Inhalt

ArbG Nürnberg, Endurteil v. 16.01.2023 – 3 Ca 2402/22
Titel:

Dynamische Bezugnahmeklausel als Gleichstellungsabrede

Normenketten:
BGB § 133, § 157, § 305c Abs. 2
TVG § 3, § 5 Abs. 4
Leitsätze:
1. Eine Gleichstellungsabrede iSe nur bedingten zeitdynamischen Verweisung auf Tarifverträge setzt voraus, dass die Tarifgebundenheit des Arbeitgebers in einer für den Arbeitnehmer erkennbaren Weise zur auflösenden Bedingung der Vereinbarung gemacht worden ist. Dies ist – auch bei nach dem Inkrafttreten der Schuldrechtsreform zum 1.1.2002 abgeschlossenen Neuverträgen – jedenfalls dann anzunehmen, wenn bereits im Wortlaut der Klausel mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck kommt, dass die Anwendung der Tarifverträge von der Tarifbindung des Arbeitgebers abhängig ist (Anschluss an BAG BeckRS 2007, 46150). (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
2. Mit einem im Arbeitsvertrag enthaltenen Vorbehalt – "die aufgrund der Tarifgebundenheit des Arbeitgebers ... geltenden Tarifverträge" – macht der Arbeitgeber seine Tarifgebundenheit an den in Bezug genommenen Tarifverträgen in hinreichend erkennbarer Weise zur auflösenden Bedingung der Vereinbarung, auch wenn die Folgen der Beendigung der Tarifbindung in der Klausel nicht ausdrücklich beschrieben werden. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Arbeitsvertrag, Gleichstellungsabrede, bedingte zeitdynamische Verweisung, auflösende Bedingung, Bezugnahmeklausel, Unklarheitenregel
Rechtsmittelinstanz:
LArbG Nürnberg, Urteil vom 09.08.2023 – 4 Sa 74/23
Fundstelle:
BeckRS 2023, 24019

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
3. Der Streitwert wird auf 2.703,82 festgesetzt.
4. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten über die Anwendbarkeit von Tarifverträgen auf ihr Arbeitsverhältnis und daraus folgende Vergütungsansprüche der Klägerin.
2
Die Beklagte entwickelt und vertreibt Software für den medizinischen Bereich. Die Klägerin war ab dem 09.02.2011 bei der I AG beschäftigt, wobei das Arbeitsverhältnis im Wege des Betriebsübergangs zunächst im Jahr 2015 auf die J Services Deutschland GmbH überging. Beide Arbeitgeber waren Mitglied im Verband der Bayerischen Metall- und Elektro-Industrie. Zum 01.07.2020 ging das Arbeitsverhältnis auf die Beklagte über, die nicht in Mitglied in einem Arbeitgeberverband ist. Auf den Inhalt des Informationsschreibens der Beklagten vom 27.05.2020 anlässlich des Betriebsübergangs wird Bezug genommen (Anlage K3, Bl. 12 ff. d.A.).
3
In dem zwischen der Klägerin und der I AG am 04./11.02.2011 geschlossenen Arbeitsvertrag heißt es ua. (Anlage K1, Bl. 6 ff. d.A.):
„01. Beginn und Ende des Dienstverhältnisses, Dienstsitz und Tätigkeit
Wir beschäftigen Sie ab 09.02.2011 befristet bis 08.02.2012 bei I Deutschland in der Abteilung GER H SCC S. 3 in Erlangen als Vertriebskauffrau. Die Befristung erfolgt gemäß Tarifvertrag.
02. Arbeitszeit
Die Dauer Ihrer wöchentlichen Arbeitszeit richtet sich nach den einschlägigen Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen und beträgt zurzeit 35,00 Stunden.
03. Einkommen
Wir führen Sie in der Entgeltgruppe 05 in der Stufe A0 des Tarifvertrags für Beschäftigte in der bayerischen Metall- und Elektroindustrie.
(…)
05. Tarifverträge, Arbeitsordnung und Betriebsvereinbarungen Auf das Arbeitsverhältnis finden die aufgrund der Tarifgebundenheit des Arbeitgebers für den Betrieb räumlich und fachlich geltenden Tarifverträge (derzeit für die Metall- und Elektroindustrie Bayern) in der jeweils gültigen Fassung Anwendung, soweit sie unter den persönlichen Geltungsbereich fallen und im Einzelfall nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbart worden ist. (…)“
4
In einem Schreiben der Beklagten vom 18.06.2021 an die Klägerin mit dem Betreff „Information zum Tarifergebnis der bayerischen Metall- und Elektroindustrie“ heißt es u.a. (Anlage K2, Bl. 10 f. d.A.):
„mit diesem Schreiben möchten wir Sie anlässlich der jüngsten Tarifabschlüsse in der Metall- und Elektroindustrie über die für Sie geltenden tariflichen Regelungen informieren (…).
Ihr aktueller Arbeitsvertrag enthält eine dynamische Bezugnahmeklausel. Das bedeutet, dass der jeweils aktuelle Tarifvertrag der Metall- und Elektroindustrie Bayern auf Ihr Arbeitsverhältnis Anwendung findet.
Unabhängig davon haben wir beschlossen, sämtlichen Mitarbeitern der C., die einen Bezug auf einen Tarifvertrag in ihrem Arbeitsvertrag haben, die im Tarifabschluss der Metall- und Elektroindustrie Bayern vereinbarte Corona-Prämie zu gewähren. Das bedeutet, dass auch Mitarbeiter, die hierauf wegen einer statischen Bezugnahmeklausel eigentlich keinen Anspruch haben, die Corona-Prämie erhalten werden.
Bei der Zahlung der Corona-Prämie handelt es sich um eine einmalige Leistung, durch deren Gewährung kein Rechtsanspruch auf Weitergabe neuer Tarifabschlüsse, insbesondere Tariferhöhungen, in der Zukunft begründet wird. Auch wird kein Anspruch auf weitere Inhalte des Tarifabschlusses 2021 begründet. Ob und inwieweit neue Tarifabschlüsse für Sie gelten, richtet sich allein nach der Bezugnahmeklausel in Ihrem Arbeitsvertrag. (…)“
5
Mit Schreiben vom 27.04.2022 ließ die Klägerin gegenüber der Beklagten die Zahlung eines tariflichen Transformationsgeldes geltend machen, was diese mit Schreiben vom 18.05.2022 ablehnte (Anlage K4, Bl. 24 f. d.A.). Mit ihrer am 20.06.2022 per beA beim Arbeitsgericht Nürnberg eingegangenen Klage macht die Klägerin die Zahlung eines Transformationsgeldes iHv. 18,4% eines Monatsverdienstes gem. § 5 des Tarifvertrags „Tarifliches Zusatzgeld“ für die Bayerische Metall- und Elektroindustrie vom 08.02.2018 in der Fassung vom 19.04.2021 geltend und begehrt zudem Feststellung weitergeltender Vergütungsansprüche nach diesem Tarifvertrag.
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Sie ist der Auffassung, in Ziff. 5 des Arbeitsvertrags sei mangels Verwendung von Wörtern wie „soweit“ oder „gelten“ keine Bedingung hinsichtlich der Bezugnahme erkennbar, womit die in Bezug genommenen Tarifwerke auch bei der Beklagten dynamisch weitergelten würden. Zudem enthalte bereits Ziff. 3 des Arbeitsvertrags eine eigenständige, uneingeschränkte Verweisung auf den Tarifvertrag für die Beschäftigten in der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie. Etwaige Unklarheiten gingen zulasten der Beklagten.
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Sie beruft sich außerdem auf den Inhalt der Schreiben der Beklagten vom 27.05.2020 und vom 18.06.2021, wonach diese offenbar selbst von einer dynamischen Weitergeltung der in Bezug genommenen Tarifverträge ausgehe.
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Sie beantragt nach teilweiser Klagerücknahme zuletzt:
1. Die Beklagte wird verurteilt an die Klägerin 772,52 € brutto nebst 5% Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin ab 01.07.2020 ein Entgelt nach der Gehaltsgruppe 10b gem. den zum Fälligkeitszeitpunkt geltenden Regelungen gem. dem Tarifvertrag für die Bayerischen Metall- und Elektroindustrie vom 08.02.2018 in der Fassung vom 19.04.2021 zwischen dem Verband der Bayer. Metall- und Elektroindustrie e.V und der Gewerkschaft IG Metall abgeschlossenen Tarifverträge für die Beschäftigten der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen, und trägt hierzu vor, beide Klageanträge seien unsubstantiiert hinsichtlich der konkreten tarifvertraglichen Anspruchsgrundlagen. Ziff. 5 des Arbeitsvertrags sei als Gleichstellungsabrede, also bedingte zeitdynamische Verweisung zu verstehen, wobei mit Betriebsübergang auf die nicht tarifgebundene Beklagte eine auflösende Bedingung eingetreten sei. Indem die Klausel auf die „aufgrund der Tarifgebundenheit des Arbeitgebers (…) geltenden“ Tarifverträge verweise, sei der bloße Gleichstellungszweck noch deutlicher erkennbar als in anderen Entscheidungen des BAG, nach welchen bereits die Wörter „gelten“
oder „verbindlich“ ausreichten.
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Ziff. 5 und Ziff. 3 des Arbeitsvertrags seien im Zusammenhang zu verstehen. Weitere Bezugnahmen im Arbeitsvertrag neben Ziff. 5 seien lediglich klarstellender Natur und sollten die Anforderungen des NachwG erfüllen. Der rein informatorische Charakter folge auch aus der Formulierung „wir führen Sie in der Entgeltgruppe“ in Ziff. 5 des Arbeitsvertrags. Das Unterrichtungsschreiben vom 27.05.2020 sei als bloße Wissenserklärung zu verstehen.
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Jedenfalls seien die nach Auffassung der Klägerin weitergeltenden Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie fachlich nicht (mehr) einschlägig, weil sich die Beklagte ausschließlich mit Softwareentwicklung befasse.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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A. Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
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I. Die Klage ist zulässig.
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1. Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten ist gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3a, 46, 48 ArbGG, §§ 17 f. GVG eröffnet. Das Arbeitsgericht Nürnberg ist gemäß § 46 Abs. 2 ArbGG, §§ 12, 17 ZPO örtlich zuständig.
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2. Auch der Feststellungsantrag Ziff. 2 ist zulässig, insbesondere in der zuletzt gestellten Fassung hinreichend bestimmt. Wird mit der Klage die Feststellung begehrt, dass ein bestimmter Tarifvertrag auf ein Arbeitsverhältnis Anwendung finde (vgl. zur grds. Zulässigkeit solcher Elementenfeststellungsklagen BAG 22.10.2008 – 4 AZR 784/07 – Rn. 11 mwN.), ist dieser Tarifvertrag so im Antrag zu benennen, dass keine Zweifel darüber bestehen, welcher Tarifvertrag gemeint ist. Nur dann ist zuverlässig erkennbar, worüber das Gericht eine Sachentscheidung erlassen soll. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Verbindlichkeit eines Tarifvertrags in der „jeweils gültigen“ Fassung – oder wie hier in der „zum Fälligkeitszeitpunkt geltenden“ Fassung – festgestellt werden soll. Es muss zweifelsfrei feststehen, welchem Tarifvertrag welcher Tarifvertragsparteien nach dem in der Vereinbarung einer vertraglichen Verweisungsklausel zum Ausdruck kommenden Willen der Arbeitsvertragsparteien die Arbeitsbedingungen folgen sollen. Diese Zuweisung erfolgt tarifvertragsbezogen und damit bei einer dynamischen Verweisungsklausel auch auf die Folgetarifverträge, die die jeweiligen konkreten Tarifvertragsparteien – und nur diese – vereinbaren. An die Tarifverträge anderer Tarifvertragsparteien wollten die Arbeitsvertragsparteien sich mit einer dynamischen Verweisungsklausel nicht binden, wenn es hierfür nicht besondere Anhaltspunkte gibt (vgl. zB. BAG 06.07.2011 – 4 AZR 706/09).
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Die Klägerin hat klargestellt, dass sich ihr Antrag nur auf die Anwendbarkeit des zwischen dem Verband der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie e.V und der Gewerkschaft IG Metall abgeschlossenen Tarifvertrag für die Bayerischen Metall- und Elektroindustrie vom 08.02.2018 in der Fassung vom 19.04.2021 bezieht. Dass auch nach Antragsumstellung noch ein Satzfragment hinsichtlich weiterer Tarifverträge verblieben ist, ändert damit angesichts der konkreten Bezugnahme nichts an der Zulässigkeit des Antrags.
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II. Die Klageanträge sind jedoch unbegründet. Die Beklagte ist nach den zwischen ihrer Rechtsvorgängerin und der Klägerin getroffenen vertraglichen Vereinbarungen, die gemäß § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB auf das Arbeitsverhältnis der Parteien unverändert übergegangen sind, nicht verpflichtet, eine Vergütung gemäß dem Tarifvertrag für die Bayerischen Metall- und Elektroindustrie vom 08.02.2018 in der Fassung vom 19.04.2021 zwischen dem Verband der Bayer. Metall- und Elektroindustrie e.V. und der Gewerkschaft IG Metall zu zahlen. Damit besteht weder ein Anspruch auf Zahlung des tariflichen Transformationsgeldes noch auf die begehrte Feststellung.
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1. Die Parteien haben in ihrem Arbeitsvertrag eine ausdrückliche Gleichstellungsabrede vereinbart. Die Auslegung des schriftlichen Arbeitsvertrags der Parteien vom 04./11.02.2011 ergibt, dass die einschlägigen Tarifverträge für die Beschäftigten der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie nur dann in ihrer jeweils geltenden Fassung zur Anwendung kommen sollen, wenn die Arbeitgeberin ihrerseits an diese Tarifverträge iSd. TVG gebunden ist. Bei Ziff. 5 des Arbeitsvertrags handelt es sich um eine nur bedingte zeitdynamische Verweisung.
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a) Bei dem Arbeitsvertrag der Parteien handelt es sich um einen Formularvertrag, dessen Bestimmungen nach den Regelungen über Allgemeine Geschäftsbedingungen iSv. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB auszulegen sind. Bereits das äußere Erscheinungsbild der formularmäßigen Vertragsgestaltung lässt auf Allgemeine Geschäftsbedingungen schließen. Zudem handelt es sich bei dem Arbeitsvertrag um einen Verbrauchervertrag iSv. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB (vgl. BAG 27.07.2021 – 9 AZR 376/20). Dass die Klägerin auf den Inhalt des Arbeitsvertrags Einfluss nehmen konnte (§ 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB), hat die Beklagte nicht vorgetragen.
21
b) Eine Gleichstellungsabrede im Sinne einer nur bedingten zeitdynamischen Verweisung auf Tarifverträge setzt voraus, dass die Tarifgebundenheit des Arbeitgebers in einer für den Arbeitnehmer erkennbaren Weise zur auflösenden Bedingung der Vereinbarung gemacht worden ist. Dies ist – auch bei nach dem Inkrafttreten der Schuldrechtsreform zum 01.01.2002 abgeschlossenen Neuverträgen – jedenfalls dann anzunehmen, wenn bereits im Wortlaut der Klausel mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck kommt, dass die Anwendung der Tarifverträge von der Tarifbindung des Arbeitgebers abhängig ist (vgl. BAG 18.04.2007 – 4 AZR 652/05).
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c) Dies ist vorliegend der Fall. Mit dem Vorbehalt in Ziff. 5 des Arbeitsvertrags – „die aufgrund der Tarifgebundenheit des Arbeitgebers (…) geltenden Tarifverträge“ – hat die Rechtsvorgängerin der Beklagten ihre Tarifgebundenheit an den in Bezug genommenen Tarifvertrag in hinreichend erkennbarer Weise zur auflösenden Bedingung der Vereinbarung gemacht, auch wenn die Folgen der Beendigung der Tarifbindung in der Klausel nicht ausdrücklich beschrieben werden. Voraussetzung ist mithin eine unabhängig vom Arbeitsvertrag bestehende Bindung der jeweiligen Arbeitgeberin an den fraglichen Tarifvertrag. Die Tarifgebundenheit ist gesetzlich in § 3 TVG geregelt, danach sind tarifgebunden die Mitglieder der Tarifvertragsparteien und der Arbeitgeber, der selbst Partei des Tarifvertrags ist. Zudem erfassen nach § 5 Abs. 4 TVG mit ihrer Allgemeinverbindlicherklärung die Rechtsnormen des Tarifvertrags in seinem Geltungsbereich auch die bisher nicht tarifgebundenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Indem Ziff. 5 des Arbeitsvertrags genau die Formulierung in § 3 TVG aufgreift, kommt die Tarifgebundenheit als auflösende Bedingung klar zum Ausdruck.
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2. Etwas Anderes folgt auch nicht aus Ziff. 3 des Arbeitsvertrags betreffend das Entgelt der Klägerin. Ziff. 3 des Arbeitsvertrags regelt nur die Einstufung in den Tarifvertrag, wenn er nach Ziff. 5 gilt.
24
Ziff. 3 des Arbeitsvertrags enthält erkennbar keine konstitutive Bezugnahme auf den Entgelttarifvertrag für Beschäftigte der Metall- und Elektroindustrie in Bayern (vgl. BAG 05.07.2017 – 4 AZR 867/16). Auch ohne Einschränkung hinsichtlich des in Ziff. 3 genannten Tarifvertrags (zB. „geltend“) wird hinreichend deutlich, dass Ziff. 3 lediglich informatorisch die Eingruppierung in den bereits nach Ziff. 5 in Bezug genommenen Tarifvertrag mitteilt. Dies folgt schon daraus, dass der in Ziff. 3 erwähnte Tarifvertrag nicht genau bezeichnet wird. Dabei ist auch der Zusammenhang mit Ziff. 1 und Ziff. 2 zu berücksichtigten, welche ebenfalls (noch deutlicher) erkennbar die tariflichen Regelungen erwähnen, ohne diese konstitutiv in Bezug zu nehmen. Eine konstitutive Bezugnahme ist auch nicht deshalb ausnahmsweise anzunehmen, weil das tarifliche Entgelt aufgrund fehlender Tarifbindung nicht schon aus der allgemeinen Bezugnahmeklausel folgen hätte können (so BAG 21.11.2012 – 4 AZR 85/11).
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3. Schließlich folgen tarifvertragliche Ansprüche der Klägerin auch nicht aus den Schreiben der Beklagten vom 27.05.2020 und vom 18.06.2021.
26
a) Im Unterrichtungsschreiben vom 27.05.2020 erfolgen auf Seite 5 lediglich allgemeine Ausführungen zu den unterschiedlichen Konstellationen im Zusammenhang eines Betriebsübergangs mit Bezugnahmeklauseln. Ansprüche kann die Klägerin hieraus schon mangels konkreten Bezugs zu ihrem Arbeitsverhältnis nicht herleiten.
27
b) Auch das Schreiben vom 18.06.2021 enthält keine eigenständige, konstitutive dynamische Bezugnahmeklausel. Auch wenn die Beklagte dort feststellt, „dass der jeweils aktuelle Tarifvertrag der Metall- und Elektroindustrie Bayern auf Ihr Arbeitsverhältnis Anwendung findet“, handelt es sich erkennbar um eine bloße – und rechtlich unzutreffende, s.o. – Wissens- und keine rechtsgestaltende Willenserklärung. Der zitierte Satzteil schließt textlich unmittelbar an die Feststellung an, der aktuelle Arbeitsvertrag der Klägerin enthalte eine dynamische Bezugnahmeklausel. Damit bezieht sich der erste Satz erkennbar auf Ziff. 5 des Arbeitsvertrags und nimmt eine rechtliche Bewertung dieser Klausel vor. Der zweite Satz bezieht sich auf den ersten Satz („das bedeutet“) und damit letztlich ebenfalls auf Ziff. 5 des Arbeitsvertrags. Angesichts des Verweises auf den Arbeitsvertrag liegt die Annahme fern, die Beklagte hätte durch den zweiten Satz ein neuerliches Angebot gerichtet auf Aufnahme einer eigenständigen dynamischen Bezugnahmeklausel in den Arbeitsvertrag unterbreitet, zumal dessen Annahme durch die Klägerin weder vorgetragen noch sonst ersichtlich ist. Vielmehr wird durch den weiteren Text im Schreiben vom 18.06.2021 bestätigt, dass die Beklagte im Wesentlichen alle ihre Beschäftigten über die Auszahlung der Corona-Prämie informieren wollte und anlässlich dessen auf die jeweiligen Vertragsklauseln Bezug nahm. Schließlich teilt die Beklagte im nächsten Absatz wiederum unverbindlich mit, dass sich die Geltung neuer Tarifabschlüsse „allein nach der Bezugnahmeklausel in Ihrem Arbeitsvertrag“ richte.
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In dieser Form ist der Erklärungswert des Schreibens vom 18.06.2021 vergleichbar mit einer Gehaltsabrechnung, welche grundsätzlich nicht als Schuldanerkenntnis zu verstehen ist, und bei der bei Irrtum ebenso wenig eine Seite die andere am Inhalt der Mitteilung festhalten kann (BAG 10.03.1987 – 8 AZR 610/84).
29
4. Damit bleibt entgegen der Auffassung der Klägerin auch kein Raum für eine Anwendung der Unklarheitenregelung in § 305c Abs. 2 BGB. Dies setzt voraus, dass die Auslegung nach den einschlägigen Auslegungsregeln zu nicht behebbaren Zweifeln führt (BAG 17.10.2007 – 4 AZR 812/06), was – wie dargelegt – nicht der Fall ist.
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5. Die hinsichtlich der Dynamik der Verweisung vereinbarte auflösende Bedingung ist mit dem Betriebsübergang auf die nicht tarifgebundene Beklagte eingetreten.
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B. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO.
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C. Der Streitwert wurde gem. §§ 3, 9 ZPO in Höhe des Wert des Klageantrags Ziff. 1 sowie hinsichtlich Klageantrag Ziff. 2 in Höhe des dreieinhalbfachen Werts des begehrten Transformationsgeldes (mangels anderer erkennbarer Forderungen aus der Anwendung der streitgegenständlichen Tarifverträge) festgesetzt, abzüglich eines Abschlags im Umfang eines Transformationsgeldes für den Feststellungsantrag.
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D. Die Möglichkeit der Berufung ergibt sich aus § 64 Abs. 2 lit. b ArbGG; eine gesonderte Zulassung der Berufung war darüber hinaus nicht veranlasst.