Inhalt

VGH München, Beschluss v. 21.08.2023 – 12 ZB 22.2373
Titel:

Erfolgloser Berufungszulassungsantrag gegen Ablehnung von Wohngeld für Räumungskosten

Normenketten:
WoGG § 1, § 3, § 9, § 19, § 25
WoGV § 2 Abs. 1
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 3
Leitsatz:
Der Anspruch auf Wohngeld umfasst nicht die Räumungskosten bei Beendigung des Mietverhältnisses. (Rn. 6 und 10) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Wohngeldanspruch, Antragsabhängigkeit, Lebensmittelpunkt eines Strafgefangenen in der Strafanstalt, Räumungskosten anlässlich der Beendigung des Mietverhältnisses, Wohngeld, Lebensmittelpunkt, Strafgefangener, Räumungskosten
Vorinstanz:
VG Augsburg, Urteil vom 04.10.2022 – Au 3 K 21.2373
Fundstelle:
BeckRS 2023, 24463

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

1
Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger einen Wohngeldanspruch, gerichtet auf Zahlung rückständiger Mietschulden und Räumungskosten, weiter.
2
1. Der Kläger bewohnte zuletzt eine Wohnung in der E.-Straße in K. und bezog vom zuständigen Jobcenter Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Diese wurden mit Wirkung zum 1. August 2020 eingestellt, nachdem der Kläger am 21. Juli 2020 eine voraussichtlich zweieinhalbjährige Haftstrafe angetreten hatte. Sein Bevollmächtigter und zugleich gerichtlich bestellter Betreuer kündigte daraufhin das Mietverhältnis und ließ die Wohnung bis zum 9. Januar 2021 räumen und die Möbel in den S.-Weg nach K. bringen. Für den Zeitraum August 2020 bis Dezember 2020 liefen für den Kläger Mietschulden in Höhe von 1.200,- € auf und entstanden für die Räumung der Wohnung Räumungskosten in Höhe von 2.164,61 €. Diesen Sachverhalt teilte der Klägerbevollmächtigte mit Schreiben vom 21. Mai 2021 der zuständigen Wohngeldbehörde mit und bat um Übernahme der genannten Beträge. Diese lehnte einen Wohngeldanspruch mit Schreiben vom 9. Juni 2021 ab. Daraufhin erhob der Kläger zunächst Klage beim Sozialgericht Augsburg, die das Verfahren – nachdem der Klägerbevollmächtigte ausdrücklich erklärt hatte, Wohngeld zu beanspruchen – antragsgemäß an das Verwaltungsgericht Augsburg verwies.
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Seinen Klageantrag, ihm Mietbeihilfen in Höhe von 1.200,- € (Mietkosten) und 2.164,61 € (Räumungskosten) zu gewähren, lehnte das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 4. Oktober 2022 ab. Die Voraussetzungen für einen Wohngeldanspruch für den Zeitraum August 2020 bis Dezember 2020 nach § 1 Abs. 2 in Verbindung mit § 19 Wohngeldgesetz (WoGG) seien nicht gegeben. Es fehle bereits an der Wohngeldberechtigung des Klägers aufgrund seiner Inhaftierung. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 WoGG sei jede Person für einen Mietzuschuss wohngeldberechtigt, die Wohnraum gemietet habe und diesen selbst nutze. Da der Kläger sich seit dem 21. Juli 2020 in Haft befinde, lägen diese Voraussetzungen für den Zeitraum August 2020 bis Dezember 2020 nicht vor, da die Wohnung nicht mehr den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen dargestellt habe. Könne eine alleinlebende, wohngeldberechtigte Person den von ihr gemieteten Wohnraum für einen bestimmten Zeitraum nicht nutzen, müsse die Wohngeldstelle eine Prognose anstellen, ob mit einer Rückkehr zu rechnen sei und die Wohnung weiterhin Mittelpunkt der Lebensbeziehungen bleibe. Demgegenüber bilde bei Strafgefangenen die Strafanstalt den Lebensmittelpunkt, wenn die Zeit der Strafhaft zu lang und ein Aufsuchen der Wohnung bei Freigang oder Wochenendausgängen allenfalls selten möglich sei. Angesichts des Regelbewilligungszeitraums für Wohngeld von einem Jahr hätten Personen, die eine mehr als einjährige Freiheitsstrafe verbüßen und vorher allein gelebt haben, ihren Lebensmittelpunkt in der Strafanstalt. Angesichts dessen sei beim Kläger davon auszugehen, dass er im Rahmen seiner zweieinhalbjährigen Haftstrafe seinen Lebensmittelpunkt in der Strafanstalt habe, sodass es bereits aus diesem Grund an der Wohngeldberechtigung fehle. Darüber hinaus sei es fraglich, ob für den Zeitraum ab August 2020 ein rechtzeitiger Wohngeldantrag nach § 22 WoGG vorliege. Die erste Kontaktaufnahme des Bevollmächtigten und Betreuers des Klägers mit der Wohngeldstelle erfolgte erst mit E-Mail vom 21. Mai 2021. Zwar sei nach § 25 Abs. 3 S. 1 WoGG auch eine rückwirkende Wohngeldbewilligung möglich. Danach hätte der Wohngeldantrag jedoch bis spätestens Ende August 2020 vorliegen müssen. Angesichts der fehlenden Wohngeldberechtigung des Klägers habe es insoweit keiner Entscheidung darüber bedurft, ob sich die Antragsfrist des § 25 Abs. 3 WoGG durch ein Widerspruchs- oder Klageverfahren gegebenenfalls verlängere. Soweit der Kläger schließlich Räumungskosten für seine Wohnung in Höhe von 2.164,61 € geltend mache, würden diese von einem Wohngeldanspruch nicht umfasst, da Wohngeld als Zuschuss zur Miete gewährt werde. Nach § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 WoGG blieben bei der Ermittlung der Miete Kosten und Vergütungen für Leistungen, die über die Gebrauchsüberlassung von Wohnraum hinausgingen, außer Betracht. Demgegenüber würden nach § 2 Abs. 1 der Wohngeldverordnung (WoGV) Zahlungen an Dritte eingerechnet, wenn sie im Zusammenhang mit dem Mietverhältnis stünden. Bei den Kosten für die Räumung einer Wohnung handle es sich nicht um Entgelt für die Überlassung des Gebrauchs der Wohnung. Darüber hinaus stünden sie auch nicht im Zusammenhang mit dem Mietverhältnis vergleichbar den Müll- oder Straßenreinigungsgebühren. Demzufolge scheide insoweit ein Wohngeldanspruch ebenfalls aus.
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2. Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung, mit dem ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO und die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO geltend gemacht werden. Demgegenüber verteidigt die Beklagte das angefochtene Urteil.
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2.1 Gründe, die Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen, liegen nicht vor bzw. sind nicht den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 5 VwGO dargelegt.
6
Soweit das Verwaltungsgericht ausgeführt hat, dass die Räumungskosten der Wohnung des Klägers in der E.-Straße in K. nicht vom Wohngeldanspruch umfasst werden, tritt der Kläger dem nicht substantiiert unter Auseinandersetzung mit dem angegriffenen Urteil entgegen. Angesichts des Umstands, dass der Kläger zunächst vor dem Sozialgericht ausdrücklich einen Wohngeldanspruch geltend gemacht hat und demzufolge die Streitigkeit auf seinen Antrag hin an das Verwaltungsgericht verwiesen worden ist, ergibt sich kein Anhaltspunkt dafür, dass das Verwaltungsgericht hier hätte prüfen müssen, ob das Jobcenter als sekundärer Leistungsträger dem Kläger gegenüber nachrangig verpflichtet sei. Die bindende Verweisung des Sozialgerichts an das Verwaltungsgericht umfasst indes nur den ausdrücklich geltend gemachten Wohngeldanspruch, sodass für Ansprüche gegenüber dem Jobcenter nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch nach wie vor die Möglichkeit einer Klage zum Sozialgericht offenstünde. Im Übrigen setzt sich der Klägerbevollmächtigte nicht mit den Argumenten des Verwaltungsgerichts auseinander, wonach die Räumungskosten nicht zum Wohngeldanspruch rechnen. Allein mit dem Vortrag, „nach Auffassung der Berufung“ handle es sich um einen Anspruch nach dem Wohngeldgesetz, genügt er seiner Darlegungslast nicht.
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Die weiteren Darlegungen des Klägerbevollmächtigten zum Lebensmittelpunkt des Klägers während der Strafhaft in der Wohnung seiner Ehefrau, mit der er sich zwischenzeitlich versöhnt habe, sind schon deshalb nicht geeignet, ernstliche Richtigkeitszweifel an den fehlenden Wohngeldberechtigung des Klägers zu wecken, weil sie sich nicht auf den hier maßgeblichen Zeitraum August 2020 bis Dezember 2020 beziehen. Mit der Argumentation des Verwaltungsgerichts setzt sich der Klägerbevollmächtigte auch diesbezüglich nicht auseinander. Die Berufungszulassung nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO scheidet daher aus.
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2.2 Der Rechtssache kommt auch nicht die vom Klägerbevollmächtigten geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zu.
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Soweit der Klägerbevollmächtigte unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen (U.v. 24.6.2021 – BeckRS 2021, 20982) das Vorrang-Nachrang-Verhältnis zwischen unterschiedlichen Sozialleistungsträgern sowie die angeblich nicht trennscharf mögliche Unterscheidung von Wohngeld und SGB II-Leistungen thematisiert, formuliert er bereits keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung. Im Übrigen fehlt es seinem Vorbringen insoweit auch an der erforderlichen Entscheidungserheblichkeit.
10
Auch die weitere, für grundsätzlich bedeutsam erachtete Frage, ob der Anspruch auf Wohngeld auch die Räumungskosten bei Beendigung des Mietverhältnisses umfasst, führt nicht zur Zulassung der Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Sie lässt sich nämlich aus dem Wohngeldgesetz wie auch der Wohngeldverordnung beantworten. Insoweit kann auf die zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts verwiesen werden.
11
Der Antrag auf Zulassung der Berufung war daher im Ergebnis insgesamt abzulehnen.
12
3. Der Kläger trägt nach § 154 Abs. 2 VwGO die Kosten des Zulassungsverfahrens. Gerichtskosten werden in Angelegenheiten des Wohngeldrechts nach § 188 Satz 2, 1 VwGO nicht erhoben (vgl. BVerwGE 165, 235 = BeckRS 2019, 17035 Leitsatz 2). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg nach § 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO rechtskräftig. Dieser Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.