Titel:
Widerruf waffenrechtlicher Erlaubnisse bei Verdacht auf Anhängerschaft zur "Reichsbürgerbewegung" bzw. Nähe zur Ideologie der "Reichsbürgerbewegung"
Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3, Abs. 5
WaffG § 5 Abs. 1 Nr. 2, § 45 Abs. 2 S. 1, § 46 Abs. 1, Abs. 2
VwZVG Art. 21a S. 1, Art. 31, Art. 36 Abs. 1, Abs. 5
Leitsätze:
1. Personen, die der "Reichsbürgerbewegung" zugehörig sind oder sich deren Ideologie als für sich verbindlich zu eigen gemacht haben, besitzen nicht die erforderliche Zuverlässigkeit iSv § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG, weil mit der Verleugnung des Bestehens bzw. der Legitimation der BRD zwangsläufig auch die Gefahr einhergeht, dass die Betreffenden die geltenden Gesetze der BRD, und damit auch das Waffengesetz, nicht als für sich verbindlich anerkennen und deshalb die Gefahr besteht, dass sie die Vorschriften nicht einhalten werden (stRspr VGH München, vgl. zB BeckRS 2017, 128941; BeckRS 2017, 137087; BeckRS 2018, 199; BeckRS 2019, 1677; BeckRS 2019, 20333; BeckRS 2021, 41426; BeckRS 2021, 42574; BeckRS 2022, 22268; BeckRS 2023, 10161). (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
2. Dass "Reichsbürger" die Existenz bzw. Legitimation der BRD als Staat bestreiten und diesen häufig als "Firma BRD" bezeichnen, gehört zu den typische Argumentationslinien der "Reichsbürgerbewegung"(VGH München BeckRS 2021, 41426). (Rn. 38) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ob eine Person der "Reichsbürgerbewegung" zuzuordnen ist bzw. sich deren Ideologie zu eigen gemacht hat, ergibt sich aus einer Gesamtwürdigung aller Umstände des konkreten Einzelfalls, insbes. der Persönlichkeit des Betroffenen und seinen außerprozessualen und prozessualen Verhaltensweisen bzw. Einlassungen (vgl. VGH München BeckRS 2022, 22268). (Rn. 41) (redaktioneller Leitsatz)
4. Für eine glaubhafte Distanzierung von der "Reichsbürgerbewegung" bzw. deren Ideologie ist zu verlangen, dass äußerlich feststellbare Umstände vorliegen, die es wahrscheinlich erscheinen lassen, dass der Betroffene seine innere Einstellung verändert hat (vgl. BVerwG BeckRS 2018, 8954). (Rn. 48) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, Widerruf waffenrechtlicher Erlaubnisse, Verdacht auf Anhängerschaft zur „Reichsbürgerbewegung“ bzw. Nähe zur Ideologie der „Reichsbürgerbewegung“, Verdacht auf Anhängerschaft zur Reichsbürgerbewegung, Nähe zur Ideologie der Reichsbürgerbewegung, Reichsbürgerverdachtsüberprüfung, Widerrufsverfahren, Staatsangehörigkeitsausweis, Reichsbürgerideologie, Zuverlässigkeit, "reichsbürgertypisch“, glaubhafte Distanzierung, Staatsangehörigkeit
Fundstelle:
BeckRS 2023, 24373
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 5.375,00 EUR festgesetzt.
Gründe
1
Der Antragsteller begehrt einstweiligen Rechtsschutz gegen den Widerruf erteilter waffenrechtlicher Erlaubnisse samt den ergangenen Neben- bzw. Folgeentscheidungen.
2
Am 29. September 2021 wurden dem Antragsteller die Standard-Waffenbesitzkarte Nr. ... mit zwei eingetragenen Waffen sowie die Sportschützen-Waffenbesitzkarte Nr. ... erteilt.
3
Mit Schreiben vom 1. Juni 2022 beantragten der Antragsteller und seine Ehefrau die Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit, beigefügt war ein vom Antragsteller für seine Person ausgefüllter Vordruck des Bundesverwaltungsamts. Zur Begründung wurde u.a. unter Verweis auf eine Kleine Anfrage zum Staatsangehörigkeitsausweis im Bundestag bzw. im Landtag von Baden-Württemberg im Wesentlichen angeführt, dass an der deutschen Staatsangehörigkeit Zweifel bestünden. Ein Personalausweis sei wie auch eine deutsche Geburtsurkunde oder ein Reisepass kein rechtsverbindlich sicherer Nachweis der deutschen Staatsangehörigkeit.
4
Mit Schreiben vom 5. Juli 2022 ergänzte der Antragsteller u.a., dass ein berechtigtes Interesse an der Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises vorliege, da er und seine Ehefrau in der Vorbereitung zur Adoption eines Kindes im Ausland seien.
5
Mit Bescheid vom 13. Juli 2022 lehnte der Antragsgegner den als solchen ausgelegten Antrag des Antragstellers auf Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises ab.
6
Am 4. August 2022, 15. August 2022, 23. August 2022 und 2. September 2022 gingen beim Antragsgegner unter Vorlage entsprechender Vollmachten Telefaxschreiben von Frau ... „im Zusammenhang mit dem Verwaltungsakt der Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit gemäß (Ru) StAG 1913 in den Grenzen von vor 1914“ des Antragstellers und seiner Ehefrau ein, die nach Ansicht des Antragsgegners unverkennbar Inhalte der „Reichsbürgerideologie“ hätten.
7
Auf Bitte der Waffenrechtsbehörde um Prüfung hinsichtlich einer Zugehörigkeit des Antragstellers und seiner Ehefrau zur sog. „Reichsbürgerbewegung“ hin gab das Polizeipräsidium ... mit Schreiben vom 1. Dezember 2022 u.a. folgende Auskunft: Im Rahmen einer Reichsbürgerverdachtsüberprüfung am 14. Oktober 2022 seien die Eheleute als keine Angehörigen der „Reichsbürgerszene“ eingestuft worden. Die Frau des Antragstellers habe telefonisch plausible Gründe vorgebracht, weshalb sie und ihr Mann den Staatsangehörigkeitsausweis beantragt hätten, und glaubhaft im Hinblick auf den Kontakt zu Frau ... erklärt, dass dieser auf zufälliger und einmaliger Basis geschehen sei. Nachdem ein erneutes Schreiben von Frau ... in „reichsbürgertypischer“ Diktion an das Landratsamt ergangen sei, werde davon ausgegangen, dass dieses wie das zurückliegende Schreiben im Einverständnis der Eheleute und in Absprache mit Frau ... verfasst und versandt worden sei. Der erneute Kontakt zu Frau ... zeige, dass die Eheleute offensichtlich weiterhin Kontakt zu ihr hegen und mit dem Inhalt ihres Schreibens konformgehen würden, das die „Reichsbürgerideologie“ widerspiegle. Die Eheleute seien auf Grund dieser Erkenntnisse zweifellos in der „Reichsbürgerszene“ involviert, die Einstufung als „Reichsbürger“ sei unausweichlich notwendig.
8
Daraufhin leitete der Antragsgegner ein Widerrufsverfahren bezüglich der waffenrechtlichen Erlaubnisse des Antragstellers ein und hörte ihn hierzu mit Schreiben vom 21. Dezember 2022 an.
9
Der Antragsteller ließ von seinem jetzigen Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 10. Januar 2023 und 6. Februar 2023 insbesondere dahingehend Stellung nehmen, dass um Mitteilung der Rechtsgrundlage für die Einstufung als „Reichsbürger“ durch das Polizeipräsidium ... gebeten werde. Die Akte spiegle wider, dass die Zuverlässigkeit von Waffenbesitz-Karteninhaber an der „ideologischen Treue zum Grün-Sozialistischen System“ gemessen werde. Andere Aspekte wie der Umgang mit Waffen, deren Aufbewahrung und die generelle patriotische Haltung seien überhaupt nicht in Erwägung gezogen worden. Es handele sich um Maßnahmen der „politischen Verfolgung entsprechend der Systematik des 3. Reiches“. Zudem wurde u.a. moniert, dass das Bestreben von Personen, ihre Staatsangehörigkeit verbriefen zu lassen, als staatsfeindlich eingestuft werde. Der Antragsteller lehne ausdrücklich die nationalsozialistische wie auch jede andere sozialistische, totalitäre oder ideologisch determinierte Weltanschauung ab. Er sei nicht im Besitz eines „Reichsbürgerbriefes“, der die Voraussetzung für den Status eines „Reichsbürgers“ sei.
10
Mit Bescheid vom 13. März 2023 wurden die waffenrechtlichen Erlaubnisse des Antragstellers – die Standard-Waffenbesitzkarte Nr. ... und die Sportschützen-Waffenbesitzkarte Nr. ... – widerrufen (Ziffer 1 des Bescheids). In Ziffer 2 des Bescheids wurde verfügt, dass diese unverzüglich, spätestens innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Bescheids zurückzugeben seien. Unter Ziffer 3 des Bescheids wurde angeordnet, dass die sich zum Zeitpunkt der Zustellung des Bescheids im Besitz des Antragstellers befindlichen erlaubnispflichtigen Schusswaffen und Munition innerhalb eines Monats nach Zustellung des Bescheids dauerhaft unbrauchbar zu machen oder einem Berechtigten zu überlassen seien; der Waffenrechtsbehörde sei ein entsprechender Nachweis unmittelbar, spätestens zwei Tage nach Unbrauchbarmachung bzw. Überlassung vorzulegen. Für den Fall, dass der Antragsteller den sich aus den Ziffern 2 und 3 des Bescheids ergebenden Verpflichtungen nicht oder nicht rechtzeitig nachkommt, wurden jeweils Zwangsgelder angedroht (Ziffer 4 des Bescheids). Die sofortige Vollziehung der Ziffern 2 und 3 des Bescheids wurde angeordnet (Ziffer 5 des Bescheids). Schließlich enthielt der Bescheid in Ziffer 6 eine Kostenentscheidung und -festsetzung.
11
Zur Begründung wurde insbesondere ausgeführt: Der Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnisse stütze sich auf § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG. Anhänger der „Reichsbürgerbewegung“ seien nach gefestigter Rechtsprechung als waffenrechtlich unzuverlässig anzusehen, § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG. Es lägen Tatsachen vor, die darauf hinwiesen, dass der Antragsteller Anhänger der „Reichsbürgerszene“ sei. Der Antragsteller und seine Ehefrau hätten die Erteilung von Staatsangehörigkeitsausweisen, erworben durch „Abstammung gem. § 4 Abs. 1 RuStAG 1913“ und damit unter Verwendung „reichsbürgertypischer“ Rechtsausführungen, beantragt. Des Weiteren hätten sie nach Ablehnung der Anträge eine weitere der „Reichsbürgerszene“ zuzuordnende Person (Frau ...) mit der Wahrnehmung ihrer rechtlichen Interessen beauftragt. Deren Schreiben namens und im Auftrag des Antragstellers und seiner Ehefrau seien offensichtlich und zweifelsfrei der „Reichsbürgerideologie“ zuzuordnen. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass die Schreiben ohne Wissen und Wollen der Eheleute erfolgt wären. Auch die anwaltlichen Einlassungen würden sich nicht hierzu äußern, sondern pauschal die Aussage enthalten, dass der Antragsteller die nationalsozialistische wie auch jede andere sozialistische, totalitäre und ideologische Weltanschauung ablehne. Dies sei als bloße Schutzbehauptung zu werten. Die anwaltlichen Äußerungen würden sich überwiegend in Politikkritik und Aussagen zum Teil hart an der Grenze der Strafbarkeit ergehen. Auch bringe der Anwalt des Antragstellers zum Ausdruck, dass er die Beantragung von Staatsangehörigkeitsausweisen auf der Rechtsgrundlage von § 4 Abs. 1 RuStAG 1913 offensichtlich selbst für berechtigt erachte. Auch dies müsse sich der Antragsteller zurechnen lassen. In der Gesamtschau sei es diese klar fehlende ausdrückliche Distanzierung von „reichsbürgertypischem“ Gedankengut, die den Schluss zuließe, dass der Antragsteller dieser Bewegung ideologisch zuzuordnen sei. Die waffenrechtlichen Folgeentscheidungen würden sich aus § 46 Abs. 1 und 2 WaffG ergeben. Die Androhung der Zwangsmittel erfolge u.a. nach Art. 31 und 36 VwZVG. Die sofortige Vollziehung der Ziffern 2 und 3 dieses Bescheids sei gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO im öffentlichen Interesse geboten. Die Kostenentscheidung sowie -festsetzung beruhe auf Art. 1 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 3, 4, 5, 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 KG i.V.m. Nr. 2.II.7/39 KVz und Art. 10 Abs. 1 Nr. 2 KG
12
Auf die Begründung des Bescheids wird im Einzelnen verwiesen.
13
Hiergegen ließ der Antragsteller beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg am 6. April 2023 Klage erheben, über welche noch nicht entschieden ist (Au 8 K 23.519). Gleichzeitig begehrt er einstweiligen Rechtsschutz und ließ beantragen,
14
die sofortige Vollziehbarkeit des Bescheides (Entwurf) aufzuheben und anzuordnen, dass zur Vermeidung von Weiterungen der Kläger die Waffen bis zur rechtskräftigen Beendigung des Verfahrens weiter besitzen darf.
15
Zur Begründung wurde insbesondere vorgebracht: Der Bescheid sei nicht ordnungsgemäß nach § 126 BGB unterzeichnet und lediglich ein Entwurf. Es seien keinerlei Tatsachen aufgeführt, die Zweifel i.S.d. Waffenrechts an der Zuverlässigkeit des Klägers belegen würden. Der Kläger verfüge weder über einen „Reichsbürgerbrief“ noch sei in einem verwaltungsrechtlichen Verfahren auf einer gesetzlichen Grundlage nachgewiesen worden, dass er sich strafwürdig oder grundgesetzwidrig verhalten hätte. Das Gebaren des Beklagten sei grundgesetzwidrig. Unbeschadet des Art. 4 GG seien die Vorwürfe, der Kläger sei ein „Reichsbürger oder der Reichsbürgerszene nahestehend“, aus der Luft gegriffen und würden bestritten. Sollte eine Vertreterin im Interesse des Klägers Schreiben verfasst haben, die aus Behördensicht eine bestimmte Ideologie verkörpern sollten, seien diese Äußerungen dem Kläger nicht zuzurechnen, sofern diese „nicht ausschließlich rechtliche oder prozessuale Wirkungen entfalten“ könnten. Der Begriff „Reichsbürger“ werde durch das nationalsozialistische „Reichsbürgergesetz“ legal definiert und sei durch „Besatzungsrecht“ verboten worden. Dass der Beklagte meine, dass es keine Rolle spiele, eine gesetzliche Grundlage für derartige Grundrechtseinschränkungen zu schaffen, zeuge davon, dass er nicht mehr auf dem Boden des Grundgesetzes stehe. Der Kläger sei auch der Ansicht, dass Gerichte, die der Auffassung seien, dass es für die Anwendung solcher Begrifflichkeiten keinerlei gesetzlicher Grundlage bedürfe, gleichermaßen nicht mehr auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung stünden. Dies spiegele auch die Haltung des Beklagten wider, dass es bereits ausreiche, wenn jemand entsprechend Art. 116 und Art. 16 GG seine Staatsangehörigkeit festzustellen wünsche. Der Freistaat Bayern verfüge über eine eigene Staatsangehörigkeit und es sei legitim, die Staatsangehörigkeit festzustellen. Die Floskel mit dem Bekenntnis zum historischen Deutschen Reich, das vom Kläger zu keinem Zeitpunkt abgegeben worden sei, sei ein Verhalten venire contra factum proprium. Sollte man als Maßstab für Zweifel an der Zuverlässigkeit die Beeinträchtigung des Gemeinwesens ansehen, sei die gegenwärtige Bundesregierung in ihren Entscheidungen „Ausdruck der ideologisch motivierten und bar jeder Rechtsgrundlage und grundgesetzwidrigen Zerstörung der Existenz nicht nur der Bundesrepublik Deutschland, sondern des Gemeinwesens an sich“. Die erwogenen Zweifel zum Waffenbesitz (des Klägers) erschienen hierzu „mikroskopisch“. Dies könne man noch dahingehend erhärten, dass „wohl grundsätzlich diskriminierend gegen Deutsche eine Entwaffnung rigoros durchgesetzt“ werde, aber andererseits der „Zustrom krimineller Element, die auch häufig bewaffnet“ seien, „zwanglos zugelassen“ werde. Das Vorgehen der Behörde gegen den Kläger sei Bestandteil der „Grün-Sozialistisch gesteuerten grundgesetzwidrigen Verwaltung“.
16
Der Antragsgegner beantragt,
17
den Antrag abzulehnen.
18
Es sei eine Berichtigung angezeigt: Aus der Behördenakte ergebe sich, dass der Antragsteller und seine Ehefrau mit Schreiben vom 1. Juni 2022 die Feststellung der deutschen (und nicht wie im Bescheid ausgeführt, der bayerischen) Staatsangehörigkeit beantragt und im Laufe des Verfahrens als Begründung die beabsichtigte Adoption eines Kindes aus dem Ausland angegeben hätten. Die Berufung auf das „RuStAG 1913 in den Grenzen von vor 1914“ sei nach Ablehnung des Antrags durch die Bevollmächtigte ... mit Fax vom 4. August 2022 erfolgt. Dies habe auf die Bewertung der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit keinen entscheidungserheblichen Einfluss.
19
Es sei zwar richtig, dass auf dem Bescheid eine Unterschrift (unbeabsichtigt) fehle. Es handele sich dennoch bei dem Bescheid um eine formell rechtmäßig und wirksame Ausfertigung. Die Formerfordernisse würden sich nach Art. 37 BayVwVfG und nicht nach § 126 BGB richten. Der Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnisse erweise sich als rechtmäßig, die Rechtsgrundlage liege in § 45 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. §§ 4 Abs. 1 Nr. 2 und 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG. In der Gesamtschau aller vor- und innerprozessualen Äußerungen habe sich die Einschätzung erhärtet, der Antragsteller stehe dem Gedankengut der „Reichsbürgerideologie“ nahe und erweise sich in der Folge als unzuverlässig im Sinne des Waffenrechts. Weder der Antragsteller noch dessen anwaltlicher Vertreter hätten sich hiervon bislang ernstlich und glaubhaft distanziert. Der Antragsteller und seine Frau hätten mit Frau ... eine Person bevollmächtigt, welche mit offensichtlichen „reichsbürgertypischen“ Rechtsausführungen und Formulierungen in vier Schreiben im Zusammenhang mit der Ablehnung des Antrags auf Feststellung der Staatsangehörigkeit mit dem Landratsamt korrespondiert habe. Dass dies alles nur mehr oder weniger zufällig erfolgt sein solle, sei ebenso wenig überzeugend wie der Einwand des anwaltlichen Vertreters des Antragstellers, die Inhalte dieser Schreiben seien dem Antragsteller nur insoweit zuzurechnen, als sie rechtliche oder prozessuale Wirkungen zu entfalten vermögen. Der Vollmacht sei keine Beschränkung zu entnehmen. Die „Reichsbürgerideologie“ zeichne sich gerade durch Rechtsausführungen aus, so dass die geforderte Trennung nicht möglich sei. Selbst unterstellt, dies wäre der Fall, gebe es Anhaltspunkte dafür, dass auch die ideologischen Auffassungen der Frau ... dem Antragsteller zuzurechnen seien. Jene lägen in der fehlenden glaubhaften Distanzierung von den von Frau ... vertretenen Inhalten. Obwohl dem Antragsteller seit der ersten polizeilichen Überprüfung am 14. Oktober 2022 bekannt gewesen sei, dass er wegen der Schreiben, die in seinem Namen verfasst worden seien, im Verdacht stehe, der „Reichsbürgerszene“ zuzugehören, habe er im Widerrufsverfahren nichts unternommen, diesem Eindruck entgegenzutreten. Die fehlende Distanzierung werde durch die Schreiben des anwaltlichen Vertreters immer offensichtlicher.
20
Mit Schreiben vom 13. Juni 2023 ließ der Antragsteller hierzu Stellung nehmen und das bisherige Vorbingen im Wesentlichen vertiefen. Es falle auf, dass sich der Beklagte einer maßlosen Arroganz befleißige, alle Argumente des Klägers ohne inhaltliche Begründung wegzuwischen. Die Grundlagen einer ordnungsgemäßen Rechtsordnung würden bereits dadurch negiert, dass ein Eintrag auf Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit abgelehnt worden sei. Dies negiere Art. 116 Abs. 1 und 2 sowie Art. 16 GG bzw., dass es kein bundesdeutsches Staatsangehörigkeitsgesetz gebe, sondern sich nach wie vor auf das RuStAG vom 22. Juli 1913 bezogen werde, wenn auch lediglich der Titel der Gestalt geändert worden sei, dass die Begrifflichkeit „Reich“ aus dem Gesetz gestrichen worden sei. Es sei die Frage zu stellen, ob der das Ablehnungsschreiben verfassende Regierungsdirektor selbst im Besitz der Rechtsstellung als Deutscher in Gestalt einer entsprechenden Urkunde (Staatsangehörigkeitsurkunde) sei. Dass gewisse Schreiben und Verwaltungsakte unterzeichnet würden und andere nicht, lasse auf Willkür schließen. Dass die Distanzierung des Klägers von den Schreiben der Frau ... zum Nachteil des Klägers ausgelegt werde, sei kennzeichnend. Dass Gedankengut, welches auch immer, ausreichend sein solle, eine waffenrechtliche Erlaubnis zu entziehen, ohne dass andere relevante tatsächliche Ereignisse hinzutreten würden, stelle einen Verstoß gegen Art. 3 bis 5 GG dar. Auf Recht und Ordnung und ideologiefrei ausgerichtete Kräfte würden diskriminiert, „linksextreme sozialistische totalitäre … Kräfte“ profiliert. Es wäre sehr erfreulich, wenn der Regierungsdirektor seine Gesinnung und sein Gedankengut gleichfalls offenlegen würde. Es werde die Befangenheit der Entscheidungsträger des Beklagten gerügt.
21
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, auch in dem Verfahren Au 8 K 23.519, und der vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
22
Der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz bleibt ohne Erfolg.
23
Abgestellt auf die nähere Antragsbegründung geht das Gericht nach Maßgabe der §§ 122 Abs. 1, 88 VwGO in Auslegung des Rechtsschutzbegehrens davon aus, dass der Antragsteller vorläufigen Rechtsschutz im Wege des § 80 Abs. 5 VwGO erstrebt. Der Antrag des anwaltlich vertretenen Antragstellers wurde zwar nicht auf einzelne Ziffern des Bescheids vom 13. März 2023 beschränkt, allerdings ist bei sachgerechter Auslegung des Begehrens davon auszugehen, dass er sich nicht gegen Ziffer 6 des Bescheids richtet, zumal hiergegen auch nichts gesondert vorgebracht ist. Ein solcher Antrag wäre auch unzulässig (§ 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO). Unabhängig hiervon teilt die Kostenentscheidung und -festsetzung das rechtliche Schicksal der Sachentscheidung.
24
1. Der so verstandene Antrag des Antragstellers nach § 80 Abs. 5 VwGO ist zulässig, allerdings unbegründet. Die im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes gemäß § 80 Abs. 5 VwGO durch das Verwaltungsgericht vorzunehmende eigenständige Abwägung zwischen dem Aussetzungsinteresse des Antragstellers und dem öffentlichen Vollzugsinteresse fällt zu Lasten des Antragstellers aus. Nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung dürften sich die Ziffern 1 bis 4 des verfahrensgegenständlichen Bescheids als rechtmäßig erweisen und den Antragsteller nicht in seinen Rechten verletzen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Gründe, gleichwohl im Interesse des Antragstellers die aufschiebende Wirkung seiner erhobenen Klage anzuordnen bzw. wiederherzustellen, sind nicht ersichtlich. Selbst wenn man annähme, dass die Prognose der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit nicht ohne weitere Sachaufklärung gestellt werden könnte und deshalb die Erfolgsaussichten der Klage als offen anzusehen wären, fiele eine reine Interessensabwägung zu Ungunsten des Antragstellers aus.
25
In Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO hat das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung anhand der in § 80 Abs. 2 Satz 1 VwGO niedergelegten Kriterien zu treffen. Es hat zu prüfen, ob das Vollzugsinteresse so gewichtig ist, dass der Verwaltungsakt sofort vollzogen werden darf, oder ob das gegenläufige Interesse des Antragstellers an der Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage (bzw. seines Widerspruchs) überwiegt. Wesentliches Element im Rahmen der insoweit gebotenen Abwägung der widerstreitenden Vollzugs- und Suspensivinteressen ist die Beurteilung der Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache, die dem Charakter des Eilverfahrens entsprechend nur aufgrund einer summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage erfolgen kann. Erweist sich der Rechtsbehelf als offensichtlich Erfolg versprechend, so wird das Interesse des Antragstellers an einer Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage stärker zu gewichten sein, als das gegenläufige Interesse des Antragsgegners. Umgekehrt wird eine Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage grundsätzlich nicht in Frage kommen, wenn sich der Rechtsbehelf als offensichtlich aussichtslos darstellt. Sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs nicht eindeutig zu beurteilen, sondern nur tendenziell abschätzbar, so darf dies bei der Gewichtung der widerstreitenden Interessen – dem Aussetzungsinteresse des Antragstellers einerseits und dem Vollzugsinteresse des Antragsgegners andererseits – nicht außer Acht gelassen werden. Lassen sich nach summarischer Überprüfung noch keine Aussagen über die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs machen, ist also der Ausgang des Hauptsacheverfahrens offen, findet eine allgemeine, von den Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs unabhängige Abwägung der für und gegen den Sofortvollzug sprechenden Interessen statt (vgl. zum Ganzen BVerfG, B.v. 24.2.2009 – 1 BvR 165/09 – NVwZ 2009, 581; BVerwG, B.v. 11.11.2020 – 7 VR 5.20 u.a. – juris Rn. 8; BayVGH, B.v. 17.9.1987 – 26 CS 87.01144 – BayVBl. 1988, 369; Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 80 Rn. 65 ff.; Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 80 Rn. 136 ff.).
26
Soweit die Behörde die sofortige Vollziehung ausdrücklich gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO angeordnet hat, d.h. die aufschiebende Wirkung der Klage nicht bereits kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, hat das Gericht zunächst zu prüfen, ob sich bereits die Anordnung der sofortigen Vollziehung als formell rechtswidrig erweist, insbesondere ob sich die behördliche Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung als im Sinne des § 80 Abs. 3 VwGO als nicht ausreichend erweist; ist dies der Fall, hat das Gericht ohne weitere Sachprüfung die Vollziehungsanordnung aufzuheben (vgl. hierzu etwa Eyermann, VwGO, § 80 Rn. 54 ff., 98 m.w.N.).
27
2. Der sachgerecht ausgelegte Antrag des Antragstellers nach § 80 Abs. 5 VwGO, die aufschiebende Wirkung seiner erhobenen Klage hinsichtlich Ziffern 1 und 4 des Bescheids vom 13. März 2023 anzuordnen bzw. hinsichtlich Ziffern 2 und 3 dieses Bescheids wiederherzustellen, ist zulässig, insbesondere nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO (i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 45 Abs. 5 WaffG bzw. Art. 21a Satz 1 VwZVG) bzw. § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO (i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO) statthaft.
28
3. Hinsichtlich der in Ziffern 2 und 3 des streitgegenständlichen Bescheids verfügten waffenrechtlichen Neben- bzw. Folgeentscheidungen ist die Anordnung der sofortigen Vollziehung formell rechtmäßig.
29
Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist formell rechtmäßig, insbesondere sind die sich aus § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ergebenden Begründungserfordernisse gewahrt. An die Begründung sind keine übermäßig hohen Anforderungen zu stellen (vgl. Eyermann, VwGO, § 80 Rn. 43 ff.). Die Anordnung der sofortigen Vollziehung wurde vorliegend im Wesentlichen mit der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit des Antragstellers (im konkreten Fall unter Berücksichtigung einer Zuordnung des Antragstellers zur Ideologie der „Reichsbürgerbewegung“) und dem besonderen Schutzbedürfnis im Bereich des Waffenrechts bei Unzuverlässigkeit gegenüber der Allgemeinheit begründet. Dies genügt den Anforderungen nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, weil die Anordnung des Sofortvollzugs hinreichend konkret und detailliert im Lichte der besonderen sicherheitsrechtlichen Gefährdungslage bei waffenrechtlichen Entscheidungen begründet wurde (vgl. auch BayVGH, B.v. 12.2.2007 – 19 CS 06.2210 – juris Rn. 28). Sonstige Gründe, die die Anordnung der sofortigen Vollziehung als formell rechtswidrig erscheinen lassen könnten, sind weder substantiiert vorgetragen noch ersichtlich.
30
4. Die gebotene, aber auch ausreichende summarische Überprüfung der Sach- und Rechtslage ergibt, dass der verfügte Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnisse des Antragstellers aller Voraussicht nach keinen rechtlichen Bedenken begegnet. Ziffer 1 des Bescheids vom 13. März 2023 ist voraussichtlich rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist im Falle des Widerrufs waffenrechtlicher Erlaubnisse der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung, d.h. hier des Bescheidserlasses (BVerwG, U.v. 16.5.2007 – 6 C 24.06 – juris Rn. 35; BayVGH, B.v. 13.4.2021 – 24 B 20.2220 – juris Rn. 14).
31
a) Soweit der jetzige Prozessbevollmächtigte des Antragstellers moniert, dass es sich bei der ihm zugestellten Fassung des Bescheids vom 13. März 2023 unter Verweis auf § 126 BGB lediglich um einen Entwurf handele, übersieht dies Art. 37 Abs. 3 Satz 1 BayVwVfG. Die vorliegende Namenswiedergabe des zuständigen Vertreters bzw. Beauftragten des Landrats als Behördenleiter genügt dem Formerfordernis (vgl. im Einzelnen Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 10. Aufl. 2023, § 37 Rn. 99 ff. m.w.N.). Ebenso wurde das sich aus Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG ergebende Anhörungserfordernis mit Schreiben des Antragsgegners vom 21. Dezember 2022 beachtet.
32
b) Gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG ist eine waffenrechtliche Erlaubnis zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Eine waffenrechtliche Erlaubnis ist nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 WaffG zu versagen, wenn der Antragsteller nicht die erforderliche Zuverlässigkeit im Sinne von § 5 WaffG besitzt. Die erforderliche Zuverlässigkeit besitzen gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG Personen nicht, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie Waffen oder Munition missbräuchlich oder leichtfertig verwenden werden (Buchst. a), oder mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren werden (Buchst. b), oder Waffen oder Munition Personen überlassen werden, die zur Ausübung der tatsächlichen Gewalt über diese Gegenstände nicht berechtigt sind (Buchst. c).
33
Maßgeblich für die Beurteilung, ob die erforderliche waffenrechtliche Zuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG nicht gegeben ist, ist eine auf Tatsachen gestützte Prognose eines spezifisch waffenrechtlich bedenklichen Verhaltens, aus dem mit hoher Wahrscheinlichkeit der Eintritt von Schäden für hohe Rechtsgüter resultiert (vgl. dazu etwa BT-Drs. 14/7758, S. 54). Diese Prognose ist auf der Grundlage der festgestellten Tatsachen zu erstellen. Hierbei ist der allgemeine Zweck des Gesetzes gemäß § 1 Abs. 1 WaffG, beim Umgang mit Waffen und Munition die Belange der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu wahren, zu berücksichtigen. Die Risiken, welche mit jedem Waffenbesitz verbunden sind, sind lediglich bei solchen Personen hinzunehmen, die nach ihrem Verhalten das Vertrauen verdienen, mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umzugehen. Aufgrund des vorbeugenden Charakters der gesetzlichen Regelungen und der erheblichen Gefahren, die von Waffen und Munition für hochrangige Rechtsgüter ausgehen, ist für die gerichtlich uneingeschränkt nachprüfbare Prognose nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG keine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit erforderlich. Es genügt eine hinreichende, auf der allgemeinen Lebenserfahrung beruhende Wahrscheinlichkeit, wobei ein Restrisiko nicht hingenommen werden muss (vgl. zum Ganzen etwa BVerwG, B.v. 10.7.2018 – 6 B 79.18 – juris Rn. 6; BayVGH, U.v. 11.8.2022 – 24 B 20.1363 – juris Rn. 15; B.v. 22.12.2014 – 21 ZB 14.1512 – juris Rn. 12; B.v. 4.12.2013 – 21 CS 13.1969 – juris Rn. 14; vgl. auch Gade, WaffG, 3. Aufl. 2022, § 5 Rn. 7 ff. m.w.N.).
34
c) Nach ständiger Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, der sich die Kammer vollumfänglich anschließt, besitzen Personen, die der „Reichsbürgerbewegung“ zugehörig sind oder sich deren Ideologie als für sich verbindlich zu eigen gemacht haben, nicht die erforderliche Zuverlässigkeit i.S.v. § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG, weil mit der Verleugnung des Bestehens bzw. der Legitimation der Bundesrepublik Deutschland zwangsläufig auch die Gefahr einhergeht, dass die Betreffenden die geltenden Gesetze der Bundesrepublik Deutschland, und damit auch das Waffengesetz, nicht als für sich verbindlich anerkennen und deshalb die Gefahr besteht, dass sie die Vorschriften nicht einhalten werden (stRspr. BayVGH, vgl. z.B. B.v. 5.10.2017 – 21 CS 17.1300; B.v. 12.12.2017 – 21 CS 17.1332; B.v. 10.1.2018 – 21 CS 17.1339; B.v. 15.1.2018 – 21 CS 17.1519; B.v. 12.3.2018 – 21 CS 17.1678; B.v. 16.1.2019 – 21 C 18.578; B.v. 22.8.2019 – 21 CS 18.2518; B.v. 8.12.2021 – 24 ZB 20.1495; B.v. 20.12.2021 – 24 ZB 20.1386; U.v. 11.8.2022 – 24 B 20.1363; B.v. 20.4.2023 – 24 CS 23.295 – alle juris).
35
Nach dem Verfassungsschutzbericht 2022 des Bundes (S. 104 ff.) ist die Szene der „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ sehr heterogen. Die Szene setzt sich aus Einzelpersonen ohne strukturelle Einbindung, Kleinst- und Kleingruppieren, überregional agierenden Personenzusammenschlüssen und virtuellen Netzwerken zusammen. Eine trennscharfe Unterscheidung zwischen „Reichsbürgern“ und „Selbstverwaltern“ ist mitunter schwer zu treffen. Nach dem Bayerischen Verfassungsschutzbericht 2022 (S. 235 ff.; vgl. analog die Definition im Verfassungsschutzbericht 2022 des Bundes) sind „Reichsbürger“ Gruppierungen und Einzelpersonen, die aus unterschiedlichen Motiven und mit verschiedenen Begründungen die Existenz der Bundesrepublik Deutschland und deren Rechtssystem ablehnen. Dabei berufen sie sich u.a. auf das historische Deutsche Reich, auf verschwörungstheoretische Argumentationsmuster und ein selbstdefiniertes Naturrecht. Den Repräsentanten des Staates und dessen Institutionen sprechen sie die Legitimation ab und bestreiten die Gültigkeit der Rechtsordnung. Zur Verwirklichung ihrer Ziele treten sie zum Teil aggressiv gegenüber den Gerichten und Behörden der Bundesrepublik Deutschland auf. Die „Reichsbürgerideologie“ ist insgesamt geeignet, Personen in ein geschlossenes verschwörungstheoretisches Weltbild zu verstricken, in dem Staatsverdrossenheit zu Staatshass werden kann. Dies kann Grundlage für Radikalisierungsprozesse bis hin zur Gewaltanwendung werden. „Reichsbürger“ entfalten gegenüber staatlichen Institutionen eine Vielzahl typischer Aktivitäten, welche zum Teil Ausdruck ihrer Ideologie sind, aber auch auf die Lahmlegung der öffentlichen Verwaltung abzielen. In Einzelfällen kommt es auch zu Gewaltandrohung bzw. -anwendung gegenüber staatlichen Repräsentanten. Angehörige der „Reichsbürger- und Selbstverwalterszene“ bestreiten die rechtmäßige Existenz der Bundesrepublik Deutschland als Staat und bezeichnen diese häufig als „Firma BRD“. Teile der Bewegung sind zudem der Auffassung, dass sie nicht die Staatsangehörigkeit der Bundesrepublik Deutschland besitzen bzw. aus dieser „austreten“ können. Personen aus deren Umfeld sind u.a. dafür bekannt, dass sie sich gegenüber Behörden explizit auf das Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz von 1913 beziehen. Außerdem beantragen „Reichsbürger“ vielfach die Erteilung eines Staatsangehörigkeitsausweises. Dieses amtliche Dokument der Bundesrepublik Deutschland, mit dem der Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit dokumentiert wird, wird im (Rechts-)Verkehr nur in seltenen Fällen als ein über den Personalausweis bzw. den Pass hinausgehender Beleg der deutschen Staatsangehörigkeit benötigt. Die Beantragung eines solchen Staatsangehörigkeitsausweises durch „Reichsbürger“ beruht darauf, dass in der Szene die Behauptung kursiert, das Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz in seiner Fassung vom 22. Juli 1913 sei unverändert gültig und daher müsse man, um der Staatenlosigkeit und dem damit einhergehenden „Sklavenstatus“ zu entgehen, nach den damaligen Gesetzen einen Staatsangehörigkeitsausweis beantragen (vgl. etwa BayVGH, U.v. 30.7.2020 – 24 BV 18.2500 – juris Rn. 13 m.w.N.).
36
d) Ausgehend von diesen Maßgaben liegen unter Gesamtwürdigung aller Umstände des konkreten Einzelfalls voraussichtlich hinreichende Tatsachen vor, welche die Annahme rechtfertigen, dass der Antragsteller zum maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheidserlasses der „Reichsbürgerbewegung“ zugehörig war bzw. sich deren Ideologie als für sich verbindlich zu eigen gemacht hat, damit keine Gewähr für eine stets sachgerechte Handhabung von Waffen geboten hat und daher zu diesem Zeitpunkt unzuverlässig im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG war.
37
aa) Die Einlassungen, die der Antragsteller im Zusammenhang mit seinem Antrag auf Erteilung eines Staatsangehörigkeitsausweises machen ließ – Telefaxschreiben von Frau ... unter Vorlage entsprechender Vollmachten „im Zusammenhang mit dem Verwaltungsakt der Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit gemäß (Ru) StAG 1913 in den Grenzen von vor 1914“ des Antragstellers und seiner Ehefrau –, sind für die „Reichsbürgerbewegung“ typisch und legen eine entsprechende Zugehörigkeit bzw. ideologische Ausrichtung des Antragstellers nahe.
38
So wird im Telefaxschreiben vom 4. August 2022 (Bl. 25 ff. der Behördenakte) an den Landrat adressiert, ob dieser mit der Unterzeichnerin (Frau...) sowie dem Antragsteller und seiner Ehefrau darin übereinstimme, dass die Bundesrepublik Deutschland eine Treuhandverwaltung der UNO sei, ein Staatsfragment auf dem Boden von Deutschland als Ganzes und kein eigenes Staatsvolk habe. Der Antragsteller ließ damit eine für die „Reichsbürgerbewegung“ typische Argumentationslinie zum Ausdruck bringen. Denn „Reichsbürger“ bestreiten die Existenz bzw. Legitimation der Bundesrepublik Deutschland als Staat und bezeichnen diese häufig als „Firma BRD“ (vgl. Verfassungsschutzbericht Bayern 2022, S. 246; vgl. auch etwa BayVGH, B.v. 8.12.2021 – 24 ZB 20.1495 – juris Rn. 16). In diesem Kontext sind auch die Ausführungen zu unterschiedlichen Rechtskreisen und Funktionen des Landrats, „einmal als Geschäftsführer einer Firma und einmal als Landrat einer Gemeinde“ zu sehen (siehe auch Telefaxschreiben vom 23. August 2022 zu Behörden, die „alle samt in Firmenregistern gelistet“ seien, vgl. Bl. 33 ff. der Behördenakte). In die gleiche Richtung weisen u.a. die Einlassungen, ob damit übereingestimmt werde, dass die suggerierte Staatsangehörigkeit „deutsch“ keine deutsche Staatsangehörigkeit sei, Deutsche gemäß „ius sanguinis“ nach Abstammungsprinzip in den Grenzen von vor 1914 einen Familiennamen besäßen bzw. zwischen dem Namen eines Menschen (Lebewesen) und dem Namen einer Person (Sache) ein rechtsrelevanter Unterschied bestehe (vgl. auch etwa BayVGH, U.v. 30.7.2020 – 24 BV 18.2500 – juris Rn. 13; VG München, U.v. 10.7.2019 – M 7 K 17.910 – juris Rn. 46 f.; Verfassungsschutzbericht Bayern 2022, S. 246 f.; Süddeutsche Zeitung, „Die wirre Welt der ‚Reichsbürger‘“, 20. Oktober 2016, abrufbar unter: www.sueddeutsche.de/bayern/georgensgmuend-die-wirre-welt-der-reichsbuerger-1.3214590, Stand: 5. Juli 2023). Dies und die hierauf aufbauenden Einlassungen u.a. zum Wahlrecht und Meldewesen stellen die Verfolgung eines ideologischen, für die „Reichsbürgerbewegung“ typischen Zieles dar, wonach nur die Beantragung eines Staatsangehörigkeitsausweises, eine volle Rechtsfähigkeit als „Bürger mit bürgerlichen Rechten“ zusichere (vgl. auch BayVGH, U.v. 30.7.2020 – 24 BV 18.2500 – juris Rn. 13).
39
Daneben zeigt die mit dem Ausdruck einer „Stipulierung“ (Bl. 25 der Behördenakte) vorgebrachte Sichtweise des Antragstellers, dass er sich die Entscheidung vorbehält, welchen Regelungen er durch die Annahme des vermeintlichen Vertragsangebots Folge leisten möchte und welchen nicht. Auch die Ausführungen u.a. zu einer angeblich existierenden Aufspaltung in einen Menschen (Lebewesen) und eine Person (Sache) verdeutlichen eine Abkehr von der Rechtsordnung. In den Telefaxschreiben vom 15. August 2022, 23. August 2022 und 2. September 2022 (Bl. 30 ff. der Behördenakte) tritt die Annahme nochmals hervor, dass sich der Antragsteller und seine Ehefrau „in der Position einer rechtlosen Leibeigenschaft“ befänden. Ferner wurden in diesen Telefaxschreiben die vorgenannten „reichsbürgertypischen“ Einlassungen und Argumentationslinien im Wesentlichen vertieft, insbesondere jene, dass der Antragsteller und seine Ehefrau „die deutsche Staatsangehörigkeit als Deutsche/r gemäß ‚ius sanguinis‘ nach Abstammungsprinzip in den Grenzen von vor 1914“ besäßen und damit der „Gerichtsbarkeit im „deutschen Recht“ … und nicht dem „bundesdeutschen Recht“ unterlägen (Bl. 26 der Behördenakte). Dies legt „reichsbürgertypisch“ nahe, dass sich der Antragsteller nicht als zur Bundesrepublik Deutschland bzw. deren Rechtsordnung zugehörig ansieht. Denn aus Sicht der „Reichsbürger“ bestimmt sich ihre Staatsangehörigkeit nach dem Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz in der im Jahr 1913 geltenden Fassung, wonach die Reichsangehörigkeit zum Deutschen Reich gegeben war, wenn die Staatsangehörigkeit eines Landes des Deutsches Reichs bestand (vgl. BayVGH, B.v. 26.5.2021 – 24 ZB 20.594 – juris Rn. 3; VG München, U.v. 15.10.2019 – M 7 K 17.3740 – juris Rn. 32; Verfassungsschutzbericht Bayern 2022, S. 246 f.). Neben dem allgemeinen Duktus der Telefaxschreiben stellt sich deren Häufung im Zeitraum von 4. August 2022 bis 2. September 2022 als „reichsbürgertypisch“ dar. Denn „Reichsbürger“ überziehen häufig Behörden und Gerichte mit querulatorischen Schreiben, in denen sie der Bundesrepublik Deutschland und ihren staatlichen Stellen die Legitimation oder Existenz absprechen (vgl. Verfassungsschutzbericht Bund 2022, S. 107). Schließlich zeigt sich auch die in Kreisen der „Reichsbürger“ typische Verhaltensweise (vgl. hierzu VG München, U.v. 10.7.2019 – M 7 K 17.910 – juris Rn. 47), Repräsentanten bzw. Bedienstete staatlicher Stellen mit haltlosen Schadensersatzforderungen zu drohen (vgl. etwa Bl. 27 der Behördenakte).
40
Ausgehend von diesen schriftlichen Einlassungen ist die Zuordnung des Antragstellers zur „Reichsbürgerbewegung“ durch die Polizei nachvollziehbar. Insbesondere ist im Ankunftsschreiben des Polizeipräsidiums ... vom 1. Dezember 2022 nachvollziehbar dargelegt, inwieweit diese – gegenüber einer Verdachtsüberprüfung am 14. Oktober 2022 – (geänderte) Einstufung zustande gekommen ist. Insoweit wird entsprechend §§ 122 Abs. 2, 117 Abs. 5 VwGO auf die Begründung im vorgenannten Ankunftsschreiben der Polizei verwiesen. Die Waffenbehörde hat sich in der Folge dieser Einschätzung angeschlossen, für die Entscheidung über die Zuverlässigkeit des Antragstellers im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG konnte sie dies zugrunde legen. Der Antragsteller hat keine nachvollziehbare Erklärung (mehr) gegeben, inwiefern die behauptete Vorbereitung zur Adoption eines Kindes im Ausland (Bl. 20 der Behördenakte), zumal nicht näher substantiiert, nicht nur angesichts der „reichsbürgertypischen“ Einlassungen und Verhaltensweisen lediglich vorgeschoben war. Dies drängt sich im Hinblick auf den Zeitablauf, die Vielzahl an Schreiben sowie deren vehementen Stil und Inhalten auf. Gleiches gilt im Hinblick auf die vom Antragsteller ursprünglich bei Antragstellung auf Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises vorgebrachten Zweifel an seiner Staatsangehörigkeit u.a. unter Verweis auf eine Kleine Anfrage zum Staatsangehörigkeitsausweis im Bundestag bzw. im Landtag von Baden-Württemberg (vgl. Bl. 2 ff. der Behördenakte).
41
bb) Soweit der jetzige Prozessbevollmächtigte des Antragstellers vorbringt, dass die Einlassungen der Bevollmächtigten Frau ... dem Antragsteller nicht zuzurechnen seien, „sofern diese nicht ausschließlich rechtliche oder prozessuale Wirkungen zu entfalten vermögen“, trifft dies nicht zu. Ob eine Person der „Reichsbürgerbewegung“ zuzuordnen ist bzw. sich deren Ideologie zu eigen gemacht hat, ergibt sich vielmehr aus einer Gesamtwürdigung aller Umstände des konkreten Einzelfalls, insbesondere der Persönlichkeit des Betroffenen und seinen außerprozessualen und prozessualen Verhaltensweisen bzw. Einlassungen (vgl. BayVGH, U.v. 11.8.2022 – 24 B 20.1363 – juris Rn. 19). Sämtliche (willentlich und wissentlich veranlasste) Verhaltensweisen und Äußerungen, mithin auch Einlassungen von Bevollmächtigten, sind in o.g. Beurteilung einzustellen (vgl. auch etwa bei Verwendung eines „Vorlageschreibens“: BayVGH, B.v. 24.4.2023 – 24 CS 23.295 – juris Rn. 16). Überdies handelt es sich bei der inneren Einstellung bzw. Geisteshaltung um Umstände, die in die „Sphäre“ des Betroffenen fallen (vgl. BayVGH, U.v. 30.7.2020 – 24 BV 18.2500 – juris). Hinzukommt im konkreten Einzelfall, dass sich der Bevollmächtigung von Frau ... keine Beschränkung entnehmen lässt, vielmehr handelt es sich um Ausführungen im Zusammenhang mit der Beantragung eines Staatsangehörigkeitsausweises des Antragstellers. Daneben ordnet selbst der jetzige Prozessbevollmächtigte des Antragstellers Frau ... als „Vertreterin in seinem … Interesse“ ein (vgl. Bl. 4 der Gerichtsakte).
42
Der Antragsteller ließ nach alldem seine, in den dargelegten Einlassungen und Verhaltensweisen zum Ausdruck kommende innere Einstellung nach außen hin deutlich zu erkennen geben. Denn wer gegenüber einer Behörde dem Gedankengut der „Reichsbürger“ entlehnte Äußerungen in einer „reichsbürgertypischen“ Art und Weise treffen und entsprechende Verhaltensweisen (wissentlich und willentlich) zeigen lässt, geht davon aus und beabsichtigt gerade, seine ablehnende Haltung gegenüber der Rechtsordnung sozusagen amtlich und ernsthaft einer Behörde gegenüber kund zu tun (vgl. auch BayVGH, B.v. 15.1.2018 – 21 CS 17.1519 – juris Rn. 19).
43
cc) Daneben bedarf es über vorstehende Zuordnung hinaus der Prüfung, ob sich der Antragsteller diese Ideologie auch zu eigen gemacht hat. Für diese Prüfung ist nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, der sich die Kammer in vollem Umfang anschließt, eine Gesamtwürdigung aller Umstände des konkreten Einzelfalls, insbesondere der Persönlichkeit des Betroffenen und seinen prozessualen und außerprozessualen Verhaltensweisen und Einlassungen vorzunehmen (BayVGH, U.v. 11.8.2022 – 24 B 20.1363 – juris Rn. 19; vgl. auch VG Ansbach, U.v. 29.4.2021 – AN 16 K 18.198 – juris Rn. 31; stRspr). Lässt ein von außen wahrnehmbares Verhalten des Antragstellers nach den zugrunde gelegten Erkenntnissen eine ideologische Nähe zur „Reichsbürgerbewegung“ erkennen, so ist es Sache des Antragstellers, die von ihm hervorgerufenen, berechtigten Zweifel im Hinblick auf seine waffenrechtliche Zuverlässigkeit zu entkräften, zumal er an der Erforschung des Sachverhalts mitzuwirken hat, insbesondere, da es sich bei einer inneren Einstellung bzw. Geisteshaltung um Umstände handelt, die in die „Sphäre“ des Antragstellers fallen (vgl. BayVGH, U.v. 30.7.2020 – 24 BV 18.2500 – juris Rn. 16). Das Gericht hat zu klären, inwieweit der Antragsteller einschlägige typische Verhaltensweisen erklären und entkräften kann. Insbesondere hat sich das Gericht einen Eindruck davon zu verschaffen, inwieweit diese Verhaltensweisen aufgeklärt oder auch verschleiert bzw. bagatellisiert werden (vgl. BayVGH, U.v. 30.7.2020 – 24 BV 18.2500 – juris Rn. 16).
44
Hiervon ausgehend hat es der Antragsteller bei summarischer Prüfung nicht vermocht die dargelegten Einlassungen und Verhaltensweisen nachvollziehbar zu erklären bzw. sich glaubhaft von der „Reichsbürgerbewegung“ zu distanzieren. Soweit er vorbringen lässt, dass er nicht im Besitz eines „Reichsbürgerbriefes“ sei, ist dies angesichts der dargelegten „reichsbürgertypischen“ Einlassungen und Verhaltensweisen nicht von Belang. Der etwaig fehlende Besitz eines solchen „Reichsbürgerbriefes“ ist im Übrigen kein Ausschlusskriterium für o.g. Beurteilung. Es spricht viel dafür, dass die Erklärung, der Antragsteller lehne die nationalsozialistische wie auch jede andere sozialistische, totalitäre und ideologisch determinierte Weltanschauung ausdrücklich ab, ohne weitere substantiierte Erklärung zu den Telefaxschreiben eine reine (verfahrenstaktische) „Schutzbehauptung“ ist. Zudem kann das unsubstantiierte weltanschauliche Bekenntnis die deutlich nach außen zu erkennen gegebene innere Einstellung bzw. Geisteshaltung weder erklären noch entkräften. Eine reflektierte Auseinandersetzung mit den vorliegenden Telefaxschreiben lässt der Antragsteller vermissen. Dass sich der Antragsteller selbst der „Reichsbürgerbewegung“ nicht zurechne, ist unerheblich. Bei der „Reichsbürgerbewegung“ handelt es sich, wie ausgeführt (vgl. oben Rn. 35), um eine Sammelbezeichnung für eine heterogene Szene, welcher Gruppierungen, aber auch Einzelpersonen mit Blick auf bestimmte, ihnen gemeinsame Verhaltensweisen zuzuordnen sind, ohne dass es auf eine Willensbekundung der Betreffenden ankäme.
45
Soweit der jetzige Prozessbevollmächtigte des Antragstellers u.a. auf Art. 116 GG und eine bayerische Staatsangehörigkeit abstellt bzw. zu einer vermeintlichen Einordnung des RuStAG anhebt, führt dies zu keiner anderen Bewertung. Die hervorgerufenen Zweifel an der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit des Antragstellers vermag dies nicht zu entkräften. Ungeachtet dessen ziehen Teile der „Reichsbürgerbewegung“ insbesondere Art. 116 GG rechtsirrig als Beleg ihrer Ideologie heran (, demnach führe erst der Staatsangehörigkeitsausweis zur Erlangung einer Staatsangehörigkeit mit sämtlichen Rechten, vgl. oben Rn. 38; Verfassungsschutzbericht Bayern 2022, S. 246 f.; vgl. auch VG München, U.v. 10.7.2019 – M 7 K 17.910 – juris Rn. 47). Ferner wurde in der Regelung des Art. 6 BV durch den Verfassungsgeber die bayerische Staatsangehörigkeit zwar als Institution wiedereingeführt. Wie der Bayerische Verfassungsgerichtshof bereits mehrfach entschieden hat, ist Art. 6 BV nicht vollziehbar, da das in Art. 6 Abs. 3 BV vorgesehene Gesetz zur näheren Regelung nicht erlassen wurde (vgl. BayVerfGH, E.v. 12.6.2013 – Vf. 11-VII-11 – juris Rn. 129). Bereits in seiner Entscheidung vom 15. Dezember 1959 (Vf. 7-VI-59 – juris Ls.) hat der Bayerische Verfassungsgerichtshof darauf hingewiesen, dass Art. 6 BV ebenso wenig wie Art. 7 und 8 BV ein subjektives verfassungsmäßiges Recht auf den Besitz und die Bestätigung der Landesangehörigkeit gewährt.
46
Auch im Übrigen führen die ausführlichen, am Maßstab des § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG teils vorbeigehenden „politischen“, Einlassungen des jetzigen Prozessbevollmächtigten des Antragstellers im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren zu keiner anderen Beurteilung. Eine nachvollziehbare Erklärung für die Telefaxschreiben, insbesondere weshalb der Antragsteller diese für sich personalisiert und in seinem Namen – mit den dargelegten Einlassungen und Verhaltensweisen – hat versenden lassen, hat er nicht gegeben. Den damit einhergehenden Rückschluss auf eine innere Einstellung bzw. Geisteshaltung als Anhänger des Gedankenguts der „Reichsbürger“ hat er nicht zu erklären bzw. zu entkräften vermocht. Der Antragsgegner weist insoweit zu Recht darauf hin, dass der Antragsteller unter dem Eindruck der polizeilichen Reichsbürgerverdachtsüberprüfung am 14. Oktober 2022 respektive dem Anhörungsschreiben vom 21. Dezember 2022 (im nachfolgenden Widerrufsverfahren) nichts unternommen hat, den von ihm hervorgerufenen Zweifeln im Hinblick auf seine waffenrechtliche Zuverlässigkeit nachvollziehbar entgegenzutreten.
47
Die (sinngemäße) Argumentation, der Antragsteller sei bislang weder straf- noch waffenrechtlich negativ in Erscheinung getreten bzw. er sei ein Patriot und ein grundgesetzestreuer Deutscher, kann nicht überzeugen. Auch eine langjährige Rechtstreue ohne, insbesondere waffenrechtliche, Verstöße gegen die Rechtsordnung führt nicht zu der Annahme, dass der Antragsteller nicht der „Reichsbürgerbewegung“ zugehörig ist bzw. sich deren Ideologie zu eigen gemacht hat. Allein der Umstand, dass sich der Betreffende in Übereinstimmung mit gesetzlichen Vorgaben verhält, begründet keine waffenrechtliche Zuverlässigkeit, wenn er die Bindung an die Rechtsordnung durch Wort und Tat unter Vorbehalt stellt und auf diese Weise Zweifel weckt. Ausgehend von dem Grundsatz, dass nur derjenige im Besitz von Waffen sein soll, der nach seinem Verhalten das Vertrauen darin verdient, dass er mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen wird, ist insoweit (nur) eine niedrigschwellige Prognose im Hinblick auf die jeweilige waffenrechtliche Zuverlässigkeit ausreichend (vgl. BayVGH, B.v. 24.9.2020 – 24 ZB 19.1285 – juris Rn. 15). Vorliegend weckt der Antragsteller entsprechende Zweifel, wozu auf obige Ausführungen verwiesen wird.
48
Ebenso wenig ist eine glaubhafte Distanzierung von der „Reichsbürgerbewegung“ bzw. deren Ideologie festzustellen. Hinsichtlich der Anforderungen an eine glaubhafte Distanzierung kann aufgrund der identischen sicherheitsrechtlichen Schutzrichtung (Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung) die ausländerrechtliche Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs zu § 54 Abs. 1 Nr. 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) entsprechend herangezogen werden (vgl. bereits VG München, Gb.v. 17.10.2018 – M 7 K 17.750 – juris Rn. 39). Demnach ist für eine glaubhafte Distanzierung zu verlangen, dass äußerlich feststellbare Umstände vorliegen, die es wahrscheinlich erscheinen lassen, dass der Betroffene seine innere Einstellung verändert hat (vgl. BVerwG, B.v. 25.4.2018 – 1 B 11/18 – juris Rn. 12). Das Erfordernis der Veränderung der inneren Einstellung bedingt es, dass der Betroffene in jedem Fall einräumen muss oder zumindest nicht bestreiten darf, in der Vergangenheit den einschlägigen sicherheitsrechtlichen Tatbestand erfüllt zu haben. Ohne Einsicht des Betroffenen in die Unrichtigkeit des ihm vorgeworfenen Handelns hat die Ankündigung einer Verhaltensänderung keine glaubwürdige Grundlage (vgl. hierzu BayVGH, U.v. 27.10.2017 – 10 B 16.1252 – juris Rn. 53). Eine diesen Maßgaben genügende, glaubhafte Distanzierung des Antragstellers von der Ideologie der „Reichsbürgerbewegung“ lässt sich (bis zum hier maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheidserlasses) nicht feststellen. Hinreichende äußerlich feststellbare Umstände, welche es wahrscheinlich erscheinen lassen, dass der Antragsteller seine zutage getretene innere Einstellung verändert hat, sind nicht erkennbar, zumal er nach wie vor bestreitet, jemals der Ideologie nahegestanden bzw. diese als für sich verbindlich angesehen zu haben. Insoweit wurde stets beharrlich vorgetragen, eine Zuordnung des Antragstellers zur „Reichsbürgerbewegung“ sei völlig „aus der Luft gegriffen“. Es wurde nicht eingeräumt, dass der Antragsteller „reichsbürgertypisch“ in Erscheinung getreten ist, sondern dies lediglich relativiert bzw. auf etwaige „aus Behördensicht … ideologisch verbrämte Auffassungen der Bevollmächtigten“ (Frau ...) verwiesen (vgl. auch oben Rn. 40 ff.). Auch soweit der Antragsteller gemäß der Mitteilung des Antragsgegners den sofort vollziehbaren Anordnungen des angegriffenen Bescheids nachgekommen sei (vgl. Bl. 26 der Gerichtsakte), ist darin, zumal unter dem Eindruck des gerichtlichen Verfahrens, keine glaubhafte Distanzierung von der Ideologie der „Reichsbürgerbewegung“ zu sehen.
49
5. Auch die (waffenrechtlichen) Neben- bzw. Folgeentscheidungen in Ziffern 2 bis 4 des Bescheids vom 13. März 2023 sind nicht zu beanstanden. Gesonderte Bedenken sind weder substantiiert dargetan noch, zumal bei summarischer Prüfung, ersichtlich. Die Verpflichtung zur Rückgabe der waffenrechtlichen Erlaubnisse beruht auf § 46 Abs. 1 Satz 1 WaffG. Die Anordnung der Unbrauchbarmachung oder Überlassung der sich (noch) im Besitz des Antragstellers befindlichen erlaubnispflichtigen Schusswaffen und Munition samt Nachweisverpflichtung hierüber wurde zu Recht auf § 46 Abs. 2 Satz 1 WaffG gestützt. Die hierfür gesetzten Fristen erweisen sich als angemessen. Die Zwangsgeldandrohungen finden ihre Rechtsgrundlage in Art. 29 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1, Art. 31, Art. 36 Abs. 1 und Abs. 5 VwZVG und begegnen auch keinen Bedenken.
50
6. Selbst wenn man – wovon die Kammer im Rahmen der summarischen Prüfung nicht ausgeht – annehmen wollte, dass die Prognose der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit des Antragstellers nicht ohne weitere Sachaufklärung gestellt werden könnte und deshalb die Erfolgsaussichten der Klage als offen anzusehen wären, fiele eine dann vorzunehmende reine Interessensabwägung zu Ungunsten des Antragstellers aus.
51
a) § 45 Abs. 5 WaffG beseitigt von Gesetzes wegen (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO) die aufschiebende Wirkung einer Klage gegen den Widerruf waffenrechtlicher Erlaubnisse wegen nachträglichen Wegfalls der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit. Der Gesetzgeber hielt in dieser Fallgruppe die Anordnung der sofortigen Vollziehung für dringend angezeigt. In derartigen Fällen sei im Interesse der öffentlichen Sicherheit und Ordnung immer eine umgehende Beendigung des Waffenbesitzes geboten bzw. ein höherwertiges, legitimes, privates Interesse an einem weiteren Waffenbesitz bis zum Eintritt von Bestands- oder Rechtskraft überhaupt nicht zu erkennen. Den berechtigten Belangen der Betroffenen könne in Ausnahmefällen durch eine abweichende (Eil-)Anordnung der Verwaltungsgerichte Rechnung getragen werden (vgl. BT-Drs. 16/7717 S. 33; vgl. hierzu auch BayVGH, B.v. 25.8.2020 – 24 CS 20.1596 – juris Rn. 23; B.v. 12.12.2017 – 21 CS 17.1332 – juris Rn. 18).
52
Art. 21a Satz 1 VwZVG schließt ebenso die aufschiebende Wirkung einer Klage gegen Zwangsgeldandrohungen aus, die quasi als Folgeentscheidungen der (tatsächlichen) Umsetzung der getroffenen Grundverfügung dienen.
53
In Fällen der gesetzlichen Sofortvollzugsanordnung unterscheidet sich die Interessenabwägung von derjenigen, die in den Fällen einer behördlichen Anordnung stattfindet. Während im Anwendungsbereich von § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO bei der Interessenabwägung die Grundsatzentscheidung des Gesetzgebers für die aufschiebende Wirkung von Rechtsbehelfen bedeutsam wird, ist in den Fällen der Nummern 1 bis 3a zu beachten, dass hier der Gesetzgeber insoweit einen grundsätzlichen Vorrang des Vollziehungsinteresses angeordnet hat und es deshalb besonderer Umstände bedarf, um eine hiervon abweichende Entscheidung zu rechtfertigen. Hat sich schon der Gesetzgeber für den Sofortvollzug entschieden, sind die Gerichte neben der Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu einer Einzelfallbetrachtung grundsätzlich nur hinsichtlich solcher Umstände angehalten, die von den Beteiligten vorgetragen werden und die Annahme rechtfertigen können, dass im konkreten Fall von der dargelegten gesetzgeberischen Grundentscheidung ausnahmsweise abzuweichen ist (vgl. hierzu BVerfG, B.v. 10.10.2003 – 1 BvR 2025/03 – juris Rn. 21 f.; BayVGH, B.v. 25.8.2020 – 24 CS 20.1596 – juris Rn. 24; B.v. 12.12.2017 – 21 CS 17.1332 – juris Rn. 20).
54
b) Unter Berücksichtigung des Vorstehenden hat der Antragsteller vorliegend keine solchen entsprechend qualifizierten und damit durchgreifenden Gründe vorgetragen, die auf besondere, über die im Regelfall mit der Anordnung sofortiger Vollziehung verbundenen Umstände hingewiesen hätten, aufgrund derer eine Abwägung zugunsten seiner privaten Interessen ausfallen müsste. Der im Bescheid vom 13. März 2023 angeordnete Widerruf waffenrechtlicher Erlaubnisse dient dem besonderen Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit an einem sicheren und zuverlässigen Umgang mit Schusswaffen und damit dem Schutz überragend wichtiger Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit der Bevölkerung (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG). Gegenüber diesem gewichtigen öffentlichen Interesse hat das rein private Interesse des Antragstellers an einer Aussetzung der Vollziehung vorliegend zurückzustehen. Besondere Gründe hat der Antragsteller nicht substantiiert dargetan. Sein Vortrag beschränkt sich (der Sache nach) im Wesentlichen darauf, dass er (weiterhin) waffenrechtlich zuverlässig sei und bis zu einer (rechtskräftigen) Entscheidung im Hauptsacheverfahren seine Waffen weiter besitzen wolle. Inwieweit die waffenrechtlichen Erlaubnisse für ihn etwa (beruflich) existenziell notwendig sind, hat der Antragsteller dagegen nicht hinreichend substantiiert dargelegt (vgl. hierzu auch BayVGH, B.v. 25.8.2020 – 24 CS 20.1596 – juris Rn. 25; B.v. 12.12.2017 – 21 CS 17.1332 – juris Rn. 21).
55
c) Gleiches gilt für die getroffenen waffenrechtlichen Neben- bzw. Folgeentscheidungen. Denn das öffentliche Interesse am sofortigen Vollzug (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO) aus Gründen der Gefahrenabwehr besteht regelmäßig ebenso für die nicht vom gesetzlich angeordneten sofortigen Vollzug erfassten, mit der Widerrufsentscheidung verbundenen notwendigen Anordnungen, die Waffen oder Munition unbrauchbar zu machen oder sie einem Dritten zu übergeben (§ 46 Abs. 2 Satz 1 WaffG), und für die Anordnung der Rückgabe von Erlaubnisurkunden (§ 46 Abs. 1 Satz 1 WaffG). Diese Neben- bzw. Folgeentscheidungen dienen der Umsetzung des Widerrufs der waffenrechtlichen Erlaubnisse und stellen dadurch die tatsächliche Umsetzung des Entzugs der formellen Erlaubnisberechtigung durch sofortige Abgabe von Waffen oder Munition und Erlaubnisurkunden sicher. Nachdem der Widerruf waffenrechtlicher Erlaubnisse kraft Gesetzes sofort vollziehbar ist, ist im Regelfall davon auszugehen, dass auch im Hinblick auf die Neben- bzw. Folgeentscheidungen dem öffentlichen Vollzugsinteresse der Vorrang einzuräumen ist (vgl. dazu BayVGH, B.v. 25.8.2020 – 24 CS 20.1596 – juris Rn. 26; B.v. 12.12.2017 – 21 CS 17.1332 – juris Rn. 22). Gesichtspunkte, die zu einer gegenläufigen Beurteilung führen könnten, sind hier weder substantiiert dargetan noch ersichtlich.
56
7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Der Streitwert war nach §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG zu bestimmen. Das Gericht orientiert sich dabei an den Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (Nrn. 1.5, 50.2). Der in der Hauptsache anzusetzende Streitwert i.H.v. 10.750,00 EUR war im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu halbieren.