Inhalt

VG München, Urteil v. 08.08.2023 – M 1 K 19.4215
Titel:

Verpflichtung zur Stellung eines Bauantrags

Normenkette:
BayBO Art. 54, Art. 76 S. 3
Leitsatz:
Um in einem Baugenehmigungsverfahren die Zulässigkeit des Vorhabens überprüfen und die Baugenehmigung erteilen zu können, kann die Bauaufsichtsbehörde gem. Art. 76 S. 3 BayBO verlangen, dass der Bauherr einen Bauantrag stellt. Voraussetzung hierfür ist, dass die inmitten stehende bauliche Anlage formell rechtswidrig ist bzw. keinen formellen Bestandsschutz genießt. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Aufforderung einen Bauantrag zu stellen, Vorübergehende Wohnnutzung, formeller Bestandsschutz, baugenehmigungspflichtige Nutzungsänderung
Fundstelle:
BeckRS 2023, 23434

Tenor

I. Soweit der Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt wurde, wird das Verfahren eingestellt.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung des Klägers, für baurechtlich nicht genehmigte Änderungen einen Bauantrag zu stellen.
2
Der Kläger ist Eigentümer (u.a.) des Grundstücks FlNr. 2139 Gem. …, das mit einem ehemalig landwirtschaftlich genutzten Anwesen samt Wohnteil bebaut ist. Das Grundstück befindet sich im Außenbereich, jedoch teilweise im Geltungsbereich der Satzung der Gemeinde … über die erleichterte Zulässigkeit von Vorhaben im Außenbereich (Ortsteil …) vom 11. Juli 2006. Das Anwesen besteht aus dem südlich gelegenen ehemaligen Stallgebäude mit sich östlich anschließendem Wohnteil sowie dem sich nördlich anschließenden sog. Querbau, an den später ein Anbau hinzugefügt worden ist. Dieser Anbau wurde mit Genehmigung vom 16. Mai 1983 baurechtlich genehmigt. Im Erdgeschoss sieht der Eingabeplan eine Werkstatt und eine Garage, im Obergeschoss einen Obstlagerraum sowie einen Futter- und Getreidelagerraum vor. Mit Bescheid vom 9. Februar 1992 wurde die Umnutzung von Stall und Querbau im Erdgeschoss zu einem Elektronikbaubetrieb mit Werkstatt, zwei Lagern und Vorraum baurechtlich genehmigt. Für den Wohnteil (Betriebsleiterwohnung) konnten nach Auskunft des Beklagten keine genehmigten Pläne beigebracht werden.
3
Anlässlich eines Ortstermins am 7. Februar 2019 traf das Landratsamt folgende Feststellungen:
4
- Zusätzlich zu der vom Landratsamt als genehmigt angenommenen ehemaligen Betriebsleiterwohnung, die sich im Erdgeschoss und Obergeschoss des Wohnteils befindet, existiert eine separate Wohnung im Dachgeschoss des Wohnteils, die über das OG zugänglich ist (s. Fotos Bl. 44 -45 der Behördenakte (BA)). Sie verfügt über Küche, Bad, WC und Lager und wurde zum Zeitpunkt der Besichtigung von Frau P. bewohnt.
5
- Ehemaliger Stall: der als Werkstatt des Elektronikbetriebs genehmigte Raum wurde geteilt, es befindet sich dort eine Motorradwerkstatt, im anderen Raum eine Autowerkstatt (Bl. 49 BA).
6
- Die beiden als Lagerräume genehmigten Zimmer werden nun jeweils als Wohnungen genutzt (Bl. 46 BA).
7
- Im Querbau (baurechtlich genehmigt als Büro) befindet sich eine fünfte Wohnung.
8
- Im nördlichen Innenhof befindet sich ein nicht genehmigter Carport mit einer Länge von ca. 10,50 m und einer Tiefe von ca. 5,50 m bei einer Höhe von ca. 2,90 m (Holz mit Stahlblech).
9
Mit E-Mail vom 5. Februar 2019 hatte die Gemeinde mitgeteilt, dass unter der Anschrift des klägerischen Anwesens 11 Personen gemeldet seien. Unter dem 29. April 2019 hörte der Beklagte den Kläger an und forderte ihn auf, bis zum 23. Juni 2019 einen Bauantrag für die nicht genehmigten Wohneinheiten, die gewerblich genutzten Räume und zwei Carportstellplätze (reduziert auf max. 6 m auf 6 m, weil im Außenbereich für die genehmigte eine Wohnung nur zwei Stellplätze genehmigungsfähig seien) zu stellen. Andernfalls sei beabsichtigt, die Einreichung des Bauantrags mittels förmlichem Bescheid unter Zwangsgeldandrohung anzuordnen.
10
Mit Schreiben vom ... Juli 2019 teilte der Kläger schriftlich mit, dass der Carport lediglich zwei Stellplätze umfasse, da dieser im Hinblick auf seine Schwerbehinderung größer bemessen sei. Bei den Räumlichkeiten im Dachgeschoss des Wohnteils handle es sich um keine eigenständige Wohnung, das Dachgeschoss sei über eine Bodenklappe mit der Betriebsleiterwohnung verbunden.
11
Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 23. Juli 2019 ordnete der Beklagte gegenüber dem Kläger an, dass dieser binnen vier Wochen nach Unanfechtbarkeit des Bescheids für die planabweichende Nutzung des kompletten Anwesens inkl. Nebengebäude (Nutzung bzw. Aufteilung der zwei Wohnungen im Betriebsleiterhaus, zwei Wohneinheiten im Nebengebäude, alle gewerblichen Nutzungen im Nebengebäude und die nicht genehmigten zwei Carportstellplätze mit Gesamtmaß bis maximal 6 m auf 6 m) einen Bauantrag zu stellen habe. Es handle sich um baugenehmigungspflichtige Maßnahmen. Um deren Zulässigkeit prüfen zu können, sei es erforderlich, dass der Bauherr einen Bauantrag stelle. Eine andere, weniger einschneidende Maßnahme sei nicht erfolgversprechend, nur mittels eines Bauantrags könne überprüft werden, ob das Vorhaben nachträglich genehmigungsfähig sei.
12
Der Kläger hat gegen den Bescheid am … August 2019 Klage erhoben und beantragt,
13
den Bescheid aufzuheben.
14
Es fänden sich lediglich neue Büroräumlichkeiten in dem Anwesen, die zu genehmigen der Kläger längst unter dem 20. November 2021 beantragt habe, zuletzt geändert mit Ergänzungsplan vom 29. April 2022. Da der Kläger weder neue Wohnungen eingebaut noch bestehende Wohnungen verändert habe, könne ihm nicht aufgegeben werden, einen Bauantrag hierfür zu stellen.
15
Am 24. September 2020 wurde seitens des Klägers ein Bauantrag (BG- …) für den Carport mit der Bezeichnung „Errichtung einer Fahrzeugunterstelle“ gestellt. Diese soll Maße von 9,80 m Länge und 5,50 m Tiefe aufweisen sowie eine Höhe von 2,80 m bis 3,30 m. Der Antrag wurde seitens des Landratsamts bislang nicht verbeschieden.
16
Der Beklagte hat sich schriftsätzlich nicht in der Sache geäußert. In der mündlichen Verhandlung beantragt er
17
Klageabweisung.
18
Aus einer vom Beklagtenvertreter übersandten Stellungnahme des Landratsamts vom 24. Mai 2023 geht hervor, dass der Bauantrag für die zwei Carportstellplätze zurückgestellt worden sei, da aktuell die Genehmigungsfähigkeit des Carports nicht geklärt werden könne, weil Stellplätze im Außenbereich nur im Zusammenhang mit einer Wohnnutzung genehmigungsfähig seien, für weitere Wohnnutzungen bislang jedoch kein Bauantrag vorliege. Weiter gehe das Landratsamt bei der Prüfung des Bauantrags davon aus, dass das Bauvorhaben nicht der Landwirtschaft diene. Im Rahmen eines Bauantrags des Klägers für den Neubau eines Hengststalls habe das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten eine negative Stellungnahme abgegeben, da der Kläger den Betrieb nicht selbst bewirtschaften könne und der Betrieb nicht rentabel sei.
19
Laut Einwohnermelderegister waren unter der Anschrift des klägerischen Anwesens zum 26. Mai 2023 16 Personen gemeldet.
20
Mit Schriftsatz vom … Juni 2023 nahm der Kläger erneut Stellung. Die Zahl der gemeldeten Personen von 16 sei nicht mehr korrekt. Die Mieter E … hätten zwischenzeitlich vier Ukrainer aufgenommen, die sich jedoch nicht abgemeldet hätten, was nun korrigiert worden sei. Vor längerer Zeit habe er einen Vorbescheidsantrag auf Genehmigung des Anbaus („Tenne“) um eine zweite Ebene gestellt habe, um dort Gewerberäume unterzubringen. Der Beklagte weigere sich jedoch, über den Antrag zu entscheiden. Daher habe er sich, weil ein Mieter für eine nur interimsweise, gewerbliche Nutzung nicht zu finden sei, zur Begrenzung seines Vermögensschadens gezwungen gesehen, die Räume vorübergehenden Wohnmietern zur Verfügung zu stellen. Der Beklagte habe die vorübergehende Vermietung zum Anlass genommen, die Entscheidung über den Ausbau der Tenne zu verweigern, weil angeblich dauerhafte Wohnnutzung vorliege. Dabei wolle der Kläger den Ausbau der Tenne und nicht dauerhafte Wohnnutzung.
21
Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Behördenakten.

Entscheidungsgründe

22
Die zulässige Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 23. Juni 2019 hat, soweit nach der übereinstimmenden Erledigterklärung bezüglich des Carports/ Fahrzeugunterstelle noch über sie zu entscheiden war, in der Sache keinen Erfolg. Der Bescheid ist insoweit rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
23
1. Gemäß Art. 54 Abs. 2 Satz 1 BayBO haben die Bauaufsichtsbehörden bei der Errichtung, Änderung, Nutzungsänderung und Beseitigung sowie bei der Nutzung und Instandhaltung von Anlagen darüber zu wachen, dass die öffentlich-rechtlichen Vorschriften eingehalten werden. Um in einem Baugenehmigungsverfahren die Zulässigkeit des Vorhabens überprüfen und die Baugenehmigung erteilen zu können, kann die Bauaufsichtsbehörde gemäß Art. 76 Satz 3 BayBO verlangen, dass der Bauherr einen Bauantrag stellt. Voraussetzung hierfür ist, dass die in Mitten stehende bauliche Anlage formell rechtswidrig ist bzw. keinen formellen Bestandsschutz genießt (Decker in Busse/Kraus/Decker, 150. EL Februar 2023, BayBO Art. 76 Rn. 317 m.w.N.).
24
1.1 Der streitgegenständliche Bescheid ist formell rechtmäßig. Insbesondere ist er hinsichtlich der baugenehmigungspflichtigen baulichen Änderungen und Nutzungsänderungen, für die ein Bauantrag zu stellen ist, inhaltlich hinreichend bestimmt im Sinne von Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG. Es ergibt sich bereits aus dem Tenor (Nr. 1) des angefochtenen Bescheides zweifelsfrei, für welche der vom Kläger vorgenommenen Änderungen ein Bauantrag zu stellen ist. Details können ergänzend den Ausführungen in den Gründen des Bescheids (dort I.) entnommen werden, in denen der Beklagte zu den einschlägigen Feststellungen der Baukontrolle vom 7. Februar 2019 Näheres ausgeführt hat.
25
1.2 Zudem ist der angefochtene Bescheid materiell rechtmäßig, denn bei den noch streitigen, vom Beklagten festgestellten baulichen Änderungen bzw. Nutzungsänderungen – Einbau einer zweiten Wohnung im Wohnteil, Einbau weiterer Wohnungen im ehemaligen Stall und Anbau, Einbau einer KfZ- und einer Motorradwerkstatt im Bereich des ehemaligen Elektronikbetriebes – handelt es sich insgesamt um ein baugenehmigungspflichtiges Vorhaben, Art. 55 Abs. 1 BayBO, für das eine Baugenehmigung bislang nicht vorliegt. Es ist irrelevant, dass nach Aussage des Klägers die Nutzung zu Wohnzwecken nur vorübergehenden Charakter hat, denn auch insoweit handelt es sich um baugenehmigungspflichtige Nutzungsänderungen. Dass der Kläger diese Änderungen vorgenommen hat, ergibt sich zweifellos aus den zahlreichen Lichtbildern, die in der Behördenakte enthalten sind.
26
Mit der Anordnung, für o.g. Vorhaben einen Bauantrag zu stellen, hat der Beklagte zudem ermessensfehlerfrei gehandelt, soweit dies überhaupt einer gerichtlichen Überprüfung zugänglich ist, § 114 Satz 1 VwGO. Insbesondere lässt der Vortrag des Klägers, es handle sich bei den Vermietungen zu Wohnzwecken nur um vorübergehende Nutzungen, bis seitens des Beklagten über den Vorbescheidsantrag „Ausbau der Tenne zur gewerblichen Nutzung“ (VB- …) entschieden sei, den angefochtenen Bescheid nicht als ermessensfehlerhaft erscheinen. Immerhin dauert die besagte Wohnnutzung nun schon seit mindestens Februar 2019 an.
27
2. Aufgrund der übereinstimmenden Erledigterklärung bezüglich der Anordnung des Beklagten, einen Bauantrag für den Carport zu stellen, war das Verfahren insoweit einzustellen.
28
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich hinsichtlich des für erledigt erklärten Teils des Streitgegenstandes aus § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO, wobei es billigem Ermessen entsprach, die Kosten dem Kläger aufzuerlegen, weil sich der angefochtene Bescheid im Zeitpunkt seiner Erledigung auch insoweit als rechtmäßig erwies. Im Übrigen ergibt sich die Kostentragungspflicht des Klägers als unterliegende Partei aus § 154 Abs. 1 VwGO.
29
4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt § 167 VwGO i.V.m. § 711 ZPO.