Inhalt

VGH München, Beschluss v. 21.08.2023 – 12 ZB 23.1134
Titel:

Staatliche Festlegungen von Anforderungen für Pflegeheime

Normenketten:
AVPfleWoqG § 2 Abs. 1 S. 2, § 4 Abs. 3 S. 1, § 10 Abs. 1, § 50 Abs. 1
GG Art. 12 Abs. 1 S. 2, Art. 14 Abs. 1 S. 2
SGB XI § 9, § 82 Abs. 3
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1
Leitsätze:
1. Staatliche Festlegungen quotendefinierter Anforderungen für Pflegeheime, wie beispielsweise die Anzahl rollstuhlgerechter Wohnplätze oder die Zahl von Einzelzimmern pro Einrichtung, bedürfen – insbesondere, wenn sie für bestandsgeschützte Einrichtungen (nachträglich) erfolgen sollen – im Lichte der Anforderungen des Art. 12 Abs. 1 S. 2 und des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG stets eines Handelns des Gesetz- und Verordnungsgebers. (Rn. 19 und 25) (redaktioneller Leitsatz)
2. Regelungen in Ministerialschreiben oder sonstige Willensbekundungen der Exekutive genügen diesen Anforderungen nicht; dies gilt namentlich dann, wenn nachträglich in bestandsgeschütztes Eigentum oder das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb eingegriffen werden soll und sich deshalb unter Berücksichtigung der in § 9, § 82 Abs. 3 SGB XI getroffenen Regelungen Fragen eines angemessenen finanziellen Ausgleichs stellen. (Rn. 18und 23) (redaktioneller Leitsatz)
3. Entsprechende Festlegungen des Gesetz- und Verordnungsgebers müssen der Exekutive begrenzende Handlungsmaßstäbe liefern, den Gerichten eine wirksame Rechtskontrolle ermöglichen und den betroffenen Einrichtungen und Pflegebedürftigen erlauben, sich auf belastende Maßnahmen, gegebenenfalls unter Gewährung eines angemessenen finanziellen Ausgleichs (etwa in Gestalt eines bewohnerorientierten Aufwendungszuschusses) einzustellen. (Rn. 40 – 41) (redaktioneller Leitsatz)
Orientierungsätze:
Staatliche Festlegungen quotendefinierter Anforderungen für Pflegeheime, wie beispielsweise die Anzahl rollstuhlgerechter Wohnplätze oder die Zahl von Einzelzimmern pro Einrichtung, bedürfen – insbesondere, wenn sie für bestandsgeschützte Einrichtungen (nachträglich) erfolgen sollen – im Lichte der Anforderungen des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 und des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG stets eines Handelns des Gesetz- und Verordnungsgebers (unter Bezugnahme auf BVerfGE 76, 171 [184 f.]; 95, 193 [214]; BVerwGE 158, 364 [384] Rn.65).
Regelungen in Ministerialschreiben oder sonstige Willensbekundungen der Exekutive genügen diesen Anforderungen nicht. Dies gilt namentlich dann, wenn nachträglich in bestandsgeschütztes Eigentum oder das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb eingegriffen werden soll und sich deshalb unter Berücksichtigung der in §§ 9, 82 Abs. 3 SGB XI getroffenen Regelungen Fragen eines angemessenen finanziellen Ausgleichs stellen (im Anschluss an BVerfGE 100, 226 [244 ff.]; 143, 246 [383] Rn. 372).
Entsprechende Festlegungen des Gesetz- und Verordnungsgebers müssen der Exekutive begrenzende Handlungsmaßstäbe liefern, den Gerichten eine wirksame Rechtskontrolle ermöglichen und den betroffenen Einrichtungen und Pflegebedürftigen erlauben, sich auf belastende Maßnahmen, gegebenenfalls unter Gewährung eines angemessenen finanziellen Ausgleichs (etwa in Gestalt eines bewohnerorientierten Aufwendungszuschusses) einzustellen (unter Bezugnahme auf BVerfGE 133, 277 [336] Rn. 140; 145, 20 [69] Rn. 125).
Schlagworte:
Befreiungen und Angleichungsfristverlängerungen für heimrechtliche Anforderungen, rollstuhlgerechte Wohnplätze, Einzelzimmerquote, verbindliche Festlegungen nur durch Gesetz oder Rechtsverordnung, Rechtsschutz des vom Träger der Einrichtung personenverschiedenen Eigentümers der Immobilie, Pflegeheim, Anforderungen, Einzelzimmer, Gesetz, Rechtsverordnung, Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, Berufsfreiheit, finanzieller Ausgleich
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 25.05.2023 – M 17 K 19.5798
Fundstelle:
BeckRS 2023, 24464

Tenor

I. Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Antrag der Beigeladenen auf Zulassung der Berufung wird verworfen.
III. Die Klägerin und die Beigeladene tragen die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens je zur Hälfte.
IV. Der Streitwert für das Berufungszulassungsverfahren wird auf 15.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antrag auf Zulassung der Berufung, mit dem die Klägerin sich nach vorausgegangener übereinstimmender Teilerledigungserklärung gegen die klageabweisende Entscheidung des Verwaltungsgerichts München vom 25. Mai 2023 im Übrigen wendet und ihr Begehren weiterverfolgt, eine Befreiung von (vermeintlichen) heimrechtlichen Anforderungen, hilfsweise eine Verlängerung der Angleichungsfrist für deren Umsetzung bis zum 31. Oktober 2031 zu erwirken, bleibt ohne Erfolg. Zulassungsgründe liegen, soweit überhaupt den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechend dargelegt, nicht vor (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).
2
1. Die angefochtene Entscheidung begegnet – im Ergebnis – keinen ernstlichen Zweifeln hinsichtlich ihrer Richtigkeit (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die von der Klägerin erhobene Verpflichtungsklage bereits wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig ist (vgl. S. 11 d. Entscheidungsgründe), soweit beantragt wird, den streitgegenständlichen Bescheid vom 4. April 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids der Regierung von Oberbayern vom 21. Oktober 2019 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, dem Antrag der Klägerin vom 29. August 2016 auf Befreiung (§ 50 Abs. 1 der Verordnung zur Ausführung des Pflege- und Wohnqualitätsgesetzes – AVPfleWoqG – vom 27. Juli 2011, GVBl. S. 346, zuletzt geändert durch VO vom 22. Dezember 2020, GVBl. S. 691) bezüglich des Vorhaltens einer Quote von 25% rollstuhlgerechter Plätze (§ 2 Abs. 1 Satz 2 AVPfleWoqG) sowie eines Anteils von 75% Einzelwohnplätzen (§ 4 Abs. 3 Satz 1 AVPfleWoqG) stattzugeben.
3
Eine Verpflichtungsklage auf Erteilung einer Befreiung ist von vorneherein unnötig und damit zugleich auch unzulässig, wenn die zuständige Behörde – wie im vorliegenden Fall – zum Zeitpunkt des Befreiungsantrages eine lediglich abstrakte gesetzliche Anforderung noch gar nicht auf eine bestimmte Einrichtung bezogen konkretisiert hat (vgl. hierzu VG München, U.v. 2.12.2021 – M 17 K 18.6101 – juris, Rn. 60). Weder die Anzahl der Wohnplätze und Sanitärräume, die rollstuhlgerecht sein müssen (§ 2 Abs. 1 Satz 2 AVPfleWoqG), noch der angemessene Anteil an Einzelwohnplätzen (§ 4 Abs. 3 Satz 1 PfleWoqG) ist bislang seitens des Beklagten für die Einrichtung der Klägerin verbindlich festgelegt worden, wie nunmehr auch der Bevollmächtigte der Klägerin in der Antragsbegründung vom 4. August 2023 (S. 3.) konzediert. Für eine Beantragung einer wie auch immer gearteten Befreiung (§ 50 Abs. 1 AVPfleWoqG) ist deshalb – jedenfalls derzeit – kein Raum. Gleiches gilt in Bezug auf die hilfsweise begehrte Verlängerung der Angleichungsfrist (§ 10 Abs. 1 AVPfleWoqG) für die Umsetzung entsprechender Maßnahmen bis zum 31. Oktober 2031. Ebenso wenig kommt eine Verurteilung des Beklagten zu einer erneuten Entscheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts in Betracht (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO). Vielmehr hat das Verwaltungsgericht die Anträge der Klägerin zu Recht abgewiesen, mit der Folge, dass ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) nicht bestehen.
4
a) § 2 Abs. 1 Satz 2 AVPfleWoqG enthält (selbst) keinerlei Vorgaben, welcher prozentuale Anteil – ausgehend von der Gesamtzahl der Wohnplätze und sanitären Einrichtungen – uneingeschränkt mit einem Rollstuhl nutzbar sein muss. Die Regelung lautet vielmehr schlicht wie folgt:
5
„Wenn die Schwere der Behinderung der Bewohnerinnen und Bewohner es erfordert, müssen auch die Wohnplätze und ihre Sanitärräume uneingeschränkt mit dem Rollstuhl entsprechend der Norm nutzbar sein.“
6
Ebenso wenig lässt sich der Begründung zu § 2 Abs. 1 AVPfleWoqG entnehmen, welcher konkrete Anteil an rollstuhlgerechten Plätzen in einer (Bestands-)Einrichtung vorzuhalten ist. Die Begründung führt insoweit lediglich folgendes aus:
7
„Satz 1 legt fest, dass stationäre Einrichtungen und ihre Anlagen entsprechend dem Teil 2 der DIN 18040 barrierefrei erreichbar und nutzbar sein müssen. Die Zugänge zu den Gebäuden, den Wohnplätzen und den gemeinschaftlichen Einrichtungen müssen grundsätzlich uneingeschränkt mit dem Rollstuhl nutzbar sein („R-Anforderungen“ der DIN 18040). Darüber hinaus müssen auch die Wohnplätze und ihre Sanitärräume sowie dazugehörige gemeinschaftliche Einrichtungen uneingeschränkt mit dem Rollstuhl entsprechend der Norm nutzbar sein, wenn die Schwere der Behinderung der Bewohnerinnen und Bewohner es erfordert (Satz 2). Abzustellen ist auf die Schwere der Behinderung. Hiermit ist klargestellt, dass sich diese Vorgabe nicht auf Rollstuhlbenutzer beschränkt. Benötigen Menschen aufgrund der Schwere ihrer Behinderung entsprechende Hilfsmittel und dadurch eine gleichzusetzende Bewegungsfläche wie Rollstuhlfahrerinnen und Rollstuhlfahrer, finden die „R-Anforderungen“ der DIN 18040 Teil 2 für die Wohnplätze und ihre Sanitärräume ebenfalls Anwendung. Die Vorgabe gilt für Einrichtungen für Menschen mit Behinderung und für Einrichtungen der Pflege gleichermaßen.“ [Hervorhebung des Senats]
8
Verbindliche quotendefinierte Vorgaben sind insoweit nicht enthalten.“
9
Allein das Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen vom 10. Mai 2013 – III3/0021.06-1/1408 Mü – legt unter Ziffer I.2 „Bauliche Grundanforderungen nach § 2 Abs. 1 AVPfleWoqG: Barrierefreiheit, R-Anforderungen“ folgendes fest:
10
„Neubauten: Barrierefreiheit zu 100%
Erfüllung der R-Anforderungen zu 25% der Wohnplätze, die mit einem Rollstuhl i.S.d. DIN 18040-2 erreichbar sein müssen.
11
Bestandsbauten: Es erfolgen keine generellen Vorgaben; hier ist eine flexible Vorgehensweise der FQA gefordert, die sich an den Möglichkeiten der Bestandseinrichtungen orientieren muss. Insofern kommen die für Neubauten erfolgenden o.g. Vorgaben nur grundsätzlich zur Anwendung.“ [Hervorhebungen des Senats]
12
Mit weiterem Schreiben des (nunmehr) zuständigen Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 28. Dezember 2015 – G43a-G8300-2015/704-5 – ist im Hinblick auf sogenannte Bestandsbauten – wie den der Klägerin – unter Ziffer 1 „Erfüllung der R-Anforderungen nach § 2 Abs. 1 Satz 2 AVPfleWoqG“ (S. 2) ergänzend folgendes bestimmt:
13
„… auch Bestandsbauten haben grundsätzlich ab dem 1.9.2016 die Anforderungen der AVPfleWoqG und damit der DIN 18040-2 zu erfüllen.
14
Diesbezüglich verweisen wir auf das AMS vom 10.05.2013. Demnach müssen bei 25% der Wohnplätze die R-Anforderungen erfüllt werden, so dass sie mit einem Rollstuhl i.S.d. DIN 18040-2 erreichbar sind. Für Bestandsbauten ist hierzu ausgeführt, dass zwar keine generellen Vorgaben gemacht werden, die für die Neubauten erfolgten Vorgaben aber grundsätzlich zur Anwendung kommen. Insoweit sind als Bezugsgröße auch bei Bestandsbauten grundsätzlich sämtliche der einzelnen R-Anforderungen bei 25% der Wohnplätze zu erfüllen; bei Nichterreichen dieses Richtwertes sind entsprechende Befreiungen nach § 50 Abs. 1 AVPfleWoqG, Abweichung nach § 50 Abs. 4 AVPfleWoqG oder Angleichungsfristverlängerungen nach § 10 Abs. 1 AVPfleWoqG auf Antrag zu prüfen. Bezugsgröße bei der Prüfung von Anträgen auf Befreiung nach § 50 Abs. 1 AVPfleWoqG, Abweichung nach § 50 Abs. 4 AVPfleWoqG bzw. auf Verlängerung der Angleichungsfrist nach § 10 AVPfleWoqG ist damit die o.g. 25 Prozentquote.“ [Hervorhebungen des Senats]
15
Auch die Ministerialschreiben vom 10. Mai 2013 und 28. Dezember 2015 enthalten für Bestandsbauten – wie den der Klägerin – mithin keine generell verbindlichen Vorgaben. Die für Neubauten als verbindlich angesehene Quote von 25% besitzt für Bestandsbauten lediglich den Charakter einer Bezugsgröße bzw. eines Richtwertes für die Bewilligung entsprechender Befreiungen, Abweichungen und Angleichungsfristverlängerungen. Ungeachtet dessen gilt gemäß dem Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 28. Dezember 2015 – G43aG8300-2015/704-5 – (S. 1):
16
„Jede Einrichtung ist individuell zu betrachten.“
17
Eine verbindliche – quotendefinierte – Vorgabe für Bestandsbauten existiert mithin nicht.
18
Darüber hinaus ist festzustellen, dass die vom Beklagten ins Werk gesetzte Regelungstechnik mittels einfacher Ministerialschreiben – statt von der Bayerischen Staatsregierung erlassener Verordnungsregelungen – bereits generell keine Verbindlichkeit beanspruchen kann. Art. 25 Abs. 1 Nr. 1 PfleWoqG a.F. ermächtigte bisher allein die Staatsregierung, durch Rechtsverordnung (vgl. hierzu Art. 55 Nr. 2 BV) für Räume in stationären Einrichtungen entsprechende Regelungen zu erlassen. Willensäußerungen einzelner Ministerialbeamtinnen und Ministerialbeamter auf einem Ministeriumsbriefbogen genügen diesen Anforderungen, ungeachtet des Umstandes, dass Rechtsverordnungen im Gesetz- und Verordnungsblatt zu veröffentlichen sind, von vorneherein nicht. Quotendefinierte Festlegungen rollstuhlgerechter Wohnplätze bedurften gemäß Art. 25 Abs. 1 Nr. 1 PfleWoqG a.F. stets einer unmittelbaren Normierung durch die Bayerische Staatsregierung in der AVPfleWoqG selbst, um im Einzelfall Verbindlichkeit zu erlangen (vgl. hierzu etwa die Festlegungen zur Wohnflächengröße in § 4 Abs. 2 AVPfleWoqG). Erst aufgrund der zum 1. August 2023 in Kraft getretenen Änderung des Art. 25 Abs. 1 Nr. 1 PfleWoqG wird künftig ein Tätigwerden des Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege – statt wie bisher der Staatsregierung – genügen (vgl. PfleWoqG i.d.F. vom 24. Juli 2023, GVBl. S. 431 [440 f., 442]; siehe auch LT-Drucks. 18/28507, S. 37).
19
Ungeachtet dessen greifen zahlenmäßige Festlegungen zur Quote rollstuhlgerechter Wohnplätze – vor allem wenn sie zugleich auch für bestandsgeschützte Einrichtungen und damit nachträglich erfolgen – sowohl in das Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) als auch des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (Art. 14 Abs. 1 GG) ein. Auch deshalb setzen entsprechende Regelungen und Inhaltsbestimmungen stets eine Normierung zumindest in der Gestalt einer Rechtsverordnung voraus (vgl. Art. 12 Abs. 1 Satz 2, Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG; siehe zum Ganzen auch BVerfGE 76, 171 [184 f.]; 95, 193 [214]; BVerwGE 158, 364 [384] Rn.65 sowie Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 16. Aufl. 2020, Art. 12 Rn. 30 f.; Art. 14 Rn. 34 f.). Eine solche Regelung fehlt. Die Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 5. Februar 2018 – Vf. 16-VII-16 –, BayVBl. 2019, 13 verhält sich zu der insoweit aufgeworfenen Problematik nicht.
20
Mangelt es indes – wie im hier vorliegenden Fall – bereits an einer entsprechenden verbindlichen Vorgabe, so ist weder für eine „Befreiung“ von einer solchen „Festlegung“ noch für eine entsprechende Verpflichtungsklage Raum. Vielmehr bleibt zunächst ein entsprechendes Verordnungshandeln – künftig des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege statt der Bayerischen Staatsregierung – und hierauf gründend eine konkrete Festlegung von Anforderungen für die streitgegenständliche (bestandsgeschützte) Einrichtung seitens der zuständigen Behörde abzuwarten (vgl. hierzu VG München, U.v. 2.12.2021 – M 17 K 18.6101 – juris, Rn. 60), bevor sich weitere Fragen stellen.
21
Gleiches gilt insoweit, als hilfsweise eine Verlängerung der Angleichungsfrist bis zum 31. Oktober 2031 begehrt wird (§ 10 Abs. 1 AVPfleWoqG). Existiert bereits keine verbindliche Vorgabe in Gestalt einer Verordnungsregelung und einer hierauf basierenden Verpflichtung der einzelnen Einrichtung zur Erfüllung bestimmter Vorgaben, so kommt entgegen der Auffassung des Bevollmächtigten der Klägerin in der Antragsbegründung vom 4. August 2023 (S. 6) auch eine Verlängerung einer etwaigen Angleichungsfrist nicht in Betracht. Dass eine Konkretisierung gesetzlicher Vorgaben für die streitgegenständliche Einrichtung bislang nicht erfolgt ist, konzediert der Bevollmächtigte der Klägerin – wie bereits erwähnt – inzwischen selbst (vgl. Antragsbegründung vom 4. August 2023, S. 3). Infolgedessen ist gegen die Ablehnung des entsprechenden Antrags in Ziffer 3 des streitgegenständlichen Bescheids vom 4. April 2019 – jedenfalls im Ergebnis – nichts zu erinnern. Die Klage wurde daher insoweit zu Recht abgewiesen.
22
Soweit der Bevollmächtigte in der Antragsbegründung vom 4. August 2023 (S. 3) nunmehr die Auffassung vertritt, die Behörde habe unter Anwendung von Art. 24 BayVwVfG von einer Entscheidung einstweilen absehen und das Verwaltungsverfahren ruhend stellen müssen, verkennt er, dass niemand Geringeres als die Klägerin selbst konkrete Anträge gestellt und nach erfolglosem Widerspruchsverfahren Verpflichtungsklage erhoben hat, über die jeweils zeitnah zu entscheiden war. Es hätte vielmehr umgekehrt der Klägerin oblegen, ein etwaiges Tätigwerden der Behörde abzuwarten oder unter Darlegung eines qualifizierten Feststellungsinteresses um vorbeugenden Rechtsschutz nachzusuchen (vgl. Wysk, in: Wysk, VwGO, 3. Aufl. 2020, § 43 Rn. 58 m.w.N.). Allein den Bevollmächtigten der Klägerin trifft die Verpflichtung, seine Mandantin sachverständig zu beraten und diese auf den prozessual „richtigen“ Weg zu führen.
23
Für den Fall künftiger quotendefinierter Festlegungen durch den Gesetz- und Verordnungsgeber wird zu berücksichtigen sein, dass sowohl das Eigentums- als auch das Besitzrecht des obligatorisch berechtigten Pächters und Mieters (vgl. BVerfGE 89, 1 [6 ff.]) aus Art. 14 Abs. 1 GG zugleich auch berechtigtes Vertrauen in den weiteren Fortbestand einer bestimmten Rechtslage als Grundlage von Investitionen in das Eigentum und daraus abgeleitet in das Besitzrecht schützt (vgl. BVerfGE 100, 226 [244 ff.]; 143, 246 [383] Rn. 372; siehe zum Ganzen auch Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 16. Aufl. 2020, Art. 14 Rn. 46 f.). Schränkt der Gesetz- und Verordnungsgeber die weitere Verwertbarkeit des Eigentums und des in ähnlicher Weise geschützten Besitzrechts – insbesondere dadurch, dass im Grundsatz zwar vorgesehene Ausnahme- und Befreiungsregelungen infolge ihrer tatbestandlichen „Enge“ faktisch aber kaum zum Tragen kommen – erheblich ein, so fordern die im berechtigten Vertrauen auf eine bestehende Gesetzeslage getätigten Investitionen sowohl hinsichtlich der Frage des „Ob“ als auch des „Wie“ eines entsprechenden Ausgleichs angemessene Berücksichtigung nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (vgl. BVerfGE 143, 246 [383] Rn. 372; 100, 226 [244 ff.]; siehe auch Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 16. Aufl. 2020, Art. 14 Rn. 47). Der Gesetz- und Verordnungsgeber wird deshalb anlässlich einer nachträglichen Festlegung bestimmter Quoten für Bestandsbauten zu erwägen haben, ob und gegebenenfalls inwieweit entsprechenden Einrichtungen unter Berücksichtigung der in §§ 9, 82 Abs. 3 SGB XI enthaltenen Vorschriften ein finanzieller Ausgleich (etwa in Gestalt eines bewohnerorientierten Aufwendungszuschusses) zu gewähren ist und welche Regelungen insoweit konkret zu treffen sind (vgl. BVerfGE 100, 226 [244 ff.]).
24
Nach allem ist § 2 Abs. 1 Satz 2 AVPfleWoqG in seiner gegenwärtigen Regelungsstruktur nicht geeignet, eine quotendefinierte Festlegung von rollstuhlgerechten Wohnplätzen zu tragen. Der Gesetz- und Verordnungsgeber wird insoweit „nachbessern“ müssen. Infolgedessen sind – jedenfalls derzeit – weder entsprechende Befreiungen (§ 50 Abs. 1 AVPfleWoqG) noch Angleichungsfristverlängerungen (§ 10 Abs. 1 AVPfleWoqG) rechtstechnisch überhaupt denkbar. Diesbezügliche Anträge von Trägern von Einrichtungen greifen – notgedrungen – ins Leere und werden – jedenfalls im Ergebnis – zu Recht ablehnend verbeschieden. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit entsprechender klageabweisender Entscheidungen der Verwaltungsgerichte sind infolgedessen nicht ersichtlich (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
25
b) Nicht anders verhält es sich in Bezug auf die in § 4 Abs. 3 Satz 1 AVPfleWoqG enthaltende Regelung, dass in stationären Einrichtungen ein „angemessener Anteil“ der Wohnplätze als Einzelwohnplätze ausgestaltet sein muss. Diese Verordnungsregelung trifft (selbst) keine Aussage darüber, was überhaupt ein „angemessener Anteil“ von Einzelwohnplätzen innerhalb einer Einrichtung sein soll; sie erschöpft sich vielmehr in folgendem Wortlaut:
26
„In den stationären Einrichtungen muss ein angemessener Anteil der Wohnplätze als Einzelwohnplätze ausgestaltet sein.“
27
Auch aus der Begründung zu § 4 Abs. 3 AVPfleWoqG geht – jedenfalls für Bestandsbauten wie im vorliegenden Fall – nicht hervor, welche Quote gelten soll. Die Begründung führt insoweit lediglich aus:
28
„Kollidiert in stationären Einrichtungen der Pflege und für ältere Menschen die mittlerweile gestiegene Erwartung an eine „angemessene Qualität des Wohnens“ im Sinne des Art. 3 Abs. 2 Ziff. 7 [PfleWoqG] bei Bestandsbauten mit der baulichen Umsetzung dieser Erwartung, so können bei der Beurteilung der „Angemessenheit“ des Einzelzimmer-Anteils die baulichen Gegebenheiten nicht unberücksichtigt bleiben. Bei Neubauten hingegen, wo schon heute eindeutig die Tendenz zum Einzelzimmer zu verzeichnen ist, können die geänderten Anforderungen an die Wohnqualität im Alter bei der baulichen Umsetzung noch berücksichtigt werden. Die angemessene Zahl von Einzelwohnplätzen in neu errichteten stationären Einrichtungen der Pflege und für ältere Menschen muss sich neben dem konkreten fachlichen Konzept der stationären Einrichtung primär an den Bedürfnissen der Bewohnerinnen und Bewohner messen lassen. Ausgehend vom bereits begonnenen Wandelungsprozess ist bei Zugrundelegung der gestiegenen Erwartungen an ein „Wohlfühlen im neuen Lebensumfeld der stationären Einrichtung“ im Regelfall ein Einzelzimmeranteil von mindestens 75% als angemessen zu betrachten, um auch dem Wunsch älterer Menschen auf Privatsphäre und Selbstbestimmung gerecht zu werden.“ [Hervorhebungen des Senats]
29
Diese Ausführungen deuten darauf hin, dass eine Quote von 75% nur für Neubauten uneingeschränkt gelten soll, bei Bestandsbauten die vorhandenen baulichen Gegebenheiten jedoch nicht unberücksichtigt bleiben können.
30
Dementsprechend sieht das Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen vom 10. Mai 2013 – III3/0021.06-1/1408 Mü – unter Ziffer I.3 „Angemessener Anteil der Wohnplätze als Einzelwohnplätze nach § 4 Abs. 3 Satz 1 AVPfleWoqG“ folgende Regelung vor:
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„Neubauten: Einzelzimmeranteil 75%
32
Bestandsbauten: Es erfolgen keine generellen Vorgaben; hier ist eine flexible Vorgehensweise der FQA gefordert, die sich an den Möglichkeiten der Bestandseinrichtungen orientieren muss. Insofern kommen die für Neubauten erfolgenden o.g. Vorgaben nur grundsätzlich zur Anwendung.“
Hervorhebungen des Senats
33
Danach sollen für Bestandsbauten gerade keine generellen Vorgaben gelten; es soll vielmehr lediglich eine grundsätzliche Anwendung der für Neubauten geltenden Regelungen auf Bestandsbauten erfolgen. Demgemäß enthält das weitere Schreiben des inzwischen zuständigen Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 28. Dezember 2015 – G43a-G8300-2015/704-5 – unter Ziff. 3 „Einzelzimmerquote § 4 Abs. 3 Satz 1 AVPfleWoqG“ folgende Festlegung:
34
„In den stationären Einrichtungen muss ein angemessener Anteil der Wohnplätze als Einzelwohnplätze ausgestaltet sein. Der angemessene Anteil von Einzelzimmern in bestehenden Einrichtungen der Pflege beläuft sich grundsätzlich auf 75%. Bei Einrichtungen für Menschen mit Behinderung sind in der Regel alle Wohnplätze als Einzelzimmer vorzusehen. Bezugsgröße bei der Prüfung von Anträgen auf Befreiung nach § 50 Abs. 1 AVPfleWoqG, Abweichung nach § 50 Abs. 4 AVPfleWoqG bzw. auf Verlängerung der Angleichungsfrist nach § 10 AVPfleWoqG sind damit im Bereich der Pflege die Einzelzimmerquote in Höhe von 75% sowie im Bereich der Menschen mit Behinderung in Höhe von 100%.“
35
Eine Einzelzimmerquote von 75% soll danach lediglich als „Bezugsgröße“ bei der Prüfung von Anträgen auf Befreiungen, Abweichungen (§ 50 AVPfleWoqG) sowie einer Verlängerung der Angleichungsfrist nach § 10 AVPfleWoqG zur Anwendung kommen. Ungeachtet dessen gilt nach wie vor, dass „jede Einrichtung individuell zu betrachten ist“ (vgl. Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 28. Dezember 2015 – G43a-G8300-2015/704-5 –, S.1).
36
An einer solchen individuellen Betrachtung fehlt es – wie das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat – im vorliegenden Fall. Der derzeitige Einzelzimmeranteil in der Einrichtung der Klägerin ist seitens der zuständigen Behörde zu keiner Zeit beanstandet worden. Nicht einmal eine Konkretisierung des Begriffs des „angemessenen Anteils“ für die streitgegenständliche bestandsgeschützte Einrichtung der Klägerin hat stattgefunden (vgl. hierzu VG München, U.v. 2.12.2021 – M 17 K 18.6101 – juris, Rn. 60). Angesichts dessen ist weder für eine Befreiung noch für eine Verlängerung der Angleichungsfrist und eine hierauf gerichtete Verpflichtungs- oder Verbescheidungsklage irgendein Raum. Auch insoweit bleibt daher – jedenfalls im Ergebnis – gegen die Ablehnung einer Angleichungsfristverlängerung in Ziffer 4 des streitgegenständlichen Bescheides vom 4. April 2019 nichts zu erinnern. Eine Angleichung, die mangels individueller Konkretisierung des Begriffs des „angemessenen Anteils“ auf die bestandsgeschützte Einrichtung der Klägerin schon gar nicht zu erfolgen hat, kann hinsichtlich der für ihre Umsetzung ins Auge zu fassenden Frist auch nicht verlängert werden. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des klageabweisenden Urteils des Verwaltungsgerichts (Art. 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegen daher nicht vor. Eine Zulassung der Berufung kommt infolgedessen nicht in Betracht; sie könnte allenfalls zur Aufrechterhaltung des Urteils des Verwaltungsgerichts und damit im Ergebnis zu einer erneuten Klageabweisung führen.
37
Der Vollständigkeit halber ist allerdings darauf hinzuweisen, dass der Verordnungsgeber – gemäß Art. 25 Abs. 1 Nr. 1 PfleWoqG n.F. künftig das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege – (zumindest) in der Verordnung selbst eine entsprechende Quote für Einzelzimmerwohnplätze festzulegen hat, nachdem zuvor der Gesetzgeber in Art. 25 Abs. 1 Nr. 1 PfleWoqG auch für Bestandsbauten eine ausreichende Rechtsgrundlage für nachträgliche Anforderungen geschaffen hat. Art. 25 Abs. 1 Nr. 1 PfleWoqG a.F. ermächtigte ausdrücklich (nur) die Bayerische Staatsregierung als Kollegialorgan, nicht aber einzelne Staatsministerien (e contrario Art. 25 Abs. 2 PfleWoqG) Regelungen für Räume in stationären Einrichtungen zu treffen. Entsprechende Festlegungen konnten deshalb in der Vergangenheit auch ausschließlich durch die Bayerische Staatsregierung im Verordnungstext selbst, nicht aber lediglich in einer Begründung des zuständigen Fachministeriums zum Verordnungserlass getroffen werden.
38
Der Staat spricht nur im Gesetz (oder im Verordnungstext) selbst, nicht aber in den persönlichen Äußerungen, der an der Entstehung des Gesetzes (oder einer Verordnung) Beteiligten (vgl. BVerfGE 11, 126 [130] unter Bezugnahme auf Radbruch, Rechtsphilosophie, 4. Aufl. 1950, S. 210 f). Nur eine ausdrückliche Festlegung (zumindest) im Verordnungstext genügt zugleich auch den Anforderungen des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 und Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG. Eingriffe in die Berufsfreiheit sowie Inhalts- und Schrankenbestimmungen der Eigentumsfreiheit bedürfen stets der Normierung in einer gesetzlichen oder zumindest verordnungsrechtlichen Regelung (vgl. zum Ganzen Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 16. Aufl. 2020, Art. 12 Rn. 30 f.; Art. 14 Rn. 34 f.), an der es im vorliegenden Fall fehlt.
39
Der Begriff des „angemessenen Anteils“ erweist sich im Hinblick auf eine konkrete zahlenmäßige Quote von vorneherein als unergiebig (vgl. insoweit auch BayVerfGH, B.v. 05.02.2018 – Vf. 16-VII-16 –, BayVBl. 2019, 13 – juris, Rn. 40: „§ 4 Abs. 3 Satz 1 AVPfleWoqG keine feste Einzelzimmerquote“) und damit letztlich zugleich auch als inoperabel. Es existieren keinerlei rechtlich fassbare Kriterien für eine zahlenmäßige Bestimmung dieses Begriffs durch Verwaltung und Rechtsprechung. Quotendefinierte Festlegungen haben im Lichte der Wesentlichkeitstheorie des Bundesverfassungsgerichts (vgl. hierzu näher Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 16. Aufl. 2020, Art. 20 Rn. 71 f. m.w.N.) stets durch den Gesetz- (und Verordnungs-) geber selbst zu erfolgen (siehe hierzu auch Jarass, a.a.O., Art. 20 Rn. 77-79 jeweils m.w.N.).
40
Der Gesetzgeber muss in allen grundrechtsrelevanten Bereichen alle wesentlichen Entscheidungen selbst treffen (vgl. BVerfGE 137, 350 [363] Rn. 33; BVerwGE 144, 93 [96] Rn. 12 jeweils m.w.N.) und darf diese nicht dem Handeln und der Entscheidungsmacht der Exekutive (in Gestalt der Ministerialbürokratie) überlassen (vgl. BVerfGE 83, 130 [142] m.w.N.). Dies gilt namentlich dann, wenn – wie hier – nachträglich in bestandsgeschützte Eigentums- und Besitzrechte einschließlich des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb eingegriffen werden soll und sich unter Berücksichtigung der in §§ 9, 82 Abs. 3 SGB XI getroffenen Regelungen Fragen eines angemessenen Ausgleichs (etwa in Gestalt eines bewohnerorientierten Aufwendungszuschusses) stellen (vgl. hierzu BVerfGE 100, 226 [244 ff.]; 143, 246 [383] Rn. 372). In diesem Zusammenhang ist zugleich auch zu berücksichtigen, dass eine Heimunterbringung für die betroffenen Pflegebedürftigen „bezahlbar“ bleiben muss. Die insoweit zu treffenden Wertentscheidungen obliegen im Lichte der Wesentlichkeitsrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts den Parlamenten und nicht der Ministerialbürokratie.
41
Entsprechende Regelungen des Gesetz- und Verordnungsgebers müssen der Exekutive begrenzende Handlungsmaßstäbe liefern, den Gerichten eine wirksame Rechtskontrolle ermöglichen und den betroffenen Einrichtungen und Pflegebedürftigen erlauben, sich auf belastende Maßnahmen, gegebenenfalls unter Gewährung eines angemessenen finanziellen Ausgleichs einzustellen (vgl. BVerfGE 133, 277 [336] Rn. 140; 145, 20 [69] Rn. 125 jeweils m.w.N.; siehe auch Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 16. Aufl. 2020, Art. 20 Rn. 79 m.w.N.). Die derzeitige „Rechtssetzung“ des Beklagten genügt diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht. Die Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 5. Februar 2019 -
Vf. 16-VII-16 –, BayVBl. 2019, 13 enthält insoweit – mangels Relevanz im damaligen Verfahren – keine Ausführungen.
42
c) Soweit die Klägerin sich mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung schließlich mittelbar gegen die Versagung einer Befreiung für das Angleichen der Treppe an Anforderungen der DIN 18040-2 gem. § 2 Abs. 1 Satz 1 AVPfleWoqG wendet, hat sie auch im Berufungszulassungsverfahren nicht den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechend dargelegt, weshalb ihr die auferlegten Anforderungen wirtschaftlich unzumutbar sein sollen (vgl. hierzu bereits die Ausführungen des VG, S. 17 f. der Entscheidungsgründe). Fehlt es jedoch an entsprechenden Darlegungen, kann das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 50 Abs. 1 Satz 1 AVPfleWoqG nicht geprüft und einem entsprechenden Zulassungsantrag nicht entsprochen werden. Auch insoweit unterliegt die Entscheidung des Verwaltungsgerichts deshalb im Ergebnis keinen ernstlichen Zweifeln hinsichtlich ihrer Richtigkeit (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
43
2. Ebenso wenig ist die Berufung (hilfsweise) wegen besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zuzulassen. Die insoweit in der Antragsbegründung vom 4. August 2023 (S. 5 f.) angeführten Gesichtspunkte sind, soweit sie die Anforderungen nach § 2 Abs. 1 Satz 2 und § 4 Abs. 3 Satz 1 AVPfleWoqG betreffen, bereits nicht entscheidungserheblich, da es – wie der Bevollmächtigte der Klägerin nunmehr ausdrücklich einräumt (vgl. Antragsbegründung vom 4. August 2023, S. 3) – an einer erforderlichen Konkretisierung fehlt.
44
Soweit die Klägerin in diesem Kontext – mittelbar – auch das Angleichen der Treppe und die insoweit versagte Befreiung nach § 50 Abs. 1 AVPfleWoqG problematisiert, genügen ihre Ausführungen erneut nicht den Darlegungsanforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO, denn die Antragsbegründung verhält sich – wie bereits ausgeführt – nicht dazu, weshalb die auferlegten Verpflichtungen wirtschaftlich unzumutbar sein und die streitgegenständliche Befreiung deshalb zu Unrecht versagt worden sein soll.
45
Eine Zulassung der Berufung wegen besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) setzt stets voraus, dass diese für das Entscheidungsergebnis überhaupt von Bedeutung sind (vgl. Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 124 Rn. 125). Letzteres zeigt die Klägerin nicht den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechend auf.
II.
46
Der Antrag der Beigeladenen ist – ungeachtet der im Einzelnen geltend gemachten Zulassungsgründe – bereits mangels materieller Beschwer als unzulässig zu verwerfen.
47
Adressat der streitbefangenen Befreiungsvorschrift des § 50 Abs. 1 AVPfleWoqG bzw. der Angleichungsfristverlängerungsregelung des § 10 Abs. 1 AVPfleWoqG ist der Träger der Einrichtung, nicht aber zugleich auch der jeweilige Eigentümer der entsprechenden Immobilie. Auch wenn die Erteilung oder Versagung von Befreiungen und Fristverlängerungen die wirtschaftlichen Interessen des Eigentümers im Einzelfall berühren mag, handelt es sich insoweit doch gleichwohl lediglich um einen bloßen Rechtsreflex (siehe hierzu Ramsauer/Tegethoff, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 23. Aufl. 2022, Einf. I, Rn. 67), nicht aber um eine Verletzung in eigenen Rechten, die erst eine materielle Beschwer (vgl. zu diesem Erfordernis näher Blanke, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, Vorbem. zu §§ 124 ff. Rn. 67 m.w.N.) des lediglich einfach beigeladenen Eigentümers der Immobilie – der Beigeladenen – eröffnen würde.
48
Weder § 50 Abs. 1 AVPfleWoqG noch § 10 Abs. 1 AVPfleWoqG lassen auch nur entfernt erkennen, dass nicht nur dem Träger der jeweiligen Einrichtung, sondern zugleich auch dem personenverschiedenen Eigentümer der Immobilie eine wehrfähige eigene Rechtsposition oder eine sonstige subjektiv-öffentliche Anspruchsberechtigung eingeräumt werden sollte. Die Ablehnung einer Befreiung oder Ausführungsfristverlängerung für eine infolge des Fehlens verbindlicher gesetzlicher Vorgaben bestandsgeschützte Einrichtung besitzt keine rechtsbegründende Wirkung; sie wirkt ausschließlich träger- und personenbezogen, nicht aber zugleich auch sachbezogen (vgl. hierzu Kopp/Ramsauer, VwVfG, 23. Aufl. 2022, § 35 Rn. 183). Der Träger kann im Fall der Veränderung der rechtlichen oder tatsächlichen Verhältnisse stets einen erneuten Antrag stellen.
49
Selbst im Falle der Erteilung von Befreiungen und Ausführungsfristverlängerungen bliebe die Wirkung auf das Rechtsverhältnis zwischen dem Träger einerseits und dem Freistaat Bayern andererseits beschränkt. Eine Bindungswirkung, die sich bei einem Wechsel der Eigentumsverhältnisse oder der Inhaberschaft der Sache automatisch auch auf den Rechtsnachfolger erstrecken würde, ist weder in § 50 Abs. 1 noch in § 10 Abs. 1 AVPfleWoqG angelegt. Beide Vorschriften sind – wie bereits erwähnt – ausschließlich träger- und damit personenbezogen, nicht aber zugleich auch sachbezogen ausgestaltet, wie nicht zuletzt das personenbezogene Kriterium der wirtschaftlichen Zumutbarkeit zeigt. Ein qualifizierter Sachbezug unabhängig von den Eigenschaften der beantragenden Person (Träger) ist nicht gegeben. Die Annahme einer wie auch immer gearteten dinglichen Wirkung (vgl. hierzu Kopp/Ramsauer, VwVfG, 23. Aufl. 2022, § 35 Rn. 183) von Befreiung und Ausführungsfristverlängerung liegt deshalb entgegen der Annahme der Bevollmächtigten der Beigeladenen von vornherein fern.
50
Eine gewillkürte Geltendmachung fremder Rechte im eigenen Namen sieht die Verwaltungsgerichtsordnung ebenfalls nicht vor (vgl. Happ, in: Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 42 Rn. 82). Vielmehr muss sich der Eigentümer der Immobilie unmittelbar gegen entsprechende Gesetzes- und Verordnungsbestimmungen selbst wenden, sofern er eine (zumindest mittelbare) Beeinträchtigung in eigenen Rechten feststellt. Hierfür steht, sofern der Beklagte regelnd tätig wird, (erneut) das Popularklageverfahren zum Bayerischen Verfassungsgerichtshof (Art. 98 Satz 4 BV i.V.m. Art. 55 Abs. 1 BayVfGHG), hinsichtlich etwaiger Verordnungsregelungen zugleich auch die untergesetzliche Normenkontrolle (§ 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m. Art. 4 Satz 1 BayAGVwGO) offen. Konkrete, die Einrichtung unmittelbar betreffende heimrechtliche Anforderungen dürften zudem Drittwirkung entfalten mit der Folge, dass die Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 1. Alt VwGO) statthaft ist. Es kann deshalb keine Rede davon sein, dass der vom Träger der Einrichtung personenverschiedene Eigentümer der Immobilie rechtsschutzlos gestellt wäre; er muss seine Interessen lediglich sachgerecht wahrnehmen.
III.
51
1. Mit der Ablehnung bzw. Verwerfung der Anträge ist die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
52
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 u. 3 i.V.m. § 159 Satz 1 VwGO und § 100 Abs. 1 ZPO. Die Streitwertfestsetzung gründet auf §§ 47, 52 Abs. 1 GKG.
53
3. Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).