Inhalt

OLG München, Beschluss v. 17.04.2023 – 12 UF 73/23 e
Titel:

Ausgleich der Hinterbliebenenversorgung

Normenkette:
VersAusglG § 6, § 7, § 8, § 19, § 25
Leitsätze:
1. Nach § 25 Abs. 1 VersAusglG kann die ausgleichsberechtigte Person vom Versorgungsträger der verstorbenen ausgleichsverpflichteten Person die Hinterbliebenenversorgung verlangen, die sie erhielte, wenn die Ehe bis zum Tod der ausgleichsverpflichteten Person bestanden hätte. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
2. Beim Tod des verstorbenen geschiedenen Ehemannes der Antragstellerin muss somit – ein noch nicht ausgeglichenes – Anrecht bestanden haben, also ein im Wertausgleich bei der Scheidung unberücksichtigt gebliebenes Anrecht, das Anrecht muss eine Hinterbliebenenversorgung enthalten und der Berechtigte muss die allgemeinen Voraussetzungen erfüllen. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
3. Nach § 25 Abs. 2 VersAusglG kommt ein Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung nicht in Betracht, wenn ein Anrecht wegen fehlender Ausgleichsreife vom Wertausgleich bei der Scheidung gem. § 19 VersAusglG ausgenommen wurde oder, wenn das Anrecht wegen einer Vereinbarung der Ehegatten nach den §§ 6–8 VersAusglG vom Wertausgleich bei der Scheidung ausgenommen war. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Versorgungsausgleich, Versorgungsträger, Hinterbliebenenversorgung, fehlende Ausgleichsreife, Wertausgleich, ausgleichsverpflichtende Person, ausgleichsberechtigte Person
Vorinstanz:
AG München vom -- – 532 F 11370/20
Fundstellen:
FamRZ 2023, 1364
BeckRS 2023, 22124
LSK 2023, 22124

Tenor

1. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet ab 01.05.2023 an die Antragstellerin jeweils bis zum 3. Werktag eines Monats im Voraus eine Hinterbliebenenversorgung in Höhe von monatlich 3.829 € aus dem Anrecht des verstorbenen K.G. aus betrieblicher Altersvorsorge aus Vereinbarung vom 16.11.1999 zu zahlen.
2. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet zur Begleichung der Rückstände im Zeitraum von September 2020 bis einschließlich April 2023 einen Gesamtbetrag in Höhe von 122.528 €. zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz für den Zeitraum
01.09.2020 bis 30.09.2020 aus 3.829 Euro
01.10.2020 bis 31.10.2020 aus 7.658 Euro
01.11.2020 bis 30.11.2020 aus 11.487 Euro
01.12.2020 bis 31.12.2020 aus 15.316 Euro
01.01.2021 bis 31.01.2021 aus 19.145 Euro
01.02.2021 bis 28.02 2021 aus 22.974 Euro
01.03.2021 bis 31.03.2021 aus 26.803 Euro
01.04.2021 bis 30.04.2021 aus 30.632 Euro
01.05.2021 bis 31.05.2021 aus 34.461 Euro
01.06.2021 bis 30.06.2021 aus 38.290 Euro
01.07.2021 bis 31.07.2021 aus 42.119 Euro
01.08.2021 bis 31.08.2021 aus 45.948 Euro
01.09.2021 bis 30.09.2021 aus 49.777 Euro
01.10.2021 bis 31.10.2021 aus 53.606 Euro
01.11.2021 bis 30.11.2021 aus 57.435 Euro
01.12.2021 bis 31.12.2021 aus 61.264 Euro
01.01.2022 bis 31.01.2022 aus 65.093 Euro
01.02.2022 bis 28.02.2022 aus 68.922 Euro
01.03.2022 bis 31.03.2022 aus 72.751 Euro
01.04.2022 bis 30.04.2022 aus 76.580 Euro
01.05.2022 bis 31.05.2022 aus 80.409 Euro
01.06.2022 bis 30.06.2022 aus 84.238 Euro
01.07.2022 bis 31.07.2022 aus 88.067 Euro
01.08.2022 bis 31.08.2022 aus 91.896 Euro
01.09.2022 bis 30.09.2022 aus 95.725 Euro
01.10.2022 bis 31.10.2022 aus 99.554 Euro
01.11.2022 bis 30.11.2022 aus 103.383 Euro
01.12.2022 bis 31.12.2022 aus 107.212 Euro
01.01.2023 bis 31.01.2023 aus 111.041 Euro
01.02. 2023 bis 28.02.2023 aus 1114.870 Euro
01.03.2023 bis 31.03.2023 aus 118.699 Euro.
01.04.2023 bis 30.04.2023 aus 122.528 Euro.
3. Von einer Auferlegung der Kosten für das Beschwerdeverfahren wird abgesehen; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
4. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1000,00 € festgesetzt.
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Gründe

1
Die Antragstellerin hat vor dem Amtsgericht München einen Antrag auf Teilhabe an der Hinterbliebenenversorgung gegen die Antragsgegnerin gestellt und eine monatliche Rente ab 01.12.2020 geltend gemacht sowie Rückstände für den Zeitraum September 2020 bis November 2020 zzgl. Zinsen. Sie bezieht seit 01.09.2020 eine Altersrente. Der geschiedene Ehemann ist 2019 verstorben. Die Antragsgegnerin hatte mit dem Verstorbenen eine betriebliche Versorgungszusage am 16.11.1999 vereinbart, die auszugsweise wie folgt lautet:
I. Leistungsarten und -voraussetzungen
2
1. Die Versorgungszusage erstreckt sich auf Ruhegeld, Witwengeld und Waisengeld.
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2. Sie haben Anspruch auf Ruhegeld, wenn das zwischen Ihnen und uns bestehende Dienstverhältnis
- mit oder nach Vollendung des 65. Lebensjahres endet (Altersruhegeld) oder
- vor diesem Zeitpunkt endet und Sie eine Rente wegen Alters (§§ 36 -40 SGB VI) als Vollrente (§ 42 SGB VI) aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Anspruch nehmen (vorgezogenes Ruhegeld) oder berufs- oder erwerbsunfähig im Sinne von § 43 Abs. 2 bzw. § 44 Abs. 2 SGB VI sind (Invalidenrente).
4
3. Ihr Ehegatte, mit dem Sie im Zeitpunkt Ihres Todes verheiratet sind, hat Anspruch auf Witwengeld, wenn Sie während des mit uns bestehenden Dienstverhältnisses oder während des Bezugs des Ruhegeldes (Ziffer 2) versterben und die Ehe vor Vollendung ihres 60. Lebensjahres, vor dem Bezug des Ruhegeldes und mindestens zwei Jahre vor dem Tod geschlossen wurde.
5
Der verstorbene K.G. trat am 01.01.1985 in die Firma ein. Die Beschäftigung endete im Hinblick auf die Altersrente am 31.12.2013. Der Verstorbene erhielt von der Antragsgegnerin zuletzt eine Bruttorente von 10.372,00 €
6
Die Ehe der Antragstellerin mit dem im Jahr 2019 verstorbenen Ehemann wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Starnberg vom 26.07.2016 Az. 004 F 190/16 geschieden. Der Versorgungsausgleich wurde durchgeführt. Die jeweiligen Anrechte der Eheleute in der gesetzlichen Rentenversicherung wurden intern geteilt. Zusätzlich hatte der Antragsteller noch das Anrecht aus der betrieblichen Versorgungszusage bei der Antragsgegnerin. Die Antragstellerin und der verstorbene geschiedene Ehemann haben unter URNr. R …9/2011 am 02.05.2011 vor dem Notar R. in M. eine Scheidungsvereinbarung getroffen, die zum Versorgungsausgleich unter III. folgende Regelung enthält:
„Wir schließen hiermit nach § 6 Versorgungsausgleichsgesetz den Versorgungsausgleich nach dem genannten Gesetz gegenseitig aus, und zwar für die Zeit ab dem Auszug des Ehemannes, d.h. ab Beginn des 01.05.2011. Für die Zeit davor soll der Versorgungsausgleich hingegen durchgeführt werden.“
7
Dieser partielle Ausschluss des Versorgungsausgleichs wird so verwirklicht, dass die von den Ehegatten jeweils in der gesamten Ehezeit erworbenen Anrechte um diejenigen gekürzt werden, die sie ab dem 01.05.2011 erworben haben. Das Ehezeitende nach § 3 Abs. 1 VersAusglG bleibt hingegen unberührt. … … Wir erklären hierzu ausdrücklich, dass wir beide nicht wollen, dass der andere Ehegatte nach der Trennung von weiterlaufenden Ansprüchen aus Versorgungsausgleich profitiert. Wir möchten mit dieser Vereinbarung auch die Möglichkeit eröffnen, nach einer Trennung nicht wegen des Versorgungsausgleichs die Scheidung beantragen zu müssen. … Im Scheidungsverfahren teilte die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 31.10.2011 mit, dass sich die Anwartschaft des Verstorbenen auf Altersrente auf 10.000 € belaufe.
8
Zum Versorgungsausgleich enthält das Protokoll zum Scheidungstermin vom 26.07.2016 folgenden Passus:
„Beteiligtenvertreterinnen wenden ein, dass ausweislich der Anlage zum Notarvertrag der Ausgleich der Betriebsrente von M. G. GmbH in Höhe von 3.850 € zu erfolgen hat. Das Gericht schlägt vor, diese Werte bei der Entscheidung ganz außen vor zu lassen, da das für den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich ohnehin keine Rolle spiele.
Hiermit besteht Einverständnis.“
9
Im Endbeschluss des Amtsgerichts Starnberg vom 26.07.2016 ist in Ziffer 2 Absatz 3 wie folgt tenoriert:
10
Ein Ausgleich des Anrechts des Antragstellers bei der M. G. GmbH (Versorgungszusage 16.11.1999) im Wertausgleich bei der Scheidung findet nicht statt. Ausgleichsansprüche nach der Scheidung bleiben vorbehalten.
11
In den Gründen wird ausgeführt:
12
Das Anrecht des Antragstellers bei der M. G. GmbH wäre nach § 10 Abs. 1 VersAusgLG durch interne Teilung zugunsten der Antragsgegnerin auszugleichen. Jedoch haben die Beteiligten den Ausgleich nach der Scheidung vereinbart. Dieser Anspruch ist nach § 20 Abs. 2 VersAusglG noch nicht fällig.
13
Das Amtsgericht verpflichtete die Antragsgegnerin mit Beschluss vom 30.12.2022 zur Zahlung einer laufenden schuldrechtlichen Ausgleichsrente an die Antragstellerin ab 01.01.2023 in Höhe von 4.306,98 €. Die Rückstände für den Zeitraum September 2020 bis Dezember 2022 bezifferte es auf 124.899,81 €.
14
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragsgegnerin. Sie beantragt Aufhebung des erstinstanzlichen Beschlusses und Abweisung des Antrags auf Hinterbliebenenversorgung hilfsweise Zurückverweisung in die erste Instanz.
15
Im Zeitpunkt der Scheidung sei das betriebliche Anrecht ausgleichsreif gewesen und es hätte in den Wertausgleich bei der Scheidung einbezogen werden müssen. Zum Zeitpunkt der Scheidung habe der Verstorbene bereits länger Versorgungsleistungen aus der betrieblichen Versorgungszusage der Antragsgegnerin bezogen. Der Ausspruch zum Ausgleich des Anrechts nach der Scheidung sei insofern fehlerhaft gewesen. Das Amtsgericht habe wohl wegen einer Vereinbarung vom 02.05.2011 die Ausgleichsansprüche bezüglich des betrieblichen Anrechts nach der Scheidung vorbehalten. Es komme nicht darauf an, ob diese Vereinbarung formgerecht zustande gekommen sei. Der Tenor, der diesen Schluss beinhalte, sei in Rechtskraft erwachsen.
16
Eine Hinterbliebenenversorgung scheide daher nach § 25 Abs. 2 VersAusglG aus, da das betriebliche Anrecht durch eine Vereinbarung vom Versorgungsausgleich ausgenommen worden sei.
17
Die Antragstellerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
18
Die Antragstellerin ist hingegen der Auffassung, dass die Beteiligten anlässlich der Scheidung keine Vereinbarung zum schuldrechtlichen Ausgleich des betrieblichen Anrechts des Verstorbenen getroffen haben. Eine solche Vereinbarung existiere weder im Rahmen des Scheidungsverfahrens, noch enthalte die notarielle Vereinbarung vom 02.05.2011 eine solche Regelung. In der notariellen Vereinbarung sei lediglich ein Verzicht auf den Versorgungsausgleich ab dem 01.05.2011 vereinbart worden. Das Amtsgericht Starnberg habe die Anrechte bei der Antragsgegnerin fehlerhaft einem Ausgleich nach der Scheidung vorbehalten.
19
Werde vom Amtsgericht der schuldrechtliche Ausgleich nach der Scheidung fehlerhaft vorgenommen, so schließe das nicht den Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung nach § 25 Abs. 2 VersAusglG aus.
20
Soweit die Antragsgegnerin die Höhe des Anspruchs angreife, werde darauf hingewiesen, dass sie selbst die Auskunft hinsichtlich des Ehezeitanteils erteilt habe.
21
Einig sind sich die Beteiligten dahingehend, dass die Rückstandsberechnung des Amtsgerichts fehlerhaft ist.
II.
22
Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist zulässig nach §§ 58 ff FamFG, insbesondere wurde sie form- und fristgerecht eingelegt. In der Sache hat sie teilweise Erfolg. Die Antragstellerin hat grundsätzlich einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung nach § 25 Abs. 1 VersAusglG, jedoch nicht in der vom Amtsgericht tenorierten Höhe von 4.308,98 €, sondern lediglich in Höhe von gerundet 3.829 € sowie einen Anspruch auf Rückstände im Zeitraum September 2020 bis einschließlich April 2023 in Höhe von 122.528 €.
23
1. Ein Anspruch der Antragstellerin auf Hinterbliebenenversorgung ergibt sich unter den Voraussetzungen des § 25 Abs. 1 VersAusglG. Eine entsprechende monatliche Rente wurde von der Antragstellerin am 26.11.2020 ab 01.12.2020 beantragt sowie Rückstände ab September 2020.
24
Nach § 25 Abs. 1 VersAusglG kann die ausgleichsberechtigte Person vom Versorgungsträger der verstorbenen ausgleichsverpflichteten Person die Hinterbliebenenversorgung verlangen, die sie erhielte, wenn die Ehe bis zum Tod der ausgleichsverpflichteten Person bestanden hätte. Beim Tod des verstorbenen geschiedenen Ehemannes der Antragstellerin muss somit
- ein noch nicht ausgeglichenes Anrecht bestanden haben, also ein im Wertausgleich bei der Scheidung unberücksichtigt gebliebenes Anrecht
- das Anrecht muss eine Hinterbliebenenversorgung enthalten
- der Berechtigte muss die allgemeinen Voraussetzungen erfüllen
25
Das betriebliche Anrecht des verstorbenen Ehemannes wurde bei der Scheidung nicht ausgeglichen. Dieses Anrecht enthält in Ziffer I. 3. eine Hinterbliebenenversorgung. Das Amtsgericht Starnberg hat für das betriebliche Anrecht des verstorbenen Ehemannes bei der Antragsgegnerin in Ziffer 2 Absatz 3 entschieden, dass ein Wertausgleich bei Scheidung nicht stattfindet. Ausgleichsansprüche nach der Scheidung blieben vorbehalten. Unbeachtlich ist die in Ziffer 3 der betrieblichen Vereinbarung getroffene Regelung vom 16.11.1999, die den Bezug der Witwenversorgung davon abhängig macht, dass die Ehe bis zum Tod des Berechtigten Bestand hatte. Regelungen in Versorgungsordnungen („Scheidungsklauseln“), die den Zugang zur Hinterbliebenenversorgung nur demjenigen Ehegatten einräumen wollen, der im Zeitpunkt des Todes des Ausgleichspflichtigen mit diesem verheiratet war, sind unwirksam (vgl. BGH, Senatsbeschlüsse vom 13. April 2011 – XII ZB 122/09 – FamRZ 2011, 961 Rn. 13 und vom 7. Dezember 2005 – XII ZB 39/01 – FamRZ 2006, 326, 327, jeweils zu § 3 a VAHRG). Die Antragstellerin bezieht selbst im Zeitpunkt der Antragstellung bereits eine Rente wegen Alters. Damit sind die allgemeinen Voraussetzungen für den Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung nach § 25 Abs. 1 VersAusglG erfüllt.
26
2. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin liegen die Voraussetzungen des § 25 Abs. 2 VersAusglG, die zum Ausschluss eines Anspruchs auf Hinterbliebenenversorgung führen können, nicht vor. Die Antragsgegnerin hat den Nachweis nicht erbracht, dass die Beteiligten vor oder im Scheidungsverfahren den Wertausgleich hinsichtlich des Anrechts bei der M. G. GmbH bei Scheidung durch eine Vereinbarung nach §§ 6-8 VersAusglG ausgenommen haben und einem Wertausgleich nach Scheidung vorbehalten haben.
27
Für die Hinterbliebenenversorgung nach § 25 Abs. 1 VersAusglG sieht § 25 Abs. 2 VersAusglG zwei gesetzliche Ausschlussgründe vor.
28
Nach § 25 Abs. 2 VersAusglG kommt ein Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung nicht in Betracht, wenn ein Anrecht wegen fehlender Ausgleichsreife vom Wertausgleich bei der Scheidung gem. § 19 VersAusglG ausgenommen wurde oder, wenn das Anrecht wegen einer Vereinbarung der Ehegatten nach den §§ 6 bis 8 VersAusglG vom Wertausgleich bei der Scheidung ausgenommen war.
29
Im Endbeschluss des Amtsgerichts Starnberg vom 26.07.2016 ist in Ziffer 2 Absatz 3 wie folgt tenoriert:
30
Ein Ausgleich des Anrechts des Antragstellers bei der M. G. GmbH (Versorgungszusage 16.11.1999) im Wertausgleich bei der Scheidung findet nicht statt. Ausgleichsansprüche nach der Scheidung bleiben vorbehalten.
31
In den Gründen wird ausgeführt:
32
Das Anrecht des Antragstellers bei der M. G. GmbH wäre nach § 10 Abs. 1 VersAusgLG durch interne Teilung zugunsten der Antragsgegnerin auszugleichen. Jedoch haben die Beteiligten den Ausgleich nach der Scheidung vereinbart. Dieser Anspruch ist nach § 20 Abs. 2 VersAusglG noch nicht fällig.
33
Die zuständige Richterin im Scheidungsverfahren bezog sich somit zur Begründung ihrer Tenorierung auf eine Vereinbarung der Beteiligten, ohne jedoch anzugeben, welche Vereinbarung konkret Grundlage für den Ausschluss des Wertausgleichs bei Scheidung in Bezug auf das Anrecht aus betrieblicher Altersvorsorge bei der M. G. GmbH gewesen sein soll.
34
Aus dem Protokoll zum Scheidungstermin vom 26.07.2016 vor dem Amtsgericht Starnberg selbst ergibt sich keine entsprechende Vereinbarung der Eheleute. Die Eheleute waren laut Protokoll lediglich mit der geäußerten beabsichtigten Vorgehensweise der zuständigen Richterin einverstanden. Im Protokoll heißt es hierzu wörtlich:
„Beteiligtenvertreterinnen wenden ein, dass ausweislich der Anlage zum Notarvertrag der Ausgleich der Betriebsrente von M. G. GmbH in Höhe von 3.850 € zu erfolgen hat. Das Gericht schlägt vor, diese Werte bei der Entscheidung ganz außen vor zu lassen, da das für den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich ohnehin keine Rolle spiele.
Hiermit besteht Einverständnis.“
35
Eine Vereinbarung nach § 7 Abs. 2 VersAusglG i.V.m § 127 a BGB kann sich nur durch eine entsprechende Protokollierung im Scheidungstermins ergeben. Aus der zitierten Protokollierung ergeben sich keine übereinstimmenden Willenserklärungen der Eheleute dahingehend, dass das Anrecht bei der M. G. GmbH vom Wertausgleich bei der Scheidung aufgrund einer im Termin getroffenen Vereinbarung ausgenommen werden sollte.
36
Die Antragstellerin und der verstorbene geschiedene Ehemann haben unter URNr. R …9/2011 am 02.05.2011 vor dem Notar R. in M. eine Scheidungsvereinbarung getroffen, die zum Versorgungsausgleich unter III. folgende Regelung enthält:
„Wir schließen hiermit nach § 6 Versorgungsausgleichsgesetz den Versorgungsausgleich nach dem genannten Gesetz gegenseitig aus, und zwar für die Zeit ab dem Auszug des Ehemannes, d.h. ab Beginn des 01.05.2011. Für die Zeit davor soll der Versorgungsausgleich hingegen durchgeführt werden.“
37
Dieser partielle Ausschluss des Versorgungsausgleichs wird so verwirklicht, dass die von den Ehegatten jeweils in der gesamten Ehezeit erworbenen Anrechte um diejenigen gekürzt werden, die sie ab dem 01.05.2011 erworben haben. Das Ehezeitende nach § 3 Abs. 1 VersAusglG bleibt hingegen unberührt. … Mit dieser notariellen Regelung zum Versorgungsausgleich haben die Beteiligten nicht vereinbart, dass hinsichtlich des Anrechts des K. G. bei der M. G. GmbH ein Wertausgleich bei Scheidung nicht stattfinden sollte. Es erfolgte lediglich eine zeitliche Reduzierung hinsichtlich der zu berücksichtigenden Ehezeiten für den Ausgleich. Diese Vereinbarung kann daher nicht Grundlage für die Ausnahme des betrieblichen Anrechts vom Wertausgleich bei Scheidung sein.
38
Auf welche Vereinbarung sich das Amtsgericht somit gestützt haben will, ist nicht nachvollziehbar. Der Verweis im Tenor des amtsgerichtlichen Beschlusses in Ziffer 2 Absatz 3 bezüglich dieses Anrechts auf Ausgleichsansprüche nach der Scheidung war insofern fehlerhaft. Dieser Fehler führt jedoch nicht dazu, dass der Anspruch nach § 25 Abs. 1 VersAusglG ausgeschlossen ist (s. dazu OLG Nürnberg FamRZ 2020, 1908 ff.). Zu den Voraussetzungen eines Anspruchs nach § 25 Abs. 1 VersAusglG gehört nicht, dass die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für einen schuldrechtlichen Versorgungsausgleich tatsächlich vorgelegen haben und die Entscheidung des Amtsgerichts Starnberg im Zeitpunkt der Entscheidung richtig war. Abzustellen ist allein auf die Tatsache, dass bezüglich des betrieblichen Anrechts ein Ausgleich bei Scheidung nicht erfolgt ist.
39
Da eine Vereinbarung nicht vorliegt, kann auch kein Ausschluss der nach Abs. 1 bestehenden Hinterbliebenenversorgung geltend gemacht werden kann. Weder enthält die notarielle Scheidungsvereinbarung eine Vereinbarung dahingehend, das betriebliche Anrecht vom Wertausgleich bei Scheidung auszunehmen, noch ergibt sich eine Vereinbarung hierzu aus dem Scheidungsprotokoll. Der Auffassung der Antragsgegnerin, dass die Gründe des Endbeschlusses des Amtsgerichts Starnberg in Rechtskraft erwachsen seien, so dass von einer Vereinbarung auszugehen sei, kann nicht gefolgt werden. Eine Vereinbarung, die gar nicht existent ist, kann nicht durch eine Rechtskraftwirkung entstehen. Eine solche Rechtskrafterstreckung auf die Gründe sehen auch die Regelungen zum Versorgungsausgleich nicht vor. In Rechtskraft erwachsen ist der Tenor, dass hinsichtlich des betrieblichen Anrechts ein Wertausgleich bei Scheidung nicht vorliegt. Nach § 322 ZPO erwächst in Rechtskraft nur die Entscheidung über den erhobenen prozessualen Anspruch, hier der Wertausgleich bei Scheidung. Zudem ist die Annahme einer Vereinbarung im Scheidungsendbeschluss insofern nicht rechtskraftfähig, als sie nicht hinreichend konkretisiert wurde und eine Vereinbarung war laut Protokoll auch nicht Gegenstand gerichtlicher Prüfung.
40
Es ist daher darauf zu verweisen, dass es nicht zu den Voraussetzungen eines Anspruchs nach § 25 Abs. 1 VersAusglG gehört, dass die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für einen schuldrechtlichen Versorgungsausgleich tatsächlich vorgelegen haben und die Entscheidung des Amtsgerichts Starnberg im Zeitpunkt der Entscheidung richtig war.
41
Für die Annahme des Vorliegens eines Ausschlussgrundes nach § 25 Abs. 2 VersAusglG im aktuellen Verfahren müsste eine Vereinbarung, die den Formerfordernissen der §§ 6 – 8 VersAusglG entspricht, nachgewiesen werden. Ein solcher Nachweis ist nicht erbracht.
42
3. Die Antragstellerin hat daher Anspruch auf eine Hinterbliebenenversorgung, der sich in der Höhe danach richtet, was die Antragstellerin als schuldrechtliche Ausgleichsrente gem. § 20 VersAusglG verlangen könnte, § 25 Abs. 3 VersAusglG. Zur Berechnung der Ausgleichsrente wird auf das Sachverständigengutachten des Sachverständigen W. H. vom 07.08.2022 auf der Grundlage der mathematischen Berechnung des Dipl. Mathematikers S. vom 27.07.2022 Bezug genommen.
43
Der Verstorbene hat zuletzt eine Bruttorente von 10.372,00 € bezogen. Die Gesamtzugehörigkeit zum Betrieb vom 01.01.1985 bis 31.12.2013 betrug 348 Monate. Die gesetzliche Ehezeit war vom 01.12.1989 bis 29.02.2016. Dies entspricht 289 Monaten. Die ehezeitbezogene Altersrente beträgt damit 8.613,95 €. Auf dieser Grundlage bestimmte das Amtsgericht den hälftigen Anspruch auf Ausgleich mit 4.306,98 €.
44
Zu berücksichtigen ist jedoch, dass die Beteiligten einen teilweisen Ausschluss des Versorgungsausgleichs in der notariellen Scheidungsvereinbarung vom 02.05.2011 vor dem Notar R. in M. UR Nr. R . ... zum Versorgungsausgleich unter II.vereinbart haben.
45
Haben geschiedene Ehegatten den Anspruch auf schuldrechtliche Ausgleichsrente durch eine zwischen ihnen getroffene Vereinbarung in zulässiger Weise herabgesetzt, so begrenzt die vereinbarte Höhe nach dem Tod des ausgleichspflichtigen Ehegatten grundsätzlich auch den Anspruch gegen den Versorgungsträger auf Teilhabe an der Hinterbliebenenversorgung (vgl. BGH, FamRZ 2017, 1660).
46
Die Beteiligten haben formwirksam entsprechend der §§ 6-8 VersAusglG vereinbart, dass die Zeit ab Auszug des Verstorbenen ab 01.05.2011 vom Ausgleich ausgenommen werden sollte. Dies betrifft auch das betriebliche Anrecht und gilt auch gegenüber dem Versorgungsträger. Die Auskunft der Antragsgegnerin zum Anrecht des Verstorbenen wurde für die gesamte Ehezeit vom 01.12.1989 bis 29.02.2016 erteilt. Auszunehmen ist somit der Zeitraum ab 01.05.2011 bis zum Ausscheiden des Verstorbenen aus dem Betrieb am 31.12.2013. Dies entspricht einer Zeitspanne von 32 Monaten, die bei der Bestimmung des maßgeblichen vereinbarten Ehezeitanteils nicht zu berücksichtigen ist. Für den Ausgleichswert ist die vereinbarte zu berücksichtigende Ehezeit damit auf 257 Monate (289 Monate abzüglich 32 Monate) festzulegen.
47
Damit ergibt sich folgende Rechnung:
10.372,00 € : 348 Monate Betriebszugehörigkeit
ergibt pro Monat einen Zuerwerb eines Anrechts in Höhe von 29,80 €.
48
Nachdem für die Ehezeit 257 Monate Anrechtserwerb auszugleichen sind, ergibt dies einen Ausgleichswert von (257 x 29,80 €) : 2 = 3.829,30 €, gerundet 3.829 €.
49
Der hälftige zu berücksichtigende Ehezeitanteil beträgt damit 3.829 €. In dieser Höhe besteht der schuldrechtliche Ausgleichsanspruch und damit der Anspruch auf
50
Hinterbliebenenversorgung. Für den Zeitraum September 2020 bis April 2023 ergeben sich damit Rückstände in Höhe von 122.528 €. Die Zinsen ergeben sich unter dem Gesichtspunkt des Verzugs nach § 288 BGB.
III.
51
Die Festsetzung des Verfahrenswerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf den §§ 40, 34, 50 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. FamGKG.
52
In Versorgungsausgleichssachen beträgt der Verfahrenswert bei Ausgleichsansprüchen nach der Scheidung gem. § 50 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. FamGKG für jedes Anrecht 20 Prozent des in drei Monaten erzielten Nettoeinkommens der Ehegatten. Wegen des Todes des Ausgleichspflichtigen ist vorliegend allerdings nur noch das Einkommen der Ausgleichsberechtigten maßgeblich (vgl. OLG Karlsruhe, FamRZ 2018, 1068; OLG Frankfurt, FamRZ 2014, 1303). Abzustellen ist nach § 34 FamGKG auf den Zeitpunkt der Antragstellung im jeweiligen Rechtszug.
53
Der Senat geht von einem Nettoeinkommen der Antragstellerin in Höhe von monatlich rund 1.500,00 Euro aus, so dass sich in drei Monaten ein Nettoeinkommen in Höhe von 4.500,00 Euro ergibt. 20% hiervon sind 900,00 Euro. Anzusetzen ist der Mindestwert von 1000,00 €.
54
Gründe, die Rechtsbeschwerde nach § 70 FamFG zuzulassen, sind nicht ersichtlich. Eine Abweichung von der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Rechtskraft in Versorgungsausgleichssachen liegt entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin nicht vor.