Inhalt

VG München, Urteil v. 09.06.2023 – M 5 K 19.32481
Titel:

unbegründeter Asylantrag (Uganda)

Normenketten:
GG Art. 16a
AsylG § 3, § 4
Leitsatz:
Ein unmittelbar vor Ablauf des erteilten Visums gestellter Asylantrag nährt den Verdacht, dass der Asylantrag nur vorgeschoben wird, um dem Ausländer eine sonst nicht zu erlangendes Bleibemöglichkeit in Deutschland zu verschaffen. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Asylklage, Uganda, Politische Verfolgung (unglaubhaft), Wahlkampf, Opposition, unlawful assembly
Fundstelle:
BeckRS 2023, 22552

Tenor

I.    Die Klage wird abgewiesen.
 II.    Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.    Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Der Kläger ist ugandischer Staatsangehöriger. Er reiste am 4. Mai 2019 auf dem Luftweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 3. Juni 2019 einen unbeschränkten Asylantrag. Der Kläger besaß ein Visum für Deutschland, das vom 1. Mai 2019 bis 20. Mai 2019 gültig war.
2
Bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 27. Juni 2019 gab er an, dass er Uganda verlassen habe, da er an Demonstrationen teilgenommen habe und daraufhin aus seinem Heimatort verwiesen worden sei. Im Jahre 2018 habe er an einer Demonstration gegen die Steuer auf Geldüberweisungen per Handy teilgenommen. Am 22. April 2019 sei der Kläger festgenommen worden, weil er, bekleidet mit einer Kappe und einem T-Shirt in den Farben der Opposition, Flaschen für eine Organisation, für die er arbeitete, gesammelt habe. Er sei am selben Tag freigekommen, da ihm ein bisher für ihn unbekannter Mann geholfen habe. Als er an einem anderen Tag Flaschen am Strand gesammelt habe, sei ein Konzert des Oppositionellen Bobi Wine unter Verwendung von Tränengas und unter Anwendung von Gewalt aufgelöst worden. Der Kläger habe die Flucht ergriffen. Nach Uganda könne er nicht mehr zurück, da ihn der Dorfvorsteher seines Heimatviertels in … am 15. März 2019 aus dem Dorf verwiesen habe und er in einem anderen Dorf nicht aufgenommen werden würde. Er habe vor seiner Ausreise für ungefähr sechs Wochen in einem Gebiet im Zentrum von … als Obdachloser gelebt. Der Kläger sei von der Organisation, für die er gearbeitet habe, für eine Reise nach Deutschland ausgewählt worden. Diese Organisation habe sein Visum bezahlt und habe ihm bei der Ausreise geholfen.
3
Mit Bescheid vom 2. Juli 2019 erkannte das Bundesamt die Flüchtlingseigenschaft nicht zu (Nr.1), lehnte den Antrag auf Asylanerkennung ab (Nr. 2) und erkannte den subsidiären Schutzstatus nicht zu (Nr. 3). Zudem stellte das Bundesamt fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) nicht vorliegen (Nr. 4) und forderte die Klagepartei auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen, andernfalls wurde der Klagepartei die Abschiebung nach Uganda oder in einen anderen Staat, in den die Klagepartei einreisen darf oder der zu ihrer Rücknahme verpflichtet ist, angedroht (Nr. 5). Das gesetzliche Einreise und Aufenthaltsverbot wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6).
4
Am 9. Juli 2019 hat der Kläger Klage erhoben und beantragt,
5
1. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Az. 6801455-286) vom 2. Juli 2019 wird aufgehoben.
6
2. Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG zuzuerkennen.
7
3. Hilfsweise: Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger den subsidiären Schutz gemäß § 4 Abs. 1 AsylG zuzuerkennen.
8
4. Die Beklagte wird verpflichtet festzustellen, dass Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5, 7 Satz 1 AufenthG bestehen.
9
Zur Begründung nimmt der Kläger Bezug auf die Angaben vor dem Bundesamt und legt im weiteren Verfahren ein Dokument mit dem Titel „Released on Bond“ vom 22. Februar 2019 sowie ein Schreiben des Ortsvorstehers vom 15. März 2019 vor.
10
Die Beklagte hat die Akten vorgelegt, ohne sich in der Sache zu äußern.
11
Mit Beschluss vom 14. März 2023 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen, § 76 Abs. 1 AsylG.
12
Der Kläger ist im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 30. Mai 2023 informatorisch angehört worden.
13
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegte Behördenakte sowie die Niederschrift vom 30. Mai 2023 verwiesen.

Entscheidungsgründe

14
1. Die zulässige Klage ist unbegründet. Der streitgegenständliche Bescheid stellt sich im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Asylgesetz – AsylG) als rechtmäßig dar und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 und 5 VwGO.
15
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter im Sinne des Art. 16a des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (GG) oder auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 AsylG. Zudem liegen keine Gründe auf Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG vor. Nationale Abschiebungsverbote gem. § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegen nicht vor. Auch die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes erweist sich als rechtmäßig (§ 11 AufenthG). Die Klage war daher abzuweisen.
16
Zur Begründung wird zunächst auf die Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid verwiesen, denen das Gericht folgt (§ 77 Abs. 3 AsylG).
17
Ergänzend ist Folgendes auszuführen:
18
a) Ein Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter (Art. 16a Abs. 1 GG) sowie die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylG steht dem Kläger nicht zu. Das Gericht ist nach dem persönlichen Eindruck, den es von dem Kläger in der mündlichen Verhandlung gewonnen hat, nicht überzeugt, dass der Kläger in Uganda bereits politisch verfolgt worden ist oder dass ihm im Falle seiner Rückkehr nach Uganda mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die geltend gemachte politische Verfolgung droht.
19
Nach § 3 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 AsylG besteht ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. Anerkennung als Asylberechtigter (bei Einreise auf dem Luftweg) dann, wenn sich der Ausländer aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt oder dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will und er keine Ausschlusstatbestände erfüllt. Eine Verfolgung i.S.v. § 3 Abs. 1 AsylG liegt nach § 3a AsylG bei Handlungen vor, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Artikel 15 Abs. 2 der Konvention vom 4. November 1959 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist (§ 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylG), oder in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte bestehen, die so gravierend sind, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist (§ 3a Abs. 1 Nr. 2 AsylG). Als Verfolgung im Sinne des Abs. 1 können unter anderem gemäß § 3a Abs. 2 AsylG die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt, gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden oder auch unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung gelten. Dabei muss zwischen den genannten Verfolgungsgründen und den als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen gemäß § 3a Abs. 3 AsylG eine Verknüpfung bestehen.
20
Die Verfolgung kann gemäß § 3c AsylG vom Staat oder von Parteien oder Organisationen ausgehen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder aber von nichtstaatlichen Akteuren, sofern die vorgenannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten und dies unabhängig davon, ob im Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.
21
Die Flüchtlingseigenschaft wird nicht zuerkannt, wenn im Herkunftsland eine interne Schutzmöglichkeit besteht, § 3e AsylG.
22
Die Furcht vor Verfolgung ist begründet, wenn dem Ausländer die Gefahren aufgrund der in seinem Herkunftsland gegebenen Umstände in Anbetracht seiner individuellen Lage tatsächlich drohen; das entspricht dem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit. Dieser Wahrscheinlichkeitsmaßstab setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine „qualifizierende“ Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzuwenden. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 20.2.2013 – 10 C 23/12 – juris Rn. 32; B.v. 7.2.2008 – 10 C 33/07 – juris Rn. 37).
23
Die begründete Furcht vor Verfolgung kann dabei sowohl auf tatsächlich erlittener oder unmittelbar drohender Verfolgung bereits vor der Ausreise im Herkunftsstaat (Vorverfolgung) oder auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Ausländer das Herkunftsland verlassen hat (Nachfluchtgründe), insbesondere auch auf einem Verhalten des Ausländers, das Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsland bestehenden Überzeugung oder Ausrichtung ist (§ 28 Abs. 1a AsylG).
24
Der der Prognose zugrunde zu legende Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit bleibt auch dann unverändert, wenn der Ausländer bereits Vorverfolgung erlitten hat. Allerdings ist nach Art. 4 Abs. 4 der RL 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 – Qualifikationsrichtlinie – (ABl. L 337 S. 9) die Tatsache, dass ein Ausländer bereits verfolgt wurde bzw. von solcher Verfolgung unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Ausländers vor Verfolgung begründet ist, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Ausländer erneut von solcher Verfolgung bedroht wird. Dies ist im Sinne einer widerlegbaren tatsächlichen Vermutung zu verstehen (vgl. BVerwG, U.v. 27.4.2010 – 10 C 5/09 – juris Rn. 23).
25
Das Gericht muss auf einer hinreichenden Tatsachengrundlage von der Richtigkeit seiner gewonnenen Prognose drohender Verfolgung die volle richterliche Überzeugung erlangt haben (vgl. BVerwG, U.v. 13.2.2014 – 10 C 6/13 – juris Rn. 18).
26
Für die Beurteilung der Glaubhaftigkeit des Vorbringens gilt nach den in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen, die sich in Art. 4 Abs. 1, 2 und 5 der Qualifikationsrichtlinie widerspiegeln, dass es dem Ausländer obliegt, von sich aus umfassend die Gründe für das verfolgungsbedingte Verlassen der Heimat substantiiert, unter Angabe genauer Einzelheiten und in sich stimmig darzulegen.
27
Der Vortrag, insbesondere zu den in die eigene Sphäre fallenden Ereignissen, muss geeignet sein, den Schutzanspruch lückenlos zu tragen (vgl. BVerwG, U.v. 24.3.1987 – 9 C 321/85 – juris Rn. 9).
28
Das Gericht muss sich in vollem Umfang die Überzeugung von der Wahrheit des von dem Ausländer behaupteten individuellen Verfolgungsschicksals verschaffen, wobei allerdings der typische Beweisnotstand hinsichtlich der Vorgänge im Herkunftsland bei der Auswahl der Beweismittel und bei der Würdigung des Vortrags und der Beweise angemessen zu berücksichtigen ist. Unauflösbare Widersprüche und erhebliche Steigerungen des Vorbringens sind hiermit unvereinbar und können dazu führen, dass dem Vortrag im Ganzen nicht geglaubt werden kann, es sei denn, die Widersprüche und Unstimmigkeiten können überzeugend aufgelöst werden (vgl. BVerwG, U.v. 12.11.1985 – 9 C 27/85 – juris Rn. 11 ff.; B.v. 21.7.1989 – 9 B 239/89 – juris Rn. 3).
29
b) Gemessen an diesen Maßstäben erfüllt der Kläger die Voraussetzungen für die Anerkennung als Asylberechtigter oder die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht, da das Gericht nicht davon überzeugt ist, dass der Kläger in Uganda bereits politisch verfolgt worden ist oder dass er berechtigterweise befürchten muss, bei einer Rückkehr politisch verfolgt zu werden.
30
aa) Denn der Vortrag des Klägers ist nach den oben skizzierten Maßstäben nur eingeschränkt glaubhaft. Insbesondere hat der Kläger seinen Vortrag im Laufe des Verfahrens in wesentlichen Teilen erheblich gesteigert.
31
So hat der Kläger erst im gerichtlichen Verfahren davon berichtet, dass er infolge der Demonstration im November 2017 festgenommen und für zwei Wochen auf der Polizeistation festgehalten worden sei. Diese Steigerung vermochte der Kläger auf Vorhalt nicht genügend zu erklären. Allein der Hinweis darauf, dass er bei der Anhörung vor dem Bundesamt nicht danach gefragt worden sei, kann nicht durchdringen. Es ist nicht nachvollziehbar, warum der Kläger eine so relevante Information in der Anhörung vor dem Bundesamt mit keinem Wort erwähnte. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Kläger vor dem Bundesamt die Umstände der Demonstration, die Anlass für die angebliche Festnahme gewesen sein soll, sowie eine andere, spätere Festnahme im April 2018 (oder 2019) geschildert hat. Bereits aus diesem Grund erweist sich sein im gerichtlichen Verfahren gesteigertes Vorbringen als unglaubhaft.
32
Erst im gerichtlichen Verfahren hat der Kläger zudem vorgetragen, an einem Tag Wahlkampf für die FDC-Partei, einer Oppositionspartei, geführt zu haben. Auch diese Steigerung vermochte der Kläger auf Vorhalt des Gerichts nicht hinreichend zu erklären. Insbesondere kann die auf den Vorhalt hin abgegebene Antwort des Klägers, das Bundesamt habe dem Kläger lediglich zwei Fragen gestellt, durch das Protokoll über die Anhörung vor dem Bundesamt widerlegt werden.
33
Gegen die Glaubhaftigkeit seines Vorbringens spricht zudem, dass der Kläger einen Asylantrag erst unmittelbar vor dem Ablauf des ihm erteilten Visums gestellt hat. Ein Ausländer, der tatsächlich politisch verfolgt wird, gibt sich demgegenüber unverzüglich als Schutzsuchender zu erkennen, nachdem er das Gebiet des Staates erreicht hat, in dem er um Asyl bittet. Ein gegenläufiges Verhalten nährt den Verdacht, dass der Asylantrag nur vorgeschoben wird, um dem Ausländer eine Bleibemöglichkeit in Deutschland zu verschaffen. Gründe, derentwegen der Kläger gehindert war, unverzüglich einen Asylantrag zu stellen, wurden weder vorgetragen noch sind sie ersichtlich.
34
Soweit der Kläger zur Glaubhaftmachung seiner Verfolgungsgeschichte im gerichtlichen Verfahren ein „Released on Bond“-Schreiben vom 22. Februar 2019 vorgelegt hat, bestehen Zweifel an dessen Authentizität. Mit diesem Schreiben soll die Entlassung des Klägers gegen Kaution aus der Polizeihaft dokumentiert werden. Der Tatvorwurf, der dort genannt ist, lautet „unlawful demonstration“. Die im Gesetz verankerte Bezeichnung des Tatvorwurfs lautet jedoch „unlawful assembly“ (§ 66 des ugandischen Strafgesetzbuches / Penal Code Act, 1950). Hinzu kommt, dass die auf dem Schreiben genannte Rechtsgrundlage (§ 30 der Ugandischen Strafprozessordnung / Criminal Procedure Code Act, 2000) nicht den Fall der Entlassung eines Klägers gegen Kaution aus der Polizeihaft regelt, sondern die Weiterleitung von Schriftstücken eines Beschwerdeführers, der sich in Haft befindet. Selbst bei einer unterstellten Gültigkeit des „Released on Bond“-Schreibens würde der dreistündigen Festnahme wegen des Tragens eines roten Baretts, das allgemein als Markenzeichen der Oppositionsbewegung um Bobi Wine gilt, die für eine politische Verfolgung geforderte Intensität fehlen. Bei der Festnahme handelt es sich um ein einmaliges Ereignis, das die Schwelle zur Verfolgung im Sinne von § 3 Abs. 1 sowie § 3a Abs. 1 Nr. 1 und 2 AsylG nicht erreichen dürfte.
35
bb) Das Gericht ist – selbst bei Wahrunterstellung des klägerischen Vortrags – nicht davon überzeugt, dass der Kläger berechtigterweise befürchten muss, bei einer Rückkehr politisch verfolgt zu werden. Der Kläger hat insbesondere nicht glaubhaft gemacht, warum er selbst sich für eine politische Verfolgung besonders exponiert hätte.
36
Nach dem Länderinformationsblatt Uganda des Österreichischen Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27. September 2017 (S. 6 f.) kann die politische Lage in Uganda als relativ stabil bezeichnet werden. Nach der Wahl 2021 errangen die Oppositionsparteien NUP einen Stimmenanteil von 34,83%, die FDC einen Stimmenanteil von 3,24% (Konrad-Adenauer-Stiftung, Länderbericht Januar 2021, Wahlen in Uganda, S. 2). Nach der Erkenntnislage droht jedenfalls solchen Personen, die sich in herausgehobener Stellung in einer Oppositionspartei engagiert haben, eine Verfolgung in Uganda. Insbesondere die Führung des Kampagnenteams von Bobi Wine (Robert Kyagulanyi) ist kurz vor den am 14. Januar 2021 abgehaltenen Wahlen festgenommen worden (Konrad-Adenauer-Stiftung, Länderbericht Januar 2021, Wahlen in Uganda). Ebenso kann nicht ausgeschlossen werden, dass entsprechende Maßnahmen auch gegenüber Personen angewendet werden, die dem persönlichen Umfeld von populären Oppositionspolitikern zugerechnet werden (VG München, U.v. 25.4.2023 – M 5 K 19.33903 – juris Rn. 29).
37
Eine derart herausgehobene Stellung hatte der Kläger nach eigenen Angaben jedoch nicht inne. Dass er Mitglied einer Partei gewesen sei, hat der Kläger nicht vorgetragen. Der Kläger hat lediglich angegeben, Teil einer Gruppierung gewesen zu sein, die sich gegen die Regierung gerichtet habe. Im Übrigen sei der Kläger nach eigenen Angaben nur einmal für eine der Oppositionsparteien politisch aktiv gewesen. So habe er an einem einzigen Tag im Jahr 2016 Wahlkampf für ein FDC-Mitglied geführt. Ein herausgehobenes Engagement oder eine exponierte Stellung für eine der Oppositionsparteien folgt daraus nicht. Ein darüberhinausgehendes Engagement, mit dem sich der Kläger besonders exponiert hätte und ins Fadenkreuz polizeilicher Ermittlungen gelangen hätte können, hat der Kläger nicht vorgetragen. Das geschilderte Engagement in Form der Teilnahme an einer Demonstration, des Tragens eines roten Baretts und der nicht näher präzisierten Information über Missstände im Land erreichen diese Schwelle nicht. Es ist daher nicht ersichtlich, dass der ugandische Staat gegenüber dem Kläger deshalb Verfolgungsmaßnahmen ergreifen könnte. Aus dem vorgelegten „release on bond“-Schreiben vom 22. Februar 2019 geht hervor, dass der Kläger erneut bei der Polizei erscheinen sollte. Dies hat er nach eigenen Angaben nicht getan. Konsequenzen hat dies jedoch keine nach sich gezogen. So hat sich der Kläger nach Ablauf dieses Termins noch über zwei Monate in Uganda aufgehalten und konnte unbehelligt per Flugzeug das Land verlassen. Hinzu kommt, dass seit der Wahlkampfunterstützung bei den Wahlen 2016 sieben Jahre vergangen sind, wobei zuletzt im Jahr 2021 Präsidentschaftswahlen stattfanden, sodass unwahrscheinlich ist, dass dem Kläger aufgrund seines angeblichen politischen Engagements heute noch eine Verfolgung drohen könnte.
38
cc) Im Übrigen ist es dem Kläger ohne weiteres möglich, sich in einem anderen Landesteil in Uganda niederzulassen, sodass er sich daher auf die interne Schutzmöglichkeit in einer anderen Region Ugandas gemäß § 3e AsylG verweisen lassen muss. Nach dieser Vorschrift wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslands keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt. Das Gericht ist davon überzeugt, dass der Kläger in anderen Landesteilen Ugandas eine den genannten Anforderungen genügende Ausweichmöglichkeit vorfinden wird. Denn die angebliche oppositionelle Gesinnung des Klägers ist nach eigenen Angaben nur im Heimatort des Klägers bekannt. Ein landesweites Verfolgungsinteresse ist nicht dargelegt und auch nicht anderweitig erkennbar. Uganda hat etwa 45 Millionen Einwohner und umfasst eine Fläche von gut 240 km². Es ist weder substantiiert vorgetragen noch sonst ersichtlich, wieso sich der Kläger nicht in anderen Landesteilen Ugandas niederlassen könnte. Gründe, die es ihm nicht zumutbar erscheinen ließen, außerhalb seiner Heimatregion zu leben, hat der Kläger nicht vorgetragen. Dem Gericht liegen auch keine Erkenntnisse darüber vor, dass in der Praxis ein Umzug ohne ein Empfehlungsschreiben des Ortsvorstehers in einen anderen Landesteil generell nicht möglich sein sollte (vgl. in Bezug auf LGBT-Personen Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Länderreport Uganda, Die Situation von LGBT-Personen, Stand 10/2020, S. 10).
39
c) Das Bundesamt hat im Übrigen auch zu Recht die Zuerkennung subsidiären Schutzes (§ 4 AsylG) und das Vorliegen von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG abgelehnt. Es sind keine Gesichtspunkte vorgetragen oder sonst ersichtlich, die die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidungen in Frage stellen könnten. Der Kläger ist ein junger, gesunder und arbeitsfähiger Mann mit guter Schulbildung, sodass davon auszugehen ist, dass er – ungeachtet der kurzzeitigen Obdachlosigkeit vor seiner Ausreise – mindestens das Existenzminimum wird sichern können.
40
d) Auch gegen die Rechtmäßigkeit des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 AufenthG bestehen keine Bedenken.
41
2. Der Kläger hat als unterlegener Beteiligter nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Nach § 83 b AsylG ist das Verfahren gerichtskostenfrei. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, 711 ZPO.