Inhalt

VG Augsburg, Urteil v. 06.07.2023 – Au 2 K 22.915
Titel:

Gewährung eines Härteausgleichs für Straßenausbaubeiträge durch eine Härtefallkommission

Normenketten:
KAG Art. 19 Abs. 6 S. 3, Art. 19a Abs. 5, Abs. 6 S. 3, Abs. 7, Abs. 8, Abs. 9 S. 1, S. 2
AO § 88 Abs. 1 S. 1
BayVwVfG Art. 24, Art. 28
BayHärteV § 2, § 3
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3
VwGO § 113 Abs. 1, Abs. 5 S. 2, § 124a Abs. 1 S. 1, § 154 Abs. 1, § 167 Abs. 1
Leitsätze:
1. Art.19a Abs. 8 KAG stellt klar, dass es sich bei der Gewährung eines Härteausgleichs um eine freiwillige staatliche Leistung handelt, auf die kein Rechtsanspruch besteht. Über die finanziellen Leistungen aus dem Härtefallfonds wird auf Antrag durch eine fachlich unabhängige und an Weisungen nicht gebundene Kommission (Härtefallkommission für Straßenausbaubeiträge) durch Verwaltungsakt entscheiden (Art. 19a Abs. 2 KAG). (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
2. Es muss eine Antragsbefugnis iSd Art. 19a Abs. 7 S. 4 KAG bestehen, bevor das Vorliegen einer durch die Erhebung des Straßenausbaubeitrags verursachten besonderen Härte iSv Art. 19a Abs. 9 S. 1 und S. 2 KAG geprüft werden kann. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Straßenausbaubeitragsrecht, Härteausgleich, Ablehnung wegen nicht fristgerechter Vorlage des notwendigen Nachweises für das zu versteuernde Einkommen (unvollständige Kopie der maßgeblichen Steuererklärung), Ablehnung, Antragsbefugnis, Antragstellung, Bescheid der Gemeinde, Einkommen, Festsetzung, freiwillige Leistung, Gemarkung, Gemeinde, Steuerschuldner, Stichtagsregelung, Kommission, Nachweis, Straßenausbaubeiträge, Härtefallkommission, Gewährung eines Härteausgleichs
Fundstelle:
BeckRS 2023, 24355

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

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Der Kläger ist (Mit-)Eigentümer des Grundstücks Fl.Nr. ... Gemarkung ... (Anwesen ...platz ... und ...platz ...). Er wurde wegen der Erneuerung der Erschließungsanlage „...platz“ mit Bescheid der Gemeinde ... vom 12. September 2017 zur Zahlung eines Straßenausbaubeitrags in Höhe von 9.971,26 EUR veranlagt.
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Der Kläger stellte am 12. Juli 2019 bei der Regierung von ... – Härtefallkommission – einen Antrag auf Härteausgleich und legte u.a. einen Grundbuchauszug, den Straßenausbaubeitragsbescheid und eine Kopie eines Teils des Einkommensteuerbescheids für 2017 (Seite 2) vor.
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Daraufhin wurde er mit Schreiben der Härtefallkommission vom 11. Oktober 2019 darüber informiert, dass der Antrag unvollständig sei und noch Unterlagen fehlten. Angefordert wurden neben einer Kopie des vollständigen Straßenausbaubeitragsbescheids und eines aktuellen Nachweises des Eigentums an dem veranlagten Grundstück eine Kopie des Steuerbescheids für das Jahr 2017, wobei ausdrücklich der Hinweis enthalten war „(Bitte lassen Sie uns auch die erste Seite Ihres Einkommensteuerbescheids zukommen.)“. Für die Vorlage der fehlenden Unterlagen wurde dem Kläger eine Frist bis zum 8. November 2019 gesetzt.
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Mit Schreiben der Härtefallkommission vom 29. Juli 2020, am 30. Juli 2020 per Einwurf-Einschreiben zur Post gegeben, wurde dem Kläger unter Verweis auf die in Art. 19a Abs. 6 Satz 3 des Kommunalabgabengesetzes (KAG) geregelten Rechtsfolgen eine Ausschlussfrist bis 2. September 2020 zur Vorlage von Informationen und Unterlagen – insbesondere zur Vorlage von geeigneten Nachweisen für das zu versteuernde Einkommen – gesetzt. Dabei wurde dem Kläger mitgeteilt, dass noch die Kopie des Einkommensteuerbescheids für das Jahr 2017 fehle und aus dem vorzulegenden Nachweis der Steuerschuldner, der Veranlagungszeitraum und das zu versteuernde Einkommen erkennbar sein müssten.
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Der Kläger legte sodann per E-Mail vom 31. August 2020 Unterlagen vor. Als Beleg für das zu versteuernde Einkommen im Jahr 2017 legte er erneut lediglich die Seite 2 des Einkommensteuerbescheids als pdf-Datei vor und wies ergänzend darauf hin, dass sich das zu versteuernde Einkommen nicht wie im Antrag vom 12. Juli 2019 angegeben, 63.602 EUR, sondern lediglich 50.081 EUR betrage.
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Mit Bescheid der Härtefallkommission vom 21. März 2022 wurde der Antrag auf Härteausgleich abgelehnt, da der Kläger trotz Fristsetzung fristgerecht keine ausreichenden Nachweise über das maßgebliche zu versteuernde Einkommen vorgelegt habe.
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Am 7. April 2022 erhob der Kläger gegen den Ablehnungsbescheid Klage mit dem sinngemäßen Antrag,
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den Beklagten zu verpflichten, ihm den begehrten Härteausgleich zu gewähren, hilfsweise, ihm Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand zuzubilligen.
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Zur Begründung wurde dargelegt, dass er am 29. Juli 2020 ein Schreiben der Härtefallkommission erhalten habe mit dem Hinweis, dass nicht alle notwendigen Angaben aus dem Schreiben vom 2. Juli 2019 ersichtlich und bis spätestens 2. September 2020 die fehlenden Unterlagen einzureichen seien. Am 31. August 2020 habe er per E-Mail an die angegebene Adresse alle fehlenden Dokumente (vollständiger Straßenausbaubeitragsbescheid und eine Kopie des Steuerbescheids von 2017) geschickt. Danach habe er keine Informationen von der Härtefallkommission mehr erhalten bis zum Ablehnungsbescheid vom 21. März 2020. Am 28. März 2020 habe er nochmals ein Telefonat mit der Härtefallkommission geführt, in dem ihm bestätigt worden sei, dass alles korrekt vor Ablauf der Frist am 2. September 2020 eingegangen sei. Nur die Seite 1 des Steuerbescheids für den Veranlagungszeitraum 2017 habe gefehlt. Wenn ihm diese Information weitergegeben worden wäre, hätte er sofort gehandelt.
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Der Beklagte wandte sich mit Schreiben der Regierung ... – Härtefallkommission – vom 16. August 2022 gegen das Klagebegehren. Für ihn ist beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Der Ablehnungsbescheid der Härtefallkommission vom 21. März 2022 sei rechtmäßig, da der Antrag des Klägers auf Härteausgleich wegen eines Verstoßes gegen die Mitwirkungsobliegenheit abzulehnen gewesen sei. Nach Art. 19a Abs. 6 Satz 3 KAG werde ein Antrag ohne weitere Prüfung abgelehnt, wenn der Antragsteller seinen Mitwirkungspflichten nach Satz 1 und Satz 2 nicht fristgerecht nachkommt und auf Verlangen der Kommission nicht unverzüglich glaubhaft macht, dass die Verspätung nicht auf seinem Verschulden beruht. Hierbei handele es sich um eine gebundene Entscheidung.
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Im vorliegenden Fall sei der Kläger mit Schreiben der Härtefallkommission vom 29. Juni 2020 aufgefordert worden, unter anderem eine Kopie des Einkommenssteuerbescheids für das Jahr 2017 vorzulegen. Aus diesem habe der Steuerschuldner, der Veranlagungszeitraum und das zu versteuernde Einkommen erkennbar sein müssen. Seitens des Klägers sei für das Jahr 2017 lediglich die zweite Seite eines Einkommenssteuerbescheids übermittelt worden, aus dem der veranlagte Steuerschuldner gerade nicht ersichtlich sei. Ein geeigneter Nachweis des zu versteuernden Einkommens für den Veranlagungszeitraum 2017 sei vom Kläger folglich nicht erbracht worden. Daher fehle es dem Kläger an der notwendigen Antragsbefugnis. Diese sei gemäß Art. 19a Abs. 7 Satz 4 Nr. 3 KAG i.V.m. Art. 19a Abs. 7 Sätze 5 und 6 KAG nur gegeben, wenn der Nachweis geführt werde, dass das zu versteuernde Einkommen im Jahr der Festsetzung unter 100.000 EUR bzw. bei Zusammenveranlagung unter 200.000 EUR gelegen habe. Mangels fristgerechter Vorlage eines entsprechenden geeigneten Nachweises sei der Antrag ohne Prüfung nach Art. 19a Abs. 6 Satz 3 KAG abzulehnen gewesen.
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Mit Schreiben der Härtefallkommission vom 2. November 2022 wurde dargelegt, dass der Kläger lediglich die Seite 2 des Einkommenssteuerbescheids für das Veranlagungsjahr 2017 vorgelegt habe, aus dem der Steuerschuldner nicht erkennbar gewesen sei. Die eingereichten Unterlagen seien somit unvollständig gewesen, sodass der Antrag ohne weiterer Prüfung habe abgelehnt werden müssen. Ein weiterer Hinweis der Härtefallkommission oder eine erneute Fristsetzung zur Nachbesserung habe nicht als erforderlich erachtet werden müssen, da bereits im Nachforderungsschreiben mit dem Setzen der Ausschlussfrist darauf hingewiesen worden sei, dass eine weitere Prüfung nicht mehr stattfinden werde.
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Auf entsprechende Anfrage des Gerichts teilte die Härtefallkommission mit Schreiben vom 9. Juni 2023 ergänzend mit, dass der streitgegenständliche Bescheid vor dem Hintergrund des rechtlichen Hinweises des Gerichts vom 17. Mai 2023 erneut überprüft worden sei. Die Beklagte sei jedoch nach wie vor der Auffassung, dass der Bescheid rechtmäßig sei. Ein Verstoß gegen die Mitwirkungspflicht führe nach Art. 19a Abs. 6 Satz 3 KAG und damit nach der gesetzlichen Konstruktion zu einer zwingenden Ablehnung eines Antrags auf Härteausgleich. Dies ergebe sich auch aus der Begründung des Gesetzes. Vorliegend habe die Klagepartei unstreitig – trotz wiederholter Aufforderung – den vollständigen Steuerbescheid für das Jahr 2017 nicht vorgelegt und keine nachvollziehbaren Gründe hierfür vorgetragen. Damit liege ein Verstoß gegen die Mitwirkungspflichten vor. Der Kläger habe im Antragsformular zudem Angaben gemacht, die vom Inhalt der beigefügten zweiten Seite des Einkommenssteuerbescheids abgewichen seien. So sei in das zu versteuernde Einkommen im Antragsformular auf 63.602,00 EUR beziffert worden, wohingegen der beigefügte Steuerbescheid ein zu versteuerndes Einkommen in Höhe von 50.081,00 EUR ausweise. Der Steuerschuldner habe sich aus dem unvollständig eingereichten Dokument nicht entnehmen lassen. Der Adressat des Steuerbescheids habe sich im Übrigen auch nicht anhand bestimmender persönlicher Merkmale, wie z.B. der Steueridentifikationsnummer feststellen lassen. Auch unter Beachtung des in Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a Doppelbuchst. cc Dreifachbuchst. ccc KAG i.V.m. § 88 Abs. 1 Satz 1 AO bzw. Art. 24 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (BayVwVfG) normierten Amtsermittlungsgrundsatzes sei es zur Prüfung der Antragsbefugnis unerlässlich gewesen, einen vollständigen Nachweis über das zu versteuernde Einkommen der Klagepartei im maßgeblichen Veranlagungszeitraum nachzufordern.
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Unzutreffend sei der klägerische Vortrag in der Klageschrift, dass über das Fehlen der Seite eins des Steuerbescheids nicht informiert worden sein soll. Im Schreiben der Härtefallkommission vom 11. Oktober 2019 sei ausdrücklich auf die Notwendigkeit der Vorlage der ersten Seite des Einkommenssteuerbescheids hingewiesen worden („Bitte lassen Sie uns auch die erste Seite Ihres Einkommenssteuerbescheids zukommen.“). Die Klagepartei habe auf dieses Nachforderungsschreiben nicht reagiert. Daher sei sie mit Schreiben vom 19. Juli 2020 erneut aufgefordert worden, eine Kopie des Einkommenssteuerbescheids für das Jahr 2017 vorzulegen. Dabei sei darauf hingewiesen worden, dass auch der Steuerschuldner aus den Unterlagen erkennbar sein müsse. Aus nicht nachvollziehbaren Gründen habe die Klagepartei daraufhin mit E-Mail vom 31. August 2020 erneut lediglich die zweite Seite des Einkommenssteuerbescheids vorgelegt. Aufgrund der eindeutigen Hinweise im Schreiben vom 11. Oktober 2019 und im Nachforderungsschreiben vom 29. Juli 2020 hätte der Klagepartei klar sein müssen, dass die bereits mit der Antragstellung eingereichte Seite zwei des Steuerbescheides gerade nicht als Nachweis ausreichend sei.
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Den im behördlichen Verfahren von der Klagepartei vorgelegten Unterlagen würden sich im Übrigen die zur Prüfung der gesetzlichen Voraussetzungen für die Gewährung des Härteausgleichs erforderlichen Informationen auch unter Berücksichtigung des weiteren Sachvortrags und des Gesamtzusammenhangs gerade nicht zweifelsfrei entnehmen lassen. Die Tatsache, dass die Klagepartei nur die Seite zwei eines Einkommenssteuerbescheids für den Veranlagungszeitraum 2017 vorgelegt und in der E-Mail vom 31. August 2020 außerdem die Angaben zum zu versteuernden Einkommen berichtigt habe, ließen aus der Sicht des Beklagten nicht den zwingenden Schluss zu, dass es sich hierbei zweifelsfrei um den für die rechtliche Bewertung des Antrags maßgeblichen Steuerbescheid handele, der gegenüber der Klagepartei als Steuerschuldner erlassen worden sei. Eine ungeprüfte Übernahme der Angaben der jeweiligen Antragsteller widerspreche im Übrigen den bereits erwähnten erhöhten Zugangs- und Mitwirkungsanforderungen, die der Gesetzgeber den Antragsparteien im Verfahren zur Gewährung eines Härteausgleichs auferlegt habe und die, gerade mit Blick auf die Freiwilligkeit der Leistung, auch nicht zu beanstanden seien. Gerade die Erfahrungen des Beklagten aus den weiteren knapp 20.000 Anträgen hätten gezeigt, dass von den Antragstellern oftmals – bewusst oder versehentlich – falsche und/oder unvollständige Angaben gemacht worden bzw. falsche und/oder unvollständige Unterlagen eingereicht worden seien. Beispielhaft sei hierzu auf die Fallkonstellation im beigefügten Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 15. Februar 2023 (Aktenzeichen RO 11 K 22.1160) zu verweisen. Die Härtefallkommission müsse deshalb derzeit in mehreren Verfahren den wegen fehlerhafter oder unvollständiger Angaben bzw. Unterlagen zu Unrecht ausgezahlten Härteausgleich zurückfordern. Der Klagepartei sei ausreichend Gelegenheit gegeben worden, die für die Prüfung des Antrags erforderlichen Nachweise zu erbringen.
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Mit Beschluss vom 15. Juni 2023 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.
19
Der Kläger äußerte sich per E-Mail vom 6. Juli 2023 abschließend und legte dar, er sei seiner Meinung nach nicht explizit auf das Fehlen der Seite 1 des übermittelten Einkommensteuerbescheids 2017 hingewiesen worden.
20
Am 6. Juli 2023 fand mündliche Verhandlung statt, an der der Kläger nicht teilgenommen hat. Die Streitsache wurde mit den Erschienenen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht ausführlich erörtert. Die Vertreterin des Beklagten wiederholte den im Schreiben der Härtefallkommission vom 16. August 2022 enthaltenen Klageantrag.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die vorliegenden Gerichts- und Behördenakten sowie auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

22
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
23
Der Kläger hat mangels Antragsbefugnis keinen Anspruch auf die Gewährung des begehrten Härteausgleichs oder auf die Verpflichtung des Beklagten zur erneuten Verbescheidung seines entsprechenden Antrags unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts. Der streitgegenständliche Ablehnungsbescheid der Regierung von ... – Härtefallkommission – vom 21. März 2022 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1, Abs. 5 Satz 2 VwGO).
24
Mit dem Gesetz über die Feststellung des Haushaltsplans des Freistaats Bayern für die Haushaltsjahre 2019 und 2020 vom 24. Mai 2019 (Haushaltsgesetz 2019/2020 – GVBl S. 266/278) ist durch Art. 19a KAG eine Härtefallregelung als freiwillige Leistung des Freistaats Bayern für eine Übergangszeit geschaffen worden. Zum anteiligen Ausgleich besonderer Härten durch Straßenausbaubeiträge, die im Zeitraum vom 1. Januar 2014 bis zum 31. Dezember 2017 erhoben wurden, hat der Freistaat Bayern den mit einem Kapital von 50 Mio. EUR ausgestatteten Härtefallfonds errichtet (Art. 19a Abs. 1 KAG, vgl. hierzu allgemein Matloch/Wiens, Das Erschließungsbeitragsrecht in Theorie und Praxis, Stand Dezember 2022, Rn. 2210; Bauer, Der Härteausgleich Straßenausbaubeitrag, KommP BY 2019, 290).
25
Art.19a Abs. 8 KAG stellt klar, dass es sich bei der Gewährung eines Härteausgleichs um eine freiwillige staatliche Leistung handelt, auf die kein Rechtsanspruch besteht. Gestützt auf Art. 19a Abs. 11 KAG hat das Bayerische Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration am 1. Juli 2019 in Kraft getretene Bestimmungen zu Kommission, Geschäftsstelle und das Antragsverfahren im Verordnungswege erlassen (Verordnung zum Härteausgleich Straßenausbaubeitrag – BayHärteV – vom 5.6.2019, GVBl S. 327). Über die finanziellen Leistungen aus dem Härtefallfonds wird auf Antrag durch eine fachlich unabhängige und an Weisungen nicht gebundene Kommission (Härtefallkommission für Straßenausbaubeiträge) durch Verwaltungsakt entscheiden (Art. 19a Abs. 2 KAG). Für die Kommission wird eine Geschäftsstelle eingerichtet, die bei der Regierung von ... angesiedelt ist. Aufgabe der Geschäftsstelle ist es, die Zulässigkeit der bei ihr zu stellenden Anträge zu prüfen, die Sitzungen der Kommission vorzubereiten und den Sachverhalt zu ermitteln (§ 2 BayHärteV).
26
Art. 19a Abs. 5 und 7 KAG regeln die Voraussetzungen für den Antrag auf Härteausgleich. Nur wenn diese erfüllt sind, ist der Antrag zulässig. Anträge auf Härteausgleich konnten wirksam nur im Zeitraum vom 1. Juli 2019 bis zum Ablauf des 31. Dezember 2019 bei der Geschäftsstelle der Kommission unter Verwendung des zur Verfügung gestellten Antragsformulars oder unter Nutzung des entsprechenden elektronischen Antragsverfahrens gestellt werden (§ 3 BayHärteV). War der Bescheid oder die Vereinbarung, durch die eine Zahlungsverpflichtung in Bezug auf die Kosten einer Straßenausbaumaßnahme entstanden ist, an mehrere Personen gemeinschaftlich gerichtet, waren die Adressaten bzw. die Vertragsparteien nach Art. 19a Abs. 5 Satz 2 KAG verpflichtet, den Antrag auf Härteausgleich gemeinschaftlich zu stellen. Antragsbefugt war u.a. gemäß Art. 19a Abs. 7 Satz 4 Nr. 1 KAG nur, gegen wen nach den Bestimmungen des Kommunalabgabengesetzes durch Bescheid, Vergleich oder Vereinbarung im Zeitraum vom 1. Januar 2014 bis zum Ablauf des 31. Dezember 2017 Straßenausbaubeiträge, entsprechende Vorauszahlungen oder eine entsprechende Ablöse in Höhe von mindestens 2.000 EUR festgesetzt wurden, soweit die Beiträge nicht erlassen oder anderweitig erstattet worden sind. Daraus folgt, dass für alle Beitragspflichtigen eine einheitliche Eigenbelastung von 2.000 EUR als zumutbar erachtet worden war. Lag der festgesetzte Beitrag unter 2.000 EUR, fehlte es an der Antragsbefugnis, lag er darüber, waren 2.000 EUR als selbst zu tragende Belastung abzuziehen (Art. 19a Abs. 9 Satz 3 KAG). Antragsbefugt war nach Art. 19a Abs. 7 Satz 4 Nr. 2 KAG ferner nur, wer bei Antragstellung Eigentümer oder beitragspflichtig dinglich Nutzungsberechtigter des Grundstücks war, auf das die Belastung zurückgeht. Als drittes, für die Antragsbefugnis zwingend notwendiges Kriterium legt Art. 19a Abs. 7 Satz 4 Nr. 3 KAG fest, dass der Antragsteller im Jahr der Festsetzung der Belastung über ein zu versteuerndes Einkommen von nicht mehr als 100.000 EUR, bei Zusammenveranlagung von Ehegatten oder Lebenspartnern von nicht mehr als 200.000 EUR verfügte.
27
Im vorliegenden Fall fehlt dem Kläger die Antragsbefugnis, da er seine Angaben zu dem zu versteuernden Einkommen im Jahr 2017 und damit das Einhalten der in Art. 19a Abs. 7 Satz 4 Nr. 3 KAG geregelten Einkommensgrenzen nicht fristgerecht nachgewiesen hat. Aus dem von ihm im behördlichen Verfahren vorgelegten Teil eines Einkommensteuerbescheids (Seite 2) ist zwar die Höhe des zu versteuernden Einkommens ausgewiesen. Allerdings ist hieraus nicht erkennbar, dass der Kläger und seine Ehefrau (Inhalts-)Adressaten dieses Einkommensteuerbescheids waren. Dies lässt sich auch anderweitig nicht mit der für die Gewährung des begehrten Härteausgleichs gebotenen Eindeutigkeit erschließen.
28
Der Original-Bescheid des Finanzamts ... vom 26. April 2019 für 2017 über Einkommensteuer als Vorlage der eingescannten und der Härtefallkommission übermittelten Seite 2 lässt sich nicht eindeutig dem Kläger als Adressaten und Steuerpflichtigen zuordnen. Allein aus dem Umstand, dass der übersandte Teil des Einkommensteuerbescheids durch ihn vorgelegt wurde, lässt sich nicht zwingend folgern, dass es sich auch um einen Bestandteil des an ihn (und seine Ehefrau) gerichteten maßgeblichen Einkommensteuerbescheids des Finanzamts ... vom 26. April 2019 handelt. Die Seite 2 des Bescheids lässt nicht erkennen, an wen der Steuerbescheid gerichtet ist. Er enthält weder den bzw. die Namen des bzw. der veranlagten Steuerpflichtigen. Der der Härtefallkommission vorgelegte Auszug ist im oberen Teil nicht vollständig eingescannt, sodass auch die Steueridentifikationsnummern nicht lesbar sind. Da auf der vorgelegten Seite 2 auch sonstige verlässliche Zuordnungskriterien, wie Steuer- oder Kontonummern, fehlen, war es objektiv nicht möglich, diesen Teil des Steuerbescheids in schlüssiger Weise dem Kläger und dessen Ehefrau als Adressaten zuzuordnen. Damit hat es der Kläger versäumt, der Härtefallkommission fristgerecht einen ausreichenden Nachweis dafür vorzulegen, dass die in Art. 19a Abs. 7 Satz 4 Nr. 3 KAG festgelegten Einkommensgrenzen (ein zu versteuerndes Einkommen von nicht mehr als 100.000 EUR, bei Zusammenveranlagung von Ehegatten oder Lebenspartnern von nicht mehr als 200.00 EUR) in seinem Fall eingehalten sind und auch insoweit die Voraussetzungen für das Bestehen einer Antragsbefugnis im Sinn von Art. 19a Abs. 7 Satz 4 KAG vorliegen. Nach Art. 19 Abs. 6 Satz 3 KAG, der die Mitwirkungspflichten der Antragsteller rechtlich deutlich stärker hervorhebt als Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a Doppelbuchst. cc Dreifachbuchst. ccc KAG i.V.m. § 88 Abs. 1 Satz 1 AO bzw. Art. 24 BayVwVfG und deren schuldhafte Verletzung erheblich sanktioniert, war der Antrag daher zwingend abzulehnen (so z.B. VG Regensburg, U.v. 16.1.2023 – RO 11 K 22.1236 – unveröffentlicht; LT-Drs. 18/1552, S. 4; Bauer, Der Härteausgleich Straßenausbaubeitrag, KommP BY 2019, 290/293).
29
Die Vorlage des vollständigen Einkommensteuerbescheids im gerichtlichen Verfahren als Anlage zur Klageschrift vom 7. April 2022 ist nicht in der Lage, die Fristversäumnis zu heilen. Zwar hat der Kläger durch die Übersendung des kompletten Einkommensteuerbescheids für 2017 nunmehr belegt, dass die im behördlichen Verfahren vorgelegte Seite 2 tatsächlich Teil des an ihn und seine Ehefrau gerichteten Einkommensteuerbescheids des Finanzamts ... vom 26. April 2019 war. Die Nachholung der Nachweisverpflichtung im Gerichtsverfahren vermag jedoch die Rechtmäßigkeit der Ablehnungsentscheidung nicht in Frage zu stellen. In der vorliegenden rechtlichen Situation ist für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Ablehnungsbescheids nicht die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung maßgeblich, da hier das materielle Recht mit der Regelung des Art. 19a Abs. 6 Satz 3 KAG bestimmt, dass ein Antrag bei entsprechender Belehrung des Antragstellers ohne weitere Prüfung abzulehnen ist, wenn dieser seiner Mitwirkungspflicht nach Satz 1 und 2 nicht fristgerecht nachkommt und auf Verlangen der Härtefallkommission nicht unverzüglich glaubhaft macht, dass die Verspätung nicht auf seinem Verschulden beruht (s. hierzu z.B. BVerwG, B.v. 19.8.2008 – 3 B 11.08 – NVwZ 2008, 1355 m.w.N.; Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 113 Rn. 55, 57 u. 81; W.-R. Schenke/R.P. Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 28. Aufl. 2022, § 113 Rn. 46). Diese Regelung, die nach den Vorstellungen des Gesetzgebers auch auf eine zeitnahe Abwicklung der zur Gewährung eines Härteausgleichs durchzuführenden (Antrags-)Verwaltungsverfahren abzielt (vgl. LT-Drs. 18/1552, S. 4), ginge ins Leere und wäre mit dem Grundsatz der Rechtssicherheit, der Ausfluss des in Art. 20 Abs. 3 GG verfassungsrechtlich verankerten Rechtsstaatsprinzip ist, nicht zu vereinbaren, wenn es einem Antragsteller hier prozessual regelmäßig erlaubt wäre, eine versäumte Mitwirkungshandlung wie die Vorlage der notwendigen Nachweise zum Beleg für das Bestehen einer Antragsbefugnis im Sinn von Art. 19a Abs. 7 Satz 4 KAG bis zum Ende der letzten mündlichen Verhandlung nachzuholen. Da der Kläger im Schreiben der Härtefallkommission vom 20. Juli 2020 auf die Rechtsfolgen der Versäumung der gesetzten Frist und die Möglichkeit der Nachholung bei einem Glaubhaftmachen eines unverschuldeten Versäumens der Frist hingewiesen worden war, er aber weder im behördlichen, noch im gerichtlichen Verfahren Gründe dafür vorgetragen und glaubhaft gemacht hat, dass die Verspätung nicht auf seinem Verschulden beruht, besteht kein Anspruch auf eine Wiedereinsetzung im Sinn von Art. 28 BayVwVfG und kein Anspruch auf die Gewährung von Härteausgleich.
30
Der Gesetzgeber ist bei der Schaffung der Regelungen zum Härteausgleich ersichtlich davon ausgegangen, dass eine Antragsbefugnis im Sinne des Art. 19a Abs. 7 Satz 4 KAG bestehen muss, bevor das Vorliegen einer durch die Erhebung des Straßenausbaubeitrags verursachten besonderen Härte im Sinn von Art. 19a Abs. 9 Satz 1 und Satz 2 KAG geprüft werden kann. Der Antrag der Kläger auf Gewährung von Leistungen aus dem Härtefallfonds war damit mangels Antragsbefugnis durch den Beklagten inhaltlich nicht weiter zu prüfen (vgl. VG Augsburg, U.v. 4.5.2023 – Au 2 K 22.983 – BeckRS 2023, 12234 Rn. 25; U.v. 30.3.2023 – Au 2 K 22.979 – juris Rn. 32 f.; U.v. 9.2.2023 – Au 2 K 22.892 – Beck RS 2023, 7870 Rn. 28). Der Ablehnungsbescheid der Härtefallkommission vom 21. März 2022 steht daher im Einklang mit den gesetzlichen Bestimmungen und erweist sich als rechtmäßig.
31
Da die Kläger bereits keine – für die Eröffnung der inhaltlichen Prüfung erforderliche – Antragsbefugnis besitzen, kann auch der der Härtefallkommission in Art. 19a Abs. 9 Satz 2 KAG vom Gesetzgeber eingeräumte Beurteilungsspielraum bei der inhaltlichen Prüfung des Vorliegens einer ausgleichsfähigen Härte keine Bedeutung zukommen. Der nur in diesem Entscheidungsstadium bestehende Beurteilungsspielraum, der es nach der Gesetzesbegründung der Härtefallkommission ermöglichen soll, „bei der Einzelfallbetrachtung auch weitere Umstände des individuellen Falls in die Gesamtschau einzubeziehen“ (LT-Drs 18/1552 S. 5), besteht aber nach den gesetzlichen Regelungen hierzu bei der Beurteilung der Antragsbefugnis im Sinn von Art. 19a Abs. 7 Satz 4 KAG gerade nicht und lässt sich auch im Wege der Auslegung abweichend vom Wortlaut und der im Aufbau des Art. 19a KAG schlüssig zum Ausdruck kommenden Systematik nicht hierauf übertragen (VG Augsburg, U.v. 4.5.2023 – Au 2 K 22.983 – BeckRS 2023, 12234 Rn. 25; VG Bayreuth, U.v. 24.2.2023 – B 4 K 22.434 – BeckRS 2023, 16374 Rn. 26).
32
Bedenken hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit des in Art. 19a KAG normierten Härteausgleichs Straßenausbaubeitrag bestehen nicht (s. hierzu auch Matloch/Wiens, Das Erschließungsbeitragsrecht in Theorie und Praxis, Stand Februar 2023, Rn. 2210 m.w.N.). Der Gesetzgeber durfte ein legitimes Ziel für die Schaffung des Härtefallfonds als gegeben annehmen. Mit ihm sollen individuell nicht zumutbare finanzielle Belastungen, die auf Grund der Abschaffung der Straßenausbaubeiträge zum 1. Januar 2018 in dem Zeitraum 1. Januar 2014 bis 31. Dezember 2017 entstanden sind und über die als Eigenbelastung zu tragende Grenze von 2.000 EUR hinausgehen, kompensiert werden. Die stichtagsgebundene Abschaffung des Straßenausbaubeitrags hat zur Folge, dass bei Beitragspflichtigen, denen gegenüber vor dem Stichtag eine Beitragsfestsetzung erfolgt ist, weiterhin ein Beitrag zum Ausgleich für den ihnen durch den Straßenausbau geschaffenen Vorteil erhoben werden kann, wohingegen Grundstückseigentümer, denen ein Beitragsbescheid nicht mehr vor dem Stichtag bekanntgegeben wurde, nicht mehr finanziell belastet werden. Es ist dem Gesetzgeber durch den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG grundsätzlich nicht verwehrt, zur Regelung bestimmter Lebenssachverhalte einen Stichtag einzuführen. Das Gleichbehandlungsprinzip gebietet wesentlich Gleiches gleich zu behandeln, wesentlichen Unterschieden hingegen normativ Rechnung zu tragen. Er stellt es dem Normgeber frei, Differenzierungsmerkmale auszuwählen. In diesem Rahmen lässt es der gesetzgeberische Gestaltungsspielraum zu, mit unvermeidlichen Härten verbundene Stichtagsregelungen einzuführen, wenn dies – wie hier – als sachlich vertretbar angesehen werden kann (zur Zulässigkeit von Stichtagsregelungen vgl. z.B. BVerfG, U.v. 23.11.1999 – 1 BvF 1/94 – NJW 2000, 413; B.v. 12.5.2009 – 2 BvL 1/00 – juris Rn. 44; BVerwG, B.v. 10.4.2017 – 2 B 37.16 – juris Rn. 14).
33
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
34
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
35
Gründe, die Berufung zuzulassen, liegen nicht vor (§ 124 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 bzw. Nr. 3, § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO).