Titel:
Eilrechtsschutz, Zweckentfremdung von Wohnraum, Überlassung als Arbeiterunterkunft, Kein Wohnzweck bei fehlender Rückzugsmöglichkeit und übermäßiger Belegung, Inanspruchnahme der Vermieterin bei Untermietverhältnis
Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 5
ZwEWG Art. 3 Abs. 3 i.V.m. § 13 Abs. 4 ZeS
ZwEWG Art. 3 Abs. 2 i.V.m. § 13 ZeS
ZwEWG Art. 1
ZeS. § 3
ZeS. § 4 Abs. 1
Art. 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZwEWG i.V.m. § 5 Abs. 2 ZeS
Schlagworte:
Eilrechtsschutz, Zweckentfremdung von Wohnraum, Überlassung als Arbeiterunterkunft, Kein Wohnzweck bei fehlender Rückzugsmöglichkeit und übermäßiger Belegung, Inanspruchnahme der Vermieterin bei Untermietverhältnis
Fundstelle:
BeckRS 2023, 22560
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,-- EUR festgesetzt.
Gründe
1
Die Antragstellerin begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer gegen einen zweckentfremdungsrechtlichen Bescheid vom 2. Dezember 2022 gerichteten Klage betreffend das Anwesen …str. 12, FlNr. … Gem. … (im Folgenden: streitgegenständliches Anwesen).
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Das streitgegenständliche Anwesen ist mit Baugenehmigung vom 9. März 1964 zu Wohnzwecken genehmigt. Im Keller befinden sich nach den genehmigten Plänen drei Zimmer (insbesondere ein als Kellerraum bezeichneter Raum). Im Erdgeschoss bestehen neben der Küche, einem WC und dem Flur drei Zimmer (als Arbeitszimmer, Wohnzimmer und Esszimmer bezeichnet). Im ersten Obergeschoss sind drei Zimmer und ein Abstellraum sowie ein Bad. Die Antragstellerin hat das streitgegenständliche Anwesen von der ehemaligen Eigentümerin [inzwischen ist deren Sohn als Eigentümer des streitgegenständlichen Anwesens im Grundbuch eingetragen] gemietet.
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§ 7 des Mietvertrags zwischen der Antragstellerin und der ehemaligen Eigentümerin vom 11. Dezember 2019 lautet: „Die Räumlichkeiten sind ausschließlich zur Wohn-Nutzung vermietet. Ein Kellerraum bleibt dem Vermieter zur Verfügung. Der Vermieter klärt sich mit der Weitervermietung an Mitarbeiter der Firma „Umzug- …“ einverstanden. Die WG besteht aus 6-8 Personen. Kurzfristig ist die Untervermietung an eine weitere 9. Person möglich. Mehr Personen sind nicht gestattet.“
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Anfang 2020 bestand nach einer Online Meldung der Verdacht, dass das streitgegenständliche Anwesen als Arbeiterunterkunft genutzt wird. Am 31. Januar 2020 waren im streitgegenständlichen Anwesen sieben Personen gemeldet. In einer Ortsermittlung am 23. Oktober 2020 konnte festgestellt werden, dass in mehreren Räumen jeweils mehrere Schlafmöglichkeiten bestanden. Der Keller wurde zum Wohnen genutzt. Ein Besichtigungstermin am 20. April 2021 konnte nicht durchgeführt werden, nachdem alle Räume verschlossen waren. Am 21. Juni 2021 und 12. Juli 2021 teilte eine Vertreterin des Eigentümers mit, dass in dem Anwesen sechs (namentlich genannte) Personen wohnen würden. In einer Ortsermittlung am 21. Juni 2021 stellte ein Mitarbeiter der Beklagten fest, dass mehrere Räume im Anwesen von mehreren Personen genutzt würden. Ausweislich einer Meldebescheinigung waren zum Zeitpunkt der Ortsermittlung dreizehn Personen gemeldet, am Klingelschild fanden sich elf Namen.
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Ausweislich eines Ermittlungsberichts von der Ortsermittlung am 22. Juli 2021, teilten Bewohner des streitgegenständlichen Anwesens Mitarbeitern der Antragsgegnerin mit, dass die meisten der Bewohner bei oder für Amazon arbeiteten. Auf die Frage, wie viele Personen in dem Anwesen wohnen würden, wurde zunächst mitgeteilt, dass zwölf Personen in dem Anwesen lebten, später wurde diese Angabe auf acht bis neun Personen korrigiert. Zwei Bewohner gaben an, sich das Zimmer mit einer anderen Person zu teilen. Es wurde festgestellt, dass sich mindestens neun Personen in dem Anwesen aufhalten würden. Ausweislich einer Übersicht vom 17. Januar 2022 waren zu diesem Zeitpunkt dreizehn Personen in dem streitgegenständlichen Anwesen gemeldet. Nach weiterer Recherche vom 26. Oktober 2022 waren 21 Personen in dem streitgegenständlichen Anwesen gemeldet.
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Mit Schreiben vom 11. August 2021 und vom 21. Juni 2022 wurde die Antragstellerin zum Sachverhalt und dem Erlass einer kostenpflichtigen Verfügung angehört.
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Mit Bescheid vom 2. Dezember 2022 verpflichtete die Antragsgegnerin die Antragstellerin, die Überlassung des streitgegenständlichen Wohnraums zu anderen als Wohnzwecken unverzüglich zu beenden (Ziff. 1) und diesen unverzüglich wieder Wohnzwecken zuzuführen (Ziff. 2). Für den Fall, dass der Anordnung nach Ziff. 1 nicht innerhalb einer Frist von drei Monaten ab Zustellung und der Ziff. 2 nicht innerhalb von fünf Monaten ab Zustellung nachgekommen wird, drohte die Antragsgegnerin Zwangsgelder in Höhe von jeweils 5.000 EUR an (Ziff. 3 und 4 des Bescheids).
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Zur Begründung des Bescheids wurde insbesondere ausgeführt, der streitgegenständliche Wohnraum werde anderen Zwecken als der mit Genehmigung vom 9. März 1964 genehmigten Wohnnutzung zugeführt, da er als Arbeiterunterkunft genutzt werde. Nach Art und Dichte der Belegung sei unabhängig von persönlichen Nähebeziehungen der Bewohner die eigenständige Gestaltung der Haushaltsführung und des häuslichen Wirkungskreises nicht möglich. Nach Inaugenscheinnahme vor Ort lägen keine Hinweise vor, dass die Wohnraumeigenschaft verloren gegangen sei. Vorrangige öffentliche Belange oder schutzwürdige private Interessen, die das öffentliche Interesse an der Erhaltung des betroffenen Wohnraums überwögen, bestünden nicht. Ein solches stelle die Überlassung des Anwesens zur Nutzung als Arbeiterunterkunft nicht dar. Ein Antrag auf Erteilung einer Zweckentfremdungsgenehmigung sei nicht gestellt worden. Gründe, die die Nutzung als Arbeiterunterkunft rechtfertigten, seien nicht vorgetragen worden oder ersichtlich. Nach pflichtgemäßen Ermessen, insbesondere unter Berücksichtigung der Situation auf dem Münchner Wohnungsmarkt, werde von der gesetzlichen Befugnis Gebrauch gemacht. Zur Durchsetzung der Ziffer 1 und 2 sei die Androhung von Zwangsgeldern geboten. Auf die Begründung des Bescheids im Übrigen wird Bezug genommen. Ausweislich einer in den Akten befindlichen Postzustellungsurkunde wurde der Antragstellerin der Bescheid am 11. Januar 2023 zugestellt.
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Am 13. Februar 2023 erhob die Antragstellerin Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München mit dem Antrag, den Bescheid vom 2. Dezember 2022 aufzuheben. Über diese Klage ist noch nicht entschieden (M 8 K 23.662).
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Die Antragstellerin beantragte am 15. März 2023 zudem:
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Die aufschiebende Wirkung der Klage (Az.: M 8 K 23.662) vom 13.02.2023 gegen den Bescheid vom 02.12.2022 wird angeordnet.
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Der streitgegenständliche Bescheid sei rechtswidrig. Die Antragstellerin führt in Schriftsätzen vom 13. März 2023 und 16. Juni 2023 aus, die Antragstellerin sei die falsche Adressatin des Bescheids. Sie habe das Anwesen vom Eigentümer gemietet und an die … GmbH zu Wohnzwecken in unmöblierten Zustand vermietet. Diese vermieteten das Anwesen wiederum an ihre Mitarbeiter, die in dem Haus in einer Art Wohngemeinschaft zusammenlebten. Die Antragstellerin könne auch keinen Einfluss auf die … GmbH nehmen. Sie sei daher weder Zustands- noch Handlungsstörerin. Aktuell wohnten nach Vortrag der Antragstellerin elf Personen in dem streitgegenständlichen Anwesen, wobei kein Zimmer mit mehr als zwei Bewohnern belegt sei. Die Bewohner bewohnten die Zimmer dauerhaft; die Mietverträge mit der … GmbH seien unbefristet geschlossen. Die … GmbH entscheide, wer und wie viele Menschen als Mieter in das Haus einzögen und sei daher die richtige Adressatin des Bescheids. Zudem liege keine Zweckentfremdung i.S.d. Art. 3 Abs. 2 ZwEWG i.V.m. § 13 Abs. 1, 2 ZeS vor, da das Anwesen ausschließlich zu Wohnzwecken genutzt werde. Der Wohnraum werde als zulässige Wohngemeinschaft und nicht als Arbeiterunterkunft genutzt. Eine eigenständige Gestaltung der Haushaltsführung sei möglich. Aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts München ergebe sich, dass eine Eigengestaltung des häuslichen Wirkungskreises (ausnahmsweise) auch bei einer Belegung mit zwei Personen pro Zimmer gegeben sei. Dies sei hier auch bei einer Belegung von zwei Personen pro Schlafraum erfüllt. Vorliegend würden fünf Schlafräume von zwei Personen genutzt und ein Schlafraum von einer Person. Wegen des angespannten Wohnungsmarkts in München und der sprachlichen Barriere sei es für die Mitarbeiter so gut wie unmöglich in München eine Wohnung zu einem bezahlbaren Preis anzumieten. Auch wenn das streitgegenständliche Anwesen nicht vormöbliert und deshalb keine Belegungsdichte vorgegeben sei, werde darauf hingewiesen, dass die früher im Bayerischen Wohnungsaufsichtsgesetz geregelte Mindestwohnfläche von 10 m² gewahrt sei. Den Bewohnern stünden jeweils ca. 13 m² Wohnraum zur Verfügung. An einer auf Dauer angelegten Häuslichkeit fehle es ebenfalls nicht. Mit Schreiben vom 31. Mai 2023 habe die Antragsgegnerin die Antragstellerin aufgefordert, Nachweise der Überlassung des Wohnraums vorzulegen. Da der Sachverhalt somit nicht vollständig geklärt sei, sei der Bescheid rechtswidrig. Die Antragsgegnerin sei offensichtlich selbst nicht sicher, gegen wen sie vorgehen wolle, da sie auch an die Nießbrauchsnehmerin ein Schreiben gesendet habe. Aus der Rechtswidrigkeit der Ziffern 1 und 2 ergebe sich auch die Rechtswidrigkeit der übrigen Ziffern 3 bis 5 des Bescheids. Der Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 12. Juni 2023 werde zudem aus formellen Gründen zurückgewiesen, da dieser nicht qualifiziert signiert worden sei.
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Die Antragstellerin legte zudem einen Untermietvertag der Firma … (vertreten durch die Antragstellerin) und der … GmbH über das streitgegenständliche Anwesen vor, wonach diese das Anwesen ab 1. September 2022 an die … GmbH für unbestimmte Zeit vermietet und die Räumlichkeiten ausschließlich zur Wohnnutzung bestimmt seien. In § 7 dieses Untermietvertrags heißt es, dass der Vermieter sich mit der Weitervermietung an Mitarbeiter der … GmbH einverstanden erkläre. Die Wohngemeinschaft werde für durchschnittlich neun Personen genehmigt. Es dürften nicht mehr als zwölf Bewohner auf einmal anwesend sein.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Die Antragsgegnerin führt in ihrer Antragserwiderung insbesondere aus, dass der Bevollmächtigte der Antragstellerin selbst angebe, dass die sechs Räume im Anwesen durch insgesamt elf Personen genutzt würden. Der Verweis auf Unterkünfte zur Unterbringung von Flüchtlingen und Asylsuchenden gehe fehl, da es sich um eine Unterbringung handele, die vom Wohnen zu unterscheiden sei. Die vorliegende Belegdichte von zwei Personen pro Schlafraum ermögliche mangels Rückzugsort keine Eigengestaltung des häuslichen Wirkungskreises. Die Ausführungen zu den Einkommensverhältnissen der Bewohner spielten im Rahmen der Beurteilung, ob eine Zweckentfremdung vorliege, keine Rolle. Soweit die Antragstellerin vortrage, sie sei nicht die richtige Bescheidsadressatin, da sie lediglich Untervermieterin sei und die Nutzung durch die … GmbH erfolge, so stelle dies gänzlich neuen Vortrag dar. Im Mietvertrag der Antragstellerin mit dem Eigentümer sei in § 7 geregelt, dass die Räume durch die Mitarbeiter der Fa. Umzug …, deren Geschäftsführerin die Antragstellerin sei, genutzt werden sollten. Die Vertreter der Antragstellerin vor Ort und im Rahmen der Ermittlungen seien ebenfalls der Fa. Umzug … zuzuordnen. Diese hätten die Nutzung durch die Fa. Umzug … bestätigt (s. Bl. 62 der Behördenakte). Die Antragstellerin könne, den Vortrag zur Nutzung durch die … GmbH als wahrheitsgemäß unterstellt, im Rahmen des erwähnten Untermietverhältnisses auf diese zur Beendigung der zweckfremden Nutzung einwirken.
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Zum weiteren Vorbringen der Parteien und zu den übrigen Einzelheiten wird auf die beigezogenen Behördenakten sowie die Gerichtsakte im vorliegenden Verfahren und im Hauptsacheverfahren Bezug genommen.
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Der Antrag ist zulässig, jedoch unbegründet.
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Die Klage der Antragstellerin hat hinsichtlich Ziff. 1 und 2 des streitgegenständlichen Bescheids gem. Art. 3 Abs. 3 ZwEWG, § 13 Abs. 4 ZeS und hinsichtlich Ziff. 3 und 4 gem. Art. 21a Satz 1 VwZVG keine aufschiebende Wirkung (vgl. § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Auf Antrag kann das Gericht gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 1 VwGO die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs in diesen Fällen ganz oder teilweise anordnen. Dabei trifft das Gericht nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 1 VwGO eine eigene Ermessensentscheidung darüber, ob das öffentliche Interesse am Vollzug des angefochtenen Verwaltungsakts oder das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin höher zu bewerten ist. Die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache sind als wesentliches, jedoch nicht alleiniges Indiz zu berücksichtigen. Ergibt sich bei der im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen aber auch ausreichenden summarischen Überprüfung, dass der Rechtsbehelf in der Hauptsache keinen Erfolg haben wird, weil sich der angegriffene Verwaltungsakt als rechtmäßig erweist, so überwiegt regelmäßig das Vollzugsinteresse. Stellt sich der Rechtsbehelf bei summarischer Überprüfung dagegen als erfolgreich dar, überwiegt regelmäßig das Suspensivinteresse der Antragstellerin.
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Dies zugrunde gelegt, überwiegt das Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin, da der streitgegenständliche Bescheid nach summarischer Prüfung rechtmäßig ist und die Antragstellerin daher nicht in ihren Rechten verletzt (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), sodass die Klage voraussichtlich ohne Erfolg bleiben wird.
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1. Ziff. 1 und 2 des streitgegenständlichen Bescheids sind rechtlich nicht zu beanstanden. Die Antragsgegnerin konnte die unverzügliche Beendigung der Überlassung zu anderen als Wohnzwecken anordnen, weil geschützter Wohnraum vorliegt (1.1.), der zu anderen als Wohnzwecken ohne Genehmigung überlassen wurde (1.2.) und schließlich konnte die Antragstellerin auch als Störerin in Anspruch genommen werden (1.3.). Der Bescheid weist auch keine Ermessensfehler auf (1.4.).
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Rechtsgrundlage der angeordneten Untersagung der Nutzung zu anderen als Wohnzwecken ist Art. 3 Abs. 2 ZwEWG i.V.m. § 13 ZeS. Danach kann die Behörde anordnen, dass eine nicht genehmigungsfähige Zweckentfremdung beendet und der Wohnraum wieder Wohnzwecken zugeführt wird.
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1.1. Das streitgegenständliche Anwesen stellt Wohnraum i.S.v. § 3 Abs. 1 und 2 i.V.m. § 1 Abs. 2 ZeS dar. Es handelt sich um Räume, die zu Wohnzwecken objektiv geeignet und subjektiv bestimmt sind (§ 3 Abs. 1 Satz 1 ZeS), weil das streitgegenständliche Anwesen baurechtlich zum Wohnen genehmigt wurde und weder ersichtlich noch vorgebracht ist, dass Zweifel an der Eignung als Wohnraum bestehen. Zudem gibt es keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass eine Ausnahme nach § 3 Abs. 3 ZeS vorliegt.
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1.2. Die Umwandlung des streitgegenständlichen Wohnhauses in eine Arbeiterunterkunft stellt eine nicht genehmigte Zweckentfremdung i.S.d. § 4 Abs. 1 ZeS dar, da sie nicht als Wohnnutzung zu qualifizieren ist.
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Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 ZeS wird Wohnraum zweckentfremdet, wenn er durch den Verfügungsberechtigten und/oder den Mieter anderen als Wohnzwecken zugeführt wird. Eine Zweckentfremdung liegt insbesondere vor, wenn der Wohnraum zu mehr als 50 v.H. der Gesamtfläche für gewerbliche oder berufliche Zwecke verwendet oder überlassen wird (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ZeS).
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Eine Wohnnutzung setzt eine auf Dauer angelegte Häuslichkeit, die Eigengestaltung der Haushaltsführung und des häuslichen Wirkungskreises sowie die Freiwilligkeit des Aufenthalts voraus (BVerwG, B.v. 17.12.2007 – 4 B 54/07 – juris Rn. 3; B.v. 25.3.1996 – 4 B 302/95 – NVwZ 1996, 893/894; BayVGH, B.v. 4.9.2013 – 14 ZB 13.6 – juris Rn. 12). Auch Werks- und Dienstwohnungen sowie Wohnheime stellen Wohnraum i.S.d. § 3 Abs. 1 Satz 2 ZeS dar. Ob im Einzelfall eine Wohnnutzung im Sinne des Zweckentfremdungsrechts vorliegt, ist nach einem objektivierten Maßstab und nicht nach subjektiven Vorstellungen etwa der Endnutzer oder des Überlassenden zu bestimmen (vgl. BVerwG, B.v. 30.10.1990 – 8 B 129/90 – juris Rn. 18). Dabei ist der erheblichen Bandbreite der individuellen Vorstellungen vom Wohnen und der dem Einzelnen insoweit grundsätzlich eingeräumten und von der allgemeinen Handlungsfreiheit umfassten freien Gestaltung seiner Wohnverhältnisse Rechnung zu tragen. Zielrichtung des Zweckentfremdungsrechts ist es, Wohnraum für Wohnzwecke zu erhalten, nicht jedoch, bestimmte Formen des Wohnens als unerwünscht auszuschließen.
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Bei Wohnheimen ist auf den Nutzungszweck und die typische Dauer des Wohnens im konkreten Einzelfall abzustellen (VG München, B.v. 11.9.2015 – M 9 S 15.3481 – juris Rn. 20). Das Nutzungskonzept manifestiert sich im Mietvertrag und der tatsächlichen Nutzung. Bei Überlassung an Dritte, die die Räumlichkeiten wiederum an andere überlassen, kommt es auf die nach äußeren Anzeichen erkennbar zu Grunde liegende Zweckrichtung an. Ein Arbeiterwohnheim bildet nach Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs regelmäßig keine Heimstatt im Alltag und stellt eine gewerbliche Nutzung der entsprechenden Immobilie dar (vgl. BayVGH, B.v. 23.2.2023 – 12 ZB 22.2541 – juris Rn. 25). Für den Fall der Unterbringung von Montagearbeitern in Zweibett-Zimmern hat das Bundesverwaltungsgericht klargestellt, dass eine solche Unterbringung zumindest nicht den Regelfall des Wohnens im bauplanungsrechtlichen Sinne darstellt (BVerwG, U.v. 29.4.1992 – 4 C 43/89 l – juris Rn. 16).
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Dies zugrunde gelegt, wird hier das streitgegenständliche Anwesen zu anderen als Wohnzwecken überlassen.
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1.2.1. Vorliegend fehlt es an der Eigengestaltung der Haushaltsführung und des häuslichen Wirkungskreises.
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Diese setzt voraus, dass Aufenthalts- und private Rückzugsräume geboten werden (vgl. BayVGH, B.v. 5.5.2021 – 12 CS 21.564 – juris Rn. 5). Wohnzwecken dient ein Gebäude/eine Wohnung dann nicht mehr, wenn es/sie aufgrund seiner/ihrer spartanischen Ausstattung lediglich als Schlafstätte dient und auch einfache Wohnbedürfnisse nicht befriedigt (vgl. OVG Lüneburg, B.v. 11.5.2015 – 1 ME 31/15 – juris Rn. 20). Eine Heimstatt im Alltag liegt daher nicht vor, wenn der Nutzer der Räumlichkeiten über eine weitere „Hauptwohnung“ als Heimstatt im Alltag verfügt und sich in der streitgegenständlichen „Wohnung“ nur übergangsweise, zum Beispiel als Bauarbeiter für die Abwicklung eines Bauprojekts, aufhält (vgl. BayVGH, B.v. 23.2.2023 – 12 ZB 22.2541 – juris Rn. 25).
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Solche Rückzugsmöglichkeiten bestehen – dies zugrunde gelegt – vorliegend nicht. Die Zimmer werden – auch nach eigenem Vortrag – überwiegend mit zumindest zwei Personen belegt. Diese stehen auch nicht in einem besonderen Näheverhältnis zueinander, das den fehlenden Rückzugsraum kompensieren könnte. Soweit die Antragstellerin vorbringt, die Belegung durch zwei Personen sei darin begründet, dass es in München gerade für Arbeitnehmer im Niedriglohnsektor schwierig sei, bezahlbaren Wohnraum zu finden, vermag dies hieran nichts zu ändern. Es kommt nicht darauf an, ob die Bewohner dort freiwillig zu zweit zusammenwohnen oder dies aus Kostengründen bevorzugen. Zudem entscheidet auch nach dem Vortrag der Antragstellerin die … GmbH, wer und wie viele Bewohner in die Räumlichkeiten einziehen. Die Freiwilligkeit und Eigenverantwortung der Bewohner hängt letztlich von der Zustimmung des Arbeitgebers ab und ist jedenfalls von dem Bestehen des Arbeitsverhältnisses und des Einsatzortes abhängig. Das zeigen auch die innerhalb des über zweijährigen behördlichen Verfahrens schwankende Bewohneranzahl und die Bewohnerwechsel. Das tatsächlich praktizierte Nutzungskonzept stellt ein Arbeiterwohnheim dar, in dem die Arbeitnehmer nach Bedarf leben. Dies ist auch aus dem vorgelegten Untermietvertrag zwischen der Antragstellerin/der Firma … und der … GmbH ersichtlich. In § 7 dieses Vertrags wird vereinbart, dass eine Weitergabe an bis zu zwölf Mitarbeiter erlaubt wird. Dass das Belegungskonzept auf eine Gruppe von Arbeitern abzielt, die typischerweise ihren Lebensmittelpunkt in die Wohnräume verlegen, ist nicht ersichtlich. Vielmehr zeigen die Ortsermittlungen und die Meldedaten, dass die Vermietung nicht an einen im Voraus festgelegten Personenkreis erfolgt. Die Bezeichnung der Nutzung als Wohngemeinschaft ändert hieran nichts, da das tatsächlich ausgeübte Nutzungskonzept entscheidend ist. Auch der Umstand, dass den Bewohnern nur eine geringe, auf den Einzelnen entfallende Fläche verbleibt, spricht dafür, dass die Überlassung nicht zu Wohnzwecken erfolgt. Denn die wohnuntypisch dichte Belegungsmöglichkeit stellt jedenfalls dann ein erhebliches Indiz dafür dar, wenn kein anderer Vertrag mit den Endnutzern besteht, der einen rechtlichen Anspruch dieser auf eine geringere tatsächliche Belegung begründet, wofür es vorliegend keine Anhaltspunkte gibt. Aus dem Urteil des VG München vom 20. Juli 2015 (M 9 K 15.1154) ergibt sich nichts Anderes. Ein Ausnahmefall, in dem auch die Belegung mit bis zu zwei Personen eine Wohnnutzung darstellt, liegt aus genannten Gründen nicht vor.
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1.2.2. Ohne dass es hierauf entscheidungserheblich ankommt, fehlt es auch an der auf Dauer angelegten Häuslichkeit (vgl. hierzu VG München, U.v. 29.7.2015 – M 9 K 15.1154 – juris Rn. 30 f.)
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Das Merkmal „auf Dauer“ schließt zwar nicht aus, dass auch Wohnen auf kurze und absehbare Zeit grundsätzlich Wohnen sein kann. Sinn und Zweck dieses Merkmals ist es, dass Wohngebäude als Heimstatt im Alltag von anderen Nutzungsarten, die sich durch ein übergangsweises (nicht alltägliches) Wohnen oder ein provisorisches, einem begrenzten Zweck dienendes Unterkommen auszeichnen, zu unterscheiden (vgl. Stock in König/Roeser/Stock, BauNVO, 5. Aufl. 2022, § 3 Rn. 17).
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Die Antragstellerin hat zwar geltend gemacht, dass die Mitarbeiter, denen der Untermieter die Wohnung überlassen habe, dort dauerhaft und auf lange Zeit angelegt gewohnt hätten. Dieser Vortrag wurde nicht belegt, vielmehr lässt sich bei einem Großteil der Bewohner ausweislich der Meldedaten erkennen, dass diese nicht für längere Dauer im streitgegenständlichen Anwesen unterkommen. Der Vortrag, auch mit den Bewohnern würden unbefristete Mietverträge abgeschlossen, ändert an dieser Beurteilung nichts, da dies im offenen Widerspruch zum tatsächlich praktizierten Nutzungskonzept steht und nur behauptet wurde. Zwar kann die Meldung eines Erstwohnsitzes Indiz für eine auf Dauer angelegte Häuslichkeit darstellen. Bei Betrachtung der in den Behördenakten befindlichen Meldedaten war jedoch eine hohe Fluktuation der Bewohner innerhalb weniger Monate zu erkennen. Es muss bei Überlassung eines gesamten Anwesens eine dauerhafte Häuslichkeit in Beziehung auf die insgesamt überlassene und insgesamt zu betrachtende Wohnung begründet sein. Ohne rechtliche Bedeutung ist vorliegend, dass ein unbefristeter Mietvertrag zwischen der Antragstellerin und der … GmbH abgeschlossen wurde. Der Abschluss eines unbefristeten Mietvertrags kann zwar ein Indiz für die Anlage auf Dauer und damit eine Überlassung zu Wohnzwecken sein. Dies ist bei dem hier vorliegenden Untermietvertrag nicht der Fall, da der Mietvertrag mit einer Untermieterin geschlossen wurde, die das Mietobjekt nicht selbst nutzt, sondern an ihre Arbeitnehmer überlässt.
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Auch § 3 Abs. 1 Satz 2 ZeS ändert hieran nichts. Hiernach zählen auch Werk- und Dienstwohnungen sowie Wohnheime zum von der Satzung geschützten Wohnraum. Diese Vorschrift stellt lediglich klar, dass allein der Zusammenhang der Überlassung mit einem Dienst- oder Arbeitsverhältnis das Vorliegen einer Wohnnutzung im Sinne des Zweckentfremdungsrechts nicht ausschließt. Ob eine Wohnnutzung vorliegt, bestimmt sich nach obigen Grundsätzen und bleibt im Einzelfall zu prüfen.
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1.3. Die Antragstellerin konnte auch als Adressatin des streitgegenständlichen Bescheids in Anspruch genommen werden. Nach Art. 9 Abs. 1 Satz 1 LStVG sind die wegen des Verhaltens oder des Zustands einer Person erforderlichen Maßnahmen, um eine Gefahr zu beenden, gegen die Person zu richten, die die Gefahr oder die Störung verursacht hat. Bei mehreren Störern ist das Gebot rascher und effektiver Gefahrenabwehr zu beachten. Die Antragstellerin hat die vorliegend durch Verwirklichung des zweckentfremdungsrechtlichen Tatbestands bereits eingetretene Gefahr (mit-)verursacht, da sie das Anwesen an die Firma untervermietet hat, die sie wiederum ihren Arbeitnehmern überlässt. Im Untermietvertrag mit der … GmbH ist die Weitergabe der Wohnung an bis zu zwölf Mitarbeiter geregelt. Das zweckentfremdungsrechtlich zu beanstandende Nutzungskonzept ist in diesem Untermietvertrag angelegt. Der Einwand, die Überlassung an Endnutzer könne ihr nicht zugerechnet werden, verfängt daher nicht. Sie ist daher als Handlungsstörerin zu qualifizieren. Sie ist als Hauptmieterin neben der Untermieterin „weiterer Handlungsstörer“ und kann aufgrund des das Sicherheitsrecht beherrschenden Grundsatzes der effektiven Gefahrenabwehr in Anspruch genommen werden (vgl. VG München, U.v. 15.2.2017 – M 9 K 16.4641 – juris Rn. 35 ff. m.w.N.). Als Hauptmieterin kann sie die zweckfremde Nutzung durch Kündigung des Untermietvertrags unmittelbar beenden, die Antragsgegnerin ist nicht gezwungen vorrangig gegen die ständig wechselnden tatsächlichen Nutzer vorzugehen (BayVGH, B.v.26.2.2007 – 1 ZB 06.2296 – juris).
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1.4. Die Antragsgegnerin hat das ihr zustehende Ermessen – soweit dies gerichtlich überprüfbar ist (§ 114 VwGO) – ordnungsgemäß ausgeübt. Es stellt insbesondere kein milderes Mittel dar, der Antragstellerin eine Genehmigung zur Zweckentfremdung von Wohnraum gem. Art. 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZwEWG i.V.m. § 5 Abs. 2 ZeS zu erteilen, da sie keinen Anspruch auf die Genehmigung hat. Eine Genehmigung ist danach nur zu erteilen, wenn vorrangige öffentliche Interessen oder schutzwürdige private Interessen das Interesse an der Erhaltung des betroffenen Wohnraums überwiegen. Vorrangige öffentliche Belange i.S.d. § 6 Abs. 1 oder überwiegend schutzwürdige private Interessen i.S.d. § 6 Abs. 2 ZeS liegen nicht vor. Rein wirtschaftliche Interessen an einer möglichst günstigen Verwertung sind keine schutzwürdigen privaten Interessen (vgl. BVerfG, U.v. 4.2.1975 – 2 BvL 5/74 – BVerfGE 38, 348/371). Demgegenüber steht das Interesse der Antragsgegnerin, begrenzten Wohnraum zur Wohnnutzung zur Verfügung zu stellen.
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Der Einwand der Antragstellerin, das Vorbringen der Antragsgegnerin sei aus formellen Gründen zurückzuweisen, ist unbehilflich. Das Vorbringen konzentrierte sich auf die rechtliche Würdigung, die unabhängig auch dem Gericht obliegt. Zudem wurde der Schriftsatz auf einem sicheren Übermittlungsweg aus einem besonderen Behördenpostfach eingereicht (vgl. § 55a Abs. 3, 4 Nr. 3 VwGO).
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2. Die Zwangsgeldandrohung ist nach summarischer Prüfung rechtmäßig, sodass auch insoweit eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung ausscheidet. Die Voraussetzungen des Art. 19, 29 VwZVG liegen vor. Der Antragstellerin wurde für die Verpflichtungen in Ziffer 1 und 2 jeweils ein bestimmtes Zwangsgeld angedroht. Die Höhe der Zwangsgelder, die sich im gesetzlichen Rahmen befindet (vgl. Art. 31 Abs. 2 Satz 1 VwZVG), begegnet keinen Bedenken. Die gesetzte Frist (Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG) ist angemessen.
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3. Die Antragstellerin trägt als unterliegende Partei die Kosten des Verfahrens.
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Der Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 GKG.