Inhalt

BayObLG, Beschluss v. 31.08.2023 – 102 AR 167/23
Titel:

Kein Zuständigkeitswechsel bei Klageerhebung vor zuständigem Gericht infolge nachträglicher Gerichtstandsvereinbarung

Normenkette:
ZPO § 12, § 13, § 35, § 36 Abs. 1 Nr. 6, § 38 Abs. 3 Nr. 1, § 281
Leitsätze:
1. Nicht prorogationsfähige Personen können nach dem Entstehen einer Streitigkeit durch schriftliche und ausdrückliche Vereinbarung eine Regelung in Bezug auf die Zuständigkeit des Gerichts des ersten Rechtszugs für diese Streitigkeit treffen. (Rn. 16)
2. Durch eine solche Parteivereinbarung kann dem bereits angerufenen und zuständigen Gericht die Zuständigkeit nicht nachträglich entzogen werden. (Rn. 16)
Schlagworte:
Gerichtsstandsbestimmung, Klageerhebung beim zuständigen Gericht, Wahlgerichtsstand, nachträgliche Gerichtsstandsvereinbarung, kein Wechsel der Zuständigkeit
Vorinstanz:
AG Hersbruck vom -- – 5 C 160/23
Fundstellen:
MDR 2023, 1476
BeckRS 2023, 22666
LSK 2023, 22666
NJOZ 2023, 1275

Tenor

Örtlich zuständig ist das Amtsgericht Hersbruck.

Gründe

I.
1
Der Kläger ist Inhaber eines Meisterbetriebs für Malerarbeiten und andere Handwerksleistungen. Er erhob bei dem Amtsgericht Hersbruck gegen die im Bezirk dieses Gerichts wohnhafte Beklagte eine Klage wegen ausstehenden Werklohns. Dazu trug er vor, er sei von der Beklagten zunächst mit verschiedenen Werkleistungen in ihrem Wohnhaus beauftragt worden. Nach Ausführung der Leistungen und Zahlung des hierfür vereinbarten Entgelts sei er mündlich mit weiteren Arbeiten beauftragt worden. Das hierfür vereinbarte Entgelt in Höhe der Klageforderung von insgesamt 2.336,38 € habe die Beklagte nicht bezahlt.
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Nach Zustellung der Klage am 17. März 2023 unter der in der Klageschrift angegebenen Adresse zeigte die Beklagte ihre Verteidigungsbereitschaft an. Mit weiterem Schriftsatz teilte sie mit, dass „die Prozessbevollmächtigten in dieser Angelegenheit eine Gerichtsstandsvereinbarung für das Amtsgericht Hannover geschlossen haben“. Dies sei „im Übrigen auch der gemeinsame Gerichtsstand, da sich das Bauvorhaben im Amtsgerichtsbezirk Hannover befindet“. Sie „beantragte“ die Verweisung an das „nunmehr örtlich zuständige“ Amtsgericht Hannover. Auf die nachfolgende, im Wesentlichen gleichlautende Erklärung des Klägers vom 6. April 2023 erklärte sich das Amtsgericht Hersbruck mit Beschluss vom selben Tag für örtlich unzuständig und verwies den Rechtsstreit auf Antrag des Klägers an das Amtsgericht Hannover. Die Entscheidung beruhe auf § 281 Abs. 1 ZPO. Das angegangene Gericht sei örtlich unzuständig. Auf Antrag des Klägers habe sich das angegangene Gericht für unzuständig zu erklären und den Rechtsstreit an das örtlich zuständige Gericht zu verweisen.
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Mit der Klageerwiderung machte die Beklagte geltend, die in Rede stehenden Arbeiten seien nicht in ihrem Wohnhaus in …, sondern in ihrer Eigentumswohnung in Hannover auf der Grundlage eines schriftlichen Vertrags ausgeführt worden. Mündlich habe sie keine zusätzlichen Arbeiten in Auftrag gegeben.
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Das Amtsgericht Hannover wies die Parteien auf seine Bedenken gegen die Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses hin. Auf seine Anordnung, die Gerichtsstandsvereinbarung vorzulegen, wurde mitgeteilt, die Prozessbevollmächtigten hätten sich mit E-Mails vom 23. März 2023 und 5. April 2023 auf Hannover als Gerichtsstand geeinigt. Ein Ausdruck der Mails wurde vorgelegt.
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Daraufhin erklärte sich das Amtsgericht Hannover mit Beschluss vom 30. Juni 2023 seinerseits für örtlich unzuständig und legte den Rechtsstreit zur Bestimmung des zuständigen Gerichts dem Oberlandesgericht Nürnberg vor. Der Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts Hersbruck sei willkürlich und deshalb nicht bindend. Er lasse jegliche über die teilweise Wiedergabe des Gesetzestextes des § 281 Abs. 1 ZPO hinausgehende Begründung vermissen. Zudem habe das verweisende Gericht weder seine eigene Zuständigkeit nach §§ 12, 13 ZPO erwogen noch sich mit der Frage der Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung sowie mit § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO beschäftigt.
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Das Oberlandesgericht Nürnberg hat die Sache zuständigkeitshalber an das Bayerische Oberste Landesgericht weitergeleitet. Den Parteien ist im Bestimmungsverfahren Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden.
II.
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Auf die zulässige Vorlage ist auszusprechen, dass für die Entscheidung des Rechtsstreits das Amtsgericht Hersbruck örtlich zuständig ist.
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1. Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2 ZPO durch das Bayerische Oberste Landesgericht liegen vor.
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Die mit der Sache befassten Gerichte haben sich im Sinne dieser Vorschrift „rechtskräftig“ für unzuständig erklärt, das Amtsgericht Hersbruck durch den nach Rechtshängigkeit der Streitsache ergangenen Verweisungsbeschluss vom 6. April 2023, das Amtsgericht Hannover durch die zuständigkeitsverneinende Entscheidung vom 30. Juni 2023. Beide Beschlüsse sind den Parteien bekanntgegeben worden. Die in dieser Weise jeweils ausdrücklich ausgesprochene verbindliche Leugnung der eigenen örtlichen Zuständigkeit erfüllt mithin alle Anforderungen, die an das Tatbestandsmerkmal „rechtskräftig“ im Sinne des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu stellen sind (st. Rspr., vgl. BGH, Beschluss vom 15. August 2017, X ARZ 204/17, NJW-RR 2017, 1213 Rn. 12 m. w. N.; Schultzky in Zöller, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 36 Rn. 34 ff.).
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Zuständig für die Bestimmungsentscheidung ist gemäß § 36 Abs. 2 ZPO i. V. m. § 9 EGZPO das Bayerische Oberste Landesgericht, weil die Bezirke der am negativen Kompetenzkonflikt beteiligten Amtsgerichte zu den Zuständigkeitsbereichen unterschiedlicher Landgerichte (Nürnberg-Fürth und Hannover) gehören und das für sie gemeinschaftliche im Rechtszug zunächst höhere Gericht der Bundesgerichtshof ist. An dessen Stelle entscheidet das Bayerische Oberste Landesgericht, weil das mit der Sache zuerst befasste Gericht in Bayern liegt.
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2. Örtlich zuständig ist das Amtsgericht Hersbruck. Dessen Verweisungsbeschluss entfaltet keine Bindungswirkung.
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a) Die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Hersbruck für den Streitfall folgt aus §§ 12, 13 ZPO, weil die Beklagte im Bezirk dieses Gerichts wohnhaft ist und der Kläger mit der Klageerhebung bei diesem Gericht (§ 253 Abs. 1, § 261 Abs. 1 ZPO) sein Recht, unter mehreren zuständigen Gerichten zu wählen (§ 35 ZPO) wirksam ausgeübt hat.
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Den daneben gegebenenfalls bestehenden besonderen Gerichtsstand des Erfüllungsorts nach § 29 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 270 Abs. 4, § 269 Abs. 1 BGB, der für die Werklohnklage nach höchstrichterlicher Rechtsprechung am Ort des Bauvorhabens – vorliegend in Hannover – läge (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Februar 2010, Xa ARZ 14/10, NJW-RR 2010, 891 Rn. 8; Beschluss vom 5. Dezember 1985, I ARZ 737/85, NJW 1986, 935 [juris Rn. 3 ff.]; auch BayObLG, Beschluss vom 12. September 2022, 101 AR 82/22, NJW-RR 2022, 1605 Rn. 42 [ juris Rn. 47] m. w. N.; Beschluss vom 19. Mai 2020, 1 AR 28/20, juris Rn. 36; Beschluss vom 8. April 2020, 1 AR 23/20, juris Rn. 26; Beschluss vom 10. November 2003, 1Z AR 129/03, juris Rn. 7), hat der Kläger gerade nicht gewählt.
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Die fehlerfrei zugunsten des Amtsgerichts Hersbruck getroffene Wahl ist für den Kläger bindend und unwiderruflich (vgl. BayObLG, Beschluss vom 20. Juli 2023, 101 AR 150/23 e, juris Rn. 51; Beschluss vom 8. April 2020, 1 AR 18/20, juris Rn. 18; OLG München, Beschl. v. 11. März 2020, 34 AR 235/19, juris Rn. 13; OLG Hamm, Beschluss vom 2. Juni 2015, 32 SA 19/15, juris Rn. 21; Schultzky in Zöller, ZPO, § 35 Rn. 2 f.; Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 44. Aufl. 2023, § 35 Rn. 2).
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b) Das Amtsgericht Hersbruck ist nicht durch eine im Verlauf des Rechtsstreits erfolgte Vereinbarung des Amtsgerichts Hannover örtlich unzuständig geworden.
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Zwar können auch nicht prorogationsfähige Personen gemäß § 38 Abs. 3 Nr. 1 ZPO für eine bereits entstandene Streitigkeit eine Gerichtsstandsvereinbarung abschließen. Die Parteien konnten somit nach dem Entstehen ihrer Meinungsverschiedenheit über die Frage, ob der Kläger für seine Leistungen die in Rechnung gestellte Vergütung zu beanspruchen hat, durch schriftliche (§§ 126, 126a BGB) und ausdrückliche Vereinbarung eine Regelung in Bezug auf die Zuständigkeit des Gerichts des ersten Rechtszugs (sowohl Prorogation als auch Derogation) treffen. Gemäß § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO berührt eine solche Vereinbarung jedoch ab dem Eintritt der Rechtshängigkeit bei einem zuständigen Gericht dessen Zuständigkeit nicht mehr (BGH NJW-RR 2010, 891 Rn. 9; Beschluss vom 16. November 1962, III ARZ 123/62, NJW 1963, 585; BayObLG, Beschluss vom 17. Juli 2003, 1Z AR 75/03, BayObLGZ 2003, 187 [189 f., juris Rn. 13 ff.]; OLG Hamm, Beschluss vom 21. Oktober 2011, 31 SA 72/11, MDR 2012, 307 [juris Rn. 21]).
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Es liegt im öffentlichen Interesse, zur Vermeidung der Inanspruchnahme mehrerer Gerichte die Parteidisposition zu begrenzen. Nur wenn die Klage bei einem unzuständigen Gericht eingereicht worden ist, darf und muss eine nach Eintritt der Rechtshängigkeit geschlossene Gerichtsstandsvereinbarung bei der Entscheidung über die Verweisung des Rechtsstreits Berücksichtigung finden (BGH, Beschluss vom 19. Dezember 1975, I ARZ 579/75, NJW 1976, 626 [juris Rn. 4]).
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c) Der Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts Hersbruck ändert an dessen Zuständigkeit nichts, denn er ist als objektiv willkürlich anzusehen und daher nicht geeignet, die Zuständigkeit eines anderen Gerichts zu begründen.
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aa) Zwar hat der Gesetzgeber in § 281 Abs. 2 Sätze 2 und 4 ZPO die grundsätzliche Unanfechtbarkeit von Verweisungsbeschlüssen und deren Bindungswirkung angeordnet. Auch ein sachlich zu Unrecht oder verfahrensfehlerhaft ergangener Verweisungsbeschluss entzieht sich danach grundsätzlich der Nachprüfung. Dies ist im Verfahren nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu beachten (BGH NJW-RR 2017, 1213 Rn. 15). Im Fall eines negativen Kompetenzkonflikts innerhalb der ordentlichen Gerichtsbarkeit ist daher grundsätzlich das Gericht als zuständig zu bestimmen, an das die Sache in dem zuerst ergangenen Verweisungsbeschluss verwiesen worden ist.
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Die Bindungswirkung entfällt allerdings dann, wenn der Verweisungsbeschluss schlechterdings nicht als im Rahmen des § 281 ZPO ergangen angesehen werden kann, etwa weil er auf der Verletzung rechtlichen Gehörs beruht, nicht durch den gesetzlichen Richter erlassen wurde oder jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt und deshalb als willkürlich betrachtet werden muss (st. Rspr.; vgl. BGH NJW-RR 2017, 1213 Rn. 15; Greger in Zöller, ZPO, § 281 Rn. 16 f.; jeweils m. w. N.).
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Als willkürlich zu werten ist es insbesondere, wenn sich ein nach geltendem Recht unzweifelhaft zuständiges Gericht über seine Zuständigkeit hinwegsetzt und den Rechtsstreit an ein anderes Gericht verweist, etwa weil es eine klare Zuständigkeitsnorm nicht beachtet oder nicht zur Kenntnis nimmt (BGH, Beschluss vom 17. Mai 2011, X ARZ 109/11, NJW-RR 2011, 1364 Rn. 11; Beschluss vom 19. Januar 1993, X ARZ 845/92, NJW 1993, 1273 [juris Rn. 4]; BayObLG, Beschluss vom 6. Februar 2023, 101 AR 141/22, juris Rn. 16; Beschluss vom 26. Juli 2022, 102 AR 65/22, juris Rn. 18; Beschluss vom 18. April 2002, 1Z AR 36/02, NJW-RR 2002, 1295; Greger in Zöller, ZPO, § 281 Rn. 17).
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bb) Nach diesem Maßstab ist der Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts Hersbruck als objektiv willkürlich zu werten. Das Amtsgericht hat mit inhaltsleerer Begründung seine eigene Zuständigkeit verneint und sich über die erforderliche Prüfung der eigenen Zuständigkeit hinweggesetzt.
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(1) Die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts als Wohnsitzgericht nach §§ 12, 13 ZPO war offensichtlich gegeben. Hierüber hat sich das Amtsgericht hinweggesetzt, indem es im Verweisungsbeschluss ohne jegliche Begründung die offenkundig verfehlte Aussage getroffen hat, es sei für den Rechtsstreit nicht zuständig. Nachdem auch dem übrigen Akteninhalt kein Anhaltspunkt dafür entnommen werden kann, dass das Gericht seine Zuständigkeit anhand der gesetzlichen Regelungen – etwa § 38 ZPO – geprüft hat und dabei zu dem Ergebnis eigener Unzuständigkeit gelangt ist, ist davon auszugehen, dass es die zentralen gesetzlichen Bestimmungen zum allgemeinen Gerichtsstand nicht beachtet und die Verweisung allein aufgrund des vagen Vorbringens zum Abschluss einer Gerichtsstandsvereinbarung nicht näher dargelegten Inhalts vorgenommen hat.
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(2) Dass dem angerufenen Gericht die Zuständigkeit nicht durch Parteivereinbarung entzogen werden kann, weil der sich aus § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO ergebende Grundsatz der perpetuatio fori einer nachträglichen Änderung der wirksam getroffenen Gerichtsstandswahl entgegensteht, ist seit langem in der Rechtsprechung geklärt (BGH NJW-RR 2010, 891 Rn. 9; Beschluss vom 16. November 1962, III ARZ 123/62, NJW 1963, 585; BayObLG, Beschluss vom 17. Juli 2003, 1Z AR 75/03, BayObLGZ 2003, 187 [189 f., juris Rn. 13 ff.]; OLG Frankfurt, Beschluss vom 28. November 2018, 11 SV 109/18, juris Rn. 22; OLG Dresden, Beschluss vom 14. März 2011, 3 AR 15/11, juris Rn. 14; OLG Nürnberg, Beschluss vom 5. Juni 1963, 1 AR 8/63, MDR 1963, 851 [852]) und wird in der Fachliteratur entsprechend kommentiert (statt vieler: Toussaint in BeckOK ZPO, 49. Ed. Stand: 1. Juli 2023, § 38 Rn. 37; Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, § 38 Rn. 17a; Heinrich in Musielak/Voit, ZPO, 20. Aufl. 2023, § 38 Rn. 6; Schultzky in Zöller, ZPO, § 38 Rn. 15).
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Der Verweisungsbeschluss setzt sich auch darüber begründungslos hinweg. Ihm kann kein Anhaltspunkt dafür entnommen werden, dass das Gericht (lediglich) rechtsirrtümlich oder in Vertretung einer abweichenden Mindermeinung davon ausgegangen ist, die nachträgliche Vereinbarung einer Gerichtszuständigkeit lasse seine Zuständigkeit entfallen. Zwar hat es den Rechtsstreit auf übereinstimmenden Antrag der Parteien verwiesen. Jedoch haben die Parteien lediglich eine nachträgliche Prorogation angezeigt, indem sie vorgetragen haben, dass aufgrund der von den „Prozessbevollmächtigten in dieser Angelegenheit“ geschlossenen Gerichtsstandsvereinbarung „nunmehr“ das Amtsgericht Hannover zuständig sei. Demgegenüber heißt es im Verweisungsbeschluss lapidar, das Amtsgericht Hersbruck sei unzuständig, und nicht etwa, es sei unzuständig geworden. Ein Hinweis darauf, dass das Gericht sich mit der Frage befasst hat, ob die ihm mitgeteilte Gerichtsstandsvereinbarung seine offenkundig gegebene Zuständigkeit nachträglich entfallen lässt, ergibt sich weder aus der Begründung des Beschlusses noch aus dem übrigen Akteninhalt.
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(3) Auch wenn das Fehlen einer näheren Begründung für sich genommen nicht den Vorwurf der Willkür begründet, wenn die Verweisung dem übereinstimmenden Begehren der Parteien entspricht und nicht vom Gericht provoziert worden ist (vgl. BGH NJW-RR 2010, 891 Rn. 17), liegen im Streitfall aus den dargelegten Gründen Besonderheiten vor, aufgrund derer die Verweisung nicht lediglich als rechtsfehlerhaft, sondern als objektiv willkürlich zu werten ist.
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Anders als in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall ist der Akte gerade kein Anhaltspunkt dafür zu entnehmen, dass sich das Gericht mit der Frage der eigenen Zuständigkeit befasst hat. Während nach dem dort mitgeteilten Sachverhalt aus der Akte hervorging, dass das verweisende Gericht nach intensiver Befassung mit der Frage der eigenen Zuständigkeit einem Rechtsirrtum bei der Handhabung des § 38 Abs. 3 Nr. 1 ZPO erlegen war, hat sich im Streitfall das verweisende Gericht der Frage der eigenen Zuständigkeit nicht erkennbar gestellt. Darüber hinaus hat es sich nicht damit befasst, dass § 38 Abs. 3 Nr. 1 ZPO eine ausdrückliche und schriftliche Vereinbarung fordert und der Vortrag der Parteien keine brauchbare Tatsachengrundlage für die Prüfung bot, ob den Anforderungen an eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung entsprochen worden ist.
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In der lediglich floskelhaften, jeden Bezug zum konkreten Streitfall entbehrenden Begründung des Verweisungsbeschlusses kommt nach alledem die Weigerung des Gerichts zum Ausdruck, den ihm unterbreiteten Sachverhalt auf seine eigene Zuständigkeit zu prüfen. Damit hat das Gericht den Regelungsgehalt des § 281 Abs. 1 Satz 1 ZPO in krasser Weise fehlgedeutet. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift setzt die Verweisung des Rechtsstreits an ein anderes Gericht voraus, dass das angerufene Gericht örtlich oder sachlich unzuständig ist. Die Verweisung eines Rechtsstreits durch das zuständige Gericht sieht das Gesetz nicht vor.
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Eine solche Handhabung des § 281 Abs. 1 ZPO begründet den Vorwurf objektiver Willkür (BayObLG, Beschluss vom 23. September 2021, 102 AR 15/21, juris Rn. 24 m. w. N.; Beschluss vom 17. Juli 2002, 1Z AR 74/02, Rpfleger 2002, 629 [juris Rn. 11 ff.]).