Titel:
Anordnung von Ersatzzwangshaft zur Durchsetzung einer Meldeverpflichtung
Normenketten:
VwZVG Art. 33
AufenthG § 56
Leitsatz:
Ersatzzwangshaft ist das letzte – subsidiäre – Mittel des Staates, um seine Anordnungen gegenüber uneinsichtigen Bürgern durchzusetzen. Sie kommt deshalb nur ausnahmsweise bei Vorliegen besonderer Voraussetzungen in Betracht und darf nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache stehen. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Durchsetzung der Meldeverpflichtung, Ersatzzwangshaft, Anordnung von Ersatzzwangshaft, Vollstreckungsvoraussetzungen, Erforderlichkeit, Verhältnismäßigkeit, Haftdauer
Fundstelle:
BeckRS 2023, 24360
Tenor
I. Gegen den Antragsgegner wird Ersatzzwangshaft für die Dauer von sieben Tagen angeordnet und Haftbefehl erlassen.
II. Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 1.250,00 € festgesetzt.
Gründe
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Der Antragsteller begehrt die Anordnung von Ersatzzwangshaft gegen den Antragsgegner.
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Der Antragsgegner ist ein am ... 1985 in Beirut geborener syrischer Staatsangehöriger. Mit Bescheid vom 1. Dezember 2015 der Regierung von... wurde er dem Landkreis Aichach-Friedberg als Asylsuchender zum 3. Dezember 2015 zugewiesen. Mit Bescheid vom 17. März 2016 des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) wurde ihm als syrischem Staatsangehörigen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Am 25. April 2016 wurde dem Antragsgegner eine Aufenthaltserlaubnis gem. § 25 Abs. 2 Alt. 1 AufenthG für drei Jahre sowie ein Reiseausweis für Flüchtlinge für drei Jahre erteilt.
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Am 16. Dezember 2017 wurde der Antragsgegner zum Zwecke der Untersuchungshaft festgenommen und am 13. September 2018 von der Justizvollzugsanstalt ... der Justizvollzugsanstalt ... zugeführt. Mit Urteil des Amtsgerichts ... vom 6. August 2018 wurde Herr ... wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in vier tatmehrheitlichen Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit exhibitionistischen Handlungen in Tatmehrheit mit sexueller Belästigung in Tateinheit mit exhibitionistischen Handlungen in zwei tatmehrheitlichen Fällen in Tatmehrheit mit Beleidigung gem. §§ 176 Abs. 1, Abs. 4 Nr. 1, 53, 52, 183 Abs. 1, Abs. 2, 184i Abs. 1, Abs. 3, 185, 194 StGB zu drei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Während er in Haft saß, wurde er zudem wegen Körperverletzung, begangen in der Justizvollzugsanstalt, zu einer weiteren Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt.
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Mit Bescheid des Bundesamtes vom 5. Juli 2019 wurde der Bescheid und somit die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft vom 17. März 2016 aufgrund seiner Straftaten und dem damit einhergehenden Ausschlusstatbestand des § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG widerrufen. Der subsidiäre Schutz wurde ebenso nicht zuerkannt. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG wurden vom Bundesamt nicht festgestellt. Mit Bescheid vom 19. August 2020, zugestellt am 31. August 2020, wurde der Antragsgegner, nach vorheriger Anhörung, aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen und die Abschiebung in den Libanon oder jeden anderen Staat, der zu seiner Übernahme bereit oder verpflichtet ist, angedroht. Zudem wurde ein Einreise- und Aufenthaltsverbot von sieben Jahren angeordnet, dieser Bescheid wurde am 1. Oktober 2020 rechtskräftig.
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Mit Bescheid vom 16. Februar 2022 wurde ihm, nach vorheriger Anhörung, eine Duldung gem. § 60b AufenthG erteilt und seither verlängert (zuletzt am 8. Februar 2023, vgl. Behördenakte Teil 8 Bl. 921). Sein räumlicher Aufenthalt ist beschränkt auf den Landkreis Aichach-Friedberg und ihm als Wohnsitz „..., ...“ zugewiesen. Eine Abschiebung nach Syrien ist derzeit nicht möglich, da der Antragsgegner sich nicht um die Passbeschaffung kümmert bzw. vor seiner Inhaftierung nicht gekümmert hat. Am 3. April 2022 wurde der Antragsgegner aus der Haft entlassen und wieder in einer Asylunterkunft untergebracht. Er wurde seither mehrfach über die bestehende allgemeine Passpflicht nach § 3 AufenthG belehrt.
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Mit Bescheid vom 25. März 2022, zugegangen am 28. März 2022, wurde er nach § 56 AufenthG verpflichtet, sich zweimal wöchentlich (jeweils Mittwoch und Samstag) bei der Polizeiinspektion ... zu melden (Ziff. 1). Sofern er dieser Verpflichtung nicht nachkommt, wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 100,00 Euro angedroht (Ziff. 2). Hintergrund war die vom Antragsgegner ausgehende erhebliche Sicherheitsgefahr. Diesbezüglich wurden Straftaten, zu denen er rechtskräftig verurteilt wurde, zu Grunde gelegt, insbesondere aber die Straftat wegen des sexuellen Missbrauchs. In der Begründung des Bescheides wurde auch ausdrücklich auf die Möglichkeit einer Ersatzzwangshaft verwiesen, sofern das Zwangsgeld uneinbringlich erscheint und die Eintreibung keinen Erfolg verspricht.
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Der Antragsgegner bezieht seit seiner Haftentlassung Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG). Seit November 2022 erhält er gekürzte Leistungen, da er seiner Verpflichtung zur Identitätsklärung nicht nachkommt. Zunächst verstieß er laut Polizeiinspektion ... zweimal gegen die Meldepflicht, sodass er ein Zwangsgeld in Höhe von 200,00 € zu entrichten hatte. Auf Grund der Asylleistungen wurde am 28. Juni 2022 eine Abtretungserklärung für vier Raten zu je 25,00 € unterschrieben. Diese wurde von August bis November 2022 einbehalten und sind damit abgegolten. Am 10. Oktober 2022 wurde mitgeteilt, dass der Antragsgegner in der Zeit von Juni 2022 bis Oktober 2022 17mal gegen die Meldeauflageverstoßen hat. Damit errechnet sich ein Zwangsgeld in Höhe von 1.700,00 €. Die entsprechende Abtretungserklärung unterschrieb er am 1. Februar 2023. Hier wurden 68 Raten zu je 25,00 € vereinbart, welche von Januar 2023 bis August 2028 einbehalten werden sollen.
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Allerdings konnten bisher nur die Raten für Januar und Februar 2023 einbehalten werden, da sich der Antragsgegner seit 15. Februar 2023 wieder in Haft befindet. Er verbüßt eine siebenmonatige Freiheitsstrafe wegen vorsätzlichen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tatmehrheit mit zwei tatmehrheitlichen Fällen des unerlaubten Handeltreibens mit neuen psychoaktiven Stoffen. Auf Nachfrage bei der Polizeiinspektion ... wurde mitgeteilt, dass sich der Antragsgegner in der Zeit von Dezember bis zur Inhaftierung Mitte Februar, erneut 17mal nicht an die Meldeauflage gehalten hat. Dies würde zu einem weiteren Zwangsgeld in Höhe von 1.700,00 € führen, was wiederum zu einer Abtretungserklärung von 68 Raten zu je 25,00 € führen könnte. Die Verlängerung der Ratenzahlung würde daher erneut etwa fünf Jahre in Anspruch nehmen.
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Mit Schriftsatz vom 15. Mai 2023 beantragt der Antragsteller:
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Für den Antragsgegner wird Ersatzzwangshaft angeordnet.
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Zur Begründung wurde ausgeführt, das Zwangsgeld nach Art. 31 VwZVG entspräche im vorliegenden Fall dem mildesten Mittel.
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Nachdem der Antragsgegner der Meldeverpflichtung nur sporadisch nachkomme und mittlerweile bis mindestens 2028 eine Abtretungserklärung unterschrieben habe, wobei hier die letzten 17 Verstöße noch nicht einmal berücksichtigt seien, erscheine eine erneute Verhängung eines Zwangsgeldes nicht zielführend. Das Zwangsgeld sei im Falle des Antragsgegners uneinbringlich, da er Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) erhalte, welche auf Grund der fehlenden Mitwirkung auch gekürzt seien. Zudem befinde er sich derzeit wieder in Strafhaft. Hinzu komme, dass er die bestehenden Ratenzahlungen/Abtretungen nicht erbringen könne. Ob er weitere Schulden habe, sei der Ausländerbehörde nicht bekannt.
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Eine Ersatzvornahme nach Art. 32 VwZVG würde grundsätzlich als nächstschwereres Zwangsmittel ausscheiden. Der Antragsgegner könne sich nicht durch einen Dritten bei der persönlichen Meldepflicht vertreten lassen. Auch der unmittelbare Zwang nach Art. 34 VwZVG komme nicht Betracht. Dieses Zwangsmittel erscheine nicht als zielführend. Die Einwirkung auf den Antragsgegner mittels Polizeibeamten, zur Polizeiinspektion ... zu erscheinen, verfehle den Zweck in vollem Maße, zumal die Auflage auf Grund seines massiven Fehlverhaltens angeordnet worden sei. Als letztes Zwangsmittel komme daher die Ersatzzwangshaft nach Art. 33 VwZVG in Betracht. Diese sei ihm auch mehrmals schriftlich angedroht worden, sofern er die Zahlungen nicht leisten könne. Die Ersatzzwangshaft sei im vorliegenden Fall verhältnismäßig. Durch die Ersatzzwangshaft werde der legitime Zweck verfolgt, die Meldepflicht konsequent durchzusetzen, in dem ihm aufgezeigt werde, dass seine Verstöße auch Konsequenzen zur Folge hätten. Die Maßnahme sei erforderlich, da sie genau diesen Zweck erfülle und verdeutliche, dass sein Tun, bzw. in diesem Fall Unterlassen, auch zu härteren Maßnahmen der Durchsetzung führen könne.
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Die Ersatzzwangshaft sei im Fall des Antragsgegners das nunmehr mildeste Mittel. Die Eintreibung des Zwangsgeldes habe bislang nicht zu dem Effekt geführt, dass er sich an die ihm auferlegte Meldepflicht gehalten hätte. Im Gegenteil, es erscheine beinahe so, als sei ihm die Einbehaltung der Raten völlig egal. Zudem sei die Ersatzzwangshaft auch angemessen. Diese stehe in keinem groben Missverhältnis zum Zweck der Maßnahme. Die Allgemeinheit könne davon ausgehen, dass angeordnete Maßnahmen auch konsequent verfolgt und umgesetzt würden. Der Antragsgegner hingegen habe mit seinem Handeln gezeigt, dass ihn die Auferlegung eines Zwangsgeldes nicht tangiere. Vielmehr verstoße er weiterhin gegen die Meldeauflage und zeige damit keinerlei Beachtung von Vorschriften und Auflagen. Dem Antragsgegner solle damit zudem die Möglichkeit gegeben werden – nach der Verbüßung der Haftstrafe und der Ersatzzwangshaft – ohne weitere Schulden sein Leben in den Griff zu bekommen.
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Dem Antragsgegner wurde mit Schreiben zur Erstzustellung vom 24. Mai 2023 (zugestellt am 26. Mai 2023 ausweislich der Zustellungsurkunde) Gelegenheit zur sofortigen Stellungnahme gegeben. Mit Schreiben vom 5. Juni 2023 wurde er hieran erinnert und eine Frist bis zum 20. Juni 2023 gesetzt. Eine Antwort des Antragsgegners erfolgte nicht.
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Im Übrigen wird auf die Gerichtsakte sowie die Behördenakten verwiesen.
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Der zulässige Antrag auf Anordnung von Ersatzzwangshaft gegen den Antragsgegner ist begründet. Die allgemeinen und die besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen liegen vor.
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Bei Vorliegen der allgemeinen und besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen der Art. 18 ff., Art. 29 ff. VwZVG können Verwaltungsakte, die zu einem Tun oder Unterlassen verpflichten, mit Zwangsmitteln vollstreckt werden, Art. 18, Art. 29 Abs. 1 VwZVG. Voraussetzung für eine Vollstreckung ist, dass ein wirksamer, hinreichend bestimmter (Grund-)Verwaltungsakt vorliegt und die zu vollstreckenden Verwaltungsakte nicht mehr mit förmlichen Rechtsbehelfen angefochten werden können, keine aufschiebende Wirkung haben oder der Sofortvollzug angeordnet wurde, Art. 19 Abs. 1 VwZVG. Des Weiteren setzt die Vollstreckung voraus, dass der Verpflichtete seinen Verpflichtungen nicht nachgekommen ist oder dies nicht rechtzeitig getan hat, Art. 19 Abs. 2 VwZVG. Die Rechtmäßigkeit des (Grund-)Verwaltungsakts hingegen ist keine Vollstreckungsvoraussetzung, solange keine Nichtigkeit vorliegt (vgl. BayVGH, B.v. 12.2.1996 – 8 C 96.216 – juris Rn. 11).
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Gesetzliches Zwangsmittel ist unter anderem die Ersatzzwangshaft (Art. 29 Abs. 2 Nr. 3 VwZVG). Nach Art. 33 Abs. 1 VwZVG kann das Verwaltungsgericht nach Anhörung des Pflichtigen auf Antrag der Vollstreckungsbehörde durch Beschluss Ersatzzwangshaft anordnen, wenn das Zwangsgeld uneinbringlich ist, auch unmittelbarer Zwang keinen Erfolg verspricht und der Pflichtige bei der Androhung des Zwangsgeldes auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist. Im Rahmen seines Ermessens hat das Gericht auch zu prüfen, ob die Anordnung den Grundsätzen der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit entspricht.
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1. Die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen nach Art. 18 ff. VwZVG liegen vor.
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Im Bescheid vom 25. März 2022 wurde der Antragsgegner zu einem aktiven Tun verpflichtet, er soll nach § 56 AufenthG zweimal wöchentlich bei der Polizeiinspektion ... vorsprechen. Dieser (Grund-)Verwaltungsakt ist hinreichend bestimmt und Anhaltspunkte für eine Nichtigkeit nach Art. 44 BayVwVfG sind nicht ersichtlich. Die sofortige Vollziehung der Nr. 1 wurde angeordnet (Nr. 3 des Bescheids). Zudem hat der Antragsgegner von einem Rechtsbehelf hiergegen – wie auch von einer Stellungnahme im Rahmen der vorausgehenden Anhörung – keinen Gebrauch gemacht. Der Bescheid ist demnach rechtskräftig seit Ablauf des 27. April 2022. Der Antragsgegner ist seinen Verpflichtungen nach wie vor nicht nachgekommen, er verstieß in der Zeit von Juni 2022 bis Oktober 2022 17mal gegen die Meldepflicht, dem vorausgehend wurde bereits ein zweimaliger Verstoß mitgeteilt. In der Zeit von Dezember 2022 bis zur Inhaftierung Mitte Februar 2023 wurden erneut 17malige Verstöße mitgeteilt. Der Antragsgegner kommt also seiner Verpflichtung auf freiem Fuß – in Haft ruht die Verpflichtung nach § 56 Abs. 5 Satz 1 AufenthG – wiederholt nicht nach.
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2. Auch die besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen nach Art. 29 ff., Art. 33 VwZVG liegen vor.
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a) Der Antragsteller hat den Antragsgegner durch die Androhung von Zwangsgeld zur Erfüllung seiner Verpflichtung angehalten (Art. 31 VwZVG). Er wurde auf die Möglichkeit der Anordnung der Ersatzzwangshaft im Bescheid vom 25. März 2022 (Seite 12 oben, unterstrichen) hingewiesen (Art. 33 Abs. 1 VwZVG). Gemäß den Mitteilungen der Polizeiinspektion hat der Antragsgegner seine Verpflichtung aber wiederholt nicht erfüllt.
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b) Das Zwangsgeld in Höhe von jeweils 100,00 € und damit nach den 19 berücksichtigten Verstößen in Höhe von insgesamt 1.900,00 € (200,00 € und 1.700,00 €) ist fällig und in Höhe von 1.600,00 € uneinbringlich.
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Eine Zwangsgeldforderung wird nach Art. 31 Abs. 3 VwZVG fällig, wenn die von dem Pflichtigen nach Art. 31 Abs. 1 VwZVG geforderte Handlung nicht bis zum Ablauf der nach Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG gesetzten Frist erfüllt wird. Die Meldepflicht wurde jeweils auf Mittwoch und Samstag zwischen 8:00 Uhr und 18:00 Uhr festgelegt. Nach Ablauf dieser Zeiträume trat jeweils Fälligkeit ein.
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Ein Zwangsgeld ist uneinbringlich im Sinne des Art. 33 Abs. 1 VwZVG, wenn es zwar ordnungsgemäß festgesetzt ist, ein Beitreibungsversuch aber nicht zum Erfolg geführt hat oder die Zahlungsunfähigkeit des Pflichtigen offenkundig ist (VG Ansbach, B.v. – AN 18 V 21.01362 – juris Rn. 33). So erweist sich nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs das Zwangsgeld unter anderem dann als uneinbringlich, wenn der Pflichtige von Sozialhilfe lebt (vgl. BayVGH, B.v. 12.2.1996 – 8 C 96.216 – juris Rn. 11). Der Antragsgegner befindet sich derzeit in Haft. Aufgrund des bisherigen Zwangsgelds in Höhe von 200,00 € und 1.700,00 € hat er am 28. Juni 2022 bzw. am 1. Februar 2023 zwar eine Abtretungserklärung unterschrieben, dabei wurden vier bzw. 68 Raten zu je 25,00 € von August bis November 2022 bzw. Januar 2023 bis August 2028 vereinbart. Seit dem 15. Februar 2023 konnten aufgrund der Haft aber keine Raten mehr einbehalten werden, weshalb sich das Ende der Verpflichtung entsprechend verlängert. Die weiteren 17 Verstöße, die zu einem erneuten Zwangsgeld in Höhe von 1.700,00 € führen würden, wurden dabei noch nicht berücksichtigt und würden bei einer entsprechenden Ratenzahlung ca. erneut fünf Jahre in Anspruch nehmen. Angesichts der geringen Raten verfügt der Antragsgegner damit lediglich über nochmals gekürzte Asylbewerberleistungen und kann die bestehenden Ratenzahlungen bzw. Abtretungen nicht erbringen. Soweit er Ratenzahlungen geleistet hat, sind diese in Abzug gebracht worden. Derzeit sind davon noch 1.600,00 € offen (nach telefonischer Nachfrage beim Antragsteller am 21. Juli 2023 wurden die 200,00 € vollständig beglichen, von den 1.700,00 € wurden 100,00 € beglichen) und der Antragsgegner befindet sich in Haft. Mit einer Begleichung der Verbindlichkeiten ist daher in absehbarer Zeit nicht mehr zu rechnen. Das fällige Zwangsgeld ist insoweit faktisch uneinbringlich. Hinzu kommt, dass das Zwangsgeld auch angesichts der wiederholten Verstöße gegen die Meldepflicht offensichtlich zwecklos und ohne nachhaltige Einwirkung auf das Verhalten des Antragsgegners geblieben ist. Folglich ist das Zwangsgeld fällig und zumindest teilweise uneinbringlich, soweit die Raten über die Abtretungserklärung noch nicht berücksichtigt werden konnten.
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c) Die gerichtliche Anordnung von Ersatzzwangshaft ist vorliegend das letzte Mittel zur Durchsetzung der dem Antragsgegner aufgegebenen Verpflichtung. Bevor Ersatzzwangshaft angeordnet werden kann, müssen die übrigen zur Verfügung stehenden Zwangsmittel erschöpft sein (vgl. bereits BVerwG, U.v. 6.12.1956 – 1 C 10.56 – juris Rn. 9) Dies ist der Fall, da die Zwangsgeldandrohungen als milderes Mittel erfolglos geblieben sind und weder eine Ersatzvornahme noch die Anwendung unmittelbaren Zwangs in Frage kommen.
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aa) Eine Ersatzvornahme nach Art. 32 VwZVG scheidet aus. Diese ist nur zur Durchsetzung einer vertretbaren Handlung möglich. Eine vertretbare Handlung liegt vor, wenn auch ein Dritter die Handlung rechtlich und tatsächlich vornehmen kann und es vom Zweck der geforderten Maßnahme her gleich bleibt, ob der Pflichtige oder ein anderer handelt (vgl. VG Ansbach, B.v. 15.10.2014 – AN 2 V 14.01377 – juris Rn. 22, m.w.N.). Bei der Meldeverpflichtung nach § 56 AufenthG handelt es sich um eine Handlung, die nur vom Antragsgegner persönlich vorgenommen werden kann, da deren Zweck sonst nicht erfüllt werden könnte.
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bb) Die Anwendung unmittelbaren Zwangs i. S. d. Art. 34 VwZVG kommt nicht in Betracht. Eine Einwirkung auf den Antragsteller durch Polizeibeamte, zur Polizeiinspektion zu erscheinen, ist sinnwidrig, um sein Verhalten zu ändern. Er würde zwangsweise, nicht freiwillig vorsprechen.
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d) Die Anordnung von Ersatzzwangshaft ist vorliegend auch angesichts der Schwere des Grundrechtseingriffs (Art. 2 Abs. 2, Art. 104 Abs. 1 GG, Art. 102 BV) verhältnismäßig und entspricht den Grundsätzen der Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit (Art. 29 Abs. 3 Satz 1 VwZVG).
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aa) Die Ersatzzwangshaft ist geeignet, den Antragsgegner zur Erfüllung seiner Meldeverpflichtung anzuhalten. Die grundsätzliche Geeignetheit der Ersatzzwangshaft ist nicht schon dann zu verneinen, wenn der betroffene Bürger – wie vorliegend zu erwarten – uneinsichtig ist. Andernfalls hätte es der Vollstreckungsschuldner in der Hand, ordnungsbehördliches Handeln der Rechtsordnung zuwider durch eigenmächtige Hartnäckigkeit ins Leere laufen zu lassen. Es liegt ausschließlich am Vollstreckungsschuldner selbst, sich rechtstreu zu verhalten und das zu tun bzw. zu unterlassen, wozu er rechtlich verpflichtet ist. Ungeachtet dessen besteht auch bei uneinsichtigen Vollstreckungsschuldnern regelmäßig die Aussicht, dass sie sich zumindest von der Anordnung unmittelbar bevorstehender Ersatzzwangshaft beeindrucken lassen und ihrer öffentlich-rechtlichen Verpflichtung doch noch nachkommen (BayVGH, B.v. 29.8.2017 – 12 C 17.1544 – juris Rn. 17, m.w.N.).
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bb) Die Ersatzzwangshaft ist vorliegend auch erforderlich und angemessen.
33
Ersatzzwangshaft ist das letzte – subsidiäre – Mittel des Staates, um seine Anordnungen gegenüber uneinsichtigen Bürgern durchzusetzen. Sie kommt deshalb nur ausnahmsweise bei Vorliegen besonderer Voraussetzungen in Betracht und darf nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache stehen. Bei der erforderlichen Abwägung aller Umstände des konkreten Einzelfalls ist die Bedeutung des mit der Ordnungsverfügung erstrebten Erfolgs dem besonderen Gewicht gegenüberzustellen, das der beantragten Freiheitsentziehung zukommt. Darüber hinaus sind die persönlichen Verhältnisse des Pflichtigen wie Krankheit oder Haftunfähigkeit zu beachten (BayVGH, B.v. 29.8.2017 – 12 C 17.1544 – juris Rn. 19, m.w.N.).
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Das zu vollstreckende Handlungsgebot zur Durchsetzung der Meldepflicht nach § 56 AufenthG steht in einem angemessenen Verhältnis zu seiner zwangsweisen Durchsetzung. Es ist im Vergleich zur einschneidenden Wirkung der Ersatzzwangshaft auf die persönliche Freiheit des Antragsgegners nicht von so geringer Bedeutung, dass es die Vollstreckungsmaßnahme unverhältnismäßig werden ließe. Gegen die Meldeverpflichtung und gegen ihre Durchsetzung im Verwaltungszwang bestehen keine rechtlichen und vor allem auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken:
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§ 56 AufenthG dient der Kontrolle und Überwachung von ausreisepflichtigen Ausländern und erlaubt ihre Überwachung in mehrfacher Hinsicht. Damit ist keine allgemeine Überwachung für alle Ausländer vorgeschrieben oder ermöglicht. Die Vorschrift ergänzt aber andererseits schon bestehende Meldepflichten und Kontrollmöglichkeiten.
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Hier soll die Meldepflicht nach den Gründen ihrer Anordnung sowohl den tatsächlichen Aufenthalt des Antragsgegners in seinem zugewiesenen Aufenthaltsbereich sicherstellen, als auch ihm wiederkehrend vor Augen führen, dass er besonderer Überwachung unterliegt. Mit Blick auf die von ihm an Minderjährigen u.a. in öffentlichen Verkehrsmitteln im Stadtgebiet ... begangenen Straftaten sollen ihm die möglichen Konsequenzen weiterer Delikte – polizeiliche Ermittlung, Ergreifung und erneute Inhaftierung – vor Augen geführt werden. So soll die vom Kläger ausgehende und mangels Therapiefähigkeit nicht geminderte Wiederholungsgefahr vermindert werden. In Abwägung der durch den Antragsgegner gefährdeten Rechtsgüter Dritter und der Allgemeinheit einerseits und seiner persönlichen Freiheit andererseits wiegt letztere weniger schwer.
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Dabei ist zu beachten, dass nach § 56 Abs. 5 Satz 1 AufenthG die Pflichten gemäß Abs. 1-4 unabhängig von ihrer Entstehung ruhen, wenn sich der Ausländer – wie im Fall des Antragsgegners – in Haft befindet. Damit wird dem tatsächlichen Umstand Rechnung getragen, dass ein inhaftierter Ausländer weder eine Meldeauflage (Abs. 1) erfüllen noch einer Aufenthalts- (Abs. 2) oder Wohnsitzauflage (Abs. 3) nachkommen kann. Die erforderliche Überwachung ist bereits durch die Haft sichergestellt. Mit Haftende muss der wirksam ausgewiesene Ausländer die Verpflichtungen wieder beachten, ohne dass eine weitere behördliche Maßnahme notwendig wäre (vgl. Bauer in Bergmann/Dienelt/Bauer, 14. Aufl. 2022, AufenthG § 56 Rn. 5 ff.).
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3. Nach Art. 33 Abs. 2 VwZVG beträgt die Ersatzzwangshaft mindestens einen Tag und höchstens zwei Wochen. Die Haftdauer steht im freien richterlichen Ermessen, wobei das öffentliche Interesse an der Erfüllung der zu erzwingenden Verpflichtung im Vordergrund steht.
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Das Gericht hält vorliegend die Ausschöpfung des gesetzlich vorgesehenen Rahmens von mindestens einem Tag und höchstens zwei Wochen gemäß Art. 33 Abs. 2 VwZVG bis zur Hälfte für angemessen. Die Haftdauer von sieben Tagen trägt zum einen dem öffentlichen Interesse an der Durchsetzung der Meldepflicht sowie der Beharrlichkeit der Verweigerung des Antragsgegners Rechnung.
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Dabei ist einerseits zu berücksichtigen, dass jede (unterlassene) Meldung den Antragsgegner zwar an zwei Tagen je Woche für die Dauer der An- und Abreise zur Polizeiinspektion sowie der Meldung dort belastet, die Gesamtbelastung aber für den erwerbslosen Antragsgegner ohne anderweitige terminliche Verpflichtungen insgesamt nicht allzu belastend, allenfalls lästig ist. Wesentlich schwerer hinsichtlich Dauer und Intensität wiegt für ihn jeder Tag Ersatzhaft, da er hierdurch seiner Bewegungsfreiheit völlig verlustig geht. Von den bisherigen insgesamt 36 Verstößen wurde für drei Verstöße das Zwangsgeld beglichen, für ein 16 Verstöße betreffendes Zwangsgeld liegt eine Abtretungserklärung vor. Hinsichtlich der weiteren 17 Verstöße ist die Behörde noch nicht weiter tätig geworden, insbesondere wurde bisher von weiteren Abtretungen abgesehen. Eine Dauer von sieben Tagen Ersatzzwangshaft für die vergangenen Verstöße erscheint daher notwendig aber auch ausreichend, um den Antragsgegner nach der Haftentlassung zur regelmäßigen Erfüllung seiner Meldepflicht anzuhalten. Dabei sind weder Gründe für ein Ausreizen der Grenze nach oben hin noch nach unten hin ersichtlich, die Dauer von sieben Tagen erscheint insbesondere in Anbetracht der Anzahl der Verstöße und der Uneinsichtigkeit des Antragsgegners einerseits und dem Gewicht des Grundrechteingriffs durch die Ersatzzwangshaft andererseits angemessen.
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Andererseits kann der Antragsgegner auch allen vermeintlichen Zumutungen seiner Aufenthaltsgestaltung in Deutschland dadurch entgehen, dass er seiner Passpflicht und seiner Ausreisepflicht nachkommt. Beides lehnt er ab und vermied sogar im Strafverfahren, konkrete sachdienliche Angaben zu seiner Staatsangehörigkeit zu machen (vgl. LG Augsburg, U.v. 6.8.2018 – 33 Ls 201 Js 143060/70 – Urteilsabdruck S. 3, Behördenakte Teil 9 Bl. 49; Protokoll v. 6.8.2018, ebenda Bl. 25 f.), wodurch er seinen unerlaubten Aufenthalt in Deutschland verlängert. Mit Blick auf die vom Kläger ausgehende Wiederholungsgefahr insbesondere für Minderjährige, seine weitere Drogen- und Körperverletzungsdelinquenz (sogar in Haft) und die weiter fehlende Aussicht, seinen Aufenthalt in Deutschland tatsächlich zu beenden, wiegt das öffentliche Interesse an der Durchsetzung seiner Meldepflicht weit schwerer als sein grundrechtlich geschütztes Verschonungsinteresse.
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4. Die Ersatzzwangshaft ist durch die Justizverwaltung zu vollstrecken (Art. 33 Abs. 3 VwZVG, § 802g Abs. 2 ZPO). Der im Tenor des Beschlusses ausgesprochene Erlass eines Haftbefehls hat klarstellende Bedeutung, da die richterliche Anordnung der Ersatzzwangshaft gemäß Art. 33 Abs. 1 VwZVG zugleich den Haftbefehl im Sinne des Art. 33 Abs. 3 VwZVG i.V.m. § 802h ZPO umfasst. Durch den klarstellenden Ausspruch im Tenor dieses Beschlusses steht es dem Antragsteller frei, durch Beauftragung eines Gerichtsvollziehers die verfügte Ersatzzwangshaft zur Erzwingung der Verpflichtung des Antragsgegners einzusetzen (vgl. VG Ansbach, B.v. 15.10.2014 – AN 2 V 14.1377 – juris Rn. 28).
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5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
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6. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG unter Zugrundelegung des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (Ausgabe 2013). Gemäß Nr. 1.7.1 Satz 1 Hs. 2 des Streitwertkatalogs ist bei selbstständigen Vollstreckungsverfahren ein Viertel des Streitwerts der Hauptsache anzusetzen. Der Streitwert der Hauptsache ergibt sich vorliegend aus § 52 Abs. 2 GKG und wird mit 5.000,00 € angenommen.