Titel:
Erfolglose Nachbarklage gegen Baugenehmigung für Wohnungen und Büros
Normenketten:
VwGO § 58 Abs. 2, § 74 Abs. 1 S. 2
BauGB § 34 Abs. 2
BauNVO § 3 Abs. 3 Nr. 1, § 4, § 13a S. 1, § 15
Leitsätze:
1. Wird einem klagenen Nachbarn die Baugenehmigung nicht bekanntgegeben, hat er jedoch gleichwohl sichere Kenntnis von ihr erlangt oder hätte er sie erlangen müssen, so kann ihm nach Treu und Glauben die Berufung darauf versagt sein, dass sie ihm nicht amtlich mitgeteilt wurde und es läuft für ihn die Klagefrist so, als sei ihm die Baugenehmigung in dem Zeitpunkt amtlich bekannt gegeben worden, in dem er von ihr sichere Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen können. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der rechtsvernichtende Vorgang der Verwirkung ist anzunehmen, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung eines Rechts längere Zeit verstrichen ist und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
3. Der allgemeine bauplanungsrechtliche Gebietserhaltungsanspruch gewährt dem Grundstücksnachbarn hinsichtlich der durch einen Bebauungsplan festgesetzten Nutzungsart einen Abwehranspruch gegen die Genehmigung eines Bauvorhabens im Plangebiet, das von der zulässigen Nutzungsart abweicht und zwar unabhängig davon, ob die zugelassene gebietswidrige Nutzung des Nachbarn ihn selbst unzumutbar beeinträchtigt oder nicht. ( (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
4. Der Gebietsprägungserhaltungsanspruchs kann sich nur auf die Art der baulichen Nutzung im Sinne der Baunutzungsverordnung beziehen. (Rn. 38) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Erdrückende Wirkung, Gebietserhaltungsanspruch, Gebietsprägungserhaltungsanspruch, Gebot der Rücksichtnahme, Nachbarklage, Baurecht, Klagefrist, Bekanntgabe, Genehmigung, Verwirkung, Zeitmoment, Umstandsmoment, Vertrauen, Rüchsichtnahmegebot, erdrückende Wirkung
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 03.06.2024 – 1 ZB 23.1762
Fundstelle:
BeckRS 2023, 22528
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Die Beteiligten streiten über der Beigeladenen erteilte Baugenehmigungen für den Neubau von zwei Wohngebäuden und einem Wohn- und Geschäftsgebäude.
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Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks FlNr. 311/20 Gem. … … Südöstlich des Grundstücks des Klägers, getrennt durch eine Zufahrts straße, liegen die Grundstücke FlNrn. 310, 312/3 Gem. … … (Vorhabengrundstücke).
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Unter dem 10. Juni 2015 beantragte die damalige Eigentümerin der Vorhabengrundstücke eine Baugenehmigung für die Errichtung eines Wohngebäudes mit 25 Wohnungen und zwei Untergeschossen. Auf den Grundstücken stand bislang die ehemalige Kuranstalt …, die als Wohn- und Geschäftshaus baurechtlich genehmigt war. Die Grundstücke liegen im Geltungsbereich der örtlichen Gestaltungssatzung vom 23. März 2009; ein Bebauungsplan besteht nicht. Mit Beschluss vom 18. Juni 2015 erteilte die Gemeinde ihr Einvernehmen zu dem Bauantrag.
4
Unter dem 18. August 2015 plante die damalige Eigentümerin um und beantragte die Erteilung einer Baugenehmigung für den Neubau eines Wohngebäudes mit 25 Wohneinheiten, einer Tiefgarage, zwei Tiefgaragenzugangsgebäuden und einer Mauer an der Grenze. Die geplante Grundfläche beträgt ca. 50 m x 12 m. Das Vorhaben soll mit drei Vollgeschossen und einem leicht zurückgesetzten Dachgeschoss errichtet werden. Die Wandhöhe soll 10,27 m, die Firsthöhe ab dem natürlichen Gelände ca. 13 m betragen. Mit Beschluss vom 24. August 2015 erteilte die Gemeinde als Angelegenheit der laufenden Verwaltung ihr Einvernehmen zu dem geänderten Vorhaben.
5
In den vorgelegten Behördenakten befindet sich der Entwurf einer Baugenehmigung vom 29. März 2016, auf welchem handschriftlich notiert wurde, dass dieser nicht zur Post gegeben wurde.
6
Mit Bescheid vom 2. Mai 2016 erteilte der Beklagte die begehrte Baugenehmigung samt Abweichungen von Nr. 6.1 (Geschossigkeit), 6.2 (Oberkante der Fußpfetten), 6.3 (Oberkante der Fußpfetten) und 7.3 (Dachvorsprünge) der örtlichen Satzung.
7
Mit Bescheid vom 8. Mai 2017 erteilte der Beklagte der Beigeladenen eine Nachtragsbaugenehmigung für die Errichtung von zwei weiteren Wohngebäuden mit insgesamt 20 Wohnungen (12 Wohnungen Haus A und 8 Wohnungen Haus C) und neun Geschäfts- und Büroeinheiten (Haus C).
8
Mit Bescheid vom 24. September 2018 erteilte der Beklagte der Beigeladenen eine 2. Nachtragsbaugenehmigung für den Neubau eines Wohngebäudes mit 25 Wohneinheiten, eines Wohngebäudes mit 12 Wohneinheiten und eines Wohn- und Geschäftsgebäudes mit 9 Wohneinheiten und 8 Büros mit gemeinsamer Tiefgarage.
9
Mit Schriftsatz vom *. Dezember 2018 hat der Kläger zunächst Klage gegen die Baugenehmigungen vom 29. März 2016 und vom 2. Mai 2016 erhoben und einen Eilantrag gestellt (M 1 SN 18.5957).
10
Mit Schriftsatz vom *. Februar 2021 beantragt der Kläger zuletzt, den Beklagten zu verurteilen, die Baugenehmigungen des Landratsamtes … … vom 02.05.2016 nebst Nachtragsbaugenehmigung vom 08.05.2017 sowie zweiter Nachtragsbaugenehmigung vom 24.09.2018 aufzuheben.
11
Die genehmigte Bebauung mit vier Vollgeschossen und der vorgesehenen Baukörperlänge (Haus B) sei in keiner Weise ortsüblich. Sie weiche erheblich von der übrigen maximal zwei- bis dreigeschossigen Bebauung ab. Die Bebauung füge sich auch hinsichtlich der Grundstücksfläche von ca. 5.000 m² nicht ein. Die Nachbargrundstücke wiesen eine Größe von ca. 1.000 m² auf.
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Der Beklagte beantragt,
14
Die Klage sei unzulässig, weil der Kläger kein Nachbar im engeren Sinne sei. Es sei nicht erkennbar, dass von dem Bauvorhaben eine Auswirkung von öffentlich-rechtlicher Bedeutung auf das Grundstück des Klägers zu erwarten sei. Der Kläger habe seit diversen öffentlichen Pressemitteilungen im Juli 2016 die Möglichkeit gehabt, seine Rechtsverletzungen aufzuzeigen. Die Klage sei auch unbegründet. Das Vorhaben liege bzgl. Haus B in einem faktischen allgemeinen Wohngebiet, bzgl. Haus A und Haus C in einem faktischen Mischgebiet. Es füge sich nach dem Maß der baulichen Nutzung ein. Für die Beurteilung sei die Bebauung durch die ehemalige Kuranstalt … herangezogen worden. Das Vorhaben verletze keine Rechte des Klägers. Es verletze nicht den Gebietserhaltungsanspruch. Bauteil A und C wiesen eine Wohnnutzung mit integriertem nicht störenden Gewerbe auf, Bauteil B sei ein Gebäude mit Wohnnutzung. Es verletze auch nicht den Gebietsprägungserhaltungsanspruch. Eine Ausprägung des Vorhabens dergestalt, dass die Masse an Wohnbebauung in eine Qualität umschlage, die in dem Gebietstyp unverträglich werde, sei nicht zu erkennen. Dies gelte umso mehr, als der Bauteil B dem angrenzenden allgemeinen Wohngebiet zugerechnet werde. Das Gebot der Rücksichtnahme sei nicht verletzt, dem Bauvorhaben komme bereits aufgrund der Vorprägung durch die ehemalige Kuranstalt keine erdrückende Wirkung zu.
15
Mit Beschluss vom 24. April 2019 lehnte das Gericht den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage ab.
16
Die Beigeladene beantragt,
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Das Maß der baulichen Nutzung sei nicht drittschützend. Das Gebot der Rücksichtnahme werde nicht verletzt. Eine erdrückende Wirkung liege nicht vor. Der Gebietserhaltungs- und Gebietsprägungserhaltungsanspruch seien ebenfalls nicht verletzt.
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Mit Schriftsatz vom *. Dezember 2019 und vom *. Februar 2021 vertiefte die Klagepartei ihre Ausführungen. Keine der das Vorhaben betreffenden Baugenehmigungen sei dem Kläger zur Kenntnis gebracht worden. Der Kläger habe erst mit Akteneinsicht Mitte 2019 Kenntnis von der Nachtragsbaugenehmigung vom 24. September 2018 erlangten. Mangels Bekanntgabe der Genehmigungen sei die Klagefrist von einem Monat ab Bekanntgabe nicht einzuhalten. Die angefochtenen Baugenehmigungen seien rechtswidrig. Sie verstießen gegen den Gebietserhaltungsanspruch, den Gebietsprägungserhaltungsanspruch sowie das Gebot der Rücksichtnahme. In dem Gebiet mit ausschließlich zweigeschossigen Gebäuden mit bis zu zwei Wohneinheiten seien drei viergeschossige Mehrfamilienhäuser genehmigt worden. Der Umfang der genehmigten Bebauung schlage von Quantität in Qualität um. Eine Vorprägung sei nicht gegeben. Die Kuranstalt sei nie ein Wohn- und Geschäftshaus gewesen. Der Betrieb sei maximal sieben Monate im Jahr, von März bis Oktober, geöffnet gewesen. Nachmittags und im Winter sei das Gebäude leer gewesen. Das Funktionsgebäude sei ein Fremdkörper gewesen und habe deshalb unberücksichtigt zu bleiben. Selbst wenn man der Auffassung folge, dass die Kuranstalt Bestandteil des bebauten Quartiers gewesen sei, müsse berücksichtigt werden, dass es sich um eine Bauruine gehandelt habe, die 20 Jahre lang leer gestanden habe.
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Mit Schriftsatz vom 22. Februar 2021 erwiderte der Beklagte. Die Gebäude fügten sich unter Berücksichtigung der nachprägenden Wirkung der Bebauung durch die ehemalige Kurmittelanstalt in die nähere Umgebung ein. Auf Grundstücksgrenzen und die Größe der Grundstücke sowie die Festlegung ehemaliger Ortssatzungen und der historischen Entwicklung der Bebauung komme es bei Beurteilung der Eigenart der näheren Umgebung nicht an.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakte, auch im zugehörigen Eilverfahren M 1 SN 18.5957, sowie der Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 25. Juli 2023 verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage hat sowohl gegen den Bescheid vom 2. Mai 2016 in der Fassung vom 24. September 2018 (I.) als auch gegen den Bescheid vom 8. Mai 2017 in der Fassung vom 24. September 2018 (II.) keinen Erfolg.
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I. Die Klage gegen den Bescheid vom 2. Mai 2016 in der Fassung vom 24. September 2018 ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
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1. Die Klage ist insoweit zulässig, insbesondere fristgerecht erhoben worden.
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Gemäß § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO muss die (Nachbar) Anfechtungsklage innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts erhoben werden. Dem Kläger ist die Baugenehmigung vom 2. Mai 2016 nicht bekannt gegeben worden, sodass die Monatsfrist nicht zu laufen begann.
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Hat ein Antragsteller jedoch gleichwohl sichere Kenntnis von einer Baugenehmigung erlangt oder hätte er sie erlangen müssen, so kann ihm nach Treu und Glauben die Berufung darauf versagt sein, dass sie ihm nicht amtlich mitgeteilt wurde. Dann läuft für ihn die Frist so, als sei ihm die Baugenehmigung in dem Zeitpunkt amtlich bekannt gegeben worden, in dem er von ihr sichere Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen können (vgl. BVerwG, U.v. 25.1.1974 – IV C 2.72 – NJW 1974, S. 1260 – juris Rn. 29). Ist zudem die Rechtsmittelbelehrungaufgrund fehlender Bekanntgabe unterblieben, so beträgt die Frist statt eines Monats gem. § 58 Abs. 2 VwGO für eine Anfechtungsklage ein Jahr. Der besondere Rechtfertigungsgrund für die Annahme der Verwirkung liegt in dem besonderen nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis, das von dem durch eine Baugenehmigung drittbetroffenen Nachbarn verlangt, aktiv daran mitzuwirken, dass wirtschaftliche Schäden und Vermögensverluste, die dem Bauherrn mit der Verzögerung seines Vorhabens durch eine Drittklage drohen können, möglichst gering gehalten werden, und ihm deshalb zumutet, seine Einwendungen gegen das Vorhaben ohne Zögern mit den verfahrensrechtlich verfügbaren Mitteln geltend zu machen (vgl. BVerwG, U.v. 25.1.1974 – IV C 2.72 – NJW 1974, 1260 – juris Rn. 24). Der rechtsvernichtende Vorgang der Verwirkung ist anzunehmen, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung eines Rechts längere Zeit verstrichen ist und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen. Das ist insbesondere der Fall, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nach so langer Zeit nicht mehr geltend machen würde, der Verpflichtete ferner tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt würde und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (vgl. BVerwG, B.v. 20.1.2017- 8 B 23.16 – NVwZ-RR 2017, S. 430 – juris Rn. 14, m. w. N.; OVG Münster, B.v. 1.12.2017 – 4 B 1504.17 – juris Rn. 8.). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 25.1.1974 – IV C 2.72 – NJW 1974, S. 1260) tritt der Zeitpunkt, zu dem der Nachbar von der Baugenehmigung zuverlässige Kenntnis nehmen konnte, ein, wenn sich ihm das Vorliegen der Baugenehmigung aufdrängen musste – beispielsweise aufgrund eines sichtbaren Beginns der Bauausführung – und es ihm möglich und zumutbar war, sich hierüber – etwa durch Anfrage bei dem Bauherrn oder der Baugenehmigungsbehörde – Gewissheit zu verschaffen. Daraus folgt: Ab dem Zeitpunkt, an dem der Nachbar davon ausgehen muss, dass der Bauherr eine Baugenehmigung erhalten hat, hat er sich regelmäßig innerhalb eines Jahres über die Genehmigungslage zu informieren. Die Klagefrist ist sodann gewahrt, wenn er nach Erhalt der Information, die ihm die sichere Kenntnis von der Baugenehmigung verschafft, fristgerecht Klage einlegt. Eine „vorsorgliche“ Klage „auf Verdacht“ oder „ins Blaue hinein“ verlangt die höchstrichterliche Rechtsprechung nicht.
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Sichere Kenntnis von der Baugenehmigung vom 2. Mai 2016 hatte der Kläger erst seit der Einsichtnahme in die Bauakte am 22. Februar 2018. Zuvor hatte der Kläger zwar nach eigenen Angaben bereits Kenntnis davon, dass ein Bauantrag eingereicht wurde, nicht jedoch von der erteilten Baugenehmigung. Trotz mehrmaliger Anfrage beim Landratsamt wurden dem Kläger weitere Informationen verweigert. Der Kläger hatte zwar versucht, Kenntnis über den Stand des Baugenehmigungsverfahrens zu erlangen, es wurde ihm jedoch erst im Februar 2018 Akteneinsicht gewährt. Dass über die Baugenehmigung zuvor in der regionalen Presse berichtet wurde, kann nicht zu einer Verwirkung des Klagerechts des Klägers führen. Es kann nicht unterstellt werden, dass der Kläger diese Artikel gelesen und somit positive Kenntnis von der Baugenehmigung erhalten hat. Dies konnte auch der Beklagte nicht darlegen. Die Klage ist daher nicht verfristet, weil sie am 6. Dezember 2018 und somit 10 Monate nach sicherer Kenntnis von der Baugenehmigung eingegangen ist. Selbst wenn man auf eine Kenntnis ab Durchführung der Abrissarbeiten abstellt, die nach Angaben des Beklagten am 15. Januar 2018 begonnen haben, wäre die Klage noch innerhalb der Jahresfrist erhoben worden.
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Die Klagefrist ist auch für die Einbeziehung der Tekturgenehmigung vom 24. September 2018 gewahrt. Der Klägerbevollmächtigte hat den Bescheid mit Schriftsatz vom *. Dezember 2019 in das Klageverfahren einbezogen. Mangels Bekanntgabe auch dieses Bescheids begann die Monatsfrist ebenfalls nicht zu laufen, sodass auch insoweit die Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO Anwendung findet. Dem Klägerbevollmächtigten wurde unter dem 13. Mai 2019 Akteneinsicht in die Behördenakten durch Übersendung gewährt. Ferner wurde der Beschluss im zugehörigen Eilverfahren M 1 SN 18.5957 am 14. Mai 2019 der Klagepartei zugestellt. Die Genehmigung vom 24. September 2018 wird u.a. im Tatbestand des Urteils erwähnt, sodass zu diesem Zeitpunkt Kenntnis der Tekturgenehmigung bestand. Die Einbeziehung im Dezember 2019 war somit fristgerecht.
29
2. Die Klage ist insoweit jedoch unbegründet.
30
Im Rahmen von Rechtsbehelfen Dritter können sich diese nur dann erfolgreich gegen eine Baugenehmigung zur Wehr setzen, wenn sie rechtswidrig ist und die Rechtswidrigkeit auch auf der Verletzung von Normen beruht, die gerade auch dem Schutz des betreffenden Nachbarn zu dienen bestimmt sind (BayVGH, B.v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017 – juris Rn. 20).
31
Die streitgegenständliche Baugenehmigung verletzt den Kläger nicht in seinen nachbarschützenden Rechten. Sie verletzt ihn nicht in seinem Gebietserhaltungs- (a)) oder Gebietsprägungserhaltungsanspruch (b)). Das Gebot der Rücksichtnahme ist ebenfalls nicht verletzt (c)).
32
a) Das mit Bescheid vom 2. Mai 2016 in der Fassung vom 24. September 2018 genehmigte Vorhaben – der Neubau eines Wohngebäudes mit nach Planänderung insgesamt 23 Wohneinheiten, einer Tiefgarage, zwei Tiefgaragenzugangsgebäuden und einer Mauer an der Grenze – verletzt den Kläger nicht in seinem Gebietserhaltungsanspruch.
33
Der allgemeine bauplanungsrechtliche Gebietserhaltungsanspruch gewährt dem Eigentümer eines Grundstücks hinsichtlich der durch einen Bebauungsplan festgesetzten Nutzungsart einen Abwehranspruch gegen die Genehmigung eines Bauvorhabens im Plangebiet, das von der zulässigen Nutzungsart abweicht und zwar unabhängig davon, ob die zugelassene gebietswidrige Nutzung des Nachbarn ihn selbst unzumutbar beeinträchtigt oder nicht (BayVGH, U.v. 12.7.2012 – 2 B 12.1211 – juris Rn. 27). Dieser bauplanungsrechtliche Nachbarschutz beruht auf dem Gedanken des wechselseitigen Austauschverhältnisses. Soweit der Eigentümer eines Grundstücks in dessen Ausnutzung öffentlich-rechtlichen Beschränkungen unterworfen ist, kann er deren Beachtung grundsätzlich auch im Verhältnis zum Nachbarn durchsetzen (BVerwG, U.v. 11.5.1989 – 4 C 1.88 – juris Rn. 43). Aus der Gleichstellung beplanter und faktischer Baugebiete entsprechend der Baunutzungsverordnung hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung durch § 34 Abs. 2 BauGB ergibt sich, dass ein identischer Nachbarschutz schon vom Bundesgesetzgeber festgelegt worden ist (BVerwG, B.v. 22.12.2011 – 4 B 32.11 – juris Rn. 5). Dies bedeutet, dass auch innerhalb von faktischen Baugebieten über § 34 Abs. 2 BauGB eine nachbarschützende Wirkung entsteht. Der Grundsatz, dass sich ein Nachbar im Plangebiet auch dann gegen die Zulassung einer gebietswidrigen Nutzung wenden kann, wenn er durch sie selbst nicht unzumutbar beeinträchtigt wird, lässt sich daher auf den Nachbarschutz im faktischen Baugebiet übertragen.
34
Nach den in den Akten befindlichen Lageplänen, der von dem Beklagten in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Übersicht über die im Umgriff der Vorhabengrundstücke vorhandenen Nutzungen sowie der Verwendung des elektronischen Kartenmaterials des Programms „BayernAtlas“ geht das Gericht vorliegend davon aus, dass die Eigenart der näheren Umgebung, § 34 Abs. 2 BauGB, einem allgemeinen Wohngebiet i.S.v. § 4 BauNVO entspricht. Als nähere Umgebung stellt sich vorliegend das Geviert, das durch die D* …straße im Norden, die R* …straße im Westen, die U* …straße im Osten und die B* … Str. im Süden gebildet wird, dar. In der näheren Umgebung ist überwiegend Wohnnutzung anzutreffen. Ferner befindet sich dort u.a. das vom Kläger auf den Grundstücken FlNrn. 311/20 und 311/37 betriebene Kurhotel, das im allgemeinen Wohngebiet als Betrieb des Beherbergungsgewerbe ausnahmsweise zulässig ist, § 4 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO. Dafür, dass es sich dabei um einen kleinen Betrieb des Beherbergungsgewerbes, der auch im reinen Wohngebiet gem. § 3 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO ausnahmsweise zulässig wäre, handelt, ist nichts ersichtlich und wurde auch vom Kläger nicht behauptet. In dem Gebäude auf dem Grundstück FlNr. 312 befindet sich ferner eine Ferienwohnung an einem Wohnhaus. Gemäß § 13a Satz 1 BauNVO handelt es sich bei solchen Räumen oder Gebäuden in der Regel um einen nicht störenden Gewerbetrieb, der im allgemeinen Wohngebiet gemäß § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO ausnahmsweise zulässig ist, bzw. bei baulich untergeordneter Bedeutung gegenüber der in dem Gebäude vorherrschenden Hauptnutzung um einen Betrieb des Beherbergungsgewerbes nach § 4 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO, vgl. § 13a Satz 2 BauNVO. Dass es sich hierbei um einen kleinen Betrieb des Beherbergungsgewerbes i.S.v. § 3 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO handelt, kann angesichts der räumlichen Abtrennung vom Wohnhaus und der damit verbundenen nicht lediglich untergeordneten Bedeutung nicht angenommen werden, vgl. § 13a Satz 2 a.E. BauNVO. Trotz der überwiegenden Wohnnutzungen liegt damit kein faktisches reines Wohngebiet gem. § 3 BauNVO vor.
35
Durch die Baugenehmigung vom 2. Mai 2016 in der Fassung der Tekturgenehmigung vom 24. September 2018 wird eine Wohnnutzung auf dem Vorhabengrundstück genehmigt. Dies ist einem faktischen allgemeinen Wohngebiet gem. § 4 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO zulässig. Das Vorhaben fügt sich demnach nach der Art der baulichen Nutzung in die nähere Umgebung ein, der Gebietserhaltungsanspruch ist nicht verletzt.
36
b) Das Vorhaben verletzt den Kläger auch nicht in seinem Gebietsprägungserhaltungsanspruch.
37
Soweit der Kläger vorträgt, das Vorhaben widerspreche der Eigenart des Baugebiets, lässt sich dies unter den sog. Gebietsprägungserhaltungsanspruch fassen. Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO sind die in den §§ 2 bis 14 BauNVO aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Diese dem Nachbarschutz dienende Vorschrift findet als eine die §§ 2 bis 14 BauNVO ergänzende Regelung zur Art der baulichen Nutzung kraft Verweisung in § 34 Abs. 2 BauGB im unbeplanten Innenbereich Anwendung (BVerwG, B.v. 29.7.1991 – 4 B 40.91 – juris Rn. 4; B.v. 16.12.2008 – 4 B 68.08 – juris Rn. 4) und vermittelt neben der Wahrung des Rücksichtnahmegebots auch einen Anspruch auf Aufrechterhaltung der typischen Prägung eines Baugebiets (BVerwG, B.v. 13.5.2002 – 4 B 86.01 – juris Rn. 7; BayVGH, B.v. 9.12.2015 – 15 CS 15.1935 – juris Rn. 20), wobei in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung bereits die Existenz eines solchen Anspruchs umstritten ist (zweifelnd etwa BayVGH, B.v. 9.10.2012 – 2 ZB 11.2653 – juris Rn. 7 ff.).
38
Unabhängig davon, ob das Gebiet durch die ehemals auf dem Vorhabengrundstück befindliche Kurmittelanstalt im Hinblick auf den Umfang des Gebäudes (noch) vorgeprägt ist, ist selbst bei Annahme eines erstmals in diesem Umfang genehmigten Gebäudes eine Verletzung des Gebietsprägungserhaltungsanspruchs ausgeschlossen. Ein solcher Anspruch kann sich nämlich nur auf die Art der baulichen Nutzung im Sinne der Baunutzungsverordnung beziehen (BayVGH, B.v. 3.2.2014 – 9 CS 13.1916 – juris Rn. 13; B.v. 115.2.2017 – 1 CS 16.2396 – juris Rn. 11). Es ist nicht erkennbar und auch seitens des Klägers nicht hinreichend behauptet, inwieweit die allgemein zulässige Wohnnutzung bei einer typisierenden Betrachtungsweise störend wirken könnte. Der Zu- und Abfahrtsverkehr ist als sozialadäquat hinzunehmen, § 12 Abs. 2 BauNVO, weitere Störungen wurden durch den Kläger nicht vorgetragen. Überdies könnte eine solche Störung allenfalls dann anzunehmen sein, wenn – in Ansehung des in § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO genannten Kriteriums „Umfang“ – im Einzelfall „Quantität in Qualität“ umschlägt (vgl. z.B. VG München, B.v. 31.7.2014 – M 8 SN 14.2877 – juris Rn. 55), d.h., wenn die Größe der baulichen Anlage die Zulässigkeit der Nutzungsart erfassen und beeinflussen kann (BayVGH, B.v. 6.11.2008 – 14 ZB 08.2327 – juris Rn. 9). Für diese Annahme ist es jedoch nötig, dass wegen der Dimensionen der Anlage eine neue Art der baulichen Nutzung ins Baugebiet hineingetragen wird. Das streitgegenständliche Gebäude wird nach der Errichtung eine Geschossigkeit von E+II+D, eine Firsthöhe von ca. 10 m sowie eine Länge von ca. 50 m aufweisen. Die übrigen in der Umgebung befindlichen Baukörper weichen davon nicht derart erheblich ab, dass hier ein nach o.g. Grundsätzen notwendiges Umschlagen von Quantität in Qualität zu besorgen wäre. Das Vorhaben fällt nicht völlig aus dem vorhandenen Rahmen. Auch angesichts der Tatsache, dass in dem Gebäude reine Wohnnutzung genehmigt ist, sind negative Auswirkungen auf die Art der baulichen Nutzung im faktischen allgemeinen Wohngebiet nicht zu befürchten.
39
c) Ein Verstoß gegen das sich hier aus § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO ergebende Gebot der Rücksichtnahme liegt ebenfalls nicht vor.
40
In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots dann in Betracht kommt, wenn durch die Verwirklichung des genehmigten Vorhabens ein in der unmittelbaren Nachbarschaft befindliches Wohngebäude „eingemauert“ oder „erdrückt“ wird. Eine solche Wirkung kommt vor allem bei nach Höhe und Volumen „übergroßen“ Baukörpern in geringem Abstand zu benachbarten Wohngebäuden in Betracht (vgl. BVerwG, U.v. 13.3.1981 – 4 C 1.78 – juris Rn. 38: 12-geschossiges Gebäude in 15 m Entfernung zum 2,5-geschossigen Nachbarwohnhaus; U.v. 23.5.1986 – 4 C 34.85 – juris Rn. 15: drei 11,05 m hohe Siloanlagen im Abstand von 6 m zu einem 2-geschossigen Wohnanwesen). Hauptkriterien bei der Beurteilung einer „abriegelnden“ bzw. „erdrückenden“ Wirkung sind unter anderem die Höhe des Bauvorhabens und seine Länge sowie die Distanz der baulichen Anlage in Relation zur Nachbarbebauung (vgl. BayVGH, B.v. 19.3.2015 – 9 CS 14.2441 – juris Rn. 31; B.v. 23.4.2014 – 9 CS 14.222 – juris Rn. 12 m.w.N.). Des Weiteren gilt diesbezüglich, dass für die Annahme erdrückender oder einmauernder Wirkung grundsätzlich kein Raum mehr ist, wenn ein Bauvorhaben die bauordnungsrechtlich für eine ausreichende Belichtung, Belüftung und Besonnung, den Brandschutz und den Wohnfrieden von Nachbargrundstücken gebotenen Abstandsflächen einhält (VG München, B.v. 7.7.2004 – M 11 SN 04.2690 – juris Rn. 32 m.w.N.).
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Ausgehend davon kann eine erdrückende oder abriegelnde Wirkung durch das mit Bescheid vom 2. Mai 2017 auf dem nördlichen Teil des Vorhabengrundstücks genehmigte Gebäude nicht angenommen worden. Die Vorhabengrundstücke haben mit dem Grundstück des Klägers schon keine gemeinsame Grundstücksgrenze. Zwischen den Gebäuden liegt ausweislich der Luftbilder sowie des Lageplans ein Abstand von ca. 30 m. Von einer abriegelnden Wirkung des Baukörpers mit einer Geschossigkeit von E+II+D, einer Firsthöhe von ca. 10 m sowie einer Länge von ca. 50 m kann – auch hier unabhängig von einer etwaigen Vorprägung der ehemaligen Kurmittelanstalt – schon alleine aufgrund dieser Entfernung, der Tatsache, dass die Vorhabengrundstücke südwestlich versetzt vom Grundstück des Klägers liegen und es weiter durch eine Zufahrts straße abgetrennt ist, keine Rede sein.
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II. Die Klage gegen den Bescheid vom 8. Mai 2017 in der Fassung vom 24. September 2018 ist zulässig, hat in der Sache jedoch ebenfalls keinen Erfolg.
43
1. Die Klage ist insoweit zulässig, insbesondere fristgerecht erhoben worden.
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Dem Kläger ist auch die Baugenehmigung vom 8. Mai 2017 nicht bekannt gegeben worden, sodass die Monatsfrist gemäß § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO nicht zu laufen begann. Die Frist für die Anfechtungsklage beträgt somit gemäß § 58 Abs. 2 VwGO ein Jahr und beginnt nach den bereits dargelegten Maßstäben mit sicherer Kenntnis des Klägers davon, dass die Beigeladene eine Baugenehmigung erhalten hat.
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Im Unterschied zur Situation bzgl. des Bescheids vom 2. Mai 2016 kann nicht mehr aufgeklärt werden, ob dem Kläger durch Gewährung von Akteneinsicht am 22. Februar 2018 auch Einsicht in die Bauakte betreffend den Bescheid vom 8. Mai 2017 gewährt wurde. Sichere Kenntnis von dem Bescheid vom 8. Mai 2017 hatte der Kläger jedenfalls nach Akteneinsicht im Rahmen des Gerichtsverfahrens am 13. Mai 2019 sowie durch Zustellung des Beschlusses im Eilverfahren M 1 SN 18.5957 am 14. April 2019. Die Klageerhebung mit am 4. Dezember 2019 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz erfolgte daher (jahres) fristgerecht. Die Klagefrist für die Einbeziehung der Tekturgenehmigung vom 24. September 2018 ist genauso gewahrt (s.o.).
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2. Die Klage ist insoweit jedoch ebenfalls unbegründet.
47
Diese ebenso streitgegenständliche Baugenehmigung verletzt den Kläger nicht in seinen nachbarschützenden Rechten. Sie verletzt ihn nicht in seinem Gebietserhaltungs- (a)) oder Gebietsprägungserhaltungsanspruch (b))). Das Gebot der Rücksichtnahme ist ebenfalls nicht verletzt (c)).
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a) Das mit Bescheid vom 8. Mai 2017 in der Fassung vom 24. September 2018 genehmigte Vorhaben – die Errichtung von zwei weiteren Wohngebäuden mit insgesamt 20 Wohnungen (12 Wohnungen Haus A und acht Wohnungen Haus C) und nach Planänderung letztlich sechs Geschäfts- und Büroeinheiten (Haus C) – verletzt den Kläger nicht in seinem Gebietserhaltungsanspruch.
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Soweit mit dem Bescheid vom 8. Mai 2017 Wohnnutzung genehmigt worden ist, fügt sich das Vorhaben in die Eigenart des anzunehmenden faktischen allgemeinen Wohngebiets ein, § 4 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO (s.o.)
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Soweit mit dem Bescheid vom 8. Mai 2017 nach Planänderung insgesamt sechs Geschäfts- und Büroeinheiten in dem auf dem Vorhabengrundstück südwestlich gelegenen Gebäude genehmigt wurden, verhilft dies der Klage ebenfalls nicht zum Erfolg. Der Gebietserhaltungsanspruch wird nicht verletzt, weil die genehmigten Geschäfts- und Büroeinheiten als sonstiger nicht störender Gewerbebetrieb gemäß § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO ausnahmsweise im allgemeinen Wohngebiet zulässig sind. Zwar fallen Bürogebäude nicht unter Nr. 2 der Vorschrift, weil aus dem Umstand, dass in § 4a BauNVO und in den §§ 6 bis 8 BauNVO Bürogebäude ausdrücklich erwähnt sind, zu schließen ist, dass diese im allgemeinen Wohngebiet nicht zulässig sind und sich die Annahme verbietet, sie könnten als sonstige nicht störende Gewerbebetriebe oder als Anlagen für Verwaltungen ausnahmsweise zulässig sein oder begrifflich nur als solche angesehen werden (HessVGH, B.v. 10.10.2001 – 3 TG 2595/01 – juris Rn. 10). Um ein solches, im allgemeinen Wohngebiet unzulässiges Bürogebäude handelt es sich bei dem genehmigten Vorhaben indes nicht. Die geplanten Geschäfts- und Büroeinheiten befinden sich ausweislich der Eingabepläne in einem Gebäude, in dem auch Wohnnutzung stattfinden soll. Es liegt damit gerade kein (isoliertes) Geschäfts- oder Bürogebäude vor. Solche dienen in der Regel der Aufnahme von Geschäfts- und Büroräumen für den Betrieb von Banken, Sparkassen, Versicherungsunternehmen, von Ausstellungsräumen, Werbe-, Nachrichten- und Reiseagenturen, von Büro- und Praxisräumen für alle Berufe, als Sitz von Unternehmen und Fachverbänden oder anderen Handelsorganisationen im weitesten Sinn. Die hier genehmigte Nutzung weicht von diesen Bürogebäudetypen ab, sodass sie als sonstiger nicht störender Gewerbetrieb gem. § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO zulässig ist (vgl. dazu BayVGH, B.v. 10.8.2000 – 1 N 97.3287 – juris Rn. 22 ff.).
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b) Das Vorhaben verletzt den Kläger auch insoweit nicht in seinem Gebietsprägungserhaltungsanspruch. Dies gilt zunächst im Hinblick auf den Umfang des mit Bescheid vom 8. Mai 2017 genehmigten Vorhabens. Die beiden Baukörper mit einer Länge (Haus A) bzw. einer Breite (Haus C) von ca. 30 m bewegen sich im Rahmen des durch die Umgebung vorgegebenen Umfangs. Ein nach o.g. Grundsätzen etwaig zu besorgendes Umschlagen von Quantität in Qualität ist auch nicht deshalb zu besorgen, weil auf dem Vorhabengrundstück nunmehr erstmals – bei unterstellter fehlender Vorprägung der Kurmittelanstalt – Geschäfts- und Büroeinheiten geplant sind. Das Gebiet ist bereits durch vorhandene gewerbliche Nutzung geprägt (s.o.). Ferner sind lediglich sechs Geschäfts- und Büroeinheiten, dies zudem in einem Gebäude, in dem auch Wohnnutzung stattfinden soll, genehmigt. Angesichts dieser Umstände liegen die strengen Voraussetzungen an ein Hineintragen einer neuen Art der baulichen Nutzung in das Gebiet nicht vor.
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c) Für eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme aus § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO bleibt ebenfalls kein Raum. Die Annahme einer erdrückenden oder abriegelnden Wirkung scheidet im Hinblick auf die mit dem Bescheid vom 8. Mai 2017 genehmigten Gebäude umso mehr aus, als diese auf dem südlichen und südwestlichen Teil des Vorhabengrundstücks geplant sind und damit noch weiter entfernt vom Grundstück des Klägers liegen als die mit Bescheid vom 2. Mai 2016 genehmigten.
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III. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO. Dabei entsprach es der Billigkeit, dass der Kläger auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen trägt, weil diese einen Antrag gestellt und sich somit einem Prozesskostenrisiko ausgesetzt hat.
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IV. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 709 ZPO.