof – Flurbereinigungsgericht – war hierzu ein Klageverfahren unter dem Aktenzeichen 13 A 20.1634 anhängig, zu dem am heutigen Tag ein Urteil ergangen ist. In Bezug auf den Besitzstand 3297/694 wurde dem Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 13. Juli 2020 teilweise stattgegeben, indem der Wert des nicht wieder zugeteilten Einlageflurstücks 99 um 374 Wertverhältniszahlen (WVZ) erhöht wurde. Im Übrigen wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Ein bei Gericht unter dem Aktenzeichen 13 A 20.1800 anhängiges Klageverfahren wurde am 26. April 2022 nach Klagerücknahme eingestellt.
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2. Die Bekanntgabe des vom Vorstand der Beklagten am 11. Juni 2013 beschlossenen Flurbereinigungsplans Teil I erfolgte am 10. März 2014, der Anhörungstermin fand am 10. April 2014 statt.
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Mit Schreiben des Bevollmächtigten vom 22. April 2014 wurde für beide streitgegenständlichen Besitzstände Widerspruch gegen den Flurbereinigungsplan Teil I erhoben und mit Schreiben vom 2. Juni 2014 begründet. Der Vorstand der Beklagten behandelte die Widersprüche in der Sitzung vom 26. November 2014 und beschloss, dass eine Änderung der Zuteilung nicht veranlasst sei. Der Vorstandsbeschluss wurde dem Bevollmächtigten am 17. Dezember 2014 bekanntgegeben. Dieser erhielt den Widerspruch aufrecht. Am 22. November 2016 fand eine Abhilfeverhandlung beim ALE statt, in der die Sachverhalte mit der Klagepartei erörtert wurden. Zu einer Einigung kam es nicht, weil der Vorstand der Beklagten der vorgesehenen Änderung nicht zustimmte. 7
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Mit Schreiben des Klägers vom 7. April 2017 und 22. Mai 2017, sowie Schreiben des Bevollmächtigten vom 20. Juni 2017 und 12. Juli 2017 wurden die Widersprüche gegen den Flurbereinigungsplan Teil l mit Ausführungen zu den einzelnen Abfindungsflurstücken weiter ergänzt und konkretisiert.
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Am 21. Mai 2019 führte der Spruchausschuss beim ALE eine Ortsbesichtigung durch und unterbreitete mit Schreiben vom 27. Mai 2019 Vorschläge zur Erledigung der Widersprüche. Zu einer Einigung kam es in der Folge jedoch nicht.
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3. Mit Widerspruchsbescheid des Spruchausschusses am ALE vom 17. Juni 2020, dem Kläger zugestellt am 3. Juli 2020, wurde der Widerspruch des Klägers gegen den Flurbereinigungsplan Teil l hinsichtlich des Besitzstands 3...7/6...7 zurückgewiesen.
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Der Widerspruch sei teilweise bereits unzulässig. Insbesondere habe der Kläger erst mit Schreiben vom 7. April 2017 beanstandet, dass ein Teil des Flurstücks 6...4 keine Erschließung mehr habe. Der Anspruch auf Erschließung sei ein selbständiger Anspruch, der innerhalb der Rechtsbehelfsfrist geltend gemacht werden müsse. Dies sei nicht geschehen. Hilfsweise sei der Widerspruch insoweit auch unbegründet, da das Flurstück 6...4 außerhalb des Verfahrensgebietes liege und ein Anspruch auf Erschließung von Flurstücken außerhalb des Verfahrensgebiets nicht bestehe, zumal das Flurstück 6...4 von der anderen Seite erschlossen sei.
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Im Übrigen sei der Widerspruch zulässig, jedoch nicht begründet. Der Besitzstand sei wertgleich abgefunden. Dies ergebe sich zunächst aus einem rechnerischen Vergleich von Einlage und Abfindung. Einen Anspruch auf die von ihm gewünschte Zuteilung bestimmter Grundstücke oder von Grundstücken in bestimmter Lage habe der Kläger nicht. Ein solcher Anspruch würde die Zusammenlegung erheblich erschweren und oft unmöglich machen. Daher bestehe auch kein Anspruch, wie von dem ökologisch wirtschaftenden Kläger gewünscht, nur Flurstücke mit einer bestimmten Bewirtschaftungsrichtung oder möglichst hofnahe Flächen zugeteilt zu erhalten. Die Ortsnähe von Einlageflächen sei ein bei der Neugestaltung zu beachtender Belang. Daher werde in der Regel versucht, ortsnahe Einlageflächen wieder zuzuteilen. Der Besitzstand des Klägers habe in der Einlage nicht über die mit dem Widerspruch begehrten hofnahen Flächen verfügt. Auch das Entsprechungsgebot des § 44 Abs. 4 FlurbG besage, dass die Landabfindung eines Teilnehmers unter anderem in der Entfernung vom Wirtschaftshof seinen alten Grundstücken entsprechen solle. Eine Neuzuteilung in Hofnähe sei gerade nicht vorgeschrieben und in aller Regel auch nur schwer für alle Teilnehmer gleichermaßen zu realisieren. Alle Teilnehmer hätten einen Anspruch auf eine den Grundsätzen des § 44 FlurbG entsprechende wertgleiche Abfindung, unabhängig davon, ob sie selbst einen landwirtschaftlichen Betrieb bewirtschafteten oder Flächen verpachteten. Ein Vorrang des selbst Landwirtschaft betreibenden Teilnehmers bestehe nicht. Weiter sei ein bestimmter Grad der Zusammenlegung nicht vorgegeben. Vielmehr müssten die Abfindungsgrundstücke unter Berücksichtigung des Geländes in Form und Größe so gestaltet werden, dass nach dem Stand der Technik neuzeitliche Maschinen und Geräte zweckmäßig und wirtschaftlich einsetzbar seien. Maßgeblich sei eine zweckmäßige Neueinteilung, die unter Berücksichtigung der strukturellen Verhältnisse und betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkte zu einer Verbesserung der Landwirtschaft führe. Dem sei entsprochen worden. Mit Blick auf den vom Kläger geführten ökologisch wirtschaftenden Betrieb sei es nicht zu beanstanden, dass möglichst viele der Einlageflächen wieder zugeteilt worden seien, um den Umstellungsaufwand gering zu halten und etwaige Entschädigungen nach § 51 FlurbG zu minimieren.
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In Bezug auf den Besitzstand 3297/694 wurde der Widerspruch gegen den Flurbereinigungsplan Teil l mit Widerspruchsbescheid vom 13. Juli 2020, zugestellt am 25. Juli 2020 als unzulässig abgewiesen. Aufgrund des Widerspruchsvortrags sei weder die Möglichkeit einer Rechtsverletzung noch ein bestehendes Rechtsschutzbedürfnis erkennbar. Der Bevollmächtigte habe in der Widerspruchsbegründung vorgetragen, es bestünden gegen das einzige Abfindungsflurstück 8.../2 keine Einwendungen. Eine Rechtsverletzung erscheine daher nicht einmal möglich. Spätere Ergänzungen des Vortrags zu einem ursprünglich unzulässig erhobenen Widerspruch seien unbeachtlich. Aufgrund der mit dem Widerspruchsbescheid in Bezug auf die Wertermittlung erfolgten Forderungserhöhung von 374 WVZ sei die mit dem Flurbereinigungsplan Teil l zugeteilte Abfindung jedoch nicht mehr wertgleich. Die Forderung sei grundsätzlich mit Land von gleichem Wert abzufinden. Der Besitzstand verfüge jedoch lediglich über ein einziges Abfindungsflurstück, dessen Vergrößerung aufgrund der umliegenden Flächen nicht möglich sei. Die Ausweisung einer isolierten neuen Fläche mit einem Wert von 374 WVZ würde keine sinnvolle Nutzung ermöglichen. Daher sei eine Minderausweisung an Land unvermeidbar und von der TG in Geld auszugleichen.
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4. Für den Besitzstand 3...7/6...7 hat der Kläger mit Schriftsatz vom 8. Juli 2020, bei Gericht eingegangen am 16. Juli 2020, Klage erhoben (Az. 13 A 20.1633) und diese am 24. Februar 2021 zunächst damit begründet, er sei nicht wertgleich abgefunden, was insbesondere daran liege, dass die Wertermittlung fehlerhaft sei, wofür auf die anhängige Klage gegen die Wertermittlung (Az. 13 A 20.1634) verwiesen werde.
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Für den Besitzstand 3297/694 wurde mit Eingang bei Gericht am 6. August 2020 Klage gegen den Flurbereinigungsplan Teil I erhoben (Az. 13 A 20.1801). Mit Schriftsatz vom 24. Februar 2021 wurde diese ebenfalls zunächst dahingehend begründet, der Besitzstand sei aufgrund der fehlerhaften Wertermittlung nicht wertgleich abgefunden.
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Im Übrigen ist im Gerichtsverfahren der Vortrag aus den Widerspruchsverfahren weitgehend wiederholt und vertieft worden. Insbesondere rügt der Kläger einen Verstoß gegen den Neugestaltungsauftrag nach § 37f. FlurbG und die Abfindungsgrundsätze des § 44 FlurbG. § 44 Abs. 3 FlurbG lege fest, dass die Teilnehmer in möglichst großen Flurstücken abgefunden werden müssten. Zudem seien die Flächen nach § 37 Abs. 1 FlurbG betriebswirtschaftlich sinnvoll zusammen zu legen. Für einen ökologisch wirtschaftenden Betrieb sei es von besonderer Bedeutung möglichst große zusammenhängende Flächen zu haben. Die Produkte würden regelmäßig auf Rückstände von Pflanzenschutzmitteln untersucht. Dies führe dazu, dass es problematisch sei, die Randbereiche dieser Grundstücke mit Feldfrüchten zu bestellen, da über Abdrift und dergleichen eine Belastung dieser Feldfrüchte mit Pflanzenschutzmitteln nachweisbar sei. Je kleiner ein Grundstück sei, desto größer sei prozentual der nicht nutzbare Randbereich. Durch die vielen ihnen zugeteilten Grundstücke hätten sie erhebliche Verluste. Weiter rügt der Kläger eine damit einhergehende Missachtung der Umweltbelange im Sinne von § 37 Abs. 2 FlurbG. Unzweifelhaft seien größere Grundstücke mit rechteckigen Formen und parallel verlaufenden Grundstückslängsseiten am besten zu bewirtschaften. Dadurch ließen sich Maschinenstunden und damit der Treibstoffverbrauch reduzieren und bei konventionell arbeitenden Betrieben auch der Bedarf an Pflanzenschutzmitteln senken, da es geringstmögliche Überlappungen bei der Anwendung gebe. Der Mehrverbrauch von Treibstoffen setze bei der Verbrennung unnötig zusätzliche Mengen des Treibhausgases CO₂ frei. Dies sei zudem schlecht für die landwirtschaftlichen Betriebe, die wegen der künftigen und nach den bekannten Planungen stark ansteigenden CO₂-Steuer erhebliche Mehrbelastungen hätten. Für einen ökologisch wirtschaftenden Betrieb bewirke es noch eine zusätzliche Belastung, da durch den Verzicht auf Pflanzenschutzmittel bei der Bewirtschaftung der Flächen mehr Arbeitsgänge und daher höhere Traktorenstundenzahlen pro Hektar eingesetzt werden müssten als bei konventionell arbeitenden Betrieben.
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Der Kläger hat in beiden Klageverfahren zuletzt beantragt,
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den Widerspruchsbescheid aufzuheben und die Sache zur erneuten Behandlung und Bescheidung zurückzuverweisen.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte hat im Verfahren 13 A 20.1633 in erster Linie auf den Widerspruchsbescheid des Spruchausschusses vom 17. Juni 2020 verwiesen und sich diesem angeschlossen. Der Kläger sei wertgleich abgefunden. Im Verfahren 13 A 20.1801 hat die Beklagte sich ebenfalls dem Widerspruchsbescheid des Spruchausschusses vom 13. Juli 2020 angeschlossen. Der Widerspruch gegen den Flurbereinigungsplan Teil I sei von vorne herein unzulässig gewesen. Daher sei auch die Klage unzulässig.
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Der Markt E. ist mit Beschlüssen des Senats vom 31. März 2022 zu den beiden Klageverfahren beigeladen worden.
22
Der Senat hat erstmals am 25. April 2022 Beweis erhoben durch Einnahme eines Augenscheins. Am 23. Mai 2023 ist ein weiterer Augenschein durchgeführt worden. Hinsichtlich der Ergebnisse wird auf die hierüber gefertigten Niederschriften verwiesen.
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Am 26. April 2022 und 24. Mai 2023 ist in der Sache mündlich verhandelt worden. Die Beteiligten haben am 24. Mai 2023 für den Fall, dass eine in Aussicht genommene Einigung nicht zustande komme, übereinstimmend auf eine weitere mündliche Verhandlung verzichtet und einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren zugestimmt. Eine gütliche Beendigung des Rechtsstreits konnte in der Folge nicht erreicht werden.
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Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakten in den Verfahren 13 A 20.1633 und 13 A 20.1801, insbesondere die Niederschriften der Augenscheintermine und mündlichen Verhandlungen, sowie auf die von der Beklagten vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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1. Die Klageverfahren 13 A 20.1633 und 13 A 20.1801 konnten zur gemeinsamen Entscheidung verbunden werden (§ 93 Satz 1 VwGO, § 138 Abs. 1 Satz 2 FlurbG). Dies war sachgerecht, weil der Kläger seit dem 13. August 2020 Eigentümer beider – formal noch getrennt geführter – streitgegenständlichen Besitzstände ist, die vorliegend für die Zwecke der Abfindung als ein einziger Besitzstand zu bewerten sind.
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Über die Klagen konnte ohne weitere mündliche Verhandlung im Wege des schriftlichen Verfahrens entschieden werden, da die Beteiligten übereinstimmend zugestimmt haben (§ 101 Abs. 2 VwGO, § 138 Abs. 1 Satz 2 FlurbG).
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2. Die Klagen sind zulässig.
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Die beiden Klagen vom 16. Juli 2020 und 6. August 2020 wahren zunächst jeweils die einmonatige Klagefrist (§ 74 Abs. 2, Abs. 1 VwGO, § 138 Abs. 1 Satz 2 FlurbG) gegen die am 3. Juli 2020 bzw. 25. Juli 2020 zugestellten Widerspruchsbescheide des Spruchausschusses am ALE.
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Das vor Klageerhebung mangels abweichender Bestimmungen in §§ 139 – 148 FlurbG auch für das Rechtsbehelfsverfahren nach dem Flurbereinigungsgesetz als Sachurteilsvoraussetzung notwendige (BayVGH, U.v. 23.3.2023 – 13 A 22.805 – juris Rn. 15 m.w.N.; Wöckel in Eyermann, VwGO, 16. Auflage 2022, § 68 Rn. 20 m.w.N.) Widerspruchsverfahren gegen Verwaltungsakte der TG (§ 141 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FlurbG) ist jeweils ordnungsgemäß durchgeführt worden.
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Dies gilt zunächst für die Klage 13 A 20.1801. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist eine Bestandskraft des Flurbereinigungsplans hinsichtlich des Besitzstands 3297/694 nicht deshalb eingetreten, weil in der ersten für alle betroffenen Besitzstände eingereichten Widerspruchsbegründung vom 2. Juni 2014 ausgeführt wurde, „diesbezüglich“ würden „lediglich für das Grundstück Flurnummern 87 und 87/2 im Wesentlichen keine Einwendungen“ erhoben. Bereits aus dem Zusammenhang der Begründung ergibt sich hinreichend, dass sich dieses vermeintliche Einverständnis nicht auf die Abfindung insgesamt, sondern nur („diesbezüglich“) auf die Eignung für den klägerischen Landwirtschaftsbetrieb bezog. Ungeachtet dessen war aus dem Zusammenhang der Widersprüche hinsichtlich der von der Familie des Klägers gemeinsam bewirtschafteten Besitzstände erkennbar, dass die gesamte Abfindung, einschließlich der zwischen den einzelnen Besitzständen bestehenden räumlichen Beziehungen angegriffen werden sollte. Später wurde die Widerspruchsbegründung bezüglich des Besitzstands 3297/694 mit Blick auf die Nordgrenze des Abfindungsflurstücks 8.../2 konkretisiert und hinsichtlich weiterer allgemeiner Gesichtspunkte der Abfindung ergänzt. Eine sachliche Beschränkung des Widerspruchs durch die Rechtsvorgängerin des Klägers ist insgesamt nicht erkennbar.
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Auch mit Blick auf die mit der Klage 13 A 20.1633 weiter verfolgten Rügen des Klägers ist das Widerspruchsverfahren ordnungsgemäß durchgeführt worden. Dies gilt auch für die vom Kläger gerügte Erschließung des außerhalb des Flurbereinigungsgebiets gelegenen Flurstücks 6...4, das zwar grundsätzlich erschlossen sei, dessen westlicher, durch einen Bach vom restlichen Grundstück abgetrennter Teil aber nach Zuteilung zweier Einlageflurstücke an einen anderen Teilnehmer nicht mehr angefahren werden könne und mithin nach der Verteilung keine Erschließung mehr habe. Zwar ist dieser Gesichtspunkt nicht bereits innerhalb der Widerspruchsfrist angesprochen worden. Dies ist aber unschädlich. Denn es steht hier entgegen der Auffassung der Beklagten nicht der selbständig mit Widerspruch innerhalb der Widerspruchsfrist geltend zu machende Anspruch auf Erschließung (§ 44 Abs. 3 Satz 3 FlurbG) inmitten, der in Bezug auf das außerhalb des Flurbereinigungsgebiets gelegene Grundstück ohnehin gerade nicht bestünde (Mayr in Wingerter/Mayr, aaO., § 44 Rn 60). Vielmehr handelt es sich bei dem möglichen Wegfall der Erschließung eines Teils des außerhalb des Flurbereinigungsgebiets gelegenen Grundstücks 644 als Folge der Neuverteilung von Grundstücken im Flurbereinigungsgebiet um einen Aspekt, der im Rahmen der Abwägung bei der Landabfindung (§ 44 Abs. 2 FlurbG) zu berücksichtigen war. Damit aber ist die Erschließung des westlichen Teils des Flurstück 6...4 rechtzeitig mit dem gegen die Gesamtabfindung gerichteten Widerspruch geltend gemacht worden.
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3. Die Klagen sind auch begründet. Der Flurbereinigungsplan Teil I in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 17. Juni 2020 bzw. 13. Juli 2020 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger hat einen Rechtsanspruch auf Änderung des Plans zur Herstellung einer Abfindung mit Land von gleichem Wert (§ 146 Nr. 2, § 138 Abs. 1 Satz 2 FlurbG, § 113 Abs. 1, Abs. 5 VwGO). In Ausübung der Änderungsbefugnis nach § 144 Abs. 1 Satz 1 FlurbG ändert der Senat daher den Flurbereinigungsplan Teil I im tenorierten Umfang und beschließt diesen mit Blick auf die Einhaltung der Vorgaben des § 44 Abs. 1 Satz 2 FlurbG auf Grundlage der Feststellung der Ergebnisse der Wertermittlung zugleich neu.
33
a) Der Flurbereinigungsplan Teil I ist bereits deshalb rechtswidrig, weil er am 11. Juni 2013 vom Vorstand der Beklagten, der zuständigen TG (vgl. Mayr in Linke/Mayr, Bayerisches Gesetz zur Ausführung des Flurbereinigungsgesetzes, 2012, Art. 2 Rn. 3) beschlossen wurde, noch bevor er am 8. Oktober 2013 die Feststellung der Ergebnisse der Wertermittlung beschlossen hatte. Damit sind die Vorgaben des § 44 Abs. 1 Satz 2 FlurbG nicht gewahrt:
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Nach § 44 Abs. 1 Satz 2 FlurbG sind bei der Bemessung der Landabfindung die nach den §§ 27 bis 33 FlurbG ermittelten Werte, mithin die Ergebnisse der Wertermittlung, zu Grunde zu legen. In den §§ 27ff. FlurbG wird die Wertermittlung als eigener Abschnitt des gestuften Verwaltungsverfahrens Flurbereinigung ausgegliedert, der mit dem Feststellungsbeschluss nach § 32 FlurbG, einem Verwaltungsakt abschließt (vgl. Mayr in Wingerter/Mayr, aaO., vor § 27 Rn. 1). § 44 Abs. 1 Satz 2 FlurbG schließt bei der Bezugnahme auf die Vorschriften zur Wertermittlung in §§ 27 ff. FlurbG auch das Feststellungverfahren und den entsprechenden Feststellungsbeschluss (§ 32 Satz 3 FlurbG) ausdrücklich mit ein, so dass nach der gesetzlichen Konzeption grundsätzlich das Wertermittlungsverfahren abgeschlossen sein muss, bevor eine Landabfindung festgesetzt werden kann.
35
Bei Erlass des Flurbereinigungsplans Teil I sind im vorliegenden Fall diese materiellen Anforderungen nicht eingehalten. Im Zeitpunkt der Beschlussfassung im Vorstand der Beklagten über den Flurbereinigungsplan lagen die erforderlichen nach den §§ 27 ff. FlurbG ermittelten Werte im Sinne von § 44 Abs. 1 Satz 2 FlurbG nicht vor. Insoweit ist insbesondere nicht ausreichend, dass – wie hier – die Werte für die eingelegten und neu zu verteilenden Grundstücke den Vorschriften der §§ 27ff. FlurbG entsprechend ermittelt wurden und zudem die Behandlung von Einwendungen nach § 32 Satz 1, Satz 3 FlurbG, Art. 9 Satz 2, Satz 3 AGFlurbG im Vorstand erfolgt ist. Denn erst mit dem Beschluss des Vorstands zur Feststellung der Ergebnisse der Wertermittlung ist die Wertermittlung nach §§ 27ff. FlurbG tatsächlich abgeschlossen. Erst dieser stellt den nach Bekanntgabe durch Widerspruch angreifbaren Verwaltungsakt dar, der bestimmt, in welchem Wertverhältnis die Grundstücke im Flurbereinigungsgebiet zueinander stehen (vgl. Mayr in Wingerter/Mayr, § 32, Rn. 3). Das Gesetz sieht für das vereinfachte Flurbereinigungsverfahren (§ 86 Abs. 2 Nr. 4 FlurbG) und das beschleunigte Zusammenlegungsverfahren (§ 96 Satz 2 FlurbG) ausdrücklich vor, dass die Bekanntgabe der Wertermittlungsergebnisse mit der Bekanntgabe des Flurbereinigungsplans bzw. Zusammenlegungsplans verbunden werden kann. Vor dem Hintergrund des Beschleunigungsgrundsatzes wird es zudem auch im Übrigen als rechtlich zulässig angesehen, die Wertermittlungsergebnisse erst zeitlich zusammen mit dem Flurbereinigungsplan festzusetzen, wo dies zur Beschleunigung zweckmäßig ist (vgl. Mayr in Wingerter/Mayr, aaO., vor § 27 Rn. 2). Dementsprechend ist für die Einhaltung der Vorgaben des § 44 Abs. 1 Satz 2 FlurbG nicht zu verlangen, dass die festgestellten Wertermittlungsergebnisse bereits bekanntgemacht sind (§ 32 Satz 3 Halbs. 2, § 110 FlurbG), bevor der Flurbereinigungsplan beschlossen wird. Vielmehr ist ausreichend, aber auch notwendig, dass der Vorstand vor dem Beschluss über die Abfindung einen Beschluss zur Feststellung der Ergebnisse der Wertermittlung (§ 32 Satz 3 Halbs. 1 FlurbG) gefasst hat, der dann gegebenenfalls zeitgleich mit dem Flurbereinigungsplan bekanntgemacht wird. Vorliegend mag sich faktisch an den Ergebnissen der Wertermittlung nach Behandlung der Einwendungen nichts mehr geändert haben, doch bestand entgegen § 44 Abs. 1 Satz 2 FlurbG eine vom Vorstand konkret festgestellte Bewertungsgrundlage für die Abfindung zum Zeitpunkt des Beschlusses über den Flurbereinigungsplan Teil I noch nicht.
36
b) Der materielle Fehler des Flurbereinigungsplans Teil I ist seitens der Beklagten in der Folge nicht geheilt worden.
37
Bei der Erstellung des Flurbereinigungsplans auf Grundlage der Ergebnisse der Wertermittlung und der sich daraus notwendig ergebenden Reihenfolge der vom Vorstand zu treffenden Beschlüsse handelt es sich nicht um eine bloße Verfahrensregelung, sondern vielmehr um eine materiell-rechtliche Anforderung an die Bemessung der Abfindung. Demzufolge finden die nur für Verfahrens- und Formvorschriften geltenden (vgl. Schemmer in BeckOK VwVfG, 59. Ed. 1.4.2023, § 45 Rn. 1) Regelungen der Art. 45 Abs. 1, Art. 46 BayVwVfG vorliegend keine Anwendung (zur grundsätzlichen Anwendbarkeit der Vorschriften im Wertermittlungsverfahren nach dem FlurbG vgl. BVerwG, B.v. 18.4.2017 – 9 B 54.16 – juris Rn. 3, 5). Das Fehlen des Vorstandsbeschlusses zur Wertermittlung vor dem Beschluss des Flurbereinigungsplans kann daher weder durch bloße Nachholung des Beschlusses geheilt werden (Art. 45 Abs. 1 Nr. 4 BayVwVfG), noch im Gerichtsverfahren unbeachtlich bleiben, weil offensichtlich wäre, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat (Art. 46 BayVwVfG).
38
Das Flurbereinigungsrecht enthält keine Sondervorschriften für die Folgen materiell-rechtlicher Mängel des Flurbereinigungsplans. Insbesondere sind über die lediglich für die Berichtigung offensichtlicher inhaltlicher Unrichtigkeiten geltende Vorschrift des § 132 FlurbG keine sachlichen Änderungen oder Ergänzungen des Flurbereinigungsplans möglich (vgl. Wingerter in: Wingerter/Mayr, aaO., § 132 Rn. 1). Eine Wiederherstellung der Rechtmäßigkeit der Abfindung der Teilnehmer des Flurbereinigungsverfahrens konnte mithin nur durch erneuten Beschluss des Flurbereinigungsplans Teil I auf der Grundlage der zwischenzeitlich festgestellten Ergebnisse der Wertermittlung und erneute Bekanntmachung erreicht werden.
39
Ein derartiger erneuter Beschluss des Flurbereinigungsplans ist hier nicht erfolgt. Er ist insbesondere nicht bereits implizit darin zu sehen, dass nach Bekanntgabe des Flurbereinigungsplans Teil I mit Blick auf den Kläger die Abfindungsflurstücke 8..., 8.../2, 1...0 und 1...1 geändert wurden. Die Bekanntgabe dieser Änderungen erfolgte mit dem Flurbereinigungsplan Teil II. Dieser enthält jedoch keine erneute Beschlussfassung zu den Inhalten des Flurbereinigungsplans Teil I.
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Um den Regelungsgehalt eines Verwaltungsakts, wie hier des Flurbereinigungsplans Teil II, zu ermitteln, ist dieser entsprechend §§ 133, 157 BGB auszulegen. Dabei ist der erklärte Wille maßgebend, wie ihn der Empfänger bei objektiver Würdigung verstehen konnte. Bei der Ermittlung dieses objektiven Erklärungswertes sind alle dem Empfänger bekannten oder erkennbaren Umstände heranzuziehen, insbesondere auch die Begründung des Verwaltungsakts (BVerwG, U.v. 16.10.2013 – 8 C 21.12 – juris Rn. 14 m.w.N.). Es ist auf den Willen der Behörde abzustellen, soweit dieser greifbar seinen Niederschlag gefunden hat (vgl. U. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 10. Aufl. 2022, § 35 Rn. 76 m.w.N.). Aus dem Umstand, dass eine bestimmte Regelung getroffen wurde, kann im Einzelfall auch geschlossen werden, dass konkludent eine frühere Regelung aufgehoben wird, die der nunmehr getroffenen Regelung entgegensteht (U. Stelkens, aaO., Rn. 78).
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Die Auslegung ergibt vorliegend, dass mit dem Flurbereinigungsplan Teil II keine erneute Beschlussfassung zum Inhalt des Flurbereinigungsplans Teil I unter Einhaltung der Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 Satz 2 FlurbG mit der Folge der Wiederherstellung der Rechtmäßigkeit erfolgt ist. Schon der Wortlaut enthält keinen Hinweis, dass die Beklagte zugleich eine erneute Beschlussfassung über die dort enthaltene Abfindung aller Teilnehmer herbeiführen wollte. Der Flurbereinigungsplan Teil II enthält zunächst eine Übersicht, wonach er „Auszüge aus dem Flurbereinigungsplan (bestehend aus Eigentümer-, Forderungs-, Abfindungsnachweis)“ enthalte. Weiter enthalte er „Beschlüsse des Vorstands zum Flurbereinigungsplan Teil II und zu den Änderungen des Flurbereinigungsplans Teil I“. Zudem wird wie folgt ausgeführt: „Der Flurbereinigungsplan mit seinen Bestandteilen wird hiermit beschlossen. Ebenso werden alle Änderungen des Flurbereinigungsplans Teil I beschlossen, wie in den Verzeichnissen eingearbeitet und in der Abfindungskarte dargestellt“. Der Plan verweist damit in Bezug auf die bereits im Flurbereinigungsplan Teil I enthaltenen Regelungen lediglich auf diesen. Er enthält aber aus Sicht eines objektiven Empfängers weder unmittelbar noch konkludent einen erneuten Beschluss hierzu. Nach Auffassung des Senats würde ein solches Verständnis auch dem Willen der Beklagten widersprechen. Deren Vorstand wollte zum damaligen Zeitpunkt mit dem Flurbereinigungsplan Teil II ersichtlich nur einige erforderlich gewordene Änderungen zum Flurbereinigungsplan Teil I beschließen, jedoch keine erneute Widerspruchsmöglichkeit auch hinsichtlich der – gegenüber dem Großteil der Teilnehmer bereits bestandskräftigen – Inhalte des Flurbereinigungsplans Teils I schaffen.
42
Der Kläger ist durch den rechtswidrigen Flurbereinigungsplan Teil I hinsichtlich beider betroffener Besitzstände auch in seinen Rechten verletzt. Dem kann nicht mit der Beklagten entgegengehalten werden, dass der Flurbereinigungsplan Teil I bei Kenntnis von dem Mangel erneut mit gleichem Inhalt erlassen worden wäre und so letztlich keine Verletzung der Rechte des Klägers vorliege. Die Neuordnung des Flurbereinigungsgebiets durch den Flurbereinigungsplan Teil I greift in Rechte des Klägers, insbesondere dessen Eigentumsgrundrecht aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG ein. Die verletzte Vorschrift des § 44 Abs. 1 Satz 2 FlurbG schafft einklagbare Rechte (Mayr in Wingerter/Mayr, aaO., § 44 Rn. 42 m.w.N.).
43
c) Der Kläger ist zudem hinsichtlich beider streitgegenständlicher Besitzstände nicht wertgleich abgefunden worden.
44
Nach § 44 Abs. 1 Sätze 1 und 2, Abs. 2 FlurbG ist jeder Teilnehmer für seine Grundstücke unter Berücksichtigung der nach § 47 FlurbG vorgenommenen Abzüge mit Land von gleichem Wert entsprechend der nach den §§ 27 ff. FlurbG ermittelten Werte abzufinden. Bei der Landabfindung sind die betriebswirtschaftlichen Verhältnisse aller Teilnehmer gegeneinander abzuwägen und alle Umstände zu berücksichtigen, die auf den Ertrag, die Benutzung und die Verwertung der Grundstücke wesentlichen Einfluss haben. In der Nutzungsart, Beschaffenheit, Bodengüte und Entfernung vom Wirtschaftshofe oder von der Ortslage soll die Landabfindung den alten Grundstücken entsprechen, soweit es mit einer großzügigen Zusammenlegung des Grundbesitzes nach neuzeitlichen betriebswirtschaftlichen Erkenntnissen vereinbar ist (§ 44 Abs. 4 FlurbG). Die Landabfindungen müssen in möglichst großen Grundstücken ausgewiesen und durch Wege zugänglich gemacht werden (§ 44 Abs. 3 FlurbG). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Wertgleichheit von Einlage und Abfindung ist der Zeitpunkt, in dem der neue Rechtszustand an die Stelle des bisherigen tritt. In den Fällen der vorläufigen Besitzeinweisung ist der Zeitpunkt maßgeblich, in dem diese wirksam wird (§ 44 Abs. 1 Satz 4 FlurbG). Eine Landabfindung ist insgesamt nur dann im Sinne des § 44 Abs. 1 Satz 1 FlurbG wertgleich, wenn die durch die Schätzung ermittelten Werte und die weiteren den Wert der Gesamtabfindung mitbestimmenden Faktoren in Ansatz gebracht und angemessen berücksichtigt worden sind (BayVGH, U.v. 19.6.1986 – 13 A 83 A.337 – RzF 45 zu § 37 Abs. 1 FlurbG; OVG Niedersachsen, U.v. 16.2.2016 – 15 KF 16/15 – juris Rn. 85). Bei der Beurteilung der Wertgleichheit einer Landabfindung ist dabei stets die gesamte Einlage der gesamten Abfindung gegenüber zu stellen (st. RSpr., vgl. bereits BayVGH, U.v. 2.10.2001 – 13 A 98.3613 – juris Rn. 22).
45
Diesen Vorgaben wird die Abfindung des Klägers hinsichtlich der beiden streitgegenständlichen Besitzstände nicht gerecht.
46
Der Besitzstand 3297/694 wurde mit dem Flurbereinigungsplan Teil I in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. Juli 2020 zwar rechnerisch wertgleich abgefunden, indem für die Minderausweisung ein Geldausgleich vorgesehen wurde. Im Widerspruchsbescheid hat der Spruchausschuss der Rechtsvorgängerin des Klägers eine Forderungserhöhung von 374 WVZ zugesprochen. Zugleich wurde mit Blick auf den Umstand, dass der Besitzstand nur mit einem Abfindungsflurstück abgefunden worden und aufgrund der umliegenden Grundstücke dessen Vergrößerung nicht möglich sei, auf den Widerspruch gegen den Flurbereinigungsplan Teil I hin eine unvermeidbare Minderausweisung gegen Geld nach § 44 Abs. 3 Satz 2 FlurbG vorgesehen.
47
Allerdings sind seit Übergang des Eigentums an dem Besitzstand auf den Kläger am 13. August 2020 die Voraussetzungen des § 44 Abs. 3 Satz 2 FlurbG für eine Minderausweisung gegen Geld nicht mehr gegeben, weil diese nicht mehr unvermeidbar war. Seit dem Eigentumsübergang kann die Forderungsmehrung in Höhe von 374 WVZ an anderer Stelle in räumlichem Zusammenhang mit der übrigen Abfindung des Klägers in Land ausgeglichen werden, so dass für die noch nicht bestandskräftige bisher vorgesehene Minderzuteilung kein Raum mehr ist. Entgegen der Auffassung der Beklagten sind für die Zwecke der Abfindung die beiden im Eigentum des Klägers stehenden Besitzstände 3...7/6...7 und 3297/694 gemeinsam und nicht strikt getrennt zu betrachten. Dem steht auch nicht die Regelung des § 15 FlurbG entgegen, wonach derjenige, der ein im Flurbereinigungsgebiet gelegenes Grundstück erwirbt, das bis zu seiner Eintragung im Grundbuch oder bis zur Anmeldung des Erwerbs durchgeführte Verfahren gegen sich gelten lassen muss. Dies kann etwa für die Wertermittlung oder das Vorbringen im Wunschtermin gelten, zudem auch für bereits bestandskräftige Teile des Flurbereinigungsplans, denn der Erwerber kann die Abfindung für den von ihm erworbenen Altbesitz nur in dem Umfang weiter anfechten, in dem sie im Zeitpunkt des Erwerbs von seinem Rechtsvorgänger angefochten und noch nicht unanfechtbar geworden war (vgl. Wingerter in Wingerter/Mayr, aaO., § 15 Rn. 2, Rn 7 m.w.N.). Vorliegend ist jedoch für beide Besitzstände der Flurbereinigungsplan Teil I noch nicht bestandskräftig. Ein Ergebnis im Sinne der Vorschrift, das der Kläger gegen sich gelten lassen müsste, liegt demnach jedenfalls insoweit noch nicht vor. Ein Anlass, zu Lasten des Klägers beide Besitzstände getrennt zu betrachten und insbesondere für den Besitzstand 3297/694 anstelle des grundsätzlich nach § 44 Abs. 1 Satz 1 FlurbG erforderlichen Ausgleichs in Land eine unvermeidliche Minderausweisung gegen Geld vorzusehen, besteht nicht. Der Landausgleich kann auch bei dem oder in räumlichem Zusammenhang mit dem Besitzstand 3...7/6...7 geschaffen werden. Dem steht auch nicht entgegen, dass die noch zu berücksichtigende Forderungsmehrung durch Widerspruchsbescheid vom 13. Juli 2020 und damit noch vor dem Übergang des Besitzstands auf den Kläger festgestellt wurde. Denn der Flurbereinigungsplan Teil I in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. Juli 2020 ist noch nicht bestandskräftig.
48
Der Kläger ist auch hinsichtlich des Besitzstands 3...7/6...7 rechnerisch nicht wertgleich im Sinne von § 44 Abs. 1 Satz1 FlurbG abgefunden. Im Rahmen des Klageverfahrens des Klägers gegen die Feststellung der Ergebnisse der Wertermittlung (Az. 13 A 20.1634) hat die Beklagte dem Kläger bereits Änderungen in der Wertermittlung und damit Forderungsmehrungen hinsichtlich folgender Einlageflurstücke zugesagt, die noch nicht im Flurbereinigungsplan umgesetzt sind:
49
Einlageflurstück 1...1: Forderungsmehrung 531 WVZ
50
Einlageflurstück 2...5: Forderungsmehrung 22 WVZ
51
Zudem hat der Senat mit Urteil vom heutigen Tag im Verfahren 13 A 20.1634 die Feststellung der Ergebnisse der Wertermittlung wie folgt geändert:
52
Einlageflurstück 9...: Forderungsmehrung 557 WVZ
53
(619 m² mit Wertzahl 20 statt bisher 11).
54
Auch diese Anpassung ist im Flurbereinigungsplan Teil I noch nicht berücksichtigt, so dass die Abfindung des Klägers gegenüber seiner Einlage hinsichtlich des Besitzstands 3...7/6...7 bereits rechnerisch um 1.110 WVZ zu niedrig ausfällt.
55
d) Mit Blick auf die übrigen vom Kläger vorgetragenen Rügen gegen den Flurbereinigungsplan Teil I bzw. die darin vorgesehene Abfindung ist der sachverständig besetzte Senat (vgl. § 139 Abs. 2 FlurbG, Art. 19 AGFlurbG) hingegen zu der Auffassung gelangt, dass insoweit kein Verstoß gegen die gesetzlichen Vorgaben für die Abfindung nach dem FlurbG festzustellen ist. Der Vergleich des vom Kläger bzw. seinen Rechtsvorgängern eingebrachten Grundbesitzes mit den ihm zugeteilten Abfindungsflächen ergibt – abgesehen von der oben dargelegten rechnerischen Wertungleichheit – keine Beanstandungen.
56
Der Kläger hat im Rahmen der Begründung von Widerspruch und Klage gegen den Flurbereinigungsplan Teil I im Wesentlichen vorgetragen, eine die Bedürfnisse des Betriebes berücksichtigende Abfindung sei nicht erfolgt. Der Betrieb werde ökologisch geführt. Für seinen Betrieb seien daher unter anderem der Abstand zu konventioneller Bewirtschaftung und Ausrichtung der Flächen wesentliche Faktoren. Für ihn seien Ackerflächen mit Bewirtschaftungsrichtung Ost-West aufgrund der Windverhältnisse uninteressant. Er benötige vielmehr Flächen mit der Bewirtschaftungsrichtung Nord-Süd. Weiter sei es als schwierig anzusehen, wenn die unmittelbaren Nachbarn herkömmliche Bewirtschaftungen vornähmen. Auch die Form und Einteilung einzelner Abfindungsflurstücke werde gerügt. Die Flächen seien zudem ungeeignet im Hinblick auf den vom Kläger angestrebten Agro-Forst-Betrieb. Die üblichen Vorteilskriterien wie Größe, Zusammenlegung, Hofnähe seien für den Kläger nur Teilkriterien. Der Zweck des Flurbereinigungsverfahrens nach § 1 FlurbG, die Verbesserung der Produktions- und Arbeitsbedingungen, sei nicht erfüllt. Vor der Flurbereinigung seien elf landwirtschaftlich genutzte Flächen zu bewirtschaften gewesen, nun seien es neun. Der Grundbesitz sei nach wie vor zersplittert, ein echter Vorteil durch Bildung hofnaher und besser geformter Grundstücke nicht erkennbar. Nahe der Hofstelle habe sich eine weitere Zuteilung aufgedrängt, zumal die Eigentümer der beiden Flächen diese Grundstücke nicht selbst bewirtschafteten und deshalb eine geringere Schutzwürdigkeit genössen als ein Landwirt, der von der Bewirtschaftung seiner Flächen lebe. Durch die Zuteilung dieser Grundstücke wäre eine große gemeinsam bewirtschaftbare Fläche in unmittelbarer Hofnähe entstanden und hätten Wege in diesem Bereich entfallen können. Der entsprechende Zuteilungswunsch sei mehrfach geäußert und abgelehnt worden. Die ihm zugewiesenen Grundstücke hätten teilweise einen schlechten Zuschnitt. Hieraus ergebe sich gerade für einen ökologisch wirtschaftenden Betrieb ein erhöhter Bewirtschaftungsaufwand, der auch einen erhöhten Ausstoß von klimaschädlichen Gasen zur Folge habe.
57
Auf Grundlage dieses Vorbringens kann nach Auffassung des Senats ein Verstoß der Abfindung des Klägers gegen die gesetzlich vorgegebenen Neugestaltungs- und Abfindungsgrundsätze (§§ 37, 44 FlurbG) selbst bei Berücksichtigung des Umstands, dass die beiden klägerischen Besitzstände und der Besitzstand seines Vaters gemeinsam bewirtschaftet werden, nicht festgestellt werden.
58
Ein Teilnehmer eines Flurbereinigungsverfahrens hat grundsätzlich keinen Anspruch, mit bestimmten Grundstücken oder mit Grundstücken in bestimmter Lage – auch nicht in der Lage seiner alten Grundstücke – abgefunden zu werden, da ansonsten die Zusammenlegung von Grundstücken erheblich erschwert oder unmöglich gemacht würde (BayVGH, U.v. 2.10.2001 – 13 A 98.3613 – juris Rn. 21ff. mit Verweis auf BVerwG, B.v. 19.11.1998 – 11 B 53.98 – juris = RdL 1999, 65). Das Recht des Teilnehmers, die für ihn vorgesehene Abfindung der gerichtlichen Kontrolle zu unterstellen, erschöpft sich jedoch nicht allein in der Erfüllung des Planungsgrundsatzes der wertgleichen Abfindung nach § 44 Abs. 1 Satz 1 FlurbG. Vielmehr kann er, da sein Eigentum Gegenstand der durch die Flurbereinigungsplanung zu bewirkenden Veränderung ist und die Planungsziele auch auf die Einzelabfindung des Teilnehmers ausgerichtet sind, auch zur Entscheidung stellen, ob alle ihn betreffenden Belange in die Abwägung eingestellt und sachgerecht gewichtet worden sind. Dabei erstreckt sich die Prüfungskompetenz des Flurbereinigungsgerichts nach § 146 Nr. 2 FlurbG jedoch nur darauf, zu befinden, ob die Beklagte in zweckmäßiger Weise von ihrem Ermessen Gebrauch gemacht hat. Nicht abzustellen ist darauf, ob eine ebenfalls zweckmäßige oder auch zweckmäßigere Lösung denkbar gewesen wäre (BVerwG, U.v. 14.12.1978 – V C 16.76 – juris Rn. 24 = BVerwGE 57, 192).
59
Danach hat der Kläger zunächst keinen Anspruch auf die von ihm gewünschte Mehrung an hofnahen bzw. hofnäheren Flächen, zumal er solche Flächen nicht in dem gewünschten Umfangt eingelegt hat. Verpachtende Teilnehmer sind zudem entgegen seiner Auffassung – worauf die Beklagte zurecht verwiesen hat – gegenüber selbst wirtschaftenden Landwirten nicht schlechter zu behandeln. Sie haben ebenfalls einen Anspruch auf wertgleiche Abfindung (Mayr in Wingerter/Mayr, aaO., § 44 FlurbG, Rn. 5, 73). Auch kann eine Abfindung alleine mit Flächen, die in einer bestimmten Himmelsrichtung bewirtschaftet werden, wie dies der Kläger wünscht, nicht verlangt werden. Die Abwägung muss zwar von den – rechtzeitig vorgetragenen – betriebswirtschaftlichen Verhältnissen des konkreten Betriebs ausgehen (Mayr in Wingerter/Mayr, aaO., § 44 Rn 31, 34) und daher ggf. auch Besonderheiten und betriebliche Anforderungen berücksichtigen, die sich aus der ökologischen Bewirtschaftung ergeben. Dass die eingelegten Flurstücke bislang in größerem Maße in Nord-Süd-Richtung bewirtschaftet wurden, als dies in der Abfindung möglich wäre, hat der Kläger aber selbst nicht vorgetragen, noch ist dies sonst festzustellen. Nach Feststellung des Senats ist in Bezug auf die Besitzstände des Klägers eine die Vorgaben der §§ 37, 44 FlurbG wahrende Zusammenlegung gelungen, die insbesondere – wie die Beklagte im Verfahren unwidersprochen dargelegt hat – eine auf weniger als die Hälfte verringerte Länge der Grenzen der klägerischen Flächen zu konventionell bewirtschafteten Flächen beinhaltet. Auch ist die Zahl der landwirtschaftlich bewirtschafteten Einzelflächen des Klägers erheblich zurückgegangen, nach Feststellung des Senats von elf auf sechs, bei Berücksichtigung des gemeinsam bewirtschafteten Abfindungsflurstücks des Vaters des Klägers von zwölf auf sieben Flächen. Die jeweiligen Zuschnitte der zugeteilten Grundstücke mögen nicht in jedem Fall ideal für die Bewirtschaftung sein, es ist aber gleichwohl eine erhebliche Verbesserung gegenüber der Einlage festzustellen. Der Senat verweist insoweit etwa auf die schwierige Form des früher durch die Einlageflurstücke 2...5, 2...5/3, 2...6, 2...6/2 gebildeten Grundbesitzes, die gegenüber den beiden Abfindungsflurstücken 1...3 und 1...0 schlechter zu bewirtschaften war, sowie auf die Abfindung durch die Flurstücke 8..., 8.../2, die sich ebenfalls als deutliche Verbesserung darstellt. Zudem konnte dem Kläger in Hofnähe das große Abfindungsflurstück 1...5 neu zugeteilt werden. Ein bestimmter Zusammenlegungsgrad ist nicht gesetzlich vorgegeben (vgl. Mayr in Wingerter/Mayr, aaO., § 44 Rn. 53 m.w.N.), so dass eine noch stärkere Zusammenlegung, auch unter Berücksichtigung des Besitzstands des Vaters des Klägers zwar wünschenswert gewesen wäre, sich aber die konkrete Zuteilung nicht bereits deshalb als rechtswidrig erweist. Der Vortrag, die Kläger würden einen Agro-Forst-Betrieb planen, für den die Zuteilung ungeeignet sei, musste von der Beklagten nicht berücksichtigt werden. Das Interesse eines Teilnehmers an der Sicherung bereits bestehender betrieblichen Möglichkeiten wird durch das der vollen gerichtlichen Überprüfung unterliegende Gebot wertgleicher Abfindung (§ 44 Abs. 1 Satz 1 FlurbG) gewährleistet. Eine Abwägungskontrolle auf der Grundlage von § 44 Abs. 2 Halbs. 1 FlurbG findet dagegen nur bei konkretisierten betrieblichen Entwicklungstendenzen statt, die sich einem Teilnehmer erst durch die Flurbereinigung eröffnen (BVerwG, U.v. 8.3.2017 – 9 B 57.16 – juris Rn. 10 = RzF 130 zu § 144 FlurbG). Den Teilnehmer trifft insoweit aber eine Mitwirkungspflicht, nach der er gehalten ist, im Planwunschtermin (§ 57 FlurbG) auf die maßgeblichen Gesichtspunkte hinzuweisen und hierzu konkrete Gestaltungsvorschläge zu unterbreiten. Nur derart qualifizierte Planwünsche gehören zum Abwägungsmaterial. (OVG Lüneburg, Urteil vom 16. Februar 2016 – 15 KF 16/15 – juris Rn. 86 = RdL 2016, 211ff.; Mayr in Wingerter/Mayr, aaO., § 44 Rn. 30). Dies war hier jedoch gerade nicht der Fall. Überdies ist eine Agro-Forst-Bewirtschaftung weder im Rahmen der Ortseinsicht des Spruchausschusses festgestellt worden, noch konnte der Senat entsprechende Feststellungen im Rahmen der Augenscheintermine treffen.
60
Die von der Beklagten vorgenommene Abwägung ist auch nicht mit Blick auf eine mangelhafte Erschließung des außerhalb des Flurbereinigungsgebiets gelegenen Flurstücks 6...4 rechtswidrig. Denn zwar ist der fragliche, westlich eines Bachgrabens gelegene Teil des Waldgrundstücks nach Zuteilung der angrenzenden, vom Kläger in das Verfahren eingelegten Grundstücke 644/3 u. 644/4 an einen anderen Teilnehmer des Verfahrens nicht mehr über diese Grundstücke erschlossen. Allerdings ist das Flurstück 6...4 selbst von der Ostseite her erschlossen und auch der östlich des Baches bzw. des Grabens gelegene Steilhang kann nach Feststellung des sachverständig besetzten Senats schon bisher nur unter Einsatz entsprechenden besonderen Arbeitsgeräts (Seilwinde) bewirtschaftet werden. Dieses Gerät ist auch für die Bewirtschaftung des westlichen Grundstücksteils ausreichend. Einer zusätzlichen Erschließung bedarf dieser untergeordnete Grundstücksteil mit einer Fläche von ca. 130 m² damit nicht. Die Neuzuteilung der Einlagegrundstücke 644/3 u. 644/4 des Klägers an einen anderen Teilnehmer begegnet vor diesem Hintergrund keinen Bedenken.
61
Die Beklagte hat ihr Ermessen hinsichtlich der genannten Rügen des Klägers gegen den Flurbereinigungsplan Teil I bzw. die darin vorgesehene Abfindung ordnungsgemäß und in zweckmäßiger Weise ausgeübt. Dass gegebenenfalls eine noch bessere Lösung denkbar oder zweckmäßig gewesen wäre, bezweifelt der Senat nicht. Entsprechende Ansatzpunkte sind in den mündlichen Verhandlungen angesprochen worden. Eine fehlerhafte Ausübung des der Beklagten obliegenden Planungsermessens lässt sich jedoch nicht feststellen. Auch unter dem Gesichtspunkt des Ausstoßes zusätzlicher klimaschädlicher Gase drängt sich vorliegend keine andere Lösung auf.
62
4. Der Senat macht im tenorierten Umfang von der Änderungs- und Gestaltungsbefugnis des § 144 Satz 1 FlurbG Gebrauch, um auf die begründete Klage hin durch Anpassung des Flurbereinigungsplans und damit verbunden dessen erneuten Beschluss einen rechtmäßigen Zustand herbeizuführen.
63
a) Nach der erweiterten Entscheidungsbefugnis des § 144 Satz 1 FlurbG kann der Senat den angefochtenen Verwaltungsakt, hier den Flurbereinigungsplan Teil I, durch Urteil ändern oder den Widerspruchsbescheid ganz oder teilweise aufheben und die Sache, soweit der Widerspruchsbescheid aufgehoben wird, zur erneuten Verhandlung und Bescheidung an den Spruchausschuss zurückverweisen. Kann dabei das Flurbereinigungsgericht selbst entscheiden, ist es vor dem Hintergrund des Beschleunigungsgrundsatzes gehalten, das Verfahren zu einem sachlichen Abschluss zu bringen und nicht an die Widerspruchsbehörde zurück zu verweisen (vgl. Mayr in Wingerter/Mayr, aaO., § 144 Rn 3 m.w.N.). In § 144 Satz 1 FlurbG hat das flurbereinigungsrechtliche Gebot der Verfahrensbeschleunigung Ausdruck gefunden. Die Vorschrift verleiht dem Flurbereinigungsgericht, wenn es die Klage für begründet hält, eine erweiterte Änderungs- und Gestaltungsbefugnis. Das ihm dabei eröffnete Ermessen, ob es den angefochtenen Verwaltungsakt durch Urteil ändert oder die Sache zurückverweist, ist unter Beachtung des Beschleunigungsgebots auszuüben (BVerwG, B.v. 10.5.2007 – 10 B 71.06 – RzF 21 zu § 144 = RdL 2007, 221). Steht eine Planänderung in Rede, setzen seine besonderen Befugnisse und seine fachkundige Besetzung das Flurbereinigungsgericht regelmäßig in den Stand, die erforderlichen und zweckmäßigen Änderungen selbst auszusprechen. Nur dort, wo es ihm im Hinblick auf Umfang und Schwierigkeit des zu Veranlassenden unzumutbar erscheint, selbst eine Planänderung vorzunehmen, ist eine Zurückverweisung gerechtfertigt (BVerwG, U.v. 17.4.1975 – 5 C 38.74 – juris Rn. 17).
64
b) Dies zu Grunde gelegt ändert der Senat zur Herstellung einer auch rechnerisch wertgleichen Abfindung den vom Kläger angegriffenen Flurbereinigungsplan Teil I wie folgt:
65
Von dem klägerischen Besitzstand 3297/694 wird die sich aus dem Widerspruchsbescheid zur Feststellung der Ergebnisse der Wertermittlung ergebende Forderung in Höhe von 374 WVZ auf den Besitzstand 3...7/6...7 übertragen und die bisherige Minderausweisung gegen Geldausgleich im Besitzstand 3297/694 gestrichen. Zum Ausgleich der bisherigen Minderabfindung von 1.110 WVZ im klägerischen Besitzstand 3...7/6...7 und der zusätzlichen Forderung von 374 WVZ, insgesamt also einer noch offenen Forderung von 1.484 WVZ, erhält der Kläger das bisher dem Markt E. zugeteilte Abfindungsflurstück 1...4 mit einer Gesamtgröße von 1.113 m² bzw. 2.018 WVZ gemäß festgestellter Wertermittlung vollständig zugeteilt. Das Grundstück wird dem Abfindungsflurstück 1...1 zugemessen. Soweit die damit neu zugeteilte Fläche die Forderung des Klägers übersteigt, wird sie als Mehrausweisung ohne Geldausgleich zugeteilt. Die Zuteilung erfolgt zusätzlich zu den bereits mit dem Flurbereinigungsplan Teil II beschlossenen Änderungen, die auch die Zumessung des früheren Wegs Abfindungsflurstück 1...45 zum klägerischen Abfindungsflurstück 1...1 zum Ausgleich für eine Straßenbaumaßnahme an anderer Stelle umfassten. Die Fläche geht auf den klägerischen Besitzstand mit den darauf befindlichen Obstbäumen über, die der Kläger nach eigenem Wunsch entfernen oder aber behalten kann.“
66
Sollte durch die Zuteilung eine erforderliche Ausgleichsfläche entfallen, hat die Beklagte diese Ausgleichsfläche – gegebenenfalls durch Änderung des Plans nach § 41 FlurbG – an anderer Stelle neu zu schaffen.
67
c) Mit Änderung des Flurbereinigungsplans Teil I wird dieser – ebenfalls in Ausübung der erweiterten Entscheidungsbefugnis des § 144 Satz 1 Alt. 1 FlurbG – zugleich auf Grundlage der von der Beklagten festgestellten Ergebnisse der Wertermittlung (vgl. hierzu auch das Urteil vom heutigen Tage im Verfahren 13 A 20.1634) neu beschlossen und auch dahingehend ein den Vorgaben des § 44 Abs. 1 Satz 2 FlurbG entsprechender rechtmäßiger Zustand herbeigeführt.
68
Das Flurbereinigungsgericht kann im Rahmen seines Gestaltungsermessens, das demjenigen der Flurbereinigungsbehörde entspricht, den Flurbereinigungsplan ändern, ergänzen oder sogar in vollem Umfange umgestalten, wobei sich diese Befugnis nicht auf die Abfindungen der Teilnehmer beschränkt, sondern auch alle übrigen im Flurbereinigungsplan enthaltenen Regelungen erfassen kann (BVerwG, B.v. 8.1.1971 – IV B 105.69 – RzF 4 zu § 146 Nr. 2 FlurbG = RdL 1971, 193; Mayr in Wingerter/Mayr, aaO., § 144 Rn. 1). Diese Befugnis des Flurbereinigungsgerichts umfasst vor dem Hintergrund des Beschleunigungsgebots auch eigene Maßnahmen, um die Heilung eines rechtswidrigen Verwaltungsakts zu erreichen (BVerwG, B.v. 10.5.2007 – 10 B 71.06 – RzF 21 zu § 144 FlurbG = RdL 2007, 221, dort bezogen auf die vom Flurbereinigungsgericht selbst vorzunehmende Einholung der Zustimmung eines Liquidators zu einer Antragstellung auf Durchführung eines Bodenordnungsverfahrens). Gründe, warum vorliegend eine erneute Entscheidung des Flurbereinigungsgerichts zu dem Flurbereinigungsplan ausscheiden sollte, sind nicht ersichtlich. Die Sache ist spruchreif. Auch insoweit stünde eine bloße Aufhebung des Widerspruchsbescheids und eine Rückverweisung an den Spruchausschuss beim ALE zur Behebung der Rechtswidrigkeit des Flurbereinigungsplans Teil I in Widerspruch zum flurbereinigungsrechtlichen Beschleunigungsgrundsatz.
69
Das Flurbereinigungsgericht ist schließlich bei seiner Entscheidung an die Anträge der Beteiligten nicht gebunden (§ 146 Nr. 1 FlurbG). Das Gericht soll ohne Rücksicht auf die formulierten Anträge die beste Lösung treffen können (BVerwG, U.v. 27.6.1961 – RzF 1 zu § 146 Nr. 1). Dem Antrag des Klägers auf Zurückverweisung des Verfahrens an die Widerspruchsbehörde musste demnach nicht entgegen dem flurbereinigungsrechtlichen Beschleunigungsgebot entsprochen werden.
70
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 147 Abs. 1 FlurbG, § 154 Abs. 1 VwGO. Es bestand kein Anlass, der Beklagten die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen aufzuerlegen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 VwGO i.V.m.§ 708ff. ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.