Inhalt

BayObLG, Beschluss v. 24.08.2023 – 102 AR 123/23 e
Titel:

Gerichtsstandsbestimmung bei Klage von Wohnungseigentümern gegen Teileigentümer und Bauunternehmer wegen Schadensersatzes 

Normenketten:
ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 3
GVG § 23 Nr. 2 lit. c
WEG § 43 Abs. 2 Nr. 2
Leitsatz:
Die Bestimmung des für einen Streitgenossen ausschließlich zuständigen Gerichts auch für das Verfahren gegen den anderen Streitgenossen ist meist sachgerecht, weil damit dem Gesichtspunkt der Spezialisierung gerade dieses Gerichts Rechnung getragen wird. Dass für die Entscheidung auch dem Gebiet des Baurechts zuzuordnende fachliche und rechtliche Fragen eine Rolle spielen werden, spricht nicht gegen die Bestimmung des für Wohnungseigentumssachen ausschließlich zuständigen Amtsgerichts, denn dies ist in wohnungseigentumsrechtlichen Streitigkeiten nichts Ungewöhnliches.(Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Gerichtsstandbestimmung, Streitgenossen, Dachgeschossausbau, Schadensersatz, Teileigentümer, Bauunternehmer, ausschließliche Zuständigkeit, Amtsgericht, Wohnungseigentumssachen
Vorinstanz:
AG Augsburg vom -- – 31 C 4063/22 WEG
Fundstellen:
ZfIR 2023, 559
BeckRS 2023, 22301
LSK 2023, 22301
ZWE 2023, 470

Tenor

Als sachlich zuständiges Gericht wird das Amtsgericht Augsburg bestimmt.

Gründe

I.
1
Mit ihrer zum Amtsgericht Augsburg – WEG-Gericht – erhobenen Klage begehrt die Klägerin, eine kleinere Wohnungseigentümergemeinschaft, die Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten wegen Schäden am Gemeinschaftseigentum im Zusammenhang mit einem Dachgeschossausbau. Das Anwesen der Eigentümergemeinschaft besteht aus zwei im Bezirk des Amtsgerichts Augsburg gelegenen Wohneinheiten und einer Teileigentumseinheit (Einheit 3), die ursprünglich als Speicher diente. Die Beklagten zu 1) und 2) sind Eigentümer dieser Teileigentumseinheit. Bei dem Beklagten zu 3) handelt es sich um einen Baudienstleister, der Beklagte zu 4) ist Tragwerksplaner und der Beklagte zu 5) betreibt eine Zimmerei. Alle Beklagten wohnen im Landgerichtsbezirk Augsburg oder unterhalten dort einen Geschäftsbetrieb.
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Zur Klagebegründung trägt die Klägerin vor, die Beklagten zu 1) und 2) seien als Teileigentümer der Einheit Nr. 3 – vorbehaltlich der Einhaltung der Vorschriften des öffentlichen Baurechts – aufgrund eines Nachtrags zur Teilungserklärung befugt, das Dachgeschoss auszubauen. Dies schließe die Möglichkeit ein, den kompletten Dachstuhl auszutauschen, Gauben und einen Vorstellbalkon zu errichten und den Luftraum neben der Treppe zum Dachgeschoß zur Vergrößerung der Wohn- bzw. Nutzfläche zu verwenden.
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Die Beklagten zu 1) und 2) hätten den Beklagten zu 3) mit der Herstellung des Dachgeschossausbaus beauftragt, der einen Bauantrag mit Bauplänen beim Landratsamt eingereicht habe. Ausweislich der Baupläne sei nicht vorgesehen gewesen, den Dachstuhl abzubrechen oder Eingriffe in die Statik vorzunehmen, obwohl die Beklagten zu 1) bis 4) gewusst hätten, dass ein solcher Eingriff beabsichtigt gewesen sei. Entsprechend dem Bauantrag habe das Landratsamt weder den Abriss noch den Neubau des Dachstuhls genehmigt noch eine Änderung der Dachneigung oder der Traufhöhe. Genehmigt worden sei nur die energetische Sanierung, der Einbau einer Dachgaube, der Neubau einer Loggia und die Umnutzung der bestehenden Fläche des Speicherraums in eine Wohnung. Darüber hinaus seien alle statisch beanspruchten neuen Bauteile nach Standsicherheitsnachweis zu erstellen gewesen. Eine statische Berechnung hätten die Beklagten zu 1) und 2) jedoch nicht beauftragt und die Beklagten zu 3) und 4) hätten auch keinen Standsicherheitsnachweis erstellt, obwohl der gesamte Bestandsdachstuhl abgebrochen und durch einen neuen Dachstuhl habe ersetzt werden sollen. Dennoch habe der Beklagte zu 4) im Rahmen einer Baubeginnsanzeige gegenüber der Baubehörde bestätigt, dass er der Ersteller des Standsicherheitsnachweises sei und eine Prüfung des Standsicherheitsnachweises nicht erforderlich sei. Die Beklagten zu 1) bis 4) hätten zu diesem Zeitpunkt gewusst, dass ein Standsicherheitsnachweis noch nicht einmal bestanden habe. Trotz des fehlenden Standsicherheitsnachweises und der fehlenden Abbruchgenehmigung habe der Beklagte zu 3) im Mai 2019 mit dem Abbruch des funktionsfähigen Dachstuhls begonnen und stattdessen mit der Errichtung eines statisch unbrauchbaren und falsch bemessenen Dachstuhls begonnen.
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Nach Beginn der Abbrucharbeiten seien während starker Regenfälle in der Zeit vom 19. Mai 2019 bis 21. Mai 2019 erhebliche Wassermengen in das Haus der Eigentümergemeinschaft eingedrungen. Ursache hierfür sei das offene Dach gewesen, das nicht hinreichend gegen Wassereintritt gesichert gewesen sei. Die angebrachten Holzfaserplatten hätten an der Traufe geendet und es hätten Schutzfolien gefehlt, so dass auf der Dachfläche anfallendes Wasser abgelaufen und in großen Mengen an der Traufe in die Außenwände und in das Gebäudeinnere, teils bis in den Keller, gelaufen sei. Außerdem sei es im Zuge der Abbrucharbeiten im Dachgeschoss zu Verschmutzungen und Schäden an Fenstern, Fensterblechen und Rollläden gekommen.
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Nach dem Wasserschaden hätten die Beklagten zu 1) und 2) den Ausbau des Dachgeschosses nicht mehr fortgesetzt. Sie hätten den Beklagten zu 5) damit beauftragt, das Dach mittels einer Folie abzudichten. Auch diese Arbeiten seien unfachmännisch durchgeführt worden. Das Wasser sei nicht von der Fassade weggeleitet worden. Dies habe zu weiterer Durchfeuchtung des Gebäudes und der Außenwände und zu weiteren massiven Schäden an der Fassade geführt.
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Trotz vielfacher Aufforderung hätten die Beklagten zu 1) und 2) keinerlei Schadensbeseitigung veranlasst, weswegen gegen sie ein Verfahren auf Entzug des Wohnungseigentums eingeleitet worden sei. Es gebe auch ein laufendes Beweisverfahren zu den entstandenen Schäden, das beim Amtsgericht Augsburg – WEGGericht – unter dem Aktenzeichen 30 H 24/20 geführt werde.
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Sämtliche Schäden, die aufgrund des seit dem 19. Mai 2019 erfolgten Wassereintritts und des seit diesem Zeitpunkt unzureichend abgedichteten Dachs am gemeinschaftlichen Eigentum entstanden seien, insbesondere die durch die Durchfeuchtung der Wände, Decken- und Bodenkonstruktionen, Elektro- und Sanitärinstallationen und des Kellers verursachten Schäden, müssten die Beklagten zu 1), 2) und 3) gesamtschuldnerisch ersetzen (Feststellungsantrag I). Der Beklagte zu 3) habe die anerkannten Regeln der Technik nicht beachtet, indem er das Gebäude während der Dacharbeiten nicht ausreichend gegen Wassereintritt geschützt habe; dies sei fahrlässig gewesen. Er hafte gegenüber der Klägerin nach den Grundsätzen des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter und deliktsrechtlich wegen der Verletzung fremden Eigentums. Die Beklagten zu 1) und 2) seien schadensersatzpflichtig, weil sie die in der Teilungserklärung festgehaltene Verpflichtung, den Ausbau des Dachgeschosses fachgerecht, insbesondere unter Einhaltung der statischen Erfordernisse und der öffentlich-rechtlichen Vorschriften durchzuführen, nicht erfüllt hätten. Außerdem hätten sie gegenüber den Miteigentümern gemäß § 278 BGB für die Schäden einzustehen, die durch die von ihnen beauftragten Handwerker verursacht worden seien, weil diese keine ordnungsgemäße Arbeit vorgenommen hätten. Deren Verschulden sei ihnen wie eigenes zuzurechnen.
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Weiterhin seien die Beklagten zu 1), 2), 3) und 4) gesamtschuldnerisch zum Ersatz der Kosten verpflichtet, die zur Herstellung eines funktionierenden und den baurechtlichen Anforderungen entsprechenden Dachs, der Dämmung und Dachdeckung und dem erforderlichen Rückbau des von den Beklagten fehlerhaft errichteten Dachs bzw. der Dachbestandteile erforderlich seien, einschließlich der Kosten für Planung, Statik und technische Baubegleitung (Feststellungsantrag II). Auch insoweit hätten die Beklagten zu 1) und 2) ihre Pflicht zur Durchführung eines fachgerechten Dachgeschossausbaus unter Einhaltung der statischen Erfordernisse und der öffentlich-rechtlichen Vorschriften nicht erfüllt. Für eine Erhöhung des Innenraums liege keine Baugenehmigung vor. Auch hätten die statischen Vorgaben für die neu errichtete Dachkonstruktion gefehlt. Der Beklagte zu 3) habe gewusst, dass er mangels Baugenehmigung nicht zum Abbruch des bestehenden Dachs berechtigt gewesen sei und mangels statischer Berechnungen auch keinen neuen, ungeeigneten Dachstuhl habe aufbringen dürfen, der zudem nur rudimentär ausgeführt worden sei. Er hafte nicht nur schuldrechtlich, sondern auch deliktsrechtlich wegen vorsätzlicher Schädigung des Gemeinschaftseigentums. Auch der Beklagte zu 4) habe eine wesentliche Ursache für die Schäden an der Dachkonstruktion gesetzt. Denn er habe gegenüber der Baubehörde eine Baubeginnsanzeige abgegeben und in der Erklärung mitgeteilt, dass er einen Standsicherheitsnachweis für den Dachgeschossausbau erstellt habe und dass eine Prüfung des (nicht erstellten) Standsicherheitsnachweises nicht notwendig sei. Er habe durch seine vorsätzlich unzutreffenden Angaben dem Abbruch erst den Anschein der Rechtmäßigkeit gegeben, obwohl er gewusst habe, dass zum damaligen Zeitpunkt noch nicht einmal eine statische Berechnung vorgelegen habe. Er sei gegenüber dem Landratsamt als „Ersteller des Standsicherheitsnachweises“ aufgetreten, obwohl er noch nicht einmal beauftragt gewesen sei, eine entsprechende statische Berechnung vorzunehmen. Er sei damit sowohl für den unzulässigen Rückbau des Dachstuhls als auch für den mangelbehafteten neu errichteten Dachstuhl verantwortlich und gegenüber der Klägerin zum Ausgleich der dadurch verursachten Schäden verpflichtet.
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Außerdem hätten die Beklagten zu 1), 2) und 3) gesamtschuldnerisch die Kosten zur Beseitigung der Schäden zu ersetzen, die an Blechen, Fenstern und Rolladenpanzern im Zuge der Ausbauarbeiten durch Abtragung des Mauerwerks am Ortgang entstanden seien. Gleiches gelte für die Kosten der Beseitigung der durch die Ausbauarbeiten verursachten Betonspritzer an den Fenstern (Feststellungsantrag III).
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Die Beklagten zu 1), 2) und 5) seien weiterhin gesamtschuldnerisch verpflichtet, die Kosten zur Beseitigung der Schäden zu tragen, die durch eine fehlerhafte Anbringung einer provisorischen Folienabdichtung des Dachs entstanden seien und noch entstünden, insbesondere an der südlichen Fassadenseite und den Längswänden des Anwesens der Eigentümergemeinschaft (Feststellungsantrag IV).
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Abschließend begehrt die Klägerin die Feststellung, dass die Beklagten zu 1) und 2) auch im Übrigen alle Schäden am Gebäude der Eigentümergemeinschaft zu ersetzen hätten, die seit dem 19. Mai 2019 über die in den übrigen Anträgen erfassten Sachverhalte und Verantwortlichkeiten hinaus wegen der fehlenden fachgerechten Dachabdichtung und des daraus resultierenden Feuchteeintritts entstanden seien oder noch entstünden (Feststellungsantrag V).
12
Die Höhe der Schäden, die Gegenstand der Feststellungsanträge sind, schätzt die Klägerin ausweislich der Klageschrift auf ca. 400.000,00 €, für den Streitwert der Klage legt sie 250.000,00 € (60% von 400.000,00 €) zugrunde. Zur Frage der Zuständigkeit führt sie aus, dass es für die Beklagten, die sie als Gesamtschuldner in Anspruch nehme, kein gemeinsam sachlich zuständiges Gericht gebe. Für die Klage gegen die Beklagten zu 1) und 2) sei das angerufene Amtsgericht gemäß § 43 Abs. 1 Nr. 2 WEG ausschließlich zuständig, für die Klage gegen die Beklagten zu 3), 4) und 5) sei dagegen von der sachlichen Zuständigkeit des Landgerichts Augsburg auszugehen, da der Streitwert über 5.000,00 € liege. Vorsorglich beantrage die Klägerin für den Fall einer Zuständigkeitsrüge durch die Beklagten zu 3), 4) oder 5), eine „Gerichtsstandsfeststellung“ durch das zunächst höhere Gericht nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO und „Vorlage der Frage an das Landgericht Augsburg“ vornehmen zu lassen.
13
Mit Verfügung vom 3. Januar 2023 hat das Amtsgericht seinerseits auf seine sachliche Unzuständigkeit in Bezug auf die Beklagten zu 3), 4) und 5) hingewiesen und angefragt, ob Verweisungsantrag gestellt werde. Im Hinblick auf die daraufhin von den Beklagten zu 3), 4) und 5) erhobene Rüge der Unzuständigkeit hat es die Akten dem Bayerischen Obersten Landesgericht zur Zuständigkeitsbestimmung vorgelegt.
14
Die Gelegenheit zur Äußerung zum Zuständigkeitsbestimmungsantrag haben nur die Beklagten zu 1) und 2) wahrgenommen. Sie vertreten den Standpunkt, dass eine Bestimmung eines gemeinsam zuständigen Gerichts nicht in Frage komme. Die vor der WEG-Reform teilweise vertretene Auffassung, es sei zweckmäßig, für einen Rechtsstreit, der seine Wurzeln in Arbeiten an einem Sondereigentum habe und deren Folgen auf das Gemeinschaftseigentum übergriffen, zum zuständigen Gericht das für Wohnungseigentumssachen ausschließlich zuständige Amtsgericht zu bestimmen, erscheine im Hinblick auf die Einengung des Anwendungsbereichs des § 43 WEG gegenüber der Vorgängernorm überholt.
II.
15
Auf den zulässigen Antrag bestimmt der Senat das Amtsgericht Augsburg als das gemeinsam sachlich zuständige Gericht.
16
1. Die Voraussetzungen für die Bestimmung des zuständigen Gerichts nach § 36 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 ZPO durch das Bayerische Oberste Landesgericht liegen vor.
17
a) Der Bestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO unterliegt – zumindest in entsprechender Anwendung dieser Vorschrift – auch die sachliche Zuständigkeit (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Februar 1984, I ARZ 395/83, BGHZ 90, 155 [juris Rn. 4 ff.]). § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO ermöglicht aus Gründen der Zweckmäßigkeit und der Prozessökonomie die einheitliche Prozessführung gegen Streitgenossen ohne gemeinschaftlichen Gerichtsstand vor einem Gericht (Toussaint in BeckOK ZPO, 49. Ed. Stand: 1. Juli 2023, § 36 Rn. 10). Dass für einen oder mehrere Streitgenossen eine ausschließliche Zuständigkeit besteht, hindert die gerichtliche Zuständigkeitsbestimmung im Grundsatz nicht. Auch in dieser Fallkonstellation kann das übergeordnete Gericht im Rahmen der Zuständigkeitsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO unter den verschiedenen als zuständig in Betracht kommenden Gerichten eine Auswahl treffen (BGHZ 90, 155 [juris Rn. 9]). Dass auf diese Weise ein Gericht zur Entscheidung für eine Klage berufen wird, das nach dem GVG, WEG oder anderen Zuständigkeitsnormen für einen Teil der Klage nicht zuständig wäre, liegt in der Natur der Sache. Für wohnungseigentumsrechtliche Streitigkeiten nach § 43 Abs. 2 WEG gelten insoweit keine Besonderheiten, auch dort ist eine Zuständigkeitsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO möglich, wenn dessen Voraussetzungen erfüllt sind (vgl. Elzer in BeckOK WEG, 53. Ed. 3. Juli 2023, § 43 Rn. 107; Göbel in Bärmann, WEG, 15. Aufl. 2023, § 43 WEG Rn. 27 [am Ende]; Hogenschurz in Münchener Kommentar zum BGB, 9. Aufl. 2023, § 43 WEG Rn. 6; Suilmann in Jennißen, WEG, 7. Aufl. 2022, § 43 Rn. 4). Das Gesetz zur Förderung der Elektromobilität und zur Modernisierung des Wohnungseigentumsgesetzes und zur Änderung von kosten- und grundbuchrechtlichen Vorschriften vom 16. Oktober 2020 (Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz – WEMoG), durch das das Verfahren in Wohnungseigentumssachen noch stärker an die Grundsätze des Zivilprozesses angeglichen worden ist, hat hieran nichts geändert. Wenn – wie im Streitfall – eine gegen mehrere Streitgenossen zu richtende Klage für einen Teil der Streitgenossen eine zur Zuständigkeit des Amtsgerichts gehörende Wohnungseigentumssache darstellt, während für andere Streitgenossen die sachliche Zuständigkeit des Landgerichts begründet ist, ist vielmehr auf Antrag das für die Klage insgesamt zuständige Gericht gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO zu bestimmen (vgl. BayObLG, Beschluss vom 19. September 2022, 102 AR 5/22, juris Rn. 31; OLG Hamm, Beschluss vom 20. Oktober 2016, 32 SA 63/16, NJW-RR 2017, 393; OLG München, Beschluss vom 20. Februar 2008, 31 AR 18/08, NJW-RR 2008, 1544; Toussaint in BeckOK ZPO, § 36 Rn. 17.1; Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 44. Aufl. 2023, § 36 Rn. 14).
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b) Das Bayerische Oberste Landesgericht ist gemäß § 36 Abs. 2 ZPO i.V. m. § 9 EGZPO das für das Bestimmungsverfahren zuständige Gericht.
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Zuständig für die Bestimmung ist das für die in Betracht kommenden Gerichte gemeinsame im Rechtszug zunächst höhere Gericht (§ 36 Abs. 1 ZPO); maßgeblich ist nicht der allgemeine Gerichtsaufbau, sondern die Rechtsmittelzuständigkeit in der jeweiligen Verfahrensart (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Juni 1988, I ARZ 388/88, BGHZ 104, 363 [juris Rn. 4]; BayObLG, Beschluss vom 24. September 2019, 1 AR 83/19, juris Rn. 6; Schultzky in Zöller, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 36 Rn. 7; Toussaint in BeckOK ZPO, § 36 Rn. 45; Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, § 36 Rn. 5). Für die Klage gegen die Beklagten zu 1) und 2) ist von einer ausschließlichen sachlichen Zuständigkeit des Amtsgerichts Augsburg nach § 23 Nr. 2 Buchst. c) GVG i.V. m. § 43 Abs. 2 WEG auszugehen. Für die Klage gegen die Beklagten zu 3), 4) und 5), die keine Mitglieder der Eigentümergemeinschaft sind, steht dagegen gemäß § 71 Abs. 1, § 23 Nr. 1 GVG die sachliche Zuständigkeit des Landgerichts Augsburg im Raum, da der Streitwert 5.000,00 € übersteigt. In einer Streitigkeit nach § 43 Abs. 2 WEG ist Rechtsmittelgericht gegen die Entscheidung des Amtsgerichts Augsburg nach § 72 Abs. 2 Satz 1 GVG das Landgericht München I, weiteres Rechtsmittelgericht ist der Bundesgerichtshof. Bei einer erstinstanzlichen Zuständigkeit des Landgerichts Augsburg ist Rechtsmittelgericht das Oberlandesgericht München (§ 119 Abs. 1 Nr. 2 GVG) und dann der Bundesgerichtshof. Obwohl das Amtsgericht und das Landgericht Augsburg im Bezirk des Oberlandesgerichts München liegen, ist damit nicht dieses (vgl. BayObLG, Beschluss vom 19. September 2022, 102 AR 5/22, juris Rn. 32 m. w. N.), sondern der Bundesgerichtshof das zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht, an dessen Stelle nach § 36 Abs. 2 ZPO im Verfahren der Zuständigkeitsbestimmung das Oberlandesgericht bzw. in Bayern das Bayerische Oberste Landesgericht tritt.
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c) Ein Gesuch der Antragstellerin auf Bestimmung des zuständigen Gerichts nach § 37 Abs. 1 ZPO liegt vor. Unschädlich ist, dass die Antragstellerin in diesem Zusammenhang eine „Vorlage der Frage an das Landgericht Augsburg“ beantragt. Prozessuale Anträge sind der Auslegung zugänglich. Im Zweifel ist dasjenige gewollt, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der wohlverstandenen Interessenlage entspricht (BGH, Urt. v. 16. Mai 2017, XI ZR 586/15, NJW 2017, 2340 Rn. 11; BayObLG, Beschluss vom 19. August 2022, 102 AR 77/22, juris Rn. 8). Mithin kann der Antrag dahin ausgelegt werden, dass die Antragstellerin eine Zuständigkeitsbestimmung durch das hierfür zuständige Gericht begehrt. Sie hat auch keine Einwendungen gegen die ihr mitgeteilte Aktenübermittlung an das Bayerische Oberste Landesgericht als das für das Bestimmungsverfahren zuständige Gericht erhoben.
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d) Die Voraussetzungen für die Bestimmung des zuständigen Gerichts nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO liegen vor.
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aa) Die Bestimmung des Gerichtsstands nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO kann über den Wortlaut der Norm hinaus nicht nur im Vorfeld einer Klage, sondern grundsätzlich auch noch dann erfolgen, wenn gegen die Beklagten bereits eine Klage vor demselben Gericht erhoben worden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Juli 2020, X ARZ 156/20, NJW-RR 2020, 1070 Rn. 10; BayObLG, Beschluss vom 12. September 2022, 101 AR 105/22, juris Rn. 17 jeweils m. w. N.).
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bb) Der Verfahrensstand steht einer Zuständigkeitsbestimmung nicht entgegen. Die Zweckmäßigkeitserwägungen, welche die Anwendung von § 36 Abs. 1 ZPO auch nach Eintritt der Rechtshängigkeit rechtfertigen, finden ihre Grenze zwar dort, wo ein Rechtsstreit bereits so weit fortgeschritten ist, dass das bestimmende Gericht sich vernünftigerweise – namentlich aus Gründen der Prozesswirtschaftlichkeit – nur noch für das bereits mit der Sache befasste Gericht entscheiden und deshalb von einer echten Bestimmung des zuständigen Gerichts an sich keine Rede mehr sein kann. Diese Zäsur wird etwa als erreicht angesehen, wenn gegen einen oder mehrere Beklagte bereits sachlich entschieden worden ist oder eine Beweisaufnahme zur Hauptsache stattgefunden hat (BGH, Beschluss vom 27. November 2018, X ARZ 321/18, NJW-RR 2019, 238 Rn. 14; BayObLG, Beschluss vom 22. Februar 2023, 102 AR 73/22, juris Rn. 35; jeweils m. w. N.). Ein solcher, der freien Auswahl des zuständigen Gerichts entgegenstehender Fortschritt ist aber im streitgegenständlichen Verfahren (Az. 31 C 4063/22 WEG), das sich noch im Stadium des schriftlichen Vorverfahrens befindet, nicht zu verzeichnen.
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Auch die Tatsache, dass beim Amtsgericht Augsburg unter dem Aktenzeichen 30 H 24/20 ein selbständiges Beweisverfahren anhängig ist, auf das die Antragstellerin in der Klageschrift Bezug genommen hat, hindert eine Zuständigkeitsbestimmung nicht. Beim selbständigen Beweisverfahren und dem Hauptsacheverfahren handelt es sich um zwei eigenständige Verfahren. Zwar regelt § 493 Abs. 1 ZPO, dass die selbständige Beweiserhebung einer Beweisaufnahme vor dem Prozessgericht gleichsteht, dies gilt jedoch unabhängig davon, ob das Amtsgericht oder das Landgericht als zuständiges Gericht ausgewählt wird. Beide Gerichte sind gleichermaßen gehalten, die im selbständigen Beweisverfahren gewonnenen Ergebnisse zu nutzen. Es hat bislang auch keine Verwertung der im selbständigen Beweisverfahren gewonnenen Beweisergebnisse stattgefunden, die von Amts wegen durch Beiziehung der Akten und Einführung der Gutachten in die Verhandlung gemäß § 285 ZPO erfolgt (Huber in Musielak/Voit, ZPO, 20. Aufl. 2023, § 493 Rn. 2). Prozessökonomische Gründe, die von vorneherein für die Bestimmung des Amtsgerichts Augsburg als zuständiges Gericht sprechen und damit eine freie Auswahlentscheidung hindern würden, sind bei dieser Sachlage nicht ersichtlich.
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cc) Nach dem insoweit allein maßgeblichen (vgl. BayObLG, Beschluss vom 12. September 2022, 101 AR 105/22, juris Rn. 19; Schultzky in Zöller, ZPO, § 36 Rn. 28) Vorbringen der Klägerin werden die Beklagten als Streitgenossen im Sinne von §§ 59, 60 ZPO in Anspruch genommen.
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Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass sich aus dem Vortrag der Klägerin in tatsächlicher Hinsicht nachvollziehbar ableiten lässt, dass die behaupteten Ansprüche in einem inneren sachlichen Zusammenhang stehen, der sie ihrem Wesen nach als gleichartig erscheinen lässt; Identität oder Gleichheit des tatsächlichen und rechtlichen Grundes der gegen die Streitgenossen erhobenen Ansprüche ist nicht erforderlich (BGH, Beschluss vom 6. Juni 2018, X ARZ 303/18, MDR 2018, 951 Rn. 12; BayObLG, Beschluss vom 19. Mai 2020, 1 AR 35/20, juris Rn. 19; Schultzky in Zöller, ZPO, § 36 Rn. 28). Darauf, ob das tatsächliche Vorbringen zutrifft, kommt es im Verfahren auf Zuständigkeitsbestimmung ebenso wenig an (vgl. BayObLG, Beschluss vom 26. April 2002, 1Z AR 30/02, juris Rn. 9; Beschluss vom 28. Oktober 1997, 1Z AR 74/97, NJW-RR 1998, 1291 [juris Rn. 4]) wie auf die Schlüssigkeit der Klage im Übrigen (BayObLG, Beschluss vom 29. März 2021, 101 AR 16/21, juris Rn. 44; Beschluss vom 12. September 2019, 1 AR 67/19, juris Rn. 24; NJW-RR 1998, 1291 [juris Rn. 4]).
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Die Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Die gegen die Beklagten geltend gemachten Ansprüche werden auf im Wesentlichen gleichartige Lebenssachverhalte gestützt, nämlich die Schädigung des Gemeinschaftseigentums im Zusammenhang mit dem von den Beklagten zu 1) und 2) veranlassten Dachgeschossausbau, für die auch die Beklagten zu 3), 4) und 5) - teils durch aktives Tun, teils durch Unterlassen – mitverantwortlich sein sollen. Dass für die Haftung der Beklagten unterschiedliche Anspruchsgrundlagen in Betracht kommen, so dass einzelne Sachverhaltselemente nur im Verhältnis zum jeweiligen Beklagten von rechtlicher Bedeutung sein mögen, ist unschädlich, denn § 60 ZPO verlangt nicht, dass die anspruchsrelevanten Sachverhalte vollständig deckungsgleich sind. Ebenso unerheblich ist, dass nicht alle Beklagten für ein- und denselben Schaden in Anspruch genommen werden. Es genügt, dass nach dem klägerischen Vortrag die Beklagten zu 1) und 2) alle streitgegenständlichen Schäden zu verantworten haben, während – je nach Verursachungsbeitrag – die Haftung der Beklagten zu 3) und 4) einerseits und des Beklagten zu 5) andererseits nur für einen Teil der Schäden, jeweils gesamtschuldnerisch neben den Beklagten zu 1) und 2), festgestellt werden soll. Auch in rechtlicher Hinsicht sind die Anspruchsgründe im Wesentlichen gleichartig, denn nach der Klagebegründung werden sämtliche behaupteten Ansprüche einheitlich aus der Verletzung des gemeinschaftlichen Eigentums abgeleitet.
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e) Für den Rechtsstreit besteht kein für alle Beklagten gemeinsam sachlich zuständiges Gericht. Für die Klage gegen die Beklagten zu 1) und 2) ist gemäß § 23 Nr. 2 Buchst. c) GVG das Amtsgericht Augsburg ausschließlich zuständig; der Streit dieser Parteien ist eine Wohnungseigentumssache im Sinne von § 43 Abs. 2 Nr. 2 WEG, weil die Pflichten, die den Gegenstand der beabsichtigten Klage bilden, den Beklagten zu 1) und 2) in ihrer Eigenschaft als Mitglieder der Eigentümergemeinschaft zugeordnet sind (vgl. Göbel in Bärmann, WEG, § 43 WEG Rn. 28). Demgegenüber ist für die Klage gegen die Beklagten zu 3), 4) und 5) die sachliche Zuständigkeit des Landgerichts begründet, weil im Verhältnis zu diesen keine dem Amtsgericht zugewiesene Streitigkeit in einer Wohnungseigentumssache vorliegt und der Streitwert nach dem Vortrag der Klägerin zum Umfang und zur Höhe der Gebäudeschäden zweifelsfrei über 5.000,00 € liegt.
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Auch die Tatsache, dass für den Feststellungsantrag V, der nur gegen die Antragsgegner zu 1) und 2) gerichtet ist, ein zuständiges Gericht, nämlich das Amtsgericht Augsburg, zur Verfügung stünde, steht einer Zuständigkeitsbestimmung für die Klage in ihrem gesamten Umfang nicht entgegen. Gegenstand dieses im Wege der objektiven Klagehäufung gemäß § 260 ZPO geltend gemachten Begehrens ist lediglich eine „Mehrforderung“ gegenüber einzelnen Streitgenossen, beruhend auf demselben Sachverhalt, der auch die Grundlage der übrigen Klageanträge ist (vgl. BGH NJW-RR 2019, 238 Rn. 20 ff; Beschluss vom 24. Juni 2008, X ARZ 69/08, NJW-RR 2008, 1516 Rn. 13; Toussaint in BeckOK ZPO, § 36 Rn. 15).
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2. Der Auswahlentscheidung im Verfahren der Zuständigkeitsbestimmung liegen Zweckmäßigkeitserwägungen zugrunde. Der Senat bestimmt als zuständiges Gericht das Amtsgericht Augsburg, weil diesem die sachliche Zuständigkeit für Wohnungseigentumssachen obliegt und die wohnungseigentumsrechtliche Rechtslage hier auch maßgebliche Bedeutung haben dürfte. Die Bestimmung des für einen Streitgenossen ausschließlich zuständigen Gerichts auch für das Verfahren gegen den anderen Streitgenossen ist meist sachgerecht, weil damit dem Gesichtspunkt der Spezialisierung gerade dieses Gerichts Rechnung getragen wird (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Februar 1984, I ARZ 395/83, BGHZ 90, 155 [juris Rn. 9]). Dass für die Entscheidung voraussichtlich auch dem Gebiet des Baurechts zuzuordnende fachliche und rechtliche Fragen eine Rolle spielen werden, spricht nicht gegen die Bestimmung des Amtsgerichts Augsburg als zuständiges Gericht, denn dies ist in wohnungseigentumsrechtlichen Streitigkeiten nichts Ungewöhnliches.