Inhalt

OLG Bamberg, Hinweisbeschluss v. 22.08.2023 – 5 U 242/22
Titel:

Kein Schadensersatzanspruch des Erwerbers eines Diesel-Fahrzeugs mit Thermofenster und Fahrkurvenerkennung

Normenketten:
BGB § 31, § 823 Abs. 2, § 826
EG-FGV § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1
Fahrzeugemissionen-VO Art. 5 Abs. 2
Leitsätze:
1. Der Fahrzeughersteller kann sich auf einen unvermeidbaren Verbotsirrtum berufen, wenn seine Rechtsauffassung von Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 bei entsprechender Nachfrage von der für die EG-Typgenehmigung oder für anschließende Maßnahmen zuständigen Behörde bestätigt worden wäre (hypothetische Genehmigung).   (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
2. Steht fest, dass eine ausreichende Erkundigung des einem Verbotsirrtum unterliegenden Schädigers dessen Fehlvorstellung bestätigt hätte, scheidet eine Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB infolge eines unvermeidbaren Verbotsirrtums auch dann aus, wenn der Schädiger eine entsprechende Erkundigung nicht eingeholt hat.  (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine Entlastung setzt allerdings voraus, dass der Fahrzeughersteller nicht nur allgemein darlegt, dass die Behörde Abschalteinrichtungen der verwendeten Art genehmigt hätte, sondern dass ihm dies auch unter Berücksichtigung der konkret verwendeten Abschalteinrichtung in allen für die Beurteilung nach Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 maßgebenden Einzelheiten gelingt. Haben mehrere Abschalteinrichtungen Verwendung gefunden, muss der Tatrichter die Einzelheiten der konkret verwendeten Kombination für die Frage einer hypothetischen Genehmigung in den Blick nehmen. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Schadensersatz, sittenwidrige Schädigung, Schutzgesetz, Kfz-Hersteller, Dieselskandal, unzulässige Abschalteinrichtung, EA 288, Thermofenster, Fahrkurvenerkennung, Verbotsirrtum
Vorinstanz:
LG Würzburg, Urteil vom 26.07.2022 – 11 O 270/22
Fundstelle:
BeckRS 2023, 22942

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Würzburg vom 26.07.2022, Az. 11 O 270/22, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
2. Der Senat beabsichtigt weiter, dem Kläger die Kosten des Berufungsverfahrens aufzuerlegen und den Streitwert für die Berufung auf 4.072,50 € festzusetzen.
3. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 15.09.2023.

Entscheidungsgründe

A.
1
Die Berufung des Klägers hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg, weil das angefochtene Urteil weder auf einer Rechtsverletzung beruht, noch die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, § 513 Abs. 1, § 546 ZPO).
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Dem Kläger stehen gegen die Beklagte unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Schadensersatzansprüche zu.
I.
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Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Schadensersatz gemäß §§ 826, 31 BGB, weil die Tatbestandsvoraussetzungen dieses Anspruchs nicht gegeben bzw. nicht hinreichend vorgetragen sind.
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1. Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten. Die besondere Verwerflichkeit kann sich zum einen aus einer evidenten Unzulässigkeit der Motorsteuerung – wie sie bspw. für den Fall der „Umschaltlogik“ im Motor EA 189 festgestellt wurde – ergeben (vgl. BGH, Beschluss vom 21.03.2022 – VIa ZR 334/21, Rn. 22). Sie kann sich zum anderen aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben (vgl. BGH, Urt. v. 25.05.2020 – ZR 252/19, Rn. 15; Beschluss vom 19.01.2021 – ZR 433/19, Rn. 14; Urt. v. 13.07.2021 -ZR 128/20, Rn. 11; Beschluss vom 21.03.2022 – VIa ZR 334/21, Rn. 18).
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Deshalb reicht bei einer auf dem Prüfstand wie auch im Realbetrieb gleichsam wirkenden Abschalteinrichtung deren Vorhandensein für sich genommen nicht aus, um eine objektive Sittenwidrigkeit des Verhaltens der Beklagten zu begründen. Es bedarf vielmehr weiterer Umstände, die das Verhalten der für die Beklagte handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen lassen. Dabei trägt die Darlegungs- und Beweislast für diese Voraussetzung nach allgemeinen Grundsätzen der Kläger als Anspruchsteller (vgl. BGH, Beschluss vom 19.01.2021 aaO, Rn. 19; Urt. v. 13.07.2021 aaO, Rn. 13). Die Annahme von Sittenwidrigkeit setzt jedenfalls voraus, dass die für die Beklagte handelnden Personen bei der Entwicklung und/oder Verwendung einer bestimmten Steuerung des Emissionskontrollsystems in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen. Fehlt es hieran, ist bereits der objektive Tatbestand der Sittenwidrigkeit nicht erfüllt (vgl. BGH, Urt. v. 13.07.2021 aaO, Rn. 13; BGH Urt. v. 16.09.2021 – ZR 321/20, Rn. 16).
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2. Nach diesen Maßstäben liegt ein sittenwidriges Verhalten der Beklagten nicht deshalb vor, weil sie das streitgegenständliche Fahrzeug unstreitig mit einer Fahrkurvenerkennung ausgestattet hat, die bewirkt, dass der NOx-Speicherkatalysator (NSK) zu Beginn der NEFZ-Prüffahrt nahezu leer ist, und dass innerhalb des NEFZ der NSK an zeitlich genau definierten Punkten, d. h. nach jeweils ca. 5 km, regeneriert.
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Denn zum einen sind keine hinreichenden Umstände dargetan, die die Sittenwidrigkeit des Verhaltens der Beklagten begründen könnten. Zum anderen hat die Beklagte die Behauptung des Klägers bestritten, dass der Mechanismus Einfluss auf das Emissionsverhalten hat. Hierfür liegen keine greifbaren Anhaltspunkte vor. Schließlich fehlt es insoweit auch an einem besonders verwerflichen Verhalten der Beklagten und damit an der Sittenwidrigkeit ihres Handelns.
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a) Der Sachvortrag des Klägers reicht bereits nicht aus, um eine Sittenwidrigkeit des Verhaltens der Beklagten zu begründen. Selbst wenn es sich bei dem beschriebenen Mechanismus um eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 3 Nr. 10, Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung EG 715/2007 handeln sollte, reicht dieser Umstand allein nicht aus, um eine Haftung der Beklagten zu begründen. Denn es ist auch im normalen Fahrbetrieb ohne weiteres möglich, dass es auf einer Fahrstrecke, die dem NEFZ im wesentlichen entspricht, zu genau 2 NSK-Regenerationen kommt. Denn auch im normalen Fahrbetrieb kann der NOx-Speicherkatalysator bei Beginn der Fahrt leer sein, nämlich dann, wenn das Fahrzeug unmittelbar oder kurz nach der zuletzt ausgelösten Regeneration abgestellt wurde. Damit aber funktioniert die Fahrkurvenerkennung auch nach dem Vortrag des Klägers im realen Fahrbetrieb und im Prüfstandsbetrieb im wesentlichen in gleicher Weise.
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Für die Annahme von Sittenwidrigkeit bedarf es daher weiterer Umstände, die das Verhalten der für die Beklagte handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen lassen. Derartige Umstände hat der insoweit darlegungs- und beweisbelastete Kläger nicht vorgetragen. Insbesondere ergeben sich aus einer etwaigen unterbliebenen Offenlegung der genauen Wirkungsweise der Fahrkurve keine Anhaltspunkte dafür, dass für die Beklagte tätige Personen in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden. Selbst wenn die Beklagte im Typgenehmigungsverfahren – erforderliche – Angaben hierzu unterlassen haben sollte, wäre die Typgenehmigungsbehörde nach dem Amtsermittlungsgrundsatz gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 und 2 VwVfG gehalten gewesen, diese zu erfragen, um sich in die Lage zu versetzen, die Zulässigkeit der Abschalteinrichtung zu prüfen (BGH Beschluss vom 29.09.2021 – ZR 126/21, Tz. 20).
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b) Darüber hinaus liegen keine greifbaren Anhaltspunkte dafür vor, dass die Fahrkurve und ihre Steuerung des NSK Auswirkungen auf das Emissionsverhalten hat.
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a) Der Senat verkennt dabei nicht, dass eine unter Beweis gestellte Behauptung erst dann unbeachtlich ist, wenn sie ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhaltes willkürlich „aufs Geratewohl“ oder „ins Blaue hinein“ aufgestellt worden ist. Bei der Annahme von Willkür in diesem Sinne ist Zurückhaltung geboten; in der Regel wird sie nur bei Fehlen jeglicher tatsächlicher Anhaltspunkte gerechtfertigt werden können. Es ist einer Partei grundsätzlich nicht verwehrt, eine tatsächliche Aufklärung auch hinsichtlich solcher Umstände zu verlangen, über die sie selbst kein zuverlässiges Wissen besitzt und auch nicht erlangen kann, die sie aber nach Lage der Verhältnisse für wahrscheinlich oder möglich hält. Dies gilt insbesondere dann, wenn sie sich nur auf vermutete Tatsachen stützen kann, weil sie mangels Sachkunde und Einblick in die Produktion des von der Gegenseite hergestellten und verwendeten Fahrzeugmotors einschließlich des Systems der Abgasrückführung oder -verminderung keine sichere Kenntnis von Einzeltatsachen haben kann (BGH, Beschluss vom 28.01.2020 – ZR 57/19, Rn. 7 f.; Urt. v. 13.07.2021 aaO, Rn. 20 ff.).
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b) Jedoch ist auch nach diesen Maßstäben der Sachvortrag des Klägers im vorliegenden Fall nicht hinreichend substantiiert.
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(1) Das Kraftfahrtbundesamt (im folgenden: KBA) hat für den streitgegenständlichen Fahrzeugtyp unstreitig weder einen Rückruf noch ein verpflichtendes Softwareupdate angeordnet. Im Gegenteil hat das KBA ausweislich der von der Beklagten vorgelegten, vom Kläger inhaltlich nicht bestrittenen Auskünfte den streitgegenständlichen Motor EA 288 in zahlreichen mit dem streitgegenständlichen Fahrzeugtyp vergleichbaren Fahrzeugtypen einer eingehenden und umfassenden Überprüfung unterzogen. Hierbei ist nach dem Inhalt der Auskünfte bei keinem Fahrzeug, das ein Aggregat EA 288 enthält, eine unzulässige Abschalteinrichtung festgestellt worden. Insbesondere führt das KBA aus, dass die Fahrkurvenerkennung nach seinen Untersuchungen keinen Einfluss auf die Emissionen hat (vgl. Anl. B 24, B 25 sowie die im Berufungsverfahren vorgelegte Auskunft des KBA an das LG Dortmund v. 03.11.2022 für ein mit dem streitgegenständlichen Fahrzeug hinsichtlich Hubraum, Leistung und Schadstoffklasse identisches Fahrzeug sowie Anl. B 15).
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(2) Vor dem Hintergrund der umfassenden Untersuchungen des KBA als für die EG-Typgenehmigung und für anschließende Maßnahmen zuständige Fachbehörde reichen die vom Kläger vorgetragenen Umstände für die substantiierte Darlegung einer Beeinflussung des Emissionsverhaltens durch die Fahrkurvenerkennung nicht aus.
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Die vorgetragenen Messergebnisse, insbesondere der DUH und des Dr. P., und die Presseberichte sind vor dem Hintergrund der dargelegten Untersuchungen des KBA ohne Substanz. Es ist insbesondere allgemein bekannt, dass die für das NEFZ-Verfahren maßgeblichen Werte nicht mit den im Realbetrieb auf der Straße gemessenen Werten vergleichbar sind. Die – ohnehin nur verkürzt vorgelegte und aus dem Zusammenhang gerissene – Aussage des ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der Beklagten ist inhaltlich in Bezug auf den vorliegenden Fahrzeugtyp nichtssagend und zudem bereits 2017 erfolgt und damit angesichts der vorgelegten neueren Untersuchungen des KBA offensichtlich überholt. Die vom Kläger für die USA geschilderten Vorgänge besitzen für das vorliegende für den europäischen Raum gefertigte und europäischen Abgasvorschriften unterliegende Fahrzeug gleichfalls keine Aussagekraft.
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Die sogenannte „Entscheidungsvorlage: Applikationsrichtlinien und Freigabevorgaben EA 288“ stellt ebenfalls kein ausreichendes Indiz für eine Beeinflussung des Emissionsverhaltens durch die Fahrkurvenerkennung dar. Aus diesem Dokument folgt nicht, dass – wie das KBA in den von der Beklagten vorgelegten Auskünften auch bestätigt hat – die hinterlegte Fahrkurve einen Einfluss auf das Emissionsverhalten hat.
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Das vom Kläger vorgelegte Privatgutachten des Dr. H. besitzt ebenfalls keinerlei Aussagekraft, da dieses lediglich das unstreitige Vorliegen einer Fahrkurvenerkennung belegen kann, jedoch keine hierdurch verursachte Beeinflussung des Emissionsverhaltens dargelegt wird.
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Alleine die Tatsache, dass ein anderer Motortyp der Beklagten mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehen war (EA 189), kann keinen greifbaren Anhaltspunkt für die auf den Motor EA 288 bezogenen Behauptungen des Klägers darstellen.
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Soweit sich der Kläger – ohne weitere Einzelheiten darzulegen – darauf beruft, dass das KBA bei einem VW T6 einen Rückruf angeordnet hat, ist dieser Fahrzeugtyp – es handelt sich hierbei um einen Bus – mit dem vorliegenden Fahrzeugtyp nicht vergleichbar.
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c) Eine Haftung der Beklagten nach § 826 BGB kommt auch deshalb nicht in Betracht, weil ein besonders verwerfliches Verhalten der Beklagten vor dem Hintergrund der (zum Genehmigungszeitpunkt) unsicheren Rechtslage bei der Beurteilung der Zulässigkeit von etwaigen zum Motorschutz erforderlichen Abschalteinrichtungen nicht vorgelegen hat. Eine allenfalls fahrlässige Verkennung der Rechtslage genügt für die Feststellung der besonderen Verwerflichkeit des Verhaltens der Beklagten nicht (vgl. BGH Urt. v. 16.9.2021 – ZR 190/20, Rn. 31).
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Bereits aus der Entscheidung des EuGH (Urt. v. 17.12.2020, Az. C-693/18) in Bezug auf die Unzulässigkeit eines Thermofensters lässt sich entnehmen, dass bis zu diesem Zeitpunkt eine breit geführte Diskussion um Abschalteinrichtungen und deren Zulässigkeit im Allgemeinen geführt wurde. Aus den von der Beklagten vorgelegten Auskünften des KBA ergibt sich überdies – wie bereits ausgeführt – dass das KBA als für die Erteilung der Typgenehmigung zuständige Behörde von der Zulässigkeit der Fahrkurvenerkennung ausgeht, insbesondere davon, dass diese keinen Einfluss auf die Emissionen hat. Vor diesem Hintergrund kann das Verhalten der Beklagten nicht als besonders verwerflich angesehen werden.
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3. Auch im Hinblick auf das Thermofenster kommt eine Haftung der Beklagten wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nicht in Betracht.
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a) Das sog. Thermofenster wirkt unstreitig auf dem Prüfstand wie auch im Realbetrieb in gleicher Weise. Es gilt daher das oben unter 2. a) ausgeführte entsprechend.
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b) Eine Haftung wegen der Verwendung eines Thermofensters kommt auch deshalb nicht in Betracht, weil ein besonders verwerfliches Verhalten der Beklagten – ebenso wie bei der Fahrkurvenerkennung – vor dem Hintergrund der (zum Genehmigungszeitpunkt) unsicheren Rechtslage bei der Beurteilung der Zulässigkeit des Thermofensters nicht vorgelegen hat. Es auch insoweit auf die obigen Ausführungen Bezug genommen werden. Wie sich aus den vorgelegten Auskünften des KBA ergibt, hat dieses auch ein Thermofenster für zulässig erachtet (vgl. Anl. B 38 und B 48).
II.
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Auch andere Anspruchsgrundlagen können den mit dem Hauptantrag geltend gemachten Rückabwicklungsanspruch nicht begründen.
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a) Ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit §§ 263 StGB, 31 BGB scheitert bereits an einer Täuschungshandlung durch verfassungsmäßig berufene Vertreter der Beklagten und jedenfalls an fehlender Bereicherungsabsicht und der in diesem Zusammenhang erforderlichen Stoffgleichheit des erstrebten rechtswidrigen Vermögensvorteils mit einem etwaigen Vermögensschaden (BGH, Urt. v. 30.07.2020 – ZR 5/20, Rn. 18 ff.).
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b) Auf § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV kann das Rückabwicklungsbegehren nicht gestützt werden (vgl. BGH, Urteil v. 26.06.2023 – VIa ZR 335/21, Tz. 18).
III.
28
Dem Kläger steht auch nicht der hilfsweise geltend gemachte Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV auf Ersatz des Differenzschadens zu.
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1. Für einen Einfluss der Fahrkurvenerkennung auf das Emissionsverhalten fehlt es an greifbaren Anhaltspunkten (vgl. oben unter 2. b). Damit kann diesbezüglich bereits nicht vom Vorliegen einer Abschalteinrichtung i.S.d. Art. 3 Nr. 10 der Verordnung (EG) 715/2007 und damit von der Verletzung eines Schutzgesetzes ausgegangen werden.
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Gleiches gilt für das Thermofenster. Dieses stellt in seiner konkreten Ausgestaltung nach den Maßstäben der Rechtsprechung des EuGH (vgl. EuGH, Urt. v. 14.07.2022 – C-128/20, NJW 2022, 2605, Tz. 31 ff.) ebenfalls keine Abschalteinrichtung i.S.d. Art. 3 Nr. 10 der Verordnung (EG) 715/2007 dar, weil vorliegend die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems unter Bedingungen, die bei normalem Fahrzeugbetrieb im Unionsgebiet vernünftigerweise zu erwarten sind, gerade nicht verringert wird. Dies ergibt sich daraus, dass nach dem unbestrittenen Vorbringen der Beklagten ein Einfluss auf das Emissionsverhalten nur unterhalb einer Temperatur von -24° C und oberhalb von 70° C stattfindet. Bereits diese Parameter legen es nahe, dass ein unverändert funktionierendes Gesamtsystem unter den vernünftigerweise zu erwartenden Bedingungen des normalen Fahrbetriebs im gesamten Unionsgebiet gegeben ist. Gegenteiliges wird vom darlegungs- und beweisbelasteten Kläger (vgl. BGH, Urteil v. 26.06.2023 aaO, Tz. 53) auch nicht behauptet.
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2. Es kommt hinzu, dass sich die Beklagte unter den im vorliegenden Fall gegebenen Umständen auf einen unvermeidbaren Verbotsirrtum berufen kann.
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a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann sich der Fahrzeughersteller u. a. dann auf einen unvermeidbaren Verbotsirrtum berufen, wenn seine Rechtsauffassung von Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 bei entsprechender Nachfrage von der für die EG-Typgenehmigung oder für anschließende Maßnahmen zuständigen Behörde bestätigt worden wäre (hypothetische Genehmigung). Steht fest, dass eine ausreichende Erkundigung des einem Verbotsirrtum unterliegenden Schädigers dessen Fehlvorstellung bestätigt hätte, scheidet eine Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB infolge eines unvermeidbaren Verbotsirrtums auch dann aus, wenn der Schädiger eine entsprechende Erkundigung nicht eingeholt hat. Eine Entlastung auf dieser Grundlage setzt allerdings voraus, dass der Fahrzeughersteller nicht nur allgemein darlegt, dass die Behörde Abschalteinrichtungen der verwendeten Art genehmigt hätte, sondern dass ihm dies auch unter Berücksichtigung der konkret verwendeten Abschalteinrichtung in allen für die Beurteilung nach Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 maßgebenden Einzelheiten gelingt. Haben mehrere Abschalteinrichtungen Verwendung gefunden, muss der Tatrichter die Einzelheiten der konkret verwendeten Kombination für die Frage einer hypothetischen Genehmigung in den Blick nehmen (BGH, Urt. v. 26.06.2023 aaO, Tz. 65 f.).
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b) Im vorliegenden Fall hat das KBA als die für die EG-Typgenehmigung oder für anschließende Maßnahmen zuständige Behörde bezogen auf den im streitgegenständlichen Fahrzeug verbauten Motor EA 288 bestätigt, dass es die Fahrkurvenerkennung nicht als unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 ansieht. Dies hat das KBA für zahlreiche mit dem Motor EA 288 ausgestattete Fahrzeuge mit unterschiedlichen Hubräumen und für die Schadstoffklassen Euro 5 und Euro 6 ausgeführt. Es hat dabei jeweils das gesamte Emissionskontrollsystem und seine Komponenten – also im vorliegenden Fall auch die Kombination mit dem Thermofenster – untersucht, insbesondere auch bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug VW Golf Sportsvan, 1,6 l TDI, 81 kw, Euro 6. Dabei ist eine Unzulässigkeit dieser Funktionen nach seiner Ansicht nicht gegeben. Die Fahrkurve hat insbesondere keinen Einfluss auf die Emissionen.
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Das KBA teilt insbesondere auch die Rechtsansicht der Beklagten, wonach es darauf ankommt, dass auch bei einer Deaktivierung der Fahrkurvenfunktion die Grenzwerte in den Prüfverfahren zur Untersuchung der Auspuffemissionen nicht überschritten werden und deshalb keine unzulässige Abschalteinrichtung vorliegt (vgl. beispielhaft Anl. B 18, B 23, B 26).
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Es steht daher fest, dass das KBA, hätte sich die Beklagte bei ihm nach seiner Auffassung erkundigt, die Ansicht der Beklagten zur Zulässigkeit der Wirkungsweise des im streitgegenständlichen Fahrzeug verbauten Emissionskontrollsystems bestätigt hätte. Ein – auch nur fahrlässiges – Verhalten der Beklagten scheidet damit aus.
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3. Schließlich kann ein Anspruch auf Ersatz des Differenzschadens jedenfalls rechnerisch nicht bestehen.
37
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. Urt. v. 26.06.2023 aaO, Tz. 44, 80) ist die Berechnung des Differenzschadens nach den Grundsätzen des kleinen Schadensersatzes (vgl. BGH, Urt. v. 24.01.2022 – VIa ZR 100/21, Tz. 16 ff.) vorzunehmen. Diese Berechnung gestaltet sich wie folgt:
„Auf den zu ermittelnden Minderwert des Fahrzeugs im Zeitpunkt des Erwerbs hat sich der Käufer die Wertverbesserung durch das Aufspielen des Softwareupdates anrechnen zu lassen. Zudem hat er sich den Restwert des Fahrzeugs und die gezogenen Nutzungen anrechnen zu lassen, soweit sie den tatsächlichen Wert des Fahrzeugs bei Abschluss des Kaufvertrags übersteigen.“
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Vorliegend hat der Kläger das streitgegenständliche Fahrzeug zu einem Kaufpreis von 16.290,00 € bei einem Kilometerstand von 11.300 km erworben und damit (mindestens) 139.571 Kilometer zurückgelegt. Er behauptet eine merkantile Wertminderung im Erwerbszeitpunkt von 15%.
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Unter Zugrundelegung dieser Zahlen hat er sich auf den behaupteten Anspruch von 2.443,50 € zum einen eine eventuelle Wertverbesserung durch ein eventuelles Softwareupdate anrechnen zu lassen. Diese bedarf vorliegend keiner Bezifferung, da die weiteren Anrechnungsposten des Restwerts und des Nutzungsersatzes, soweit sie den Wert des Fahrzeugs bei Abschluss des Kaufvertrags übersteigen, den Betrag von 2.443,50 € bereits vollständig aufzehren. Denn der anzusetzende Nutzungsersatz von 9.524,98 € (auf Grundlage der linearen Methode und unter Zugrundelegung einer Gesamtlaufleistung von 250.000 Kilometern bei mindestens gefahrenen 139.571 Kilometern) übersteigt zusammen mit einem Restwert, den der Senat bereits auf Grundlage der allgemeinen Lebenserfahrung sowie auf Grundlage öffentlich zugänglicher Quellen äußerst vorsichtig auf 8.000,00 € schätzt, den behaupteten tatsächlichen Wert bei Vertragsschluss von 13.846,50 € so deutlich, dass ein ersatzfähiger Schaden nicht verbleiben kann.
IV.
40
Die weiteren Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO liegen vor. Der Fall hat weder Grundsatzbedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts. Es handelt sich um die Subsumtion eines Einzelfalls unter bereits vom Bundesgerichtshof aufgestellte Rechtsgrundsätze.
41
Auch eine mündliche Verhandlung ist in der vorliegenden Sache nicht veranlasst, § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO.
B.
42
Der Senat beabsichtigt außerdem, dem Kläger gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des Berufungsverfahrens aufzulegen und den Streitwert wie oben angegeben festzusetzen. Auf die bei einer Berufungsrücknahme in Betracht kommende Gerichtsgebührenermäßigung (vgl. KV-Nrn. 1220, 1222) wird vorsorglich hingewiesen. Im Falle der Rücknahme der Berufung verringern sich die Gerichtsgebühren von dem 4,0-fachen auf das 2,0-fache der Gebühr. gez.