Titel:
Asylklage, Uganda, Politische Verfolgung (unglaubhaft)
Normenketten:
GG Art. 16a
AsylG § 3, 4
AufenthG § 60 Abs. 5, 7 S. 1
Schlagworte:
Asylklage, Uganda, Politische Verfolgung (unglaubhaft)
Fundstelle:
BeckRS 2023, 22554
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Der 1987 geborene Kläger ist ugandischer Staatsangehöriger, reiste erstmals am 8. März 2018 auf dem Luftweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte hier am 27. Juni 2018 einen Asylantrag.
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Bei seiner Anhörung trug er vor, dass er seit August 2017 von Unbekannten schriftlich und telefonisch bedroht worden sei. In einem Telefonat habe der Unbekannte geäußert: „Du wurdest an uns verkauft. Wir werden dich haben. Du gehörst jetzt uns.“ Der Kläger habe die Polizei eingeschaltet und sei von … A nach …, … gezogen, das ca. 6 Kilometer weiter weg und im Umland von … liegt. Am 20. Februar 2018 sei der Kläger von unbekannten Personen aus einem Auto heraus überfallen worden. Die Unbekannten hätten ihm Chloroform injiziert, woraufhin er bewusstlos geworden sei. Er habe später erfahren, dass drei Unbekannte ihn in den „…“-Wald gebracht und dort versucht hätten, ihn zu erhängen. Hierzu sei es nicht gekommen, da er von sechs fremden Personen gerettet worden sei. Diese Personen hätten ihre illegal im Wald gelagerte Holzkohle abholen wollen, hätten jedoch Stimmen gehört, seinen den Stimmen gefolgt und hätten den Kläger und seine Entführer angetroffen. Die unbekannten Entführer hätten daraufhin die Flucht ergriffen. Er sei dann von einem der Retter zu einem Autofahrer namens … gebracht worden, der diesen ins Krankenhaus gebracht und den Vorfall dem behandelnden Arzt Dr. … erzählt habe. Von diesem habe der Kläger die Informationen über den Vorfall. Er wisse nicht, von wem er bedroht und entführt worden sei, eventuell seien es Organhändler gewesen. Mit Hilfe seines Vorgesetzten, der für ihn das Visum in Deutschland besorgt habe, um Firmengeschäfte in Deutschland zu machen, habe er ausreisen können.
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Mit Bescheid vom 24. Juni 2019 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1), auf Asylanerkennung (Nr. 2) sowie auf subsidiären Schutz (Nr. 3) als unbegründet ab, stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen (Nr. 4). Es forderte die Klagepartei auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen, anderenfalls wurde die Abschiebung
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nach Uganda oder in einen anderen Staat, in den eingereist werden darf oder der zur Rückübernahme verpflichtet ist, angedroht (Nr. 5). Das gesetzliche Einreise und Aufenthaltsverbot wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6).
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Am 12. Juli 2019 hat die Klagepartei Klage erhoben und beantragt,
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1. Der Bescheid der Beklagten vom 24. Juni 2016 wird aufgehoben.
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2. Die Beklagte wird verpflichtet, den Kläger als Asylberechtigten anzuerkennen und ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.
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3. Hilfsweise wird beantragt, dem Kläger subsidiären Schutz zuzuerkennen.
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4. Hilfsweise wird beantragt festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes/AufenthG vorliegen.
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Die Klagepartei legte dem Gericht mit Schreiben vom 24. Juli 2019 ein „release on bond“-Schreiben der ugandischen Polizei vom 2. Februar 2016, ein Schreiben vom 19. Februar 2019 von den … Advocates sowie einen ärztlichen Befundbericht vom 18. Juli 2019 des …-Klinikums vor.
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Die Beklagte hat die Akten vorgelegt, ohne sich zur Sache zu äußern.
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Mit Beschluss vom 8. Mai 2023 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.
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Der Kläger ist im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 30. Mai 2023 informatorisch angehört worden.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte in diesem Verfahren, die vorgelegte Behördenakte sowie die Niederschrift vom 30. Mai 2023 verwiesen.
Entscheidungsgründe
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1. Die zulässige Klage ist unbegründet. Der streitgegenständliche Bescheid stellt sich im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Asylgesetz – AsylG) als rechtmäßig dar und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 und 5 VwGO.
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Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter im Sinne des Art. 16a des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (GG) oder auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 AsylG. Zudem liegen keine Gründe auf Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG vor. Nationale Abschiebungsverbote gem. § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegen nicht vor. Auch die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes erweist sich als rechtmäßig (§ 11 AufenthG). Die Klage war daher abzuweisen.
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Zur Begründung wird zunächst auf die Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid verwiesen, denen das Gericht folgt (§ 77 Abs. 3 AsylG).
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Ergänzend ist Folgendes auszuführen:
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a) Ein Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter (Art. 16a Abs. 1 GG) sowie die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylG steht dem Kläger nicht zu. Das Gericht ist nach dem persönlichen Eindruck, den es von dem Kläger in der mündlichen Verhandlung gewonnen hat, nicht überzeugt, dass der Kläger in Uganda bereits politisch verfolgt worden ist oder dass ihm im Falle seiner Rückkehr nach Uganda mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die geltend gemachte politische Verfolgung droht. Auch ist das Gericht nach dem persönlichen Eindruck, den es von dem Kläger in der mündlichen Verhandlung gewonnen hat, nicht davon überzeugt, dass der Kläger bisexuell ist.
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Nach § 3 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 AsylG besteht ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. Anerkennung als Asylberechtigte (bei Einreise auf dem Luftweg) dann, wenn sich der Ausländer aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt oder dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will und er keine Ausschlusstatbestände erfüllt. Eine Verfolgung i.S.v. § 3 Abs. 1 AsylG liegt nach § 3a AsylG bei Handlungen vor, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Artikel 15 Abs. 2 der Konvention vom 4. November 1959 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist (§ 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylG), oder in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte bestehen, die so gravierend sind, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist (§ 3a Abs. 1 Nr. 2 AsylG). Als Verfolgung im Sinne des Abs. 1 können unter anderem gemäß § 3a Abs. 2 AsylG die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt, gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden oder auch unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung gelten. Dabei muss zwischen den genannten Verfolgungsgründen und den als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen gemäß § 3a Abs. 3 AsylG eine Verknüpfung bestehen.
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Die Verfolgung kann gemäß § 3c AsylG vom Staat oder von Parteien oder Organisationen ausgehen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder aber von nichtstaatlichen Akteuren, sofern die vorgenannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten und dies unabhängig davon, ob im Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.
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Die Flüchtlingseigenschaft wird nicht zuerkannt, wenn im Herkunftsland eine interne Schutzmöglichkeit besteht, § 3e AsylG.
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Die Furcht vor Verfolgung ist begründet, wenn dem Ausländer die Gefahren aufgrund der in seinem Herkunftsland gegebenen Umstände in Anbetracht seiner individuellen Lage tatsächlich drohen; das entspricht dem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit. Dieser Wahrscheinlichkeitsmaßstab setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine „qualifizierende“ Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzuwenden. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 20.2.2013 – 10 C 23/12 – juris Rn. 32; B.v. 7.2.2008 – 10 C 33/07 – juris Rn. 37).
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Die begründete Furcht vor Verfolgung kann dabei sowohl auf tatsächlich erlittener oder unmittelbar drohender Verfolgung bereits vor der Ausreise im Herkunftsstaat (Vorverfolgung) oder auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Ausländer das Herkunftsland verlassen hat (Nachfluchtgründe), insbesondere auch auf einem Verhalten des Ausländers, das Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsland bestehenden Überzeugung oder Ausrichtung ist (§ 28 Abs. 1a AsylG).
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Der der Prognose zugrunde zu legende Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit bleibt auch dann unverändert, wenn der Ausländer bereits Vorverfolgung erlitten hat. Allerdings ist nach Art. 4 Abs. 4 der RL 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 – Qualifikationsrichtlinie – (ABl. L 337 S. 9) die Tatsache, dass ein Ausländer bereits verfolgt wurde bzw. von solcher Verfolgung unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Ausländers vor Verfolgung begründet ist, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Ausländer erneut von solcher Verfolgung bedroht wird. Dies ist im Sinne einer widerlegbaren tatsächlichen Vermutung zu verstehen (vgl. BVerwG, U.v. 27.4.2010 – 10 C 5/09 – juris Rn. 23).
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Das Gericht muss auf einer hinreichenden Tatsachengrundlage von der Richtigkeit seiner gewonnenen Prognose drohender Verfolgung die volle richterliche Überzeugung erlangt haben (vgl. BVerwG, U.v. 13.2.2014 – 10 C 6/13 – juris Rn. 18).
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Für die Beurteilung der Glaubhaftigkeit des Vorbringens gilt nach den in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen, die sich in Art. 4 Abs. 1, 2 und 5 der Qualifikationsrichtlinie widerspiegeln, dass es dem Ausländer obliegt, von sich aus umfassend die Gründe für das verfolgungsbedingte Verlassen der Heimat substantiiert, unter Angabe genauer Einzelheiten und in sich stimmig darzulegen.
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Der Vortrag, insbesondere zu den in die eigene Sphäre fallenden Ereignissen, muss geeignet sein, den Schutzanspruch lückenlos zu tragen (vgl. BVerwG, U.v. 24.3.1987 – 9 C 321/85 – juris Rn. 9).
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Das Gericht muss sich in vollem Umfang die Überzeugung von der Wahrheit des von dem Ausländer behaupteten individuellen Verfolgungsschicksals verschaffen, wobei allerdings der typische Beweisnotstand hinsichtlich der Vorgänge im Herkunftsland bei der Auswahl der Beweismittel und bei der Würdigung des Vortrags und der Beweise angemessen zu berücksichtigen ist. Unauflösbare Widersprüche und erhebliche Steigerungen des Vorbringens sind hiermit unvereinbar und können dazu führen, dass dem Vortrag im Ganzen nicht geglaubt werden kann, es sei denn, die Widersprüche und Unstimmigkeiten können überzeugend aufgelöst werden (vgl. BVerwG, U.v. 12.11.1985 – 9 C 27/85 – juris Rn. 11 ff.; B.v. 21.7.1989 – 9 B 239/89 – juris Rn. 3).
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b) Gemessen an diesen Maßstäben erfüllt der Kläger die Voraussetzungen für die Anerkennung als Asylberechtigter oder die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht. Das Gericht ist nicht davon überzeugt, dass der Kläger in Uganda bereits politisch verfolgt worden ist oder dass er berechtigterweise befürchten muss, bei einer Rückkehr politisch verfolgt zu werden. Denn der Vortrag des Klägers hierzu ist unglaubhaft.
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aa) Der Kläger hat seinen Vortrag im Laufe des Verfahrens in wesentlichen Teilen erheblich gesteigert. So hat er im gerichtlichen Verfahren erstmals vorgetragen, überhaupt politisch aktiv gewesen zu sein, und zwar nicht nur für die Regierungspartei, sondern im Anschluss auch für die Opposition. Der Kläger habe zunächst für die Regierungspartei und infolge eines Wechsels des politischen Lagers Ende des Jahres 2016 für die Oppositionspartei rund um Robert Kyagulanyi (Bobi Wine) Wahlkampf betrieben. Der Kläger sei zudem nicht nur ein Parteimitglied gewesen, sondern sei Leiter des Wahlkampfteams von William Sebalu, einem Politiker der Regierungspartei NRM (National Resistance Movement) gewesen. Dies und den gesamten Vortrag dazu hat der Kläger in der Anhörung vor dem Bundesamt mit keinem Wort erwähnt. Es ist jedoch nicht nachvollziehbar, warum der Kläger diese wichtigen Informationen in der Anhörung vor dem Bundesamt mit keinem Wort erwähnte. Zumal er dies jetzt zu seinem Hauptvortrag macht.
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Diese Steigerung des Vortrags vermochte der Kläger auf Vorhalt nicht genügend zu erklären. Allein der Hinweis darauf, dass er erst nach der Anhörung bei dem Bundesamt davon erfahren haben will, dass andere Mitglieder seines Wahlkampfteams inhaftiert worden seien und der Grund für seine vor dem Bundesamt geschilderte Entführung politisch motiviert gewesen sein soll, kann nicht durchdringen. Zwar mag es sein, dass der Kläger den genauen Grund für seine angebliche Entführung zum Zeitpunkt der Anhörung bei dem Bundesamt nicht genau gekannt hat. Gleichwohl ist nicht nachvollziehbar, warum der Kläger seine politische Aktivität vor dem Bundesamt mit keinem Wort erwähnte. Schließlich stellt die politische Überzeugung einen Asylgrund im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG dar. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Kläger das politische Lager weg von der Regierungspartei hin zur Opposition gewechselt haben soll. Verglichen zu dem Vortrag, Organhändler hätten ihn entführt, wofür es keinerlei Anhaltspunkte gab, wäre eine Einschüchterung des Klägers aus politischen Gründen jedenfalls nicht völlig abwegig. Bereits zur Präsidentschafts- und Parlamentswahl am 18. Februar 2016 in Uganda kam es zu Einschüchterungen und exzessiver Gewaltanwendung der Sicherheitskräfte gegenüber der Opposition (Länderinformationsblatt Uganda des Österreichischen Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27. September 2017, S. 6 f.). Es leuchtet nicht ein, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Anhörung vor dem Bundesamt nicht wenigstens den Verdacht gehegt hat, dass diese politisch motiviert sein könnte. Bereits aus diesem Grund erweist sich sein im gerichtlichen Verfahren gesteigertes Vorbringen als unglaubhaft.
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bb) Auch der Vortrag, der Kläger sei verdächtigt worden, wichtige Informationen insbesondere darüber, dass der Präsident Wählerstimmen durch Bestechung erkauft habe, an die Opposition weitergegeben zu haben, ist nicht glaubhaft. Insbesondere ist nicht nachvollziehbar, dass die Tatsache, dass der amtierende Präsident Museveni Wähler bestochen haben soll, eine bisher für die ugandischen Bürger unbekannte Information gewesen sein soll. Dass Präsident Museveni immense Finanzmittel aus dem Partei- und auch dem Staatshaushalt für den Wahlkampf verwendet und Geld an Wähler verteilt, um an deren Stimmen zu gelangen, ist nicht neu, sondern gehört zu Musevenis üblichen Strategien (vgl. Konrad-Adenauer-Stiftung, Länderbericht Januar 2021, Wahlen in Uganda, S. 5 f.). Es ist daher nicht überzeugend, dass der Kläger diese Informationen aus geheimen Kreisen erlangt haben will und aufgrund dessen bei einer Rückkehr nach Uganda in Gefahr sein soll.
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cc) Der Kläger muss auch deshalb nicht berechtigter Weise erwarten, bei einer Rückkehr nach Uganda politisch verfolgt zu werden, da er nach eigenen Angaben vor dem Bundesamt legal und problemlos mit dem auf seinen Namen lautenden Reisepass über den Flughafen K. (E.) ausgereist ist. Aufgrund der Kontrolldichte auf diesem Flughafen ist bei einem ernsthaften Verfolgungsinteresse seitens des ugandischen Staates das Risiko einer Festnahme sehr hoch (Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 21.3.2013 an VG Augsburg). Dies zeigt, dass ein ernsthaftes Verfolgungsinteresse des ugandischen Staates gerade nicht besteht. Andernfalls wäre dem Kläger die Ausreise über den Flughafen E... nicht problemlos möglich gewesen.
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Hinzu kommt, dass seit seiner angeblichen Entführung im Februar 2018 bereits über fünf Jahre vergangen sind und der vorgetragene Wechsel der Parteien bereits über sechs Jahre zurückliegt, sodass unwahrscheinlich ist, dass dem Kläger aufgrund seines angeblichen politischen Engagements heute noch Verfolgung droht.
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c) Auch der Vortrag des Klägers, er sei bisexuell und befürchte daher eine Verfolgung bei einer Rückkehr nach Uganda, ist unglaubhaft.
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aa) Denn auch zum Verfolgungsgrund der Bisexualität hat der Kläger erst im gerichtlichen Verfahren berichtet und damit seinen Vortrag im Laufe des Verfahrens in wesentlichen Teilen erheblich gesteigert. Den gesamten Vortrag zu seiner angeblichen Bisexualität hat der Kläger in der Anhörung vor dem Bundesamt mit keinem Wort erwähnt. Es ist nicht nachvollziehbar, warum der Kläger diese wichtigen Informationen in der Anhörung vor dem Bundesamt mit keinem Wort erwähnte.
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Auch diese Steigerung des Vortrags vermochte der Kläger auf Vorhalt nicht genügend zu erklären. Allein der Hinweis darauf, dass der Kläger sich aufgrund der angeblichen politischen Tätigkeit für die Regierungspartei geschützt fühlte, vermag nicht zu überzeugen. Denn der Kläger hat vorgetragen, dass viele Personen von der Bisexualität des Klägers gewusst hätten und er bereits von einer ehemaligen Freundin entdeckt worden sei. In einer homophoben Gesellschaft wie der in Uganda ist es nicht unüblich, dass es aufgrund der bisexuellen Orientierung zu gewaltsamen Übergriffen kommen kann. Dass der Kläger nicht den Verdacht hegte, wegen seiner angeblichen Bisexualität entführt worden zu sein, ist nicht nachvollziehbar. Insbesondere, da es für eine Entführung wegen Organhandels keinerlei Anhaltspunkte gab. Die ugandische Gesellschaft ist eine äußerst homophobe Gesellschaft (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Länderreport 30 Uganda, Stand 10/2020, S. 5 f.). Übergriffe durch nichtstaatliche Akteure im Sinne einer Mob-Gewalt sind nicht unüblich. Es existieren Berichte über Entführungen, körperliche Gewalt und in wenigen Fällen über Morde an LGBT-Personen (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Länderreport 30 Uganda, Stand 10/2020, S. 13 f. und Spiegelonline vom 16. Dezember 2015). Rechte von Homosexuellen und Bisexuellen werden regelmäßig missachtet (Länderinformationsblatt Uganda des Österreichischen Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27. September 2017, S. 17 f.). Deshalb ist es nicht nachvollziehbar, dass der Kläger, der angegeben hat, nicht nur selbst bisexuell zu sein, sondern sich auch für Homosexuelle eingesetzt zu haben, die Entführung nicht mit seiner sexuellen Orientierung in Verbindung gebracht haben mag. Vielmehr erweckt das nachgeschobene Vorbringen den Eindruck, dass ein asylrelevanter Sachverhalt künstlich erzeugt werden sollte.
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Daran vermag auch das nachträglich vorgelegte „Release on Bond“-Schreiben vom 2. Februar 2016 nichts zu ändern. Dieses Schreiben soll die Freilassung des Klägers aus der Haft wegen dem Straftatbestand der „Homosexualität“ bestätigen. Abgesehen davon, dass der Straftatbestand nicht vollumfänglich lesbar ist, ist der Straftatbestand durch die Verwendung des Begriffs der „Homosexualität“ nicht so bezeichnet, wie es das Gesetz in Art. 145 des ugandischen Strafgesetzbuchs vorsieht. Nach § 145 des Strafgesetzbuches (Penal Code Act, 1950) sind homosexuelle Handlungen sowohl zwischen Männern als auch Frauen unter Strafe gestellt („Geschlechtsverkehr wider die Natur“). Am 24. Februar 2014 unterzeichnete der Präsident Ugandas ein Gesetz, das für gleichgeschlechtliche Handlungen Strafen bis zur Todesstrafe sowie eine Strafbarkeit für „Förderung der Homosexualität“ und die „Unterstützung und Beihilfe zur Homosexualität“ vorgesehen hat (Auskunft von amnesty international vom 30.8.2019 an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof). Dieses Gesetz wurde aber vom Verfassungsgericht im August 2014 für nichtig erklärt (Länderinformationsblatt des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Stand 27.9.2017, S. 17).
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In dem vorgelegten Dokument wird damit der angeblich maßgebliche Straftatbestand nicht korrekt angegeben. Darüber hinaus hat der Kläger die Verhaftung in der Anhörung vor dem Bundesamt nicht erwähnt. Zudem ist der Kläger nach seinen Angaben vor dem Bundesamt legal und problemlos mit dem auf seinen Namen lautenden Reisepass über den Flughafen K. (E.) ausgereist. Aufgrund der Kontrolldichte auf diesem Flughafen ist bei einem ernsthaften Verfolgungsinteresse seitens des ugandischen Staates das Risiko einer Festnahme sehr hoch (Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 21.3.2013 an VG Augsburg). Auch das zeigt, dass die Unterlagen, die ein hinsichtlich des Klägers eingeleitetes Strafverfahren belegen sollen („release on bond“), nicht authentisch sein können. Andernfalls wäre dem Kläger die Ausreise über den Flughafen E... nicht problemlos möglich gewesen.
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bb) Im Übrigen hat der Kläger nicht glaubhaft geschildert, wie er sich seiner angeblichen Bisexualität bewusstgeworden ist.
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Gerade in einer Gesellschaft wie der in Uganda, die gleichgeschlechtlicher Sexualität ablehnend gegenübersteht, ist das Bewusstwerden der eigenen auch gleichgeschlechtlichen Sexualität ein Schritt, der eine Abweichung der persönlichen sexuellen Orientierung von der gesellschaftlich erwarteten Orientierung bedingt. Das bedeutet eine Distanzierung von den gesellschaftlichen Konventionen, was sich nicht in einem einfachen Erkennen der eigenen abweichenden Orientierung erschöpft, sondern einen Prozess erfordert – gerade in einem eine solche Form der Sexualität ablehnenden Umfeld. Hierzu hat der Kläger nur vage vorgetragen, dass er immer gewusst habe, bisexuell zu sein. Die Angabe, dass er sowohl Gefühle für Frauen, als auch für Männer entwickelt habe, wirkt oberflächlich und aufgesetzt. Das „innere Ringen“ zwischen den gesellschaftlichen Erwartungen gegenüber seiner sexuellen Veranlagung drängt sich geradezu auf. Zum Zwiespalt zwischen den nach außen erwarteten Konventionen gegenüber der eigenen sexuellen Veranlagung hat der Kläger nichts vorgetragen, sondern sich auf Allgemeinplätze beschränkt (vgl. hierzu Berlit/Dörig/Storey, ZAR 2016, 332 ff.). Insgesamt ist der Vortrag des Klägers diesbezüglich vage, detailarm und oberflächlich.
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cc) Auch die bereits vor dem Bundesamt geschilderte angebliche Entführung des Klägers ist nicht glaubhaft. Das Gericht folgt den Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid (§ 77 Abs. 3 AsylG).
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d) Das Bundesamt hat im Übrigen auch zu Recht die Zuerkennung subsidiären Schutzes (§ 4 AsylG) und das Vorliegen von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG abgelehnt. Es sind keine Gesichtspunkte vorgetragen oder sonst ersichtlich, die die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidungen in Frage stellen könnten. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung angegeben, gesund zu sein und derzeit als Pflegeassistent in Deutschland zu arbeiten. Die im Attest vom 18. Juli 2019 attestierten Leiden in Form von Suizidalität und einer schweren depressiven Episode bestünden nicht mehr. Damit ist der Kläger auch unter Berücksichtigung der im Übrigen attestierten Leiden ein junger, gesunder und arbeitsfähiger Mann, sodass davon auszugehen ist, dass er in Uganda mindestens das Existenzminimum wird sichern können.
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e) Gegen die Rechtmäßigkeit des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 AufenthG bestehen keine Bedenken.
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2. Der Kläger hat als unterlegener Beteiligter nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Nach § 83 b AsylG ist das Verfahren gerichtskostenfrei. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, 711 ZPO.