Titel:
Erfolgreiche Klage einer Buchungsplattform gegen ein Auskunftsverlangen im Hinblick auf eine mögliche Zweckentfremdung
Normenketten:
TMG § 14 Abs. 2
TTDSG § 22 Abs. 3 Nr. 1, Nr. 2a
StPO § 152 Abs. 2
BayZwEWG Art. 3 Abs. 1
Leitsätze:
1. Allein die Tatsache einer gelegentlichen, gegebenenfalls auch mehrfachen kurzoder auch längerfristigen Vermietung oder Gebrauchsüberlassung von Wohnraum reicht angesichts der mannigfaltigen Möglichkeiten einer vollkommen legalen (genehmigten) Nutzung ohne das Hinzutreten weiterer, eindeutig auf eine Zweckentfremdung hinweisender Umstände regelmäßig nicht aus, die Annahme eines konkreten Anfangsverdachts einer entsprechenden Ordnungswidrigkeit zu rechtfertigen (vgl. bereits BayVGH, B.v. 20.5.2020 – 12 B 19.1648 – juris, Rn. 92 u. Leitsatz 7; B.v. 16.06.2021 – 12 CS 21.1413 –, NVwZ-RR 2021, 932 [933] Rn. 12). (Rn. 23)
2. Eine permanente „generalpräventive“ (Total-) Überwachung und -kontrolle des (gesamten) Wohnungsbestandes ohne konkrete tatsächliche Anhaltspunkte für eine Zweckentfremdung im Einzelfall kommt in einem freiheitlichen Rechtsstaat nicht in Betracht. Das Zweckentfremdungsrecht erlaubt kein „generalpräventives Vorgehen“ zur „Abschreckung“ lediglich potentieller Zweckentfremder (vgl. bereits BayVGH, B.v. 26.07.2021 – 12 B 21.913 –, BayVBl. 2022, 193 – juris, Rn. 25 f.). (Rn. 23)
3. Die konkrete Tauglichkeit eines bestimmten Objekts für die Verwirklichung des Tatbestandes einer Zweckentfremdung muss positiv feststehen, bevor eine Behörde als ersuchende Stelle im Sinne von § 14 Abs. 2 TMG a.F. bzw. § 22 Abs. 3 Nr. 1 TTDSG Auskunft begehrt, denn nur dann ist überhaupt eine Rechtsgutsverletzung, die den Handlungsrahmen erst eröffnet, denkbar und möglich. Eine auf bloße Mutmaßungen gestützte Auskunftserteilung ist ausgeschlossen (vgl. bereits BayVGH, B.v. 20.08.2019 – 12 ZB 19.333 – juris, Rn. 58; B.v. 20.5.2020 – 12 B 19.1648 – juris, Rn. 82, Leits. 5; B.v. 16.06.2021 – 12 CS 21.1413 –, NVwZ-RR 2021, 932 [933] Rn. 14). (Rn. 25)
4. Aus einem im Grundsatz vollkommen legalen Verhalten – wie beispielsweise dem Vermieten von Wohnraum – kann allein noch kein Anfangsverdacht einer Zweckentfremdung hergeleitet werden. Ansonsten bestünde die Gefahr, dass grundsätzlich erlaubte Handlungen unter einen allgemeinen Generalverdacht gestellt werden. Nicht ein abstrakter Gefahrenverdacht, sondern nur eine hinreichend konkrete Gefahr eröffnet den zweckentfremdungsrechtlichen Handlungs- und Eingriffsrahmen (vgl. auch bereits BayVGH, B.v. 16.06.2021 – 12 CS 21.1413 –, NVwZ-RR 2021, 932 [933] Rn. 14). (Rn. 25 – 26)
Schlagworte:
Auskunftsanspruch gegen Buchungsplattform, Airbnb, kein hinreichend konkreter Anfangsverdacht einer unzulässigen Zweckentfremdung, keine konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit, Zweckentfremdung, Buchungsplattform, AirBnB, hinreichend konkreter Anfangsverdacht, konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 14.12.2022 – M 29 K 20.1369
Fundstellen:
BeckRS 2023, 24462
LSK 2023, 24462
NZM 2024, 150
NJW 2024, 609
Tenor
I. Die Berufung wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht zuvor die Klägerin Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000 € festgesetzt.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
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Der Rechtsstreit betrifft einen auf Zweckentfremdungsrecht – Zweckentfremdungsgesetz (ZwEWG) vom 10. Dezember 2007 (GVBl. S. 864, BayRS 2330-11-B), zuletzt geändert durch Gesetz vom 19. Juni 2017(GVBl. S. 182) und Satzung der Beklagten über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum (ZeS) vom 5. Dezember 2017, bekannt gemacht am 11. Dezember 2017 (MüABl. S. 494) – gestützten Auskunftsbescheid.
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1. Die Klägerin mit Sitz in Dublin schaltet eine weltweite Online-Plattform zur Buchung und Vermietung privater Unterkünfte. Über die Plattform wird der Kontakt zwischen Gastgeber und Gast vermittelt sowie die Buchung einschließlich der Bezahlung abgewickelt. Anlässlich einer Recherche auf der Online-Plattform der Klägerin wurde die Beklagte am 23. September 2019 auf das „Inserat Nr. 4119391“ aufmerksam. In diesem wurde unter den Schlagworten „Apartment – zentral, new bathroom!“ von „Superhost“ Michael ein Objekt in der Landeshauptstadt München/Giesing für 3 Gäste, 1 Schlafzimmer, 1 Bett, 1 Badezimmer zur tageweisen Vermietung angeboten. Für das Jahr 2019 fanden sich an diesem Tag 49 Bewertungen für dieses Objekt.
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2. Mit Bescheid vom 27. Februar 2020 gab die Beklagte der Klägerin auf, zu o.g. Inserat folgende Auskünfte zu erteilen: 1.1. die genaue Anschrift (Straße, Hausnummer, Stockwerk, Lage) der Wohneinheit, 1.2. Name und Anschrift des Vermieters/der Vermieterin zu o.g. Inserat, 1.3. die Zeiträume (Buchungskalender) des o.g. Inserats für das Kalenderjahr 2019, 1.4. die Zeiträume (Buchungskalender) des o.g. Inserats für das Kalenderjahr 2020. Zur Durchsetzung des Auskunftsanspruchs wurde für den Fall, dass die Klägerin ihrer Verpflichtung aus den Nr. 1.1 bis 1.4 nicht innerhalb eines Monats nach Zugang des Bescheids vollumfänglich nachkomme, ein Zwangsgeld in Höhe von jeweils 15.000 € pro nicht nachgekommener Verpflichtung angedroht (Ziff. 2).
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3. Mit Urteil vom 14. Dezember 2022 gab das Verwaltungsgericht München der hiergegen unter dem 27. März 2020 erhobenen Klage statt, nachdem der Senat zuvor mit Beschluss vom 16. Juni 2021 – 12 CS 21.1413 –, NVwZ-RR 2021, 932 – deren aufschiebende Wirkung angeordnet hatte.
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Der Bescheid der Beklagten vom 27. Februar 2020 sei rechtswidrig und verletze die Klägerin in ihren Rechten. Zwar lägen die Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage aus Art. 3 Abs. 1 Sätze 1, 4 und 5 ZwEWG i.V.m. § 12 Abs. 1 Sätze 1 1. Halbs., 2, 4 ZeS vor. Diese Regelungen enthielten jedoch nur die Ermächtigung für die Erhebung der entsprechenden personenbezogenen Daten durch die Beklagte als auskunftsersuchende Stelle. Davon streng zu unterscheiden sei die Legitimation der Datenübermittlung seitens der Klägerin als auskunftserteilende Stelle. Ein derartiger Datenaustausch vollziehe sich durch einander korrespondierende Eingriffe von Abfrage, Erhebung und Übermittlung, die jeweils einer eigenen Rechtsgrundlage bedürften. Erst beide Rechtsgrundlagen gemeinsam seien in der Lage, einen Austausch personenbezogener Daten zu legitimieren (sog. Doppeltürprinzip, BVerfGE 130, 151 [184] – Bestandsdatenauskunft I). Ob die erforderliche Legitimation der Datenübermittlung durch die Klägerin mit Inkrafttreten des Gesetzes über den Datenschutz und den Schutz der Privatsphäre in der Telekommunikation und bei Telemedien (Telekommunikation-Telemedien-Datenschutz-Gesetz – TT DSG –) vom 23. Juni 2021 (BGBl I, S. 1982) das Vorliegen der Voraussetzungen des § 22 TT DSG voraussetze, weil das materielle Recht das Bestehen einer Legitimation der auskunftserteilenden Stelle im letztmöglichen relevanten Zeitpunkt, also dem des Schlusses der mündlichen Verhandlung verlange oder ob insoweit auf die Rechtslage im Zeitpunkt des Bescheidserlasses abzustellen und damit § 14 Abs. 2 TMG und § 15 Abs. 5 Satz 4 i.V.m. § 14 Abs. 2 TMG anzuwenden seien, könne vorliegend dahinstehen, denn die Voraussetzungen beider Vorschriften seien nicht erfüllt.
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Auch gemäß § 22 Abs. 2 und Abs. 3 Nr. 1 TTDSG dürfe der Erbringer von Telemediendiensten an die für die Verfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten zuständigen Behörden (nur) im Einzelfall Auskunft über Bestandsdaten erteilen, soweit „zureichende tatsächliche Anhaltspunkte“ für eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit, die gegenüber einer natürlichen Person mit Geldbuße im Höchstmaß von mehr als 15.000 € bedroht sei, vorliegen und die in die Auskunft aufzunehmenden Daten erforderlich seien, um den Sachverhalt zu erforschen, den Aufenthaltsort eines Beschuldigten zu ermitteln oder eine Strafe zu vollstrecken.
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Zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Ordnungswidrigkeit im Sinne eines Anfangsverdachts lägen indes nicht vor, da verschiedene Konstellationen einer legalen Nutzung des streitgegenständlichen Objekts möglich seien, die in der Summe dessen konkrete Tauglichkeit für die Verwirklichung des Tatbestandes einer Zweckentfremdung offenließen. Die Beklagte räume selbst ein, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Objekt nicht um genehmigten Wohnraum oder um eine genehmigte Zweckentfremdung handeln könne. Ohne vorherige Prüfung des Vorliegens von Wohnraum im Sinne von Art. 1 ZwEWG und des Nichtvorliegens eines zweckentfremdungsrechtlichen Genehmigungstatbestandes komme eine Auskunftserteilung gestützt auf zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Ordnungswidrigkeit jedoch nicht in Betracht.
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Ungeachtet dessen erfordere die Legitimation der Datenübermittlung (§ 22 Abs. 2 und Abs. 3 Nr. 2a TTDSG) das Vorliegen einer konkreten Gefahr, also einer Sachlage, die bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einem Schadenseintritt führe. Auch dies stehe vorliegend aufgrund vielfältiger Möglichkeiten einer legalen Nutzung des streitgegenständlichen Objekts jedoch nicht fest. Erweise sich deshalb die Verpflichtung zur Erteilung der Auskunft als rechtswidrig, könne auch die hiermit verbundene Androhung eines Zwangsgeldes keinen Bestand haben.
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4. Mit der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung verfolgt die Beklagte ihr Interesse am Fortbestand des Bescheides weiter. Die Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 TMG und § 15 Abs. 5 Satz 4 i.V.m. § 14 Abs. 2 TMG als auch des neuen § 22 TTDSG seien erfüllt. Hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine Zweckentfremdung lägen vor. Ein konkreter Personenbezug ergebe sich bereits daraus, dass sich das Auskunftsersuchen auf einen bestimmten Nutzer, den Gastgeber „Michael“ beziehe. Dass es sich hierbei nicht um den Klarnamen des Vermieters handele, sei unschädlich, da die Person hinter dem Gastgebernamen zumindest bestimmbar und der Klägerin auch bekannt sei. Auch ein konkreter Objektbezug sei gegeben. Das Auskunftsersuchen beziehe sich auf das Objekt mit dem Inserat der Nummer 4119391. Auch insoweit könne das Objekt zwar nicht mit der konkreten Adresse benannt werden. Gleichwohl sei dieses jedoch zumindest bestimmbar und der Klägerin bekannt.
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Konkrete Anhaltspunkte für eine Zweckentfremdung seien ebenfalls gegeben. Für das streitgegenständliche Inserat mit der Nummer 4119391 und der Unterkunftsbezeichnung „Apartment – zentral, new bathroom!“ lägen mit Stand 21. Januar 2020 insgesamt 72 Bewertungen von Nutzern vor. Insoweit bestehe der begründete Verdacht, dass das Objekt zweckentfremdet werde. Auch die Eigenschaft des Nutzers Michael als „Superhost“ spreche für das Vorliegen einer Zweckentfremdung. Darüber hinaus ließen auch die zu dem streitgegenständlichen Objekt veröffentlichten Fotos keinerlei persönliche Gegenstände erkennen, die auf eine Eigennutzung durch den Gastgeber „Michael“ hindeuteten, was den Rückschluss rechtfertige, dass dieser das Objekt nicht selbst zu Wohnzwecken nutze und dieses beispielsweise nur während eines Urlaubs vermiete.
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Zu Recht gehe das Verwaltungsgericht allerdings davon aus, dass es sich um eine zweckentfremdungsrechtlich nicht zu beanstandende Nutzung handeln könnte. Indes sei die Wahrscheinlichkeit hierfür deutlich geringer, als dass tatsächlich nicht doch eine zweckentfremdungsrechtlich zu beanstandende Nutzung vorliege. Jedenfalls seien zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine Zweckentfremdung im Sinne eines Anfangsverdachts auch im Lichte der Anforderungen des § 152 StPO gegeben. Von einer willkürlichen Abfrage von Bestandsdaten könne im vorliegenden Fall nicht die Rede sein. Ein alternativer Einsatz „verdeckter Ermittler“ stelle keine weniger grundrechtsintensive Maßnahme dar und könne sich im Hinblick auf die Nutzungsbedingungen der Beklagten auch als rechtlich durchaus schwierig erweisen.
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Die Beklagte beantragt,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Weder die Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 TMG noch des § 22 Abs. 2 und 3 TTDSG lägen vor. Die Beklagte begründe den Verdacht einer Ordnungswidrigkeit und das Vorliegen einer konkreten Gefahrenlage lediglich mittels vom Sachverhalt losgelöster Unterstellungen und Mutmaßungen, für die es keine Grundlage gebe. Vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen reichten indes für ein Auskunftsersuchen nicht aus. Ungeachtet dessen bedürfe es für die Abfrage von Nutzungs- bzw. Buchungsdaten gemäß § 24 Abs. 3 Ziff. 1 TTDSG nunmehr tatsächlicher Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Straftat (und nicht lediglich einer Ordnungswidrigkeit), an der es jedoch offenkundig fehle.
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Mit Schreiben vom 25. Juli 2023 hat der Senat die Verfahrensbeteiligten zu einer Entscheidung nach § 130a VwGO angehört. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen.
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Die zulässige Berufung bleibt ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat den Bescheid des Beklagten vom 27. Februar 2020 zu Recht aufgehoben. Dieser ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).
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1. Der Senat kann über die Berufung nach Anhörung der Beteiligten gem. § 130a Satz 1 VwGO in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens durch Beschluss entscheiden, da er diese einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich erachtet. Die Rechtssache weist weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Hinsicht außergewöhnliche Schwierigkeiten auf (vgl. zu diesem Erfordernis BVerwG, U.v. 30.6.2004 – 6 C 28.03 –, BVerwGE 121, 211 [212]; U.v. 9.12.2010 – 10 C 13.09 –, BVerwGE 138, 289 [297 f.]). Die aufgeworfenen Rechtsfragen sind durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 130, 151 [184] – „Doppeltür – Bestandsdatenauskunft I“; BVerfGE 115, 320 [341 ff.] – „Rasterfahndung“; BVerfGE 120, 274 [326 f.] – „Online-Durchsuchung“; BVerfGE 120, 378 [428 ff.] – „Kennzeichenkontrolle I“; BVerfGE 125, 260 [343 f.] – „Vorratsdatenspeicherung“; BVerfGE 150, 244 Rn. 51 ff. – „Kennzeichenkontrolle II“; BVerfGE 155, 119 [186 ff.] – „Bestandsdatenauskunft II“; BVerfGE 113, 29 [47] – „Schutz Drittbetroffener“) bereits hinreichend geklärt. Die Lösung des Rechtsstreits selbst ergibt sich aus einem einfachen Blick auf den Wortlaut des § 14 Abs. 2 TMG bzw. des § 22 Abs. 3 Nr. 1 u. Nr. 2a TTDSG, die einen Datenaustausch lediglich in einem konkreten Einzelfall, nicht aber generell und flächendeckend gestatten (vgl. auch bereits BayVGH, B.v. 20.05.2020 – 12 B 19.1648 – juris; bestätigt durch BVerwG, B.v. 31.03.2021 – 6 B 41/20 – juris), soweit zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit bzw. eine konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit vorliegen (vgl. auch BVerfGE 155, 119 [186 ff.] Rn. 145 ff. – „Bestandsdatenauskunft II“).
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Die Beteiligten hatten im Berufungsverfahren hinreichend Gelegenheit, sich zu den maßgeblichen Fragen zu äußern. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, welche auf der Rechtsprechung des EGMR zu Art. 6 EMRK gründet (vgl. hierzu U.v. 29.10.1991 – Nr. 22/1990/213/275 –, NJW 1992, 1813 f.), muss in Fällen einer erstinstanzlichen öffentlichen mündlichen Verhandlung nicht stets und unabhängig von der Art der zu entscheidenden Fragen in der folgenden zweiten Instanz eine weitere mündliche Verhandlung stattfinden (vgl. BVerwG, B.v. 25.9.2007 – 5 B 53/07 – juris, Rn. 18). Dies gilt namentlich dann, wenn – wie im vorliegenden Fall – nur über Rechtsfragen zu entscheiden ist (vgl. BVerwG, B.v. 25.9.2003 – 4 B 68/03 –, NVwZ 2004, 108 [110]; B.v. 7.9.2011 – 9 B 61/11 –, NVwZ 2012, 379 [380] Rn. 6 f.; s.a. Rudisile, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: 7/2019, § 130a Rn. 3 a.E.), zu welchen den Verfahrensbeteiligten die Rechtsauffassung des Senats bereits durch den umfangreich begründeten Beschluss vom 20. Mai 2020 – 12 B 19.1648 – juris – und die Entscheidung im vorläufigen Rechtsschutz vom 16. Juni 2021 – 12 CS 21.1413 –, NVwZ-RR 2021, 932 – bekannt ist. Tatsachenfragen, die eine Beweiserhebung erfordert hätten, haben sich entscheidungserheblich nicht gestellt. Die aufgeworfenen Fragen lassen sich bereits alleine aufgrund der Aktenlage angemessen beurteilen (vgl. hierzu BVerwG, B.v. 25.9.2007 – 5 B 53/07 – juris, Rn. 18; s.a. Rudisile, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: 7/2019, § 130a Rn. 3 a.E.).
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Die Beklagte hat der beabsichtigten Verfahrensweise im Rahmen der Anhörung gem. § 130a Satz 2 i.V.m. § 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO zwar mit Schreiben vom 3. August 2023 widersprochen; dies gibt dem Senat nach Kenntnisnahme des neue tatsächliche oder rechtliche Gesichtspunkte nicht enthaltenden Vorbringens auch nach nochmaliger Abwägung aller für und gegen die Durchführung einer Berufungsverhandlung sprechenden Gründe gleichwohl keinen Anlass, in Ausübung des durch § 130a VwGO eingeräumten Ermessens von seiner beabsichtigten Verfahrensweise abzuweichen (vgl. BVerwG, B.v. 2.3.2010 – 6 B 72/09 –, NVwZ 2010, 845 [846] Rn. 8; B.v. 22.6.2007 – 10 B 56/07 – juris, Rn. 9). Entgegen der Auffassung der Beklagten waren sämtliche der im Schreiben vom 3. August 2023 bezeichneten Rechtsfragen – soweit ihnen nach der insoweit allein maßgeblichen Auffassung des Senats überhaupt entscheidungserhebliche Bedeutung zukommt – bereits Gegenstand der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung. Neue, im erstinstanzlichen Verfahren noch nicht relevante Rechts- oder Tatsachenfragen (vgl. hierzu BVerwG, B.v.18.12.2014 – 8 B 47/14 –, NVwZ 2015, 600 [601] Rn. 7) haben sich im Berufungsverfahren entscheidungserheblich nicht gestellt. Ungeachtet dessen hat der Senat den Verfahrensbeteiligten seine Auffassung zu den problematisierten Rechtsfragen auch bereits im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (vgl. B. v. 16.06.2021 – 12 CS 21.1413 –, NVwZ-RR 2021, 932 [933] Rn. 12 ff.) mit der Möglichkeit der rechtlichen Auseinandersetzung im Berufungsverfahren offenbart. Hiervon haben die Verfahrensbeteiligten ausführlich Gebrauch gemacht. Mit Anhörungsschreiben vom 25. Juli 2023 hat der Senat die Verfahrensbeteiligten über das Ergebnis seiner rechtlichen Prüfung im Berufungsverfahren unter ausdrücklichem Hinweis auf die Ausführungen im Beschluss vom 16. Juni 2021 – 12 CS 21.1413 –, NVwZ-RR 2021, 932 [933] Rn. 11 ff. – in Kenntnis gesetzt. Ein diskursiver Prozess zwischen dem Gericht und den Verfahrensbeteiligten (vgl. BVerwG, B.v. 20.5.2015 – 2 B 4/15 –, NVwZ 2015, 1299 Rn. 5; s.a. Anm. Heusch, NVwZ 2015, 1301) hat daher in umfassender Weise stattgefunden, wenn auch nicht mit dem von der Beklagten gewünschten Ergebnis. Zu einem (noch) weitergehenden „Rechtsgespräch“ ist der Senat – selbst im Rahmen einer mündlichen Verhandlung – nicht verpflichtet (vgl. BVerfGE 86, 133 [144 f.] m.w.N.). Der Umstand, dass die Beklagte einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung widersprochen hat, macht das Verfahren nach § 130a VwGO nicht fehlerhaft (vgl. BVerwG, B.v. 7.9.2011 – 9 B 61/11 –, NVwZ 2012, 379 [380] Rn. 4; B.v. 24.4.2017 – 6 B 17/17 – juris, Rn. 14 f.). Mithin kann der Senat in Ausübung des nach § 130a Satz 1 VwGO eingeräumten Ermessens durch Beschluss entscheiden. Einer weiteren Anhörungsmitteilung bedurfte es nicht (vgl. BVerwG, B.v. 17.5.1993 – 4 B 73/93 – juris, Rn. 3; B.v. 2.3.2010 – 6 B 72/09 –, NVwZ-RR 2010, 845 [846] Rn. 8; B.v. 22.6.2007 – 10 B 56/07 – juris, Rn. 9; B.v. 25.8.1999 – 8 C 12/98 – juris, Rn. 16).
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2. a) Der Senat hat bereits in seiner Entscheidung vom 20. Mai 2020 – 12 B 19.1648 – juris, Rn. 91 ff. (siehe zuvor auch schon B.v. 20.8.2019 – 12 ZB 19.333 – juris, Rn. 59 ff.), zwischenzeitlich bestätigt durch Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 31. März 2021 – 6 B 41.20 – juris, Rn. 16 und 23, festgestellt, dass sich die Beklagte von Verfassungs wegen auf eine Anwendung von Art. 3 Abs. 1 Sätze 1, 3 und 5 ZwEWG, § 12 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1, Sätze 2 und 4 ZeS und § 14 Abs. 2 TMG im Einzelfall zu beschränken hat, was jeweils einen konkreten personen- oder objektbezogenen Anfangsverdacht voraussetzt (vgl. BayVGH, B.v. 20.5.2020 – 12 B 19.1648 – juris, Rn. 91 und Leitsatz 7; B.v. 16.06.2021 – 12 CS 21.1413 –, NVwZ-RR 2021, 932 [933] Rn. 12). Auch aus der nach Bescheidserlass in Kraft getretenen Neuregelung des § 22 TTDSG folgt – wie das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat – nichts anderes. Auch diese Vorschrift macht die Auskunftserteilung durch die Klägerin vom Vorliegen „zureichender tatsächlicher Anhaltspunkte“ für eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit abhängig (§ 22 Abs. 3 Nr. 1 TTDSG) bzw. setzt das Vorliegen einer konkreten Gefahr (vgl. Lachenmann, in: Gierschmann/Baumgartner, TTDSG, 2023, § 22 Rn. 49) für die öffentliche Sicherheit voraus (§ 22 Abs. 3 Nr. 2a TTDSG).
23
Allein die Tatsache einer gelegentlichen, gegebenenfalls auch mehrfachen kurz- oder auch längerfristigen Vermietung oder Gebrauchsüberlassung von Wohnraum – und sei es auch unter der ausschließlichen Verwendung eines Vornamens oder Pseudonyms ohne weitere Anschrift oder Adresse – reicht jedoch angesichts der mannigfaltigen Möglichkeiten einer vollkommen legalen (genehmigten) Nutzung ohne das Hinzutreten weiterer, eindeutig auf eine Zweckentfremdung hinweisender Umstände regelmäßig nicht aus, die Annahme eines konkreten Anfangsverdachts einer entsprechenden Ordnungswidrigkeit zu rechtfertigen (so ausdrückl. BayVGH, B.v. 20.5.2020 – 12 B 19.1648 – juris, Rn. 92 u. Leitsatz 7; B.v. 16.06.2021 – 12 CS 21.1413 –, NVwZ-RR 2021, 932 [933] Rn. 12). In tatsächlicher Hinsicht bedarf es deshalb stets eines von der Beklagten zu benennenden, konkreten objektbezogenen Anknüpfungspunktes, um nach vorheriger Prüfung des Nichtvorliegens eines Genehmigungstatbestandes (vgl. BVerfGE 155, 119 [189 f.] Rn.152 „Bestandsdatenauskunft II“: „tatsachenbezogene Grundlage“) – ansonsten liegt eine Zweckentfremdung von vornherein nicht vor – ein Auskunftsersuchen im Einzelfall zu legitimieren (so insbes. BayVGH, B.v. 20.5.2020 – 12 B 19.1648 – juris, Rn. 95 u. Leitsatz 7; B.v. 16.06.2021 – 12 CS 21.1413 –, NVwZ-RR 2021, 932 [933] Rn. 12). Eine permanente „generalpräventive“ (Total-) Überwachung und -kontrolle des (gesamten) Wohnungsbestandes ohne konkrete tatsächliche Anhaltspunkte für eine Zweckentfremdung im Einzelfall (vgl. BVerfGE 155, 119 [186 ff.] Rn. 145 ff.) kommt in einem freiheitlichen Rechtsstaat nicht in Frage. Das Zweckentfremdungsrecht erlaubt kein „generalpräventives Vorgehen“ zur „Abschreckung“ lediglich potentieller Zweckentfremder (vgl. BayVGH, B.v. 26.07.2021 – 12 B 21.913 –, BayVBl. 2022, 193 – juris, Rn. 25 f.).
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b) Der Bescheid der Beklagten vom 27. Februar 2020 beachtet diesen Maßstab nicht (vgl. auch bereits BayVGH, B. v. 16.06.2021 – 12 CS 21.1413 –, NVwZ-RR 2021, 932 [933] Rn. 13). Entgegen der Annahme der Beklagten ist das streitgegenständliche Auskunftsersuchen betreffend das Vorliegen eines zweckentfremdungsrechtlichen Anfangsverdachts weder personen- noch objektbezogen ausgestaltet. Dass der Klägerin der Klarname des mutmaßlich Betroffenen und die Lage des Objekts im Innenverhältnis bekannt sind, ist nicht nur selbstverständlich, sondern darüber hinaus auch irrelevant. Maßgebend für die Beurteilung ist allein das Außenverhältnis zwischen Diensteanbieter und der auskunftsersuchenden Stelle. Die Beklagte hat jedoch weder einen anhand objektiver Merkmale hinreichend konkret bestimmbaren mutmaßlichen „Zweckentfremder“ – namentlich – benannt (vgl. BayVGH, B.v. 20.8.2019 – 12 ZB 19.333 – juris, Rn. 62; B. v. 16.06.2021 – 12 CS 21.1413 –, NVwZ-RR 2021, 932 [933] Rn. 13) noch das Objekt der mutmaßlichen Zweckentfremdung hinreichend konkret umschrieben; sie benennt lediglich ein „Inserat“. Die Verwendung des Pseudonyms „Superhost Michael“ und die Bezeichnung „Inserat Nr. 4119391“ in „München/Giesing“ reichen jedoch vor dem Hintergrund, dass die Beklagte in keiner Weise belegen kann, dass es sich bei dem fraglichen Objekt überhaupt um Wohnraum und nicht lediglich um zulässigerweise gewerblich genutzten Ferienwohnraum handelt, nicht aus, um die Annahme eines hinreichend konkreten Anfangsverdachts (vgl. hierzu BVerfGE 155, 119 [189] Rn. 152) zu rechtfertigen. „Zureichende tatsächliche Anhaltspunkte“ im Sinne des § 22 Abs. 3 Nr. 1 TTDSG liegen gerade nicht vor. Die Beklagte stellt lediglich Mutmaßungen hinsichtlich des Vorliegens einer Zweckentfremdung an und räumt darüber hinaus sowohl im Bescheid vom 27. Februar 2020 (S. 5), ihrer nachfolgenden Stellungnahme vom 5. Juni 2020 (S. 3) als auch in ihrer Berufungsbegründung vom 25. Mai 2023 (S. 4) unumwunden ein, dass sie entgegen der ausdrücklichen Vorgabe des Senats, eine vorherige Prüfung des Nichtvorliegens eines zweckentfremdungsrechtlichen Genehmigungstatbestandes (vgl. hierzu ausdrückl. BayVGH, B.v. 20.5.2020 – 12 B 19.1648 – juris, Rn. 95 a.E. und Leitsatz 7) nicht vorgenommen hat (vgl. auch bereits BayVGH, B.v. 16.06.2021 – 12 CS 21.1413 –, NVwZ-RR 2021, 932 [933] Rn. 13). Nicht auf die erbetene Auskunft, sondern auf den konkreten Anfangsverdacht einer Zweckentfremdung (vgl. auch BVerfGE 155, 119 [189] Rn. 152) bzw. das Vorliegen einer entsprechenden konkreten Gefahr (vgl. hierzu Lachenmann, in: Gierschmann/Baumgartner, TTDSG, 2023, § 22 Rn. 49) für die Unversehrtheit der Rechtsordnung (§ 22 Abs. 3 Nr. 2a TTDSG) richtet sich das Kriterium der Personen- oder Objektbezogenheit. Vage Vermutungen reichen nicht aus (so ausdrücklich BVerfGE 155, 119 [189 f.] Rn. 152 a.E.).
25
Die konkrete Tauglichkeit eines bestimmten Objekts für die Verwirklichung des Tatbestandes einer Zweckentfremdung muss positiv feststehen, bevor die Beklagte als ersuchende Stelle im Sinne von § 14 Abs. 2 TMG bzw. § 22 Abs. 3 Nr. 1 u. Nr. 2a TTDSG Auskunft begehrt, denn nur dann ist überhaupt eine Rechtsgutsverletzung, die den Handlungsrahmen der Behörde erst eröffnet, denkbar und möglich (vgl. auch bereits BayVGH, B.v. 16.06.2021 – 12 CS 21.1413 –, NVwZ-RR 2021, 932 [933] Rn. 14). Rein spekulative Erwägungen zur Frage der Wahrscheinlichkeit des Vorliegens einer ungenehmigten gewerblichen Nutzung und damit einer Zweckentfremdung helfen demgegenüber nicht weiter (vgl. auch BVerfGE 155, 119 [189 f.] Rn. 152). Eine auf bloße Mutmaßungen gestützte Auskunftserteilung ist ausgeschlossen (vgl. BayVGH, B.v. 20.08.2019 – 12 ZB 19.333 – juris, Rn. 58 m.w.N.; B.v. 20.5.2020 – 12 B 19.1648 – juris, Rn. 82 m.w.N., Leits. 5; B.v. 16.06.2021 – 12 CS 21.1413 –, NVwZ-RR 2021, 932 [933] Rn. 14), anderenfalls würden unberechtigterweise verdachtslose Grundrechtseingriffe mit großer Streubreite im Vorfeld einer konkreten Gefahr ins Werk gesetzt (vgl. BayVGH, B.v. 20.05.2020 – 12 B 19.1648 – juris, Rn. 81 m.w.N.; B.v. 16.06.2021 – 12 CS 21.1413 –, NVwZ-RR 2021, 932 [933] Rn. 14). Nicht ein „abstrakter Gefahrenverdacht“, sondern nur eine hinreichend konkrete Gefahr eröffnet den zweckentfremdungsrechtlichen Handlungs- und Eingriffsrahmen (vgl. BayVGH, B.v. 16.06.2021 – 12 CS 21.1413 –, NVwZ-RR 2021, 932 [933] Rn. 14.).
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Auch aus einer entsprechenden Anwendung von § 152 Abs. 2 StPO (vgl. hierzu Lachenmann, in: Gierschmann/Baumgartner, TTDSG, 2023, § 22 Rn. 41) folgt entgegen der Auffassung der Beklagten nichts anderes. Diese Vorschrift stellt die Einleitung eines (strafrechtlichen) Ermittlungsverfahrens unter den Vorbehalt zureichender tatsächlicher Anhaltspunkte für das Vorliegen einer verfolgbaren (Straf-) Tat. Bloße, nicht durch konkrete Umstände belegte Vermutungen oder gar die reine denktheoretische Möglichkeit des Vorliegens einer (Straf-) Tat reichen jedoch insoweit nicht aus (vgl. Beukelmann, in: BeckOK-StPO, Stand: 01.04.2023, § 152 Rn. 4). So legitimiert beispielsweise die Ausübung der Prostitution noch nicht die allgemeine Annahme eines Verdachts der Steuerhinterziehung (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 44. Aufl. 1999, § 152 Rn. 4). Ebenso wenig vermag die zeitlich befristete, gegebenenfalls auch mehrfache Vermietung eines Objekts ohne das Hinzutreten weiterer aussagekräftiger Umstände die Annahme des Vorliegens eines Verstoßes gegen das Zweckentfremdungsrecht zu rechtfertigen. Aus einem grundsätzlich vollkommen legalen Verhalten – wie beispielsweise dem Vermieten von Wohnraum – kann allein noch kein Anfangsverdacht hergeleitet werden. Ansonsten bestünde die Gefahr, dass grundsätzlich erlaubte Handlungen unter einen allgemeinen Generalverdacht gestellt werden (vgl. Gercke, in: Gercke/Julius/Temming/Zöller, StPO, 6. Aufl. 2018, § 152 Rn. 13). Entgegen der Auffassung des Beklagten kann daher von einer Willkürfreiheit des Auskunftsersuchens nicht die Rede sein.
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Auch vermag allein der Umstand, dass im Zeitpunkt des Bescheidserlasses für 2019 72 Bewertungen des streitgegenständlichen Objekts vorlagen, nicht die Annahme zu rechtfertigen, selbiges sei in diesem Jahr bei Annahme einer Meldung pro Miettag für mindestens zehn Wochen (72 : 7 Tg./W = 10,28) zu anderen als Wohnzwecken, nämlich zu Zwecken der kurzfristigen Fremdenbeherbergung von insgesamt mehr als 8 Wochen im Kalenderjahr (vgl. Art. 1 Satz 2 Nr. 3 ZwEWG) genutzt worden. Derartige „Überlegungen“ erweisen sich als rein spekulativ. Mit derselben Berechtigung ließe sich argumentieren, das streitgegenständliche Objekt sei im Jahr 2019 entsprechend der maximal möglichen Belegung mit 3 Personen pro Tag und einer Meldung pro Miettag und Person nur an 24 Tagen, also etwas mehr als drei Wochen lang zweckwidrig genutzt worden (72 : 3 = 24 : 7 Tage/W = 3,4 Wochen) mit der Folge, dass die
8-Wochen-Grenze gar nicht erst erreicht wäre. Der Umstand, dass nur solche Gäste eine Bewertung abgeben können, die die Unterkunft auch gebucht und bezahlt haben, steht dem nicht entgegen. Die Beklagte lässt unberücksichtigt, dass das Objekt gegebenenfalls auch von einzelzahlenden Kleingruppenreisenden belegt worden sein kann. Ebenso wenig rechtfertigt das Fehlen persönlicher Gegenstände auf bestimmten Wohnungsfotos die Annahme, das Objekt werde in der vermietungsfreien Zeit nicht privat genutzt. Das Objekt kann – wie es gutbürgerlichem Verhalten entspricht – vor der Aufnahme auch lediglich „aufgeräumt“ worden sein.
28
Ein „hinreichend konkreter Anfangsverdacht“ im Sinne des Vorliegens zureichender tatsächlicher Anhaltspunkte (§ 22 Abs. 3 Nr. 1 TTDSG), respektive das Bestehen einer konkreten Gefahr (vgl. hierzu Lachenmann, in: Gierschmann/Baumgartner, TTDSG, 2023, § 22 Rn. 49) für die öffentliche Sicherheit in Gestalt der Unversehrtheit der Rechtsordnung (§ 22 Abs. 3 Nr. 2a TTDSG) ist damit nicht in der Sache nachvollziehbar aufgezeigt. Vielmehr begehrt die Beklagte auch insoweit Auskunft auf der Grundlage eines bloßen abstrakten Gefahrenverdachts und damit letztlich „ins Blaue hinein“, um ihre eigene Ermittlungstätigkeit im Hinblick auf das Vorliegen einer Verwirklichung des Tatbestandes der Zweckentfremdung überhaupt erst aufzunehmen (vgl. auch bereits BayVGH, B.v. 16.06.2021 – 12 CS 21.1413 –, NVwZ-RR 2021, 932 [934] Rn. 16). Dass dies im Lichte der von der Beklagten zu beachtenden verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht in Betracht kommt, hat der Senat bereits mit Beschluss vom 20. August 2019 – 12 ZB 19.333 – juris, Rn. 62 ausführlich dargelegt (vgl. auch BayVGH, B.v. 20.5.2020 – 12 B 19.1648 – juris, Rn. 91 – 94 u. Leits. 7; bestätigt durch BVerwG, B.v. 31.3.2021 – 6 B 41.20 – juris, Rn. 16 u. 23). Das Auskunftsersuchen der Beklagten entbehrt deshalb einer hinreichenden tatsachenbasierten Grundlage (vgl. inzwischen auch BVerfGE 155, 119 [189 f.] Rn. 152 – „Bestandsdatenauskunft II“). Auf die Frage der Verhältnismäßigkeit der Zwangsgeldandrohung kommt es entscheidungserheblich nicht an.
29
Der Beklagten ist damit ein effektiver Vollzug des Zweckentfremdungsrechts keineswegs unmöglich gemacht; sie muss sich lediglich anderer – rechtsstaatskonformer – Mittel bedienen, um einen konkreten Anfangsverdacht bzw. „zureichende tatsächliche Anhaltspunkte“ für ein Auskunftsersuchen zu begründen. Gemäß Art. 24 Abs. 1 Satz 2, 1. Halbs. BayVwVfG bestimmt die Behörde Art und Umfang ihrer Ermittlungen grundsätzlich selbst. Die Aufzählung der Erkenntnis- und Beweismittel in Art. 26 Abs. 1 Satz 2 BayVwVfG („insbesondere“) ist nicht abschließend; es gilt der Grundsatz des Freibeweises (vgl. Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 21. Aufl. 2020, § 26 Rn. 9). Die Behörde kann sich deshalb unter Beachtung der durch das Verfassungsrecht, insbesondere durch das durch Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützte Persönlichkeitsrecht, und die Rechtsordnung allgemein gezogenen Grenzen (vgl. näher Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 26 Rn. 11 ff.; Kallerhoff/Fellenberg, in: Stelkens/Bonk/ Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 26 Rn. 22 u. 8) grundsätzlich auch des Einsatzes „verdeckter Ermittler“ bedienen (vgl. zur Zulässigkeit verdeckter – passiver – Ermittlungen EGMR, U.v. 23.10.2014 – 54648/09 –, NJW 2015, 3631 – juris, Rn. 47 ff. u. Leits. 1 u. 2), die sich als „Mietinteressenten“ ausgeben, um im Rahmen (weiterer) sog. „Vorermittlungen“ (vgl. hierzu Beukelmann, in: BeckOK-StPO, Stand: 01.04.2023, § 152 Rn. 6) die Tatsachengrundlage für ein entsprechendes Auskunftsersuchen gegenüber dem Diensteanbieter zu schaffen, insbesondere die Lage des Objekts oder den Namen des Vermieters zu ermitteln und festzustellen, ob ein zweckentfremdungsrechtlicher Genehmigungstatbestand vorliegt oder nicht (vgl. auch Art. 3 Abs. 1 Sätze 1 bis 3 ZwEWG; siehe im Übrigen auch bereits BayVGH, B.v. 16.06.2021 – 12 CS 21.1413 –, NVwZ-RR 2021, 932 [934] Rn. 18). Die von der Beklagten begehrte Auskunftserteilung ist daher auch gar nicht im Sinne von § 22 Abs. 3 Nr. 1 u. Nr. 2a TTDSG erforderlich, um den Sachverhalt zu erforschen oder den Aufenthaltsort eines Beschuldigten oder Betroffenen zu ermitteln. Vielmehr stehen der Beklagten andere – wesentlich weniger eingriffsintensive – Mittel zur Verfügung. Ungeachtet dessen lässt § 24 Abs. 3 Nr. 1 TTDSG eine Auskunftserteilung über Nutzungs- bzw. Buchungsdaten (vgl. Ziff. 1.3 und 1.4 des Bescheids vom 27. Februar 2020) künftig ausschließlich dann zu, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für eine Straftat (und nicht lediglich eine Ordnungswidrigkeit, vgl. Lachenmann, in: Gierschmann/Baumgartner, TTDSG, § 24 Rn. 11) vorliegen. Eine solche steht hier jedoch von vornherein nicht in Rede.
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Demgegenüber erweist sich die allgemeine Besorgnis der Beklagten, ihr könne im Falle des Einsatzes „verdeckter Ermittler“ der Vorwurf der „Scheinbuchung“ entgegengehalten werden, als von vornherein unbegründet. Die Beklagte muss lediglich – wie jeder andere Kunde, der von einem rechtswirksamen Vertrag zurücktritt auch – die dem Vermieter gegebenenfalls entstehenden Stornokosten tragen.
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Die Berufung ist daher zurückzuweisen.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO, §§ 708 ff. ZPO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 47, 52 Abs. 1 GKG.
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4. Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2 VwGO).