Inhalt

OLG München, Beschluss v. 31.08.2023 – 31 Wx 77/23 e
Titel:

Berichtigung des Personenstandsregisters bei abgeschlossenem Eintrag des Vornamens

Normenketten:
GG Art. 2 Abs. 1, Art. 6
PStG § 47, § 48 Abs. 1 S. 1, § 54
Leitsätze:
1. Gem. § 48 Abs. 1 S. 1 PStG darf ein abgeschlossener Registereintrag, sofern nicht die Voraussetzungen des § 47 PStG vorliegen, nur auf Anordnung des Gerichts berichtigt werden. Ist die Eintragung in einem Personenstandsregister abgeschlossen, so kann sie auf Anordnung des Gerichts berichtigt werden, wenn sie von Anfang an unrichtig war. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Begriff der Berichtigung setzt jedoch nicht zwingend die ursprüngliche Fehlerhaftigkeit einer Angabe voraus. Er kann auch allgemein die nachträgliche Richtigstellung falscher Angaben bezeichnen. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
3. Das Recht zur Auswahl und Bestimmung eines Vornamens ist nach allgemeiner Meinung Teil der gem. Art. 6 Abs. 2 GG grundrechtlich gewährleisteten elterlichen Sorge. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Personenstandsregister, fehlerhaft, Eintrag, Berichtigung, Aufhebung, abgeschlossener Registereintrag, Bestimmung des Vornamens, elterliche Sorge
Vorinstanz:
AG Deggendorf, Beschluss vom 25.01.2023 – 4 UR III 6/22
Fundstellen:
StAZ 2024, 85
BeckRS 2023, 23268
LSK 2023, 23268

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Antragsteller werden der Beschluss des Amtsgerichts Deggendorf vom 25.01.2023 und der Nichtabhilfebeschluss vom 14.03.2023, jeweils Az. 4 UR III 6/22, aufgehoben.
2. Der Vorname der Betroffenen lautet „F. E.“.
3. Das Geburtenregister Nr. G .../… des S. D. ist dahingehend zu berichtigen, dass als zweiter Vorname der Betroffenen „E.“ einzutragen ist.

Gründe

I.
1
Die Antragsteller sind die Eltern der Betroffenen und begehren die Eintragung eines zweiten Vornamens der Betroffenen in das Geburtenregister.
2
Erstmals mit Schreiben vom 12.10.2022 beantragten die Antragsteller beim S. D. die Eintragung des Namens „E.“ als zweiten Vornamen für ihre am ... .2005 geborene Tochter F.. Das Schreiben ist unterzeichnet mit „A… und J… L… mit F. E.“; die Tochter hat das Schreiben ebenfalls unterzeichnet. Dass der zweite Vorname nicht in der Geburtsanzeige vom 13.12.2005 genannt wurde, sei auf ein Versehen zurückzuführen. Es sei eine schwere Geburt gewesen, daher seien die Antragsteller beim Ausfüllen des Formulars wohl unkonzentriert gewesen. Die Eltern hätten den zweiten Vornamen „E.“ aus Gründen der Familientradition gewählt.
3
Unstreitig wurde die Betroffene am 06.04.2006 auf den Namen „F. E.“ getauft (vgl. Taufurkunde Bl. … d.A.). In den Zeugnissen der Grundschule B… wird sie als „F. E.“ bezeichnet (vgl. Bl. 16-22 d.A.). Sowohl die Großmutter als auch die Urgroßmutter mütterlicherseits tragen bzw. trugen den Vornamen „E.“.
4
Mit Schreiben vom 24.10.2022 legte das S. D. über die Standesamtsaufsicht beim L. D. den Antrag dem zuständigen Amtsgericht zur Entscheidung gem. § 48 PStG vor. Darin wird u.a. ausgeführt, dass das S. eine Änderung bzw. Ergänzung des Namens für vertretbar halte. Das L. D. trat mit Schreiben vom 01.12.2022 einer Ergänzung des Namens entgegen (vgl. Bl. 1 d.A.).
5
Das Amtsgericht Deggendorf wies den Antrag auf Berichtigung des Geburtenregisters mit Beschluss vom 25.01.2023 zurück. Es bestünden berechtigte Zweifel, dass die Eltern bereits bei der Geburt der Betroffenen den Vornamen „F. E.a“ gewollt hätten. Insbesondere im Personalausweis der Betroffenen, aber auch in anderen Identitätsnachweisen sei stets nur der Name „F.“ ausgewiesen.
6
Gegen diesen Beschluss wenden sich die Antragsteller mit ihrer Beschwerde vom 17.02.2023, die mit Schriftsatz vom 14.03.2023 begründet wurde. Das Amtsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass der alleinige Vorname „F.“ zum Zeitpunkt der Beurkundung dem wahren Willen der Eltern entsprach. Darüber hinaus könne eine Berichtigung auch unter dem Gesichtspunkt des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts erfolgen, denn der tatsächlich geführte Name habe die Betroffene über einen bedeutenden Zeitraum in sämtlichen Lebensbereichen begleitet und so deren Persönlichkeit gravierend mitbestimmt.
7
Das Amtsgericht half der Beschwerde mit Beschluss vom 14.03.2023 nicht ab und legte die Akten mit Verfügung vom selben Tage dem Oberlandesgericht München zur Entscheidung über die Beschwerde vor.
II.
8
Die gem. §§ 58 ff. FamFG zulässige Beschwerde ist auch begründet.
9
1. Der Senat hat im Hinblick auf eine Beschleunigung des Verfahrens im Interesse der Beteiligten und der Betroffenen davon abgesehen, gemäß § 69 Abs. 1 S. 2 FamFG unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und des Verfahrens die Sache an das Amtsgericht zurückzuverweisen, obwohl sich das Erstgericht in seinem lediglich floskelhaften Nichtabhilfebeschluss vom 14.03.2023 mit keiner Silbe mit der fundierten Beschwerdebegründung vom selben Tag auseinandergesetzt hat und insoweit viel dafür spricht, dass eine ordnungsgemäße Prüfung des Beschwerdevorbringens und somit ein ordnungsgemäßes (Nicht-) Abhilfeverfahren gem. § 68 Abs. 1 S. 1 FamFG nicht stattgefunden hat.
10
2. In der Sache erweist sich die Beschwerde unter zwei Aspekten als begründet.
11
Zum einen ist bei Gesamtwürdigung aller Umstände davon auszugehen, dass die Eltern bereits bei der Anzeige der Geburt den Willen hatten, der Betroffenen den Namen „F. E.“ zu geben. Zum anderen gebietet es das Allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG von Verfassungs wegen, hier die beantragte Ergänzung des Namens vorzunehmen.
Im Einzelnen:
12
a) Gemäß § 48 Abs. 1 S.1 PStG darf ein abgeschlossener Registereintrag, sofern nicht die Voraussetzungen des § 47 PStG (der im Wesentlichen offenkundige Schreibfehler, fehlerhafte Übertragungen aus Urkunden und ähnliche Unrichtigkeiten betrifft) vorliegen, nur auf Anordnung des Gerichts berichtigt werden. Ist die Eintragung in einem Personenstandsregister abgeschlossen, so kann sie auf Anordnung des Gerichts berichtigt werden, wenn sie von Anfang an unrichtig war (vgl. BGH NJW 1988, 1469/1470 Rn. 21, juris; BayObLG StAZ 1999, 331, juris). Der Begriff der Berichtigung setzt jedoch nicht zwingend die ursprüngliche Fehlerhaftigkeit einer Angabe voraus. Er kann auch allgemein die nachträgliche Richtigstellung falscher Angaben bezeichnen (vgl. BVerfGE 49, 286 Rn. 45 zu § 47 Abs. 1 PStG a.F.; OLG München, Beschluss vom 19. Februar 2013 – 31 Wx 92/12 –, Rn. 3; jeweils zitiert nach juris).
13
Das Recht zur Auswahl und Bestimmung eines Vornamens ist nach allgemeiner Meinung Teil der gem. Art. 6 Abs. 2 GG grundrechtlich gewährleisteten elterlichen Sorge (vgl. z.B. BVerfG NJW 2006, 1414; KG NJOZ 2010, 2347, zitiert jeweils nach beck-online). Bei gemeinsamer Erteilungszuständigkeit erfolgt die Bestimmung durch formlose Einigung der Eltern. Diese Einigung ist für die Vornamenserteilung konstitutiv. Der Eintragung kommt mithin lediglich deklaratorische Bedeutung zu (vgl. BayObLG StAZ 1999, 331, zitiert nach juris). Sie begründet nach § 54 Abs. 1 i. V. m. § 1 Abs. 1 PStG allerdings die – widerlegbare – Vermutung, dass sich die gemeinsam bestimmungsbefugten Eltern auf den/die eingetragenen Vornamen geeinigt haben (vgl. OLG Nürnberg, Beschluss vom 29.3.2018 – 11 W 2245/17, BeckRS 2018, 25794 Rn. 10, beck-online).
14
Im Berichtigungsverfahren ist zu ermitteln, ob der Eintragung eine wirksame Einigung der Eltern zugrunde lag. Der Berichtigungsantrag hat Erfolg, wenn das Geburtsregister nachweislich von Anfang an unrichtig ist, wenn also ein anderer Name als der wirksam erteilte eingetragen ist. Dies ist der Fall, wenn die richtige Namensanzeige unrichtig beurkundet oder wenn die Anzeige richtig beurkundet ist, aber nicht dem wahren Willen der berechtigten Namensgeber entsprach (vgl. OLG Nürnberg a.a.O., Rn. 12).
15
Im vorliegenden Fall tragen die Beteiligten schlüssig und glaubhaft Umstände vor, die eine Berichtigung gebieten. Die Betroffene wurde kurze Zeit (knapp vier Monate) nach ihrer Geburt auf den Namen „F. E.“ getauft. Die Angabe, dass die Namensgebung „E.“ der Familientradition entspreche, ist glaubhaft, denn es ist unstreitig, dass sowohl die Großmutter als auch die Urgroßmutter mütterlicherseits den Vornamen „E.“ tragen bzw. trugen. Ebenfalls unstreitig ist, dass die Betroffene in der Schule unter dem Namen „F. E.“ geführt wird. Soweit die Beschwerdeführer angeben, die fehlende Nennung des zweiten Vornamens in der Geburtsanzeige habe auf einem Versehen und fehlender Konzentration wegen der schweren Geburt beruht, ist dies als solches vorstellbar und nicht widerlegbar. Zwar sieht der Senat auch, dass im Personalausweis der Betroffenen nur der Name „F.“ genannt wird, allerdings reicht das nach Überzeugung des Senats im Rahmen einer Gesamtwürdigung aller Umstände nicht aus, davon auszugehen, dass es nicht dem gemeinsamen Willen der Eltern entsprach, dass die Betroffene den zweiten Vornamen „E.“ tragen sollte.
16
b) Darüber hinaus gebietet es das Allgemeine Persönlichkeitsrecht der Betroffenen aus Art.2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG, die beantragte Berichtigung des Registereintrags vorzunehmen.
17
Geschützt durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht dient der Name eines Menschen nicht nur als Unterscheidungs- und Zuordnungsmerkmal, sondern ist darüber hinaus Ausdruck seiner Identität und Individualität. Dem heranwachsenden Kind hilft er, seine Identität zu finden und gegenüber anderen zum Ausdruck zu bringen. Die Namensgebung soll dem Kind die Chance für die Entwicklung seiner Persönlichkeit eröffnen und seinem Wohl dienen, dessen Wahrung den Eltern als Recht und Pflicht gleichermaßen anvertraut ist. Dies gilt insbesondere für die Wahl des Vornamens, der ausschließlich der Individualität einer Person Ausdruck verleiht, den Einzelnen bezeichnet und diesen von anderen unterscheidet (BVerfG NJW 2002, 1256, 1257; BVerfGE 97, 391, 399; BVerfG StAZ 2001, 207, 208; BVerfG NJW 2004, 1155; OLG München, Beschluss vom 19. Februar 2013 – 31 Wx 92/12 –, Rn. 6; jeweils zitiert nach juris). Auf Seiten des Namensträgers ist insbesondere zu berücksichtigen, ob sich im Vertrauen auf die Beständigkeit der Namensführung bereits eine schutzwürdige soziale Identität mit dem bislang geführten Namen bilden konnte (vgl. BGH Beschluss vom 21.9.2022 – XII ZB 504/21, BeckRS 2022, 30951 Rn. 17, beck-online). Wenn sich für einen Menschen durch den tatsächlich geführten Namen eine Identität und Individualität des Namensträgers herausgebildet und verfestigt hat und sich im Vertrauen auf die Richtigkeit der Namensführung auch herausbilden durfte, ist auch der tatsächlich geführte Name jedenfalls dann vom Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts umfasst, wenn er über einen nicht unbedeutenden Zeitraum die Persönlichkeit des Trägers tatsächlich mitbestimmt hat und ein entsprechender Vertrauenstatbestand vorliegt (vgl. BVerfG, Beschluss vom11.04.2021, 1 BvR 1646/97 = NJWE-FER 2001, 193; BGH, Beschluss vom 21.9.2022, XII ZB 504/21 = BeckRS 2022, 30951 Rn. 21; jeweils zitiert nach beck-online). Zwar muss dagegen das öffentliche Interesse an der Richtigkeit von Eintragungen in Personenstandsregistern abgewogen werden, diese Abwägung ergibt hier aber zu Gunsten der Betroffenen, dass die Berichtigung des Registers vorzunehmen ist. Die aktuell 17-jährige Betroffene hat über ihr gesamtes bisheriges Leben den zweiten Vornamen geführt. Sie ist auf den Namen getauft und ist in der Schule mit beiden Vornamen geführt worden. Hinzu kommt, dass sowohl ihre Großmutter als auch ihre Urgroßmutter den Namen „E.“ tragen bzw. trugen, was unter Aspekten der Familientradition und der familiären Zusammengehörigkeit von besonderer Bedeutung ist.
III.
18
Von einer Kostenentscheidung wird abgesehen.
19
Gemäß § 25 GNotKG fallen bei einer erfolgreichen Beschwerde für den Beschwerdeführer keine Kosten an. Im Übrigen sind die als Kostenschuldner für die Gerichtskosten allein in Betracht kommenden Beteiligten zu 3) und 4) gemäß § 51 Abs. 1 Satz 2 PStG von der Zahlung befreit.
20
Eine Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten der Beteiligten zu 1) und 2) ist nicht veranlasst. Gemäß § 81 Abs. 1 S.1 FamFG kann das Gericht die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen. Hinreichende Gründe, hier den Beteiligten zu 3) und 4) die Tragung der außergerichtlichen Kosten der Beteiligten zu 1) und 2) aufzuerlegen, sieht der Senat nicht. Dabei hat der Senat insbesondere berücksichtigt, dass der falsche Eintrag in das Register durch die Beteiligten zu 1) und 2) veranlasst wurde. Im Übrigen liegt die Entscheidungsbefugnis für die Berichtigung des Registereintrags nicht bei den Beteiligten zu 3) und 4), sondern gemäß § 48 Abs. 1 S.1. PStG beim zuständigen Amtsgericht.
21
Angesichts des Vorstehenden erübrigt sich auch die Festsetzung eines Gegenstandswerts für das Beschwerdeverfahren.
IV.
22
Ein Anlass für die Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 70 Abs. 2 Satz 1 FamFG besteht nicht. Die entscheidungserheblichen Rechtsfragen sind höchstrichterlich geklärt. Die Erwägungen, auf die sich die vorliegende Beschwerdeentscheidung stützt, sind allein auf den gegebenen Einzelfall bezogen.