Inhalt

OLG Bamberg, Beschluss v. 09.08.2023 – 7 W 26/23
Titel:

Höhe des einem Nachlasspfleger zustehenden Stundensatzes

Normenketten:
BGB § 1888 Abs. 1, Abs. 2
VBVG § 3
Leitsätze:
1. Die Höhe des dem Nachlasspfleger zustehenden Stundensatzes richtet sich, wenn der Nachlass nicht mittellos ist, gemäß § 1888 Abs. 1 und 2 BGB nach den für die Führung der Pflegschaft nutzbaren Fachkenntnissen des Pflegers sowie nach dem Umfang und der Schwierigkeit des Geschäftes. (Rn. 6)
2. Feste Stundensätze für die Tätigkeit des Nachlasspflegers sind dem Gesetz nicht zu entnehmen. Je nach Schwierigkeitsgrad der Verwaltung sind jedoch Stundensätze zuzusprechen, die deutlich über den Sätzen des § 3 VBVG, der für einen mittellosen Nachlass anwendbar ist, liegen. (Rn. 7)
Schlagworte:
Nachlasspfleger, Vergütung, Stundensatz
Vorinstanzen:
AG Aschaffenburg, Beschluss vom 10.07.2023 – 561 VI 432/21
AG Aschaffenburg, Beschluss vom 09.05.2023 – 561 VI 432/21
Fundstellen:
FamRZ 2024, 548
JurBüro 2023, 604
ErbR 2023, 961
ZEV 2024, 56
LSK 2023, 23231
BeckRS 2023, 23231
ZErb 2023, 465

Tenor

1. Die Beschwerde des Beteiligten F. gegen den Beschluss des Amtsgerichts Aschaffenburg – Zweigstelle Alzenau i.Ufr. vom 09.05.2023 wird zurückgewiesen.
2. Der Beteiligte F. trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Der Wert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.000 € festgesetzt.

Gründe

I.
1
Mit Beschluss vom 09.05.2023 setzte das Nachlassgericht die Vergütung des mit Beschluss vom 03.08.2021 zur Ermittlung der Erben bestellten Nachlasspflegers für dessen Tätigkeit in der Zeit vom 20.08.2021 bis 11.03.2023 auf (53,50 Stunden x 110 € + 19% Mwst. =) 7.003,15 € fest.
2
Der als Miterbe festgestellte Beteiligte F. legte gegen diese ihm am 11.05.2023 zugestellte Entscheidung mit Schreiben vom 27.05.2023, eingegangen beim Nachlassgericht am 02.06.2023, Beschwerde ein und erklärte, er habe das Erbe im Januar 2022 bei einer Notarin in L. ausgeschlagen und die Erklärung an das Nachlassgericht geleitet.
3
Das Amtsgericht teilte dem Beteiligten daraufhin mit Schreiben vom 07.06.2023 mit, dass eine Erklärung über die Ausschlagung hier nicht vorliege. Der Beschwerdeführer hat auf dieses Schreiben nicht reagiert.
4
Mit Beschluss vom 10.07.2023 half das Amtsgericht der Beschwerde nicht ab und legte die Akten dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vor. Die Kosten des Nachlasspflegers seien entstanden und auch in der Höhe ordnungsgemäß berechnet. Die nutzbaren Fachkenntnisse sowie der Umfang und die Schwierigkeit der Nachlasspflegschaft würden die Vergütung in der bewilligten Höhe rechtfertigen. Eine Ausschlagungserklärung liege nicht vor.
II.
5
Die nach §§ 58 ff FamFG, 11 Abs. 1 RPflG zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist nicht begründet und muss deswegen zurückgewiesen werden. Das Amtsgericht hat die dem (berufsmäßigen) Nachlasspfleger zustehende Vergütung zutreffend festgesetzt.
6
1) Die Höhe des dem Nachlasspfleger zustehenden Stundensatzes richtet sich – da § 3 VBVG nur bei mittellosem Nachlass anwendbar ist – gemäß § 1888 Abs. 1 und 2 BGB nach den für die Führung der Pflegschaft nutzbaren Fachkenntnissen des Pflegers sowie nach dem Umfang und der Schwierigkeit des Geschäftes (Grüneberg / Weidlich, BGB, 82. Auflage, 2023, § 1960 Rn. 22 ff).
7
Feste Stundensätze für die Tätigkeit des Nachlasspflegers sind dem Gesetz nicht zu entnehmen. Inzwischen werden von den Gerichten – insbesondere für anwaltliche Nachlasspfleger – je nach Schwierigkeitsgrad der Verwaltung Stundensätze zugesprochen, die deutlich über den Sätzen des § 3 VBVG (maximal 39 €) liegen (Grünberg / Weidlich, a.a.O.).
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Bei der Beurteilung des Schwierigkeitsgrades werden unter anderem die Struktur des Aktiv- und Passiv-Nachlasses, das Auftauchen schwieriger Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Ermittlung der Erben oder Verwaltung, größere Haftungsgefahren etwa bei großem, differenziert angelegtem Vermögen und die Frage berücksichtigt, ob der Erblasser an Unternehmen oder Erbengemeinschaften beteiligt war. Auch die Dauer der Pflegschaft und das Ausmaß der damit verbundenen Verantwortung können sich auf die Vergütungshöhe auswirken. Vielfach wird in neueren obergerichtlichen Entscheidungen zwischen einfachen, mittleren und schwierigen Pflegschaften unterschieden, wobei für Nachlässe mittleren Schwierigkeitsgrades in der Vergangenheit von einzelnen Oberlandesgerichten ein Stundensatz von 100 € bis 110 € angesetzt wurde (so zum Beispiel: OLG Celle RPfleger 2012, 257; KG FamRZ 2012, 818; OLG Stuttgart Rpfleger 2013, 396; OLG Hamm FGPrax 2014, 165; OLG Köln FamRZ 2021, 897).
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2) Hiervon ausgehend ist vorliegend der vom Amtsgericht zuerkannte Stundensatz von 110 € zzgl. Mehrwertsteuer insbesondere im Hinblick auf die Vielzahl der Personen, die als Erbe in Betracht kamen, nicht zu beanstanden.
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Gleiches gilt für die Feststellung des Zeitaufwandes. Der Nachlasspfleger hatte den Umfang seiner Tätigkeit durch den von ihm vorgelegten Tätigkeitsnachweis hinreichend genau dokumentiert.
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3) Dass der Beschwerdeführer behauptet, er habe das Erbe wirksam ausgeschlagen, ändert am Ergebnis nichts. Ist dieser Vortrag zutreffend, dann fehlt dem Beteiligten F. bereits die Beschwerdebefugnis nach § 59 FamFG (vgl. Jokisch in Sternal, FamFG, 21. Auflage, 2023, § 59 Rn. 86). Die Beschwerde hätte in diesem Fall (ebenfalls kostenpflichtig) als unzulässig verworfen werden müssen.
III.
12
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG. Die Beschwerde blieb ohne Erfolg.
13
Die Festsetzung des Wertes für das Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 36, 61 GNotKG und richtet sich nach dem geschätzten wirtschaftlichen Interesse des Beschwerdeführers an der Herabsetzung der Vergütung.
14
Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde sind nicht gegeben (§ 70 Abs. 2 FamFG).