Inhalt

BayObLG, Beschluss v. 23.08.2023 – 101 W 184/21
Titel:

Spruchverfahren – Ermittlung des Unternehmenswertes mit der NAV-Methode

Normenketten:
AktG § 327b Abs. 1 S. 1, § 327f S. 2
SpruchG § 17 Abs. 1
FamFG § 26
ZPO § 287
Leitsätze:
1. Bei einer vermögenverwaltenden Gesellschaft ist die Bewertung der Gesellschaft nach der in der Wirtschaftswissenschaft anerkannten Net-Asset-Value-Methode gegenüber einer Bewertung nach dem Ertragswertverfahren der Vorzug zu geben. Deren Wert ergibt sich als Summe der Verkehrswerte ihrer Kapitalanlagen zuzüglich des Werts sonstiger Vermögensgegenstände und abzüglich des Gegenwartswerts der Verbindlichkeiten. (Rn. 43) (redaktioneller Leitsatz)
2. Einer Beweisaufnahme durch Einholung eines Sachverständigengutachtens, die nach § 287 ZPO im Ermessen des Gerichts steht, bedarf es im Spruchverfahren auch bei der Bewertung ausländischer Immobilien nur dann, wenn das Gericht streitige Punkte nicht aus eigener Sachkunde beurteilen kann und eine Begutachtung gegenüber den bereits vorliegenden Daten einen Erkenntnisgewinn bringt (Anschluss an BGH BeckRS 2023, 6362; OLG Frankfurt a.M. BeckRS 2016, 118873). (Rn. 59) (Rn. 60) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Net-Asset-Value-Methode (NAV-Methode) ist jedenfalls dann eine geeignete Bewertungsmethode für die Ermittlung des wahren Unternehmenswertes, wenn deren systemimmanente Nichtberücksichtigung von steuerlichen Verlustvorträgen sich nicht auswirkt, weil kein steuerlich relevantes Ergebnis für die Zukunft zu erwarten ist. (Rn. 45) (redaktioneller Leitsatz)
4. Bei der Wertermittlung nach der NAV-Methode ist der Barwert der künftigen Verwaltungskosten des Unternehmens – auf den Stichtag abgezinst – wertmindernd zu berücksichtigen (Festhaltung an BayObLG BeckRS 2022, 11815). (Rn. 71) (Rn. 81) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Spruchverfahren, Abfindung, Unternehmenswert, NAV-Methode, Sachverständigengutachten, Ermessen, ausländische Immobilie, steuerliche Verlustvorträge, künftige Verwaltungskosten, Abzinsung
Vorinstanz:
LG München I, Beschluss vom 25.06.2021 – 5 HK O 9171/19
Fundstellen:
AG 2023, 896
BeckRS 2023, 22068
NZG 2023, 1458
LSK 2023, 22068

Tenor

I. Die Beschwerden der Antragsteller zu 1), 4) bis 9), 11), 13), 29), 32), 41), 42), 44) 45), 48), 51) und 53), gegen den Beschluss des Landgerichts München I vom 25. Juni 2021 werden zurückgewiesen.
II. Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsgegner.
Eine Erstattung der den Beschwerdeführern erwachsenen außergerichtlichen Kosten wird nicht angeordnet.
III. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 200.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Beteiligten streiten über Höhe einer angemessenen Barabfindung, die Minderheitsaktionären wegen der Übertragung ihrer Anteile auf den Hauptaktionär durch Beschluss der Hauptversammlung nach § 327 a AktG zu gewähren ist.
2
1. Die Beschwerdeführer waren neben den übrigen Antragstellern Aktionäre der m. AG (im Folgenden auch: Gesellschaft), einer nicht (mehr) börsennotierten Gesellschaft mit Sitz in T., deren Geschäftsbetrieb im Wesentlichen in der Verwaltung eigenen Vermögens einschließlich von Immobilien im Inland und in den USA bestand.
3
Die Hauptversammlung der Gesellschaft fasste am 22. März 2017 den Beschluss, die Aktien der Minderheitsaktionäre gegen eine Barabfindung in Höhe von 136,00 EUR je Aktie auf den Antragsgegner als Hauptaktionär zu übertragen.
4
Gemäß Satzung in der Fassung vom 22. März 2017 war das Grundkapital der Gesellschaft in Höhe von 123.097,81 EUR in 99.271 Stückaktien eingeteilt. Die Gesellschaft hielt am 22. März 2017 521 eigene Aktien.
5
Gegenstand des Unternehmens ist nach § 2 Nr. 1 der Satzung:

Der Betrieb einer Internet-Plattform zum Handel mit und Vertrieb von Büchern und anderen Produkten;

der Handel von Büchern und anderen Produkten sowie die Erbringung von Dienstleitungen, insbesondere über das Internet;

Verlagsgeschäfte aller Art;

der Vertrieb elektronischer Medien und die Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen, um solche Medien zu vermarkten;

der Betrieb einer Werbe- und Medienagentur;

die Veranstaltung von und Erbringung von Dienstleistungen für Präsentationen von Büchern, Kunst und anderen Medien;

die Entwicklung und Vermarktung von Geschäftsmodellen sowie der Betrieb von Unternehmungen im Bereich von Health Care; sowie

die Verwaltung (einschließlich Erwerb und Veräußerung) von Beteiligungen und/oder Immobilien im In- und Ausland und/oder sonstigen eigenen Vermögens der Gesellschaft.

6
Die Aktien der Gesellschaft waren von 1999 bis 2009 zum Handel im Regulierten Markt zugelassen, danach waren sie bis zum 30. Juni 2016 im Freiverkehr an der Börse München notiert.
7
Die Bewertungsgutachter ermittelten zum 22. März 2017 in Anwendung der Net-AssetValue-Methode (im Folgenden: NAV-Methode) einen Unternehmenswert von 13.125.999,00 EUR und damit einen Wert von 132,92 EUR pro Aktie. Die vom Landgericht München I bestellten Abfindungsprüfer kamen in ihrem Prüfungsbericht vom 6. Februar 2017 zu dem Ergebnis, die vom Hauptaktionär festgelegte Barabfindung in Höhe von 136,00 EUR pro Stückaktie sei angemessen. In der Stichtagserklärung vom 22. März 2017 bestätigten die Abfindungsprüfer die Angemessenheit dieser Barabfindung auch unter Berücksichtigung der Entwicklungen seit dem Abschluss der Prüfung.
8
2. Die Antragsteller haben zur Begründung ihrer Ansicht, die festgelegte Abfindung sei nicht angemessen, im Wesentlichen Folgendes geltend gemacht:
9
a) Die herangezogene NAV-Methode sei ungeeignet. Auch bei Anwendung dieser Methode hätten steuerliche Verlustvorträge berücksichtigt werden müssen.
10
b) Die Bewertung der einzelnen Vermögensgegenstände sei fehlerhaft erfolgt.
11
Insbesondere für die Wohnung in Düsseldorf dürfe keinesfalls ein Wert unterhalb der Anschaffungskosten in Höhe von 2.000.000,00 EUR angesetzt werden. Auch im Übrigen sei die Bewertung des Immobilienvermögens in Berlin und Düsseldorf fehlerhaft.
12
Der Ansatz des Barwerts der Verwaltungskosten stehe im Widerspruch zur Systematik des NAV-Verfahrens. Die Kosten seien jedenfalls zu hoch angesetzt.
13
Korrekturbedarf bestehe bei der Bewertung der Anteile an der e. GmbH.
14
Auch bei der Beteiligung an der m. Corp. müsse der angesetzte Wert erhöht werden. Die angenommene Wertsteigerung der Immobilien in Texas um 16% im Laufe von sieben Jahren falle zu gering aus. Es hätte eine Ertragswertermittlung durchgeführt werden müssen. Der angenommene Wert der Immobilie in N. Y. stehe im Widerspruch zu der rasanten Entwicklung am dortigen Markt. Die Verwaltungskosten seien zu hoch angesetzt und es bestehe die Gefahr eines doppelten Abzugs sowohl bei der Muttergesellschaft als auch bei der m. Corp.
15
Auch bei den weiteren Beteiligungen der Gesellschaft (M.N.U. R. LP, O. Inc. und F. A. F. S.C.A) und sonstigen Vermögensgegenständen müsse eine Erhöhung vorgenommen werden.
16
Die festgesetzte Barabfindung lasse den zuletzt deutlich über dem angebotenen Betrag liegenden Börsenkurs der m.-Aktie zu Unrecht außer Betracht. Auch müssten die Vorerwerbspreise berücksichtigt werden, die der Antragsgegner und die Gesellschaft selbst bei Erwerb eigener Aktien gezahlt hätten.
17
3. Der Antragsgegner hat die Angemessenheit der festgelegten Barabfindung verteidigt.
18
a) Seiner Ansicht nach ist die Anwendung der NAV-Methode nicht zu beanstanden. Die Gesellschaft sei vermögensverwaltend tätig. Die NAV-Methode sei für solche Gesellschaften in der Wirtschaftswissenschaft anerkannt und in der Praxis gebräuchlich. Steuerliche Verlustvorträge dürfe man wegen fehlender Verkehrsfähigkeit nicht einfließen lassen.
19
b) Das Vermögen der Gesellschaft sei zutreffend bewertet worden. Der Barwert der Verwaltungskosten müsse vom Substanzwert der Vermögenswerte abgezogen werden.
20
Insbesondere die im Eigentum der Gesellschaft stehenden Immobilien seien zutreffend bewertet worden. Auch der Wertansatz der m. Corp., für deren Immobilien im US-Bundestaat Texas anhand von Vergleichswerten ein zutreffender Wert angesetzt worden sei, sei nicht zu korrigieren. Die steuerliche Bewertung sei als Referenzgröße zu Vergleichswerten herangezogen worden und hätte ein niedrigeres Ergebnis nach sich gezogen. Die Einbeziehung der Anzahlung für die Wohnung in N. Y. habe angesichts niedrigerer anzusetzender Verkehrswerte vergleichbarer Objekte zum Buchwert erfolgen können.
21
4. Mit Beschluss vom 29. April 2020 hat das Landgericht – nach Anhörung der Abfindungsprüfer (Sitzungsprotokolle v. 5. Juli und 25. Oktober 2018), Einholung ergänzender Stellungnahmen der Abfindungsprüfer vom 12. Juli und 9. November 2018 sowie Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen R. vom 24. Juli 2020 (im Folgenden: gerichtliches Sachverständigengutachten) nebst ergänzender Stellungnahme vom 10. März 2021 und Anhörung des Sachverständigen (Sitzungsprotokoll v. 4. März 2021) – die Anträge auf Festsetzung einer höheren Barabfindung als 136,00 EUR je Aktie als unbegründet zurückgewiesen.
22
Das Aktivvermögen der Gesellschaft müsse mit maximal 18.516.915,00 EUR angesetzt werden.
23
Dabei könne das inländische Immobilienvermögen mit einem Wert von 3.480.171,00 EUR einfließen. Wie das Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen zur Überzeugung der Kammer ergeben habe, sei die Immobilie in Düsseldorf mit 1.621.131,00 EUR zu bewerten. Die drei Wohnungen in Berlin müssten mit einem Betrag von 1.859.040,00 EUR angesetzt werden, also zu einem im Vergleich zum Bewertungsgutachten und dem Prüfungsbericht um 96.480,00 EUR höheren Wert.
24
Die als Finanzanlage einzuordnenden Beteiligungen an der e. GmbH und an der m. Corp. seien mit insgesamt maximal 5.062.687,00 EUR anzusetzen, wenn der Kurs des USD über einen Zeitraum von drei Monaten ermittelt werde. Die hundertprozentige Beteiligung der Gesellschaft an der e. GmbH sei mit einem Wert von 641.724,00 zu veranschlagen. Der Wert der m. Corp. sei mit höchstens 4.420.963,00 EUR anzusetzen. Der Ansatz von 1.058.753,00 EUR für die drei Immobilien in Texas sei nicht zu beanstanden, die Bewertungsgutachter und Abfindungsprüfer hätten sachgerecht die Kaufpreise vergleichbarer Grundstücke aus dem Jahr 2016 zugrunde gelegt, um den Marktwert zu ermitteln. Die Kammer sei nicht gehalten gewesen, ein Sachverständigengutachten über den Wert der Immobilie einzuholen, weil dies in den USA mit einem deutlich höheren Aufwand verbunden gewesen wäre, der nicht im Verhältnis zum Erkenntnisgewinn stehe, nachdem der Vergleichswert anhand von Immobilien aus derselben Anlage hergeleitet worden und eine nicht völlig unerhebliche Wertsteigerung von knapp 75.000,00 USD angenommen worden sei. Die Wohnung in N. Y. habe mit der geleisteten Anzahlung in Höhe von 1.066.640,00 USD in die Bewertung einfließen können. Zum Stichtag sei die Wohnung noch nicht fertiggestellt gewesen, weshalb eine Anwartschaft zu bewerten gewesen sei. Die Abfindungsprüfer hätten demgemäß untersucht, wie sich das Objekt zwischen Vertragsunterzeichnung und Stichtag weiterentwickelt habe. Eine Wertsteigerung hätten die Abfindungsprüfer nicht feststellen können. In dem Gebäude seien zum Teil niedrigere Preise verlangt worden. Höhere Preise seien in höheren Stockwerken oder bei Wohnungen mit Balkon verlangt worden. Das benachbarte Apartment 43a sei dagegen im Preis sogar leicht gesunken. Dieser unmittelbare Vergleich müsse in Übereinstimmung mit den Erkenntnissen der Abfindungsprüfer als belastbarer angesehen werden als die allgemeine Entwicklung des Immobilienmarktes in N. Y.. Korrekturbedarf bestehe dagegen bei den Verwaltungskosten der m. Corp., die auf 250.000,00 USD und nach Umrechnung auf 231.850,72 EUR (Stichtagskurs) bzw. 234.265,33 EUR (Durchschnittskurs) festzusetzen seien. Auch hinsichtlich der Beteiligungen der m. AG an anderen Gesellschaften (O. Inc., S. Berlin Ltd., M.Ltd., F. A. F. S.C.A., N. C.P. II) bestehe Korrekturbedarf. Ob bei den Wertpapieren kursbedingte Korrekturen zum Stichtag vorgenommen werden müssten, müsse nicht abschließend entschieden werden. Weitere Aktiva müssten nicht korrigiert werden.
25
Die abzuziehenden Passiva bedürften nur beim Barwert der Verwaltungskosten der Gesellschaft insoweit einer Korrektur, als dieser mit 2.315.268,00 EUR anzusetzen sei, sodass sich die Summe aus Fremdkapital und Verwaltungskosten auf 5.161.899,00 EUR belaufe. Daraus ergebe sich ein Unternehmenswert von maximal 13.355.016,00 EUR und ein maximaler Wert je Aktie von 135,48 EUR. Die Barabfindung sei daher angemessen.
26
Ein 136,00 EUR übersteigender Wert je Aktie ergebe sich selbst dann nicht, wenn bei den Wohnungen in Berlin die Zinseszinsmethode mit Wertauswirkungen von 24.120,00 EUR berücksichtigt und ein weiterer Ansatz von rund 7.000,00 EUR aus einer Anpassung bei Sp. ermittelt würde.
27
Dass einzelne Positionen mit einem niedrigeren Wert angesetzt worden seien als im Bewertungsgutachten und dem Prüfbericht, stelle keine unzulässige reformatio in peius dar.
28
Aus anderen Gründen lasse sich eine höhere Barabfindung nicht rechtfertigen, insbesondere nicht aus dem Börsenkurs, denn im maßgeblichen Zeitraum habe es keine Börsennotierung gegeben. Nach dem 30. Juni 2016 seien Aktien der Gesellschaft nur außerbörslich und vereinzelt gehandelt worden. Auch gezahlte Vorerwerbspreise seien für die Ermittlung der Barabfindung ohne Bedeutung. Erwerbspreise, die ein Großaktionär in sachlichem und zeitlichem Zusammenhang mit einem Squeezeout entrichte, spielten für die Bemessung der angemessenen Barabfindung keine Rolle. Nichts anderes gelte vorliegend. Der letzte Erwerb eigener Aktien durch die Gesellschaft sei im Jahr 2015 erfolgt und könne nicht die Verhältnisse zum Stichtag der Hauptversammlung widerspiegeln. Auch über Brand- und Feuerversicherungswerte lasse sich eine höhere Barabfindung nicht rechtfertigen.
29
5. Gegen die ihnen am 2. Juli 2021 zugestellte Entscheidung haben die Antragsteller zu 1), 4) bis 8), 29), 42), 48) und 53) mit am 2. August 2021 beim Landgericht eingegangenen Schriftsätzen, gegen die ihnen am 5. Juli 2021 zugestellte Entscheidung haben die Antragsteller zu 9), 11) und 51) mit am 3. August 2021 beim Landgericht eingegangenen Schriftsätzen, gegen die ihm am 9. Juli 2021 zugestellte Entscheidung hat der Antragsteller zu 13) mit am 5. August 2021 beim Landgericht eingegangenem Schriftsatz und gegen die ihnen am 12. Juli 2021 zugestellte Entscheidung haben die Antragsteller zu 32), 41), 44) und 45) mit am 7. bzw. 9. August 2021 beim Landgericht eingegangenen Schriftsätzen jeweils Beschwerde eingelegt, mit der sie ihr Ziel weiterverfolgen, eine Erhöhung des angemessenen Ausgleichs zu erreichen.
30
Das Landgericht hat den Beschwerden nicht abgeholfen.
31
Die Beschwerdeführer vertreten insbesondere die Ansicht, die erheblichen steuerlichen Verlustvorträge hätten bei der Bewertung berücksichtig werden müssen. Die Immobilien in Deutschland und den USA hätten von einem Sachverständigen bewertet werden müssen. Die Verwaltungskosten seien zu hoch angesetzt.
32
Der gemeinsame Vertreter der nicht selbst als Beschwerdeführer am Verfahren Beteiligten hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.
33
6. Der Beschwerdegegner verteidigt die angefochtene Entscheidung. Die Einwände der Beschwerdeführer könnten auch deshalb nicht zu einer Erhöhung der Barabfindung führen, weil das Landgericht die Verwaltungskosten zu niedrig angesetzt habe.
34
Auf den Beschluss des Landgerichts vom 25. Juni 2021 und die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze wird ergänzend Bezug genommen.
II.
35
Die Beschwerden sind zulässig, aber nicht begründet. Zu Recht und ohne Verfahrensfehler hat das Landgericht die auf 136,00 EUR je Aktie festgelegte Barabfindung nicht erhöht, sondern die Anträge zurückgewiesen.
36
1. Die Beschwerden sind zulässig.
37
Sämtliche Beschwerdeführer sind beschwerdebefugt, denn sie waren im Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Squeezeout Aktionäre der übertragenden Gesellschaft. Die einmonatige Rechtsmittelfrist, § 17 Abs. 1 SpruchG, § 63 Abs. 1 FamFG, ist jeweils eingehalten und der nach § 17 Abs. 1 SpruchG, § 61 Abs. 1 FamFG erforderliche Beschwerdewert von mehr als 600,00 EUR ist erreicht. Er ergibt sich aus dem Unterschiedsbetrag, den der einzelne Beschwerdeführer zusätzlich für sich erstrebt, wobei die Beschwer aller Beschwerdeführer zusammenzurechnen ist, da sich die Beschwerden gegen dieselbe Entscheidung richten und dasselbe Rechtsschutzziel verfolgen (vgl. BGH, Beschluss vom 18. September 2018, II ZB 15/17, BGHZ 219, 348 Rn. 9, 19, 24 m. w. N.). Schon die addierte Beschwer der Beschwerdeführer zu 1), 4) bis 8), 29) und 42) überschreitet die Grenze von 600,00 EUR deutlich.
38
Zuständig für die Entscheidung über die Beschwerde ist gemäß § 12 Abs. 2 SpruchG i. V. m. § 26 Abs. 2 BayGZVJu in der seit dem 1. Mai 2020 geltenden Fassung das Bayerische Oberste Landesgericht.
39
2. Die Beschwerden sind jedoch unbegründet. Die vom Hauptaktionär auf 136,00 EUR festgelegte Barabfindung muss, wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat, nicht erhöht werden. Sie ist angemessen.
40
a) Die vom Hauptaktionär nach § 327 b Abs. 1 Satz 1 AktG festgelegte Höhe der Barabfindung muss die Verhältnisse der Gesellschaft im Zeitpunkt der Beschlussfassung ihrer Hauptversammlung berücksichtigen. Ist die Barabfindung nicht angemessen, hat gemäß § 327 f Satz 2 AktG das in § 2 SpruchG bestimmte Gericht auf Antrag die angemessene Abfindung zu bestimmen.
41
Diese auf die Angemessenheit der Abfindung abstellenden Bestimmungen sind im Lichte des Eigentumsgrundrechts gemäß Art. 14 Abs. 1 GG und der Eigentumsgarantie aus Art. 1 des Zusatzprotokolls Nr. 1 zur Europäischen Menschenrechtskonvention dahingehend auszulegen, dass den Minderheitsaktionären ein vollständiger wirtschaftlicher Ausgleich für den Verlust ihres Anteilseigentums zu leisten ist. Hierzu muss die Abfindung den „vollen, wirklichen“ Wert der Unternehmensbeteiligung widerspiegeln (st. Rspr.; vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. Mai 2012, 1 BvR 3221/10, NJW 2012, 3020 [juris Rn. 21 f.]; Beschluss vom 27. April 1999, 1 BvR 1613/94 – DAT/Altana, BVerfGE 100, 289 [306, juris Rn. 46 f.]; BGH, Beschluss vom 21. Februar 2023, II ZB 12/2, WM 2023, 714 Rn. 19; Beschluss vom 12. Januar 2016, II ZB 25/14, BGHZ 208, 265 Rn. 23; BayObLG, Beschluss vom 18. Mai 2022, 101 ZBR 97/20, juris Rn. 40; OLG München, Beschluss vom 20. März 2019, 31 Wx 185/17, AG 2019, 659 [juris Rn. 24, 26]). Der Unternehmenswert ist dabei im Wege einer Schätzung zu ermitteln. Bestimmungen, nach welcher Methode diese Schätzung vorzunehmen ist, enthalten weder das Grundgesetz noch das einfache Gesetz. Die jeweils geeignete Bewertungsmethode ist vielmehr unter Beachtung des gesetzlichen Bewertungsziels auszuwählen, wobei die Frage, welche der Bewertungsmethoden im Einzelfall den Wert der Unternehmensbeteiligung zutreffend abbildet, Teil der tatsächlichen Würdigung des Sachverhalts ist und sich nach der wirtschafts- oder betriebswissenschaftlichen Bewertungstheorie und -praxis beurteilt (vgl. BGH WM 2023, 714 Rn. 17; Beschluss vom 15. September 2020, II ZB 6/20, BGHZ 227, 137 Rn. 13; Beschluss vom 29. September 2015, II ZB 23/14, BGHZ 207, 114 Rn. 12 m. w. N.).
42
b) Gemessen an diesen Grundsätzen stellt sich im Streitfall die von dem Mehrheitsgesellschafter festgesetzte Barabfindung als angemessener Ausgleich dar, weil sie den Anteil am Unternehmenswert zutreffend abbildet. Eine Änderung der angefochtenen Entscheidung des Landgerichts ist mithin nicht veranlasst. Einer Beweisaufnahme durch Einholung weiterer Sachverständigengutachten bedarf es für diese Beurteilung nicht. Der Senat ist befugt, seine Prüfung auf die von den Beschwerdeführern konkret erhobenen Einwendungen zu beschränken (BayObLG, Beschluss vom 18. Mai 2022, 101 ZBR 97/20, juris Rn. 41; OLG München, Beschluss vom 12. Juli 2019, 31 Wx 213/17, juris Rn. 94 [insoweit nicht in AG 2020, 56 abgedruckt]; Drescher in BeckOGK, Stand: 1. April 2023, SpruchG § 12 Rn. 17; Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 10. Aufl. 2022, SpruchG § 12 Rn. 15).
43
aa) Die NAV-Methode ist eine anerkannte, in der Praxis gebräuchliche und für den konkreten Bewertungszweck geeignete, fachgerechte Bewertungsmethode. Ausweislich ihrer Vermögensstruktur und im Übrigen unstreitig war die m.AG als eine eigenes Vermögen verwaltende Gesellschaft tätig. Ihrer Bewertung nach der in der Wirtschaftswissenschaft anerkannten NAV-Methode ist gegenüber einer Bewertung nach dem Ertragswertverfahren der Vorzug zu geben. Hierzu hat das Landgericht ausgeführt, der Wert einer vermögensverwaltenden Gesellschaft resultiere vor allem aus der Ertragskraft ihrer Kapitalanlagen, die wiederum maßgeblich in deren Marktwerten (Verkehrswerten) zum Ausdruck komme. Ausgehend hiervon ergebe sich der Wert einer vermögensverwaltenden Gesellschaft als Summe der Verkehrswerte ihrer Kapitalanlagen zuzüglich des Werts sonstiger Vermögensgegenstände und abzüglich des Gegenwartswerts der Verbindlichkeiten. So verstanden handle es sich um eine modifizierte Ertragsbewertung, bei der die spezifischen Gegebenheiten einer vermögensverwaltenden Gesellschaft angemessen berücksichtigt würden. Sie vermeide die Schwierigkeiten, die sich bei der Prognose künftiger Erträge daraus ergäben, dass vermögensverwaltende Gesellschaften einerseits regelmäßig wiederkehrende Dividenden- und Mieterträge und andererseits einmalige Erträge aus Veräußerungsgeschäften erwirtschafteten, die nicht ohne Weiteres zur Schätzung künftiger Erträge herangezogen werden könnten.
44
Diese Auffassung steht im Einklang mit der mittlerweile ständigen Rechtsprechung (vgl. BayObLG, Beschluss vom 18. Mai 2022, 101 ZBR 97/20, juris Rn. 43 m. w. N.; OLG Frankfurt, Beschluss vom 3. November 2020, 21 W 76/19, AG 2021, 275 [juris Rn. 20 f.]; Beschluss vom 8. September 2016, 21 W 36/15, AG 2017, 553 [juris Rn. 32 ff.]; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 25. Mai 2020, 12 W 17/19, AG 2020, 755 [756 juris Rn. 45 ff.]; OLG München, Beschluss vom 12. Juli 2019, 31 Wx 213/17, AG 2020, 56 [juris Rn. 52 ff.]).
45
Vergeblich wenden die Beschwerdeführer ein, durch die Wahl der NAV-Methode seien die steuerlichen Verlustvorträge unberücksichtigt geblieben. Letzteres führt nicht dazu, dass die NAV-Methode aufgrund der Umstände des konkreten Falls nicht geeignet wäre, den „wahren“ Wert abzubilden. Zwar führen steuerliche Verlustvorträge – entsprechende Gewinne in den Folgejahren vorausgesetzt – zu einer Minderung des Steueraufwands (vgl. Meyer in Staub, HGB, 6. Aufl. 2021, § 274 Rn. 34) und sind deshalb ein Wertfaktor, der bei einer Unternehmensbewertung nach der Ertragswertmethode zur Aufwertung führen kann (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 15. November 2012, 12 W 66/06, juris Rn. 123), während sie bei der Anwendung der NAVMethode nicht berücksichtigt werden können, weil sie keine verkehrsfähigen Vermögenswerte darstellen (vgl. LG Frankfurt a. Main, Beschluss vom 16. Dezember 2014, 3-05 O 164/13, NZG 2015, 635 Rn. 70). Dies beruht auf dem konzeptuellen Unterschied der beiden Methoden und vermag die Geeignetheit der NAV-Methode vorliegend nicht in Frage zu stellen, zumal die Abfindungsprüfer bei ihrer Anhörung am 5. Juli 2018 (S. 11 des Protokolls, Bl. 147 d. A.) ausgeführt haben, das operative Geschäft sei in der Vergangenheit nachhaltig negativ gewesen und auch unter Berücksichtigung von Kursgewinnen und Wertentwicklungen der Beteiligungen bleibe kein steuerlich relevantes Ergebnis übrig, das die Gesellschaft nutzen könnte. Der Einwand der Beschwerdeführer zu 1), 4) bis 8), 29) und 42), es hätte die Nutzungsmöglichkeit der Verlustvorträge geklärt werden müssen, greift somit nicht durch.
46
bb) Die bei der Ermittlung des Net Asset Value den jeweiligen Vermögenswerten der Gesellschaft zugrunde gelegten Wertansätze sind nicht zu beanstanden.
47
Bei der Anwendung der NAV-Methode ist jeder Vermögensgegenstand gesondert zu betrachten, wobei die Einzelbewertung nach der Methode erfolgen kann, die jeweils passend erscheint (vgl. OLG Karlsruhe, AG 2020, 755 [756, juris Rn. 45]). Durchgreifende Einwände gegen die Geeignetheit der jeweils herangezogenen Bewertungsmethode haben die Beschwerdeführer nicht erhoben.
48
(1) Die steuerlichen Verlustvorträge stellen aus den oben dargelegten Gründen keinen in die Bewertung einfließenden Vermögenswert dar. Sie sind deshalb entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer zu 1), 4) bis 8), 29) und 42) auch nicht als „Sonderwerte o. ä.“ zu berücksichtigen.
49
(2) Das in Deutschland belegene Immobilienvermögen ist auf der Grundlage des gerichtlichen Sachverständigengutachtens mit einem Wert von 3.480.171,00 EUR in die Ermittlung des Unternehmenswerts eingeflossen. Eine Erhöhung um 31.120,00 EUR führt nicht zu einer Korrektur der Barabfindung.
50
(a) Die Bewertung der in Düsseldorf, …., belegenen Eigentumswohnung mit Gartenfläche sowie vier Stellplätzen in der Tiefgarage mit 1.621.131,00 EUR ist nicht zu beanstanden. Ohne Erfolg rügen die Antragsteller zu 48) und 53), es sei – in Übereinstimmung mit dem Bewertungsgutachter und dem Abfindungsprüfer – von dem Buchwert in Höhe von 1.963.912,00 EUR „als zumindest langfristig vom Vorstand erwarteten Wertansatz“ auszugehen.
51
Der handelsbilanzielle Ansatz stimmt nicht ohne Weiteres mit dem Marktwert überein. Es wäre mithin verfehlt, wegen der Bewertung einer Position kritiklos auf den Ansatz aus der Handelsbilanz abzustellen (BayObLG, Beschluss vom 18. Mai 2022, 101 ZBR 97/20, juris Rn. 99).
52
Der Buchwert bildet im Streitfall keine geeignete Schätzgrundlage für die Bewertung der im Jahr 2012 zu einem Kaufpreis in Höhe von 2.040.000,00 EUR angeschafften Immobilie. Die Anschaffungskosten insgesamt betrugen 2.165.541,84 EUR. Der gerichtliche Sachverständige hat zum Stichtag einen Verkehrswert von rund 1.621.000,00 EUR für marktgerecht erachtet. Er hat diesen Wert aus dem Vergleichswert abgeleitet und im Ertragswertverfahren plausibilisiert. In Übereinstimmung mit dem Sachverständigengutachten hat das Landgericht sein Ermessen dahingehend ausgeübt, auf den Vergleichswert abzustellen, da eine hinreichende Zahl von Vergleichspreisen zur Verfügung stand. Konkrete Einwände gegen diese § 194 BauGB i. V. m. § 15 ImmoWertV (in der bis zum 21. Dezember 2021 geltenden Fassung vom 19. Mai 2010) entsprechende Wertermittlung wurden nicht vorgebracht.
53
Zwar hielten die Bewertungsgutachter, die ebenfalls von einem unter dem Buchwert der Immobilie im Jahresabschluss zum 30. September 2016 liegenden Verkehrswert ausgingen, es für angemessen, den Buchwert als Wertansatz heranzuziehen. Es werde berücksichtigt, dass der Buchwert neben dem ursprünglichen Kaufpreis für die Immobilie die im Rahmen des Erwerbs angefallenen Anschaffungsnebenkosten enthalte und der Eigentümer langfristig mit einer entsprechenden Wertaufholung rechne. Die Abfindungsprüfer führten aber am 5. Juli 2018 überzeugend aus, dass bei einem nicht lange zurückliegenden Immobilienerwerb der Buchwert deshalb über dem Verkehrswert liegen könne, weil neben dem Kaufpreis auch die Transaktionskosten aktiviert und diese Transaktionskosten erst durch eine Wertsteigerung am Markt ausgeglichen werden müssten. Das Landgericht (S. 28 f. des Beschlusses) führt zudem näher aus, dass von dem im Jahr 2012 bezahlten Kaufpreis nicht auf einen höheren Verkehrswert geschlossen werden könne. Die Anschaffungskosten seien zumindest sehr hoch, zumal die Wohnung nicht renoviert und der Schwimmbadbereich bei einem Ortstermin des Sachverständigen nicht in Betrieb gewesen sei. Fehl geht der Einwand der Antragsteller zu 48) und 53), das Landgericht habe bei der Bewertung dieser Immobilie „in die unternehmerische Entscheidung eingegriffen“, ohne zu erklären, warum die vom Vorstand angenommenen zukünftigen Wertsteigerungen, die den Buchwert als Untergrenze rechtfertigten, nicht tragfähig sein sollen. Es ist nicht zu beanstanden, dass bei der Anwendung der NAV-Methode nicht auf einen nach dem Stichtag möglicherweise zu erzielenden Verwertungserlös abgestellt wird (vgl. Ruiz de Vargas in Bürgers/Körber/Lieder, Aktiengesetz, 5. Aufl. 2021, Anhang zu § 305 Rn. 64). Der stichtagsbezogene Verkehrswert (Marktwert) ist zudem nach seinem materiellen Gehalt eine Größe, in der sich nachhaltige Zukunftserwartungen „kondensieren“ (vgl. Kleiber in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 149. EL Stand: Februar 2023, ImmoWertV Vorbemerkungen Rn. 37). Konkrete Einwendungen gegen die Bewertung wurden nicht erhoben. Der gerichtliche Sachverständige hat die Vergleichspreise insbesondere an die konjunkturelle Marktentwicklung angepasst (S. 34 f. des Gutachtens).
54
(b) Im Ergebnis ohne Erfolg rügen die Antragsteller zu 48) und 53), bei der Bewertung der drei Wohnungen in Berlin sei dem Sachverständigen ein methodischer Fehler unterlaufen. Für diese Wohnungen hat das Landgericht einen gegenüber dem Bewertungsgutachten höheren Wert von 1.859.040,00 EUR angesetzt. Der in der ergänzenden Stellungnahme des Sachverständigen auf Basis der Zinseszinsmethode und unter Einbeziehung des Monats März 2017 in Anpassung der Vergleichskaufpreise an die konjunkturelle Marktentwicklung ermittelte Vergleichswert in Höhe von 1.883.160,00 EUR würde – wie das Landgericht zutreffend ausführt (S. 36 des Beschlusses) – allerdings nicht dazu führen, dass die festgesetzte Barabfindung überschritten würde. Eine Erhöhung des Unternehmenswerts um weitere 7.000,00 EUR, die die Antragsteller zu 48) und 53) für geboten erachten, würde bei 98.750 zu berücksichtigenden Aktien zu einer Erhöhung der Abfindung um 0,32 EUR führen und damit nicht zu einer Überschreitung der festgesetzten Barabfindung. Dies wird auf Seite 87 der angegriffenen Entscheidung ausgeführt.
55
Nicht nachvollzogen werden kann in diesem Zusammenhang der weitere Einwand, die vom Landgericht errechneten Anteilswerte seien falsch, weil die eigenen Aktien der Gesellschaft von der Gesamtstückzahl nicht abgezogen worden seien. Bei der Ermittlung der Abfindung als Quotient aus Unternehmenswert und Zahl der Aktien hat das Landgericht (vgl. S. 86 der angegriffenen Entscheidung) die 521 eigenen Aktien nicht berücksichtigt. Der Unternehmenswert ist somit durch 98.750 zu teilen (99.271 minus 521 Aktien). Der von den Antragstellern zu 48) und 53) genannte Wert pro Anteil von 135,14 EUR bzw. 135,96 EUR ergibt sich nur, wenn die Zahl der eigenen Aktien zweimal abgezogen wird, der Unternehmenswert also durch 98.229 Aktien geteilt wird.
56
(3) Die Bewertung der m. Corp. unter Anwendung der NAV-Methode ist nicht zu beanstanden.
57
Die Gesellschaft ist alleinige Gesellschafterin der Immobilien verwaltenden m.Corp. mit Geschäftssitz in C. Texas, zu deren Vermögen drei Immobilien in C. und ein zum Stichtag noch nicht fertiggestelltes Apartment in N. Y. gehören.
58
Die Rügen der Beschwerdeführer gegen das Verfahren des Landgerichts, kein weiteres gerichtliches Sachverständigengutachten eingeholt zu haben, greifen nicht durch. Das Landgericht hat den in § 17 Abs. 1 SpruchG i. V. m. § 26 FamFG normierten Amtsermittlungsgrundsatz nicht dadurch verletzt, dass es keinen gerichtlichen Sachverständigen mit der Ermittlung der den Wert des Immobilienbesitzes der m. Corp. bestimmenden Faktoren und ihrer Gewichtung betraut hat.
59
Einer Beweisaufnahme durch Einholung eines Sachverständigengutachtens bedarf es im Spruchverfahren nur, wenn das Gericht streitige Punkte nicht aus eigener Sachkunde beurteilen kann und eine Begutachtung gegenüber den bereits vorliegenden Daten einen Erkenntnisgewinn bringt (vgl. BGH WM 2023, 714 Rn. 31; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 9. Mai 2022, I-26 W 3/21 [AktE], AG 2022, 705 [708, juris Rn. 30]; OLG München, Beschluss vom 20. März 2019, 31 Wx 185/17, AG 2019, 659 [662 f. juris Rn. 81 ff.] jeweils m. w. N.). Die Einholung eines Sachverständigengutachtens steht nach § 287 ZPO im Ermessen des Gerichts, das nach Erforderlichkeit, Zweckmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit darüber zu entscheiden hat, ob und inwieweit eine Begutachtung einen weiteren Erkenntnisgewinn bringt (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 8. September 2016, 21 W 36/15, AG 2017, 553 [555 juris Rn. 48]; Drescher in beckOKG, SpruchG, § 8 Rn. 12; Klöcker/Wittgens in K. Schmidt/Lutter AktG, 4. Aufl. 2020, SpruchG § 8, Rn. 14; Land/Hennings, AG 2005, 380 [382 f.]; zu den Grenzen des Ermessens: Sturm/Stottmann, NZG 2020, 974 [978]). Eine Schätzung, die mangels greifbarer Anhaltspunkte völlig in der Luft hinge, ist allerdings unzulässig (OLG Stuttgart, Beschluss vom 5. Juni 2013, 20 W 6/10, AG 2013, 724 [juris Rn. 140]).
60
Dieser Maßstab gilt auch, wenn – wie hier – im Rahmen der NAV-Methode der Wertansatz im Ausland belegener Immobilien im Streit steht (vgl. OLG Frankfurt a. a. O.). Auch wenn es als zulässig angesehen wird, dass im Ausland ansässige Sachverständige ohne Zwangsandrohung mit der Gutachtenserstellung beauftragt und diese im Ausland ohne Zustimmung des betroffenen Staates tätig werden (vgl. Heinrich in Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Aufl. 2020, § 363 Rn. 4; Geimer in Zöller, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 363 Rn. 16; a. A. Stadler in Musielak/Voit, ZPO, 20. Aufl. 2023, § 363 Rn. 11), ist die Beauftragung eines Immobiliensachverständigen im Spruchverfahren hier mangels weiteren Aufklärungsbedarfs nicht geboten. Der Ansatz der Vermögenswerte der m. Corp. beruht auf einer ausreichenden Schätzgrundlage. Weiterer Erkenntnisgewinn ist aus den von dem Landgericht dargelegten Gründen nicht zu erwarten.
61
(a) Der Wertansatz für die Immobilien in Texas in Höhe von 1.058.753,00 EUR ist nicht zu beanstanden.
62
Es handelt sich um drei in einer Wohnsiedlung, …, belegene Objekte, die im Jahr 2011 für 984.000,00 USD angeschafft worden waren.
63
In Übereinstimmung mit den Abfindungsprüfern sah es das Landgericht als systematisch sachgerecht an, die Wertermittlung anhand des Vergleichswertverfahrens durchzuführen (S. 56 des Beschlusses; S. 27 des Protokolls v. 5. Juli 2018, Bl. 163 d. A.). Die Schätzung des Werts der Immobilen anhand von Vergleichswerten ist nicht beanstanden. Es handelt sich um eine anerkannte Methode (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Januar 2019, XI ZR 535/17, WM 2019, 308 Rn. 18; s. o. [2] a). Unbehelflich ist der pauschale Einwand der Beschwerdeführer zu 9), 11) und 51), es liege kein belastbares Immobilienwertgutachten vor und es sei schon unklar, was ein lizenzierter Immobilienmakler sei.
64
Wie sich aus der als A. AG 6 vorgelegten Bestätigung des Immobilienmaklers ergibt, liegen aussagekräftige Vergleichspreise vor, die Grundlage der Schätzung sind. Die Bewertung erfolgte anhand von Vergleichswerten, die von einem im Staat Texas lizenzierten Immobilienmakler ermittelt wurden, nämlich im Zeitraum vom 29. Februar bis zum 26. September 2016 realisierte Kaufpreise für drei nach Art, Größe, Ausstattung und Lage vergleichbare Objekte in der gleichen Wohnsiedlung (vgl. auch S. 26 des Gutachtens der Abfindungsprüfer).
65
Fehl geht der Einwand der Beschwerdeführer zu 32), 41), 44) und 45), es sei nicht sachgerecht, auf den Angebotspreis abzustellen, da es in den USA üblich sei, Bieterverfahren durchzuführen, bei denen der spätere Kaufpreis den Angebotspreis letztlich deutlich überschreite. Der angegriffene Beschluss ist insoweit zwar widersprüchlich, weil es einerseits als sachgerecht angesehen wird, die „Kaufpreise“ vergleichbarer Grundstücke zugrunde zu legen, und andererseits ausgeführt wird, der Ansatz der „Angebotspreise“ führe jedenfalls nicht zu einem Nachteil der Antragsteller. Aus der Bestätigung des Immobilienmaklers (A. AG 6: „actual sales price“, „sold on …[Datum]“), dem Bewertungsgutachten (S. 38) und dem Gutachten der Abfindungsprüfer (S. 26) ergibt sich aber eindeutig, dass als Vergleichswerte realisierte Kaufpreise und nicht Angebotspreise herangezogen wurden. Bei der Äußerung der Abfindungsprüfer, die Unterlagen hätten „Angebotspreise“ für Einfamilienhäuser enthalten (S. 7 des Protokolls v.5. Juli 2018, Bl. 163 d. A.), handelt es sich offensichtlich um ein Versehen, das von dem Vertreter des Antragsgegners richtiggestellt wurde.
66
Ohne Erfolg stellen die Beschwerdeführer zudem in Frage, ob es sich um „wirkliche Vergleichsobjekte“ handle, es könnten selbst innerhalb einer Anlage deutliche Unterschiede „im Hinblick auf Lage, Nord-Süd-Ausrichtung, Lärmbelästigung etc.“ bestehen und es fehlten Angaben zur konkreten Lage und Ausstattung der Immobilien. Die Bestätigung des Immobilienmaklers kann im Freibeweisverfahren (§ 17 Abs. 1 SpruchG i. V. m. § 29 FamFG) zum Beweis dafür herangezogen werden, dass die drei verkauften Immobilien mit den zu bewertenden Objekten vergleichbar sind. Der Immobilienmakler führt aus, dass die drei Immobilien, deren Verkaufspreise als Vergleich herangezogen worden seien, mit der streitgegenständlichen Immobilie vergleichbar seien, da sie in Größe, Preis, Ausstattung, Qualität und Errichtungsdatum ähnlich seien. Sie seien während der ersten Entwicklung der Wohnanlage … gebaut worden. Er, der Immobilienmakler, sei mit der Anlage, an deren Entwicklung er beteiligt gewesen sei, sehr vertraut. Konkrete Anhaltspunkte, die die Erforderlichkeit weiterer Ermittlungen begründen könnten, zeigen die Beschwerdeführer nicht auf.
67
(b) Nicht zu beanstanden ist der Wertansatz des in N. Y., … im 43. Stock gelegenen und am Stichtag noch im Bau befindlichen Apartments. In Übereinstimmung mit den Abfindungsprüfern führt das Landgericht überzeugend aus, es sei eine Anwartschaft zu bewerten. In die Bewertung eingeflossen seien die auf den Kaufpreis geleisteten Anzahlungen in Höhe von 1.066.640,00 USD.
68
Die Beschwerdeführer zu 9), zu 11) und zu 51) wiederholen lediglich ihren gegenüber dem Landgericht vorgebrachten Einwand, für das Apartment hätte ein Verkehrswertgutachten eines Immobiliensachverständigen eingeholt werden müssen, schließlich seien die Apartmentpreise in N. Y. seit dem Kauf im Oktober 2014 sprunghaft angestiegen, und meinen, die Bewertung des Apartments sei „nicht nachvollziehbar“. Den überzeugenden Ausführungen der Abfindungsprüfer, es komme nicht auf die allgemeine Marktentwicklung in N. Y. an und für die konkrete Wohnung sei angesichts der Preisentwicklung bei in demselben Gebäude liegenden Apartments keine Wertsteigerung festzustellen gewesen (S. 28 des Protokolls v. 5. Juli 2018, Bl. 164 d. A.), denen das Landgericht gefolgt ist, setzen sie nichts Substanzielles entgegen.
69
Ohne Erfolg rügen die Beschwerdeführer zu 32), 41), 44) und 45), aus den Ausführungen der Abfindungsprüfer ergebe sich nicht, woraus abgeleitet werde, dass das benachbarte Apartment … im Preis gesunken sei. Es sei schon unklar, ob es sich um einen bloßen Angebotspreis oder den Kaufpreis handle. Ein niedrigerer Preis könne verschiedene Gründe haben. Es ist nicht zu beanstanden und wird von den Beschwerdeführern auch nicht substanziiert angegriffen, dass Ausgangspunkt der Bewertung des zum Stichtag nicht fertigstellten Apartments die auf den Kaufpreis geleisteten Anzahlungen waren. Die Antragsteller vermuten lediglich aufgrund der allgemeinen Entwicklung des Immobilienmarktes in N. Y., dass auch der Wert des Apartments zwischen dem 14. Oktober 2014 und dem 22. März 2017 gestiegen sei.
70
In dem Bewertungsgutachten wird auf Seite 39 ausgeführt, dass ein Vergleich der Angebotspreise der schon im Oktober 2014 im öffentlichen Angebot befindlichen, aber bislang noch nicht verkauften Wohnungen ergeben habe, dass die früheren Angebotspreise die aktuellen Angebotspreise größtenteils unterschritten hätten. Die Mutmaßungen der Beschwerdeführer darüber, aus welchen Gründen ein etwaiger Kaufpreis für die Vergleichswohnungen nicht dem aktuellen Wert entspreche, gehen somit fehl. Dass sich angesichts sinkender Angebotspreise einiger im selben Gebäude liegender Apartments keine Hinweise auf eine Wertsteigerung des von der m. Corp. erworbenen Apartments ergeben haben (S. 27 des Gutachtens der Abfindungsprüfer; S. 28 des Protokolls v. 5. Juli 2018, Bl. 164 d. A.), liegt auf der Hand. Ein detaillierterer Vergleich des Apartments insbesondere mit dem Nachbarapartment Nr. … war nicht erforderlich. Ansatzpunkte, die die Erforderlichkeit weiterer Ermittlungen begründen könnten, sind nicht ersichtlich. Soweit in dem Gebäude höhere Preise verlangt wurden, betraf dies ein Apartment mit Balkon im 46. Stock und ein Apartment im 50. Stock (S. 28 des Protokolls v. 5. Juli 2018, Bl. 164 d. A.). Dass die höhere Lage und ein Balkon wertbildende Faktoren sind, wird auch von den Beschwerdeführern nicht in Abrede gestellt. Aus der Preisentwicklung dieser Apartments ergeben sich keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine Wertsteigerung des streitgegenständlichen Apartments.
71
(c) Der Barwert der künftigen Verwaltungskosten der m. Corp. ist bei deren Wertermittlung nach der NAV-Methode wertmindernd zu berücksichtigen (vgl. BayObLG, Beschluss vom 18. Mai 2022, 101 ZBR 97/20, juris Rn. 45 ff.).
72
In Übereinstimmung mit dem gerichtlich bestellten Sachverständigen (vgl. S. 113 ff. des Gutachtens) hat das Landgericht Verwaltungskosten lediglich in Höhe von 15.000,00 USD pro Jahr angesetzt (S. 59 der angegriffenen Entscheidung). Dieser Betrag ist in Euro umzurechnen und zu kapitalisieren. Auf den pauschalen Einwand der Beschwerdeführer zu 32) und 41), die Verwaltungskosten in den USA seien deutlich zu hoch angesetzt worden, sind keine weiteren Ausführungen des Beschwerdegerichts angezeigt. Die Beschwerdeführer haben in erster Instanz lediglich ausgeführt, die Verwaltungskosten in Höhe von 20.000,00 EUR pro Jahr erschienen zu hoch. Konkrete Einwendungen gegen deren Höhe nach der vom Landgericht vorgenommenen Herabsetzung auf 15.000,00 USD pro Jahr wurden nicht erhoben. Zu dem weiteren Einwand, die Verwaltungskosten der m. AG seien nicht in Abzug zu bringen, weil die Verwaltungskosten bereits in den Marktwerten der einzelnen Vermögensgegenstände – d. h. möglicherweise auch der m. Corp. – berücksichtigt worden seien, wird auf die Ausführungen unter cc) (1) (a) verwiesen. Dass die Verwaltungskosten der m. Corp. nicht bereits im Verkehrswert der Immobilien Berücksichtigung fanden, ergibt sich aus Seite 115 des Gutachtens des gerichtlichen Sachverständigen vom 24. Juli 2020.
73
(4) Dass bei den Aktiva über die vom Landgericht vorgenommenen Korrekturen (vgl. S. 60 ff. und 71 ff. des Beschlusses) hinausgehende Korrekturen geboten wären, zeigen die Beschwerdeführer nicht auf.
74
Die Vermutung der Antragsteller zu 48) und 53), die Veräußerung von beträchtlichem Anlagevermögen im Geschäftsjahr 2016/2017 könne Anhaltspunkte für dessen tatsächlichen Wert liefern, geht fehl. Der Vorlage eines detaillierten Jahresabschlusses für dieses Geschäftsjahr bedurfte es nicht. Die Veränderungen des Anlage- und des Umlaufvermögens zum 30. September 2017 gegenüber dem Vorjahr erklären sich aus der Auszahlung seitens der N. GmbH & Co. KG im Dezember 2016 und der Ausleihung an N. US RE LP (vgl. S. 45 f. des Bewertungsgutachtens; S. 145 des Gutachtens des gerichtlichen Sachverständigen). Zutreffend führt das Landgericht auf Seite 69 des Beschlusses aus, die bereits im Dezember 2016 zugeflossene erste Zahlung in Höhe von 2.198.424,00 EUR sei in den liquiden Mitteln zum Bewertungszeitpunkt enthalten.
75
cc) Keiner Korrektur bedürfen die abzuziehenden Passiva.
76
(1) Ohne Erfolg wenden sich die Beschwerdeführer gegen die Höhe der künftigen Verwaltungskosten der Gesellschaft, die das Landgericht (nur) in Höhe von 2.315.268,00 EUR angesetzt hat und die den Barwert mindern.
77
(a) Gegen die Berücksichtigung der künftigen Verwaltungskosten bei der Wertermittlung nach dem NAV-Ansatz, die der Senat aus den im Beschluss vom 18. Mai 2022 (101 ZBR 97/20, juris Rn. 45 ff.) dargelegten Erwägungen als sachgerecht ansieht, erheben die Beschwerdeführer keine durchgreifenden Einwendungen. Die Beschwerdeführer zu 32) und 41), die lediglich auf ihre vor dem Landgericht vertretene Ansicht Bezug nehmen, der Barwert der Verwaltungskosten sei bei einer Bewertung nach der NAV-Methode nicht in Abzug zu bringen, da die Verwaltungskosten bereits in den Marktwerten der einzelnen Vermögensgegenstände berücksichtigt seien, verkennen, dass die auf Gesellschaftsebene anfallenden, nicht auf einzelne Assets bezogenen Verwaltungskosten sich in den Marktwerten (Verkehrswerten) der einzelnen Kapitalanlagen – anders als die jeweiligen objektbezogenen (Verwaltungs-) Kosten – nicht wertmindernd niederschlagen (BayObLG, a. a. O., Rn. 45). Dass es sich bei den vom Landgericht (S. 74 ff. des Beschlusses) in Übereinstimmung mit dem gerichtlichen Sachverständigen (S. 97 ff. des Gutachtens; S. 14 ff. des Protokolls v. 4. März 2021, Bl. 636 ff. d. A.) berücksichtigten Verwaltungskosten nicht um Kosten handelt, die auf Ebene der Gesellschaft anfallen, ist weder ersichtlich noch wird dies von den Beschwerdeführern substantiiert behauptet.
78
(b) Ohne Erfolg wenden die Beschwerdeführer zu 48) und 53) ein, die Personalkosten für den Hausmeister, die nach den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung vom 4. März 2021 kapitalisiert etwa 300.000,00 EUR ausmachten, seien um mindestens ein Drittel zu kürzen.
79
Die für die Planperioden ab 2017/2018 angesetzten Personalaufwendungen bedurften nach Ansicht des gerichtlichen Sachverständigen, der sich das Landgericht angeschlossen hat, insgesamt keiner Korrektur. Dies begegnet hinsichtlich der Kosten für den Hausmeister keinen Bedenken. Der Ansatz dieser Kosten ist plausibel. Die monatliche Vergütung in Höhe von 1.600,00 EUR ergibt sich aus dem vom Antragsgegner vorgelegten Arbeitsvertrag zwischen der Gesellschaft und dem Hausmeister. Zur Zuständigkeit des Hausmeisters gehören nach diesem Vertrag insbesondere alle Belange des – am Stichtag – an der Geschäftsanschrift der Gesellschaft belegenen Anwesens. Die Rüge, die „Villa“, für die der Hausmeister unter anderem zuständig sei, „diene dem Lebenshabitus einer Adelsfamilie mit spätfeudalen Ansprüchen“, der in keinem vernünftigen Verhältnis zur Geschäftstätigkeit der Gesellschaft stehe, und es sei ein „Abschlag für andere Belange als die des Hauses“ angezeigt, greift nicht durch. Der gerichtliche Sachverständige hat zwar ausgeführt, dass die Kosten für den Hausmeister bei der Wahl anderer Geschäftsräume eingespart werden könnten, aber zugleich betont, es sei fraglich, ob die Gesellschaft solche kostengünstigeren Geschäftsräume finden könnte. Ein etwaiges Einsparpotenzial, das am Bewertungsstichtag nicht bereits in der Wurzel angelegt ist, ist bei der Bewertung indes nicht zu berücksichtigen (vgl. BayObLG, Beschluss vom 18. Mai 2022, 101 ZBR 97/20, juris Rn. 83 m. w. N.). Denn maßgeblich sind die tatsächlichen Verhältnisse der Gesellschaft zum Bewertungsstichtag. Die Wahl der Geschäftsräume und die damit verbundene Anstellung eines Hausmeisters sind von den Aktionären hinzunehmende unternehmerische Entscheidungen.
80
(c) Weitere konkrete Einwendungen gegen die Höhe der berücksichtigten Verwaltungskosten wurden nicht erhoben. Die Behauptung der Beschwerdeführer zu 32) und 41), die Verwaltungskosten seien zu hoch angesetzt, enthält keine Ausführungen, bei welchen Positionen der Ansatz der Verwaltungskosten nach Ansicht der Beschwerdeführer weiterer Korrektur bedarf. Gegen die Begründung des Landgerichts (S. 74 bis 82 der angegriffenen Entscheidung) haben sie nichts vorgebracht.
81
(d) Die Rüge der Beschwerdeführer zu 48) und 53), die Kapitalisierung der Verwaltungskosten sei nicht tragfähig, greift nicht durch. Die künftigen Zahlungsabflüsse sind auf den Stichtag abzuzinsen (vgl. BayObLG, Beschl. v .18. Mai 2022, 101 ZBR 97/20, juris Rn. 90 ff.). Der der Berechnung des Barwerts der angemessenen Verwaltungskosten zugrunde gelegte Kapitalisierungszinssatz von 8% abzüglich des Wachstumsabschlags von 0,75% (vgl. Seite 83 des angegriffenen Beschlusses) bedarf keiner Korrektur.
82
(aa) Die auf Seite 110 des Gutachtens des gerichtlichen Sachverständigen B. nehmenden Ausführungen der Beschwerdeführer zu 48) und 53), der Basiszinssatz sei „stichtagsbezogen methodisch falsch“, er betrage 1,25%, gehen fehl. Denn das Landgericht ist in Übereinstimmung mit dem gerichtlichen Sachverständigen (S. 23 des Protokolls v. 4. März 2021, Bl. 645 d. A.) von einem Basiszinssatz in Höhe von 1,25% ausgegangen (S. 44 und 83 des Beschlusses).
83
(bb) Ebenfalls nicht nachvollzogen werden kann der Einwand der Antragsteller zu 48) und 53), 2017 habe das Oberlandesgericht München ganz überwiegend eine Marktrisikoprämie von 5,5% [nach Steuern] für richtig gehalten, dies könne im vorliegenden Fall nicht anders sein. Sie übersehen dabei, dass das Landgericht in Übereinstimmung mit den sachverständigen Prüfern eine Marktrisikoprämie von 6,75% vor Steuern angesetzt hat, was sich bei einer Gesamtbetrachtung zugunsten der Minderheitsaktionäre auswirkt (S. 83 i. V. m. S. 49 des Beschlusses).
84
Mit „5,5%“ nennen sie den Mittelwert der vom Fachausschuss für Unternehmensbewertung und Betriebswirtschaft (FAUB) des Instituts der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e. V. (IDW) im September 2012 empfohlenen Bandbreite von 5,0% bis 6,0% (nach persönlichen Steuern). Zutreffend ist, dass der Ansatz einer Marktrisikoprämie nach Steuern von 5,5% für Stichtage in den Jahren 2016 und 2017 nach der Rechtsprechung (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28. November 2022, I-26 W 4/21 (AktE), juris Rn. 157; OLG München, Beschluss vom 7. Januar 2022, 31 Wx 399/18, juris Rn. 60; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 9. Mai 2022, I-26 W 3/21 [AktE], juris Rn. 45) nicht zu beanstanden ist.
85
Bei der Bewertung nach der NAV-Methode kommt es allerdings auf die Prämie vor Steuern an, weil sie anders als das Ertragswertverfahren persönliche Steuern auf Ebene der Anteilseigner nicht berücksichtigt (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 25. Mai 2020, 12 W 17/19, juris Rn. 84). Die vom FAUB des IDW empfohlene Bandbreite für die Marktrisikoprämie vor persönlichen Ertragsteuern liegt bei 5,5% bis 7,0%. Die hier angenommene Marktrisikoprämie in Höhe von 6,75% nach Steuern liegt somit über dem Mittelwert von 6,25%.
86
Die Rüge der Beschwerdeführer, die darauf abzielt, den Mittelwert anzunehmen, ist nicht zielführend. Denn der Ansatz einer niedrigeren Marktrisikoprämie führt zu einer Steigerung des für die Verwaltungskosten anzusetzenden Betrags und in der Folge zu einer Verringerung des Unternehmenswerts nach der NAV-Methode (BayObLG, Beschluss vom 18. Mai 2022, 101 ZBR 97/20, juris Rn. 94).
87
(cc) Ohne Erfolg wenden die Antragsteller zu 48) und 53) ein, es sei verfehlt, einen Wachstumsabschlag – hier von 0,75% – abzuziehen, weil es bei den Kosten denknotwendig keinen Wachstumsabschlag gebe.
88
Abzuzinsen sind hier zwar Verbindlichkeiten (künftige Zahlungsabflüsse) des Unternehmens, die sich der Zuordnung zur Verwaltung einzelner, konkreter Vermögensgegenstände entziehen und deshalb bei der Wertermittlung der einzelnen Assets keine Berücksichtigung gefunden haben, nicht hingegen Erträge (künftige Überschüsse) aus den einzelnen Assets oder der Unternehmensgesamtheit. Dies gebietet es jedoch nicht, den Kapitalisierungszins für das Unternehmen anders als bei dem Ertragswertverfahren abzuleiten (vgl. BayObLG, Beschluss vom 18. Mai 2022, 101 ZBR 97/20, juris Rn. 90 f.; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 25. Mai 2020, 12 W 17/19, juris 81 ff. [zum Wachstumsabschlag Rn. 89]). Der gerichtliche Sachverständige hat überzeugend ausgeführt, dass die Verwaltungskosten wegen der Inflation im Laufe der Jahre ansteigen und deshalb auch bei der Kostenkapitalisierung ein Wachstumsabschlag zu machen ist (S. 22 des Protokolls v. 4. März 2021, Bl. 644 d. A.). Gegen die zutreffende Begründung des Landgerichts (S. 83 des Beschlusses) bringen die Beschwerdeführer nichts Substanzielles vor.
89
Gegen die Höhe des Wachstumsabschlags von 0,75%, den die Abfindungsprüfer (Seite 37 des Gutachtens) und der gerichtliche Sachverständige (S. 22 des Protokolls v. 4. März 2021, Bl. 644 d. A.) für angemessen erachtet haben, bringen die Beschwerdeführer keine konkreten Einwände vor.
90
(2) Der Ansatz der Verbindlichkeiten und der Rückstellungen, die den Barwert ebenfalls mindern, bedarf keiner Korrektur.
91
Die Rüge der Antragsteller zu 48) und 53), das Landgericht hätte auch die Verbindlichkeiten und die Rückstellungen „stichtagsbezogen adjustieren müssen“, greift nicht durch. Der Bewertung liegen die Nominalwerte zum Stichtag 13. Januar 2017 zugrunde, Veränderungen bis zum Stichtag haben sich jedoch ausweislich der Aktualitätsbestätigung der Bewertungsgutachter vom 22. März 2017 insoweit nicht ergeben, wie sich auch aus dem Gutachten der Abfindungsprüfer (S. 21) ergibt.
92
Dass der Jahresabschluss zum 30. September 2017 Rückstellungen in Höhe von 179.400,00 EUR ausweist, während der zum 30. September 2016 Rückstellungen in Höhe von 221.200,00 EUR auswies, führt entgegen Ansicht der Antragsteller zu 48) und 53) nicht dazu, dass der Unternehmenswert um den Differenzbetrag von 41.800,00 EUR zu erhöhen ist. In die Bewertung eingeflossen sind Rückstellungen in Höhe von nur 167.802,00 EUR (S. 48 des Bewertungsgutachtens). Würden stattdessen 179.400,00 EUR berücksichtigt, würde dies den Unternehmenswert schmälern.
93
dd) Das aufgrund der Ausführungen der Abfindungsprüfer und der durchgeführten Beweisaufnahme zur Überzeugung des Landgerichts feststehende Ergebnis, dass die von der Mehrheitsgesellschafterin festgesetzte Barabfindung in Höhe von 136,00 EUR einen angemessenen Ausgleich darstellt, wird nicht aufgrund von Plausibilitätserwägungen in Frage gestellt.
94
(1) Die Beschwerdeführer zu 48) und 53) rügen ohne Erfolg, die Gesellschaft habe zeitnah eigene Aktien zu einem Preis von jeweils 257,47 EUR erworben, sie habe also als „Insider“ für ihre Aktien im Vergleich zur Barabfindung nahezu das Doppelte gezahlt. Sie blenden dabei zum einen aus, dass der letzte Erwerb eigener Aktien im Jahr 2015 erfolgte (S. 98 des angegriffenen Beschlusses) und zum anderen, dass sich die Zahl der Aktien nach dem zugestandenen Vortrag des Antragsgegners im Schriftsatz vom 27. Dezember 2017 (S. 14 f., Bl. 54 f. d. A.) infolge der in den Jahren 2014, 2015 und 2016 durchgeführten Aktien-Dividende mehr als verdoppelt hat. Dass die Gesellschaft im Jahr 2015 neun eigene Aktien zu einem Kurs von 200,00 EUR gekauft hat, der unter der Berücksichtigung der Aktiendividende 2016 etwa 146,00 EUR entspricht, lässt keine Rückschlüsse auf die angemessene Entschädigung zum Stichtag 22. März 2017 zu.
95
(2) Ohne Erfolg wenden die Beschwerdeführer ein, der Vergleichsvorschlag des Landgerichts vom 7. Juli 2018 indiziere eine Fehlbewertung, denn die Kammer habe am Ende der mündlichen Verhandlung als Ergebnis einer intensiven Befragung der Abfindungsprüfer den Vorschlag unterbreitet, pro Aktie 19,00 EUR nachzubessern. Zutreffend ist, dass das Landgericht darauf hingewiesen hat, dass zumindest zu Teilen der Wertermittlung die Einholung eines Gutachtens denkbar erscheine, wobei der Ausgang offen sei. Aus Sicht der Kammer sei eine Lösung dergestalt vorstellbar, dass die Barabfindung auf einen Betrag von 155,00 EUR erhöht werde. Aus einem gerichtlichen Vergleichsvorschlag, der prozessuale Risiken und die mit der Einholung eines Sachverständigengutachtens verbundenen, nach § 15 Abs. 1 SpruchG in der Regel vom Antragsgegner zu tragenden Kosten berücksichtigt, lassen sich jedoch keine Rückschlüsse auf die Angemessenheit der Barabfindung ziehen. Zwar kann nach der seit 1. März 2023 geltenden Regelung in § 11 a SpruchG das Gericht einen Mehrheitsvergleich bei seiner Schätzung berücksichtigen, woraus sich ergibt, dass der Umstand, dass der Antragsgegner, der gemeinsame Vertreter sowie eine weit überwiegende Mehrheit der Antragsteller eine Kompensation in einer bestimmten Höhe akzeptieren, ein Indiz darstellen kann. Darum geht es vorliegend jedoch nicht. Das Landgericht hat mit Verfügung vom 2. Oktober 2018 mitgeteilt, dass die Vergleichsbemühungen gescheitert seien.
III.
96
1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 15 SpruchG.
97
Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsgegner. Die Erfolglosigkeit der Beschwerden der Antragsteller geben keinen hinreichenden Anlass, um aus Billigkeitserwägungen ausnahmsweise vom Grundsatz der Kostentragungspflicht des Antragsgegners abzuweichen und die Gerichtskosten ganz oder teilweise den Antragstellern nach § 15 Abs. 1 SpruchG aufzuerlegen (vgl. auch BGH, AG 2012, 173 Rn. 23 ff.; Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbHKonzernrecht, SpruchG § 15 Rn. 21; Simons in Hölters/Weber, AktG, 4. Aufl. 2022, SpruchG § 15 Rn. 10).
98
Die außergerichtlichen Kosten der Beschwerdeführer werden nicht dem Antragsgegner überbürdet. Offenbleiben kann, ob § 15 Abs. 2 SpruchG auch für das Beschwerdeverfahren als abschließende Regelung zur Kostentragung aufzufassen ist oder § 17 Abs. 1 SpruchG die Anwendung des § 84 FamFG eröffnet (vgl. BayObLG, Beschluss vom 18. Mai 2022, 101 ZBR 97/20, juris Rn. 165 m. w. N.). Vorliegend erscheint es jedenfalls angemessen, dass die Antragsteller ihre außergerichtlichen Kosten im Beschwerdeverfahren jeweils selbst tragen, § 15 Abs. 2 SpruchG.
99
2. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens ist gemäß § 74 Satz 1 GNotKG mit 200.000,00 EUR anzusetzen, da gegenüber der angebotenen Abfindung kein zusätzlicher Betrag festgesetzt wird (vgl. Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, SpruchG § 15 Rn. 10, 13).
100
3. Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, da die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht erfordert, § 17 Abs. 1 SpruchG, § 70 Abs. 2 Satz 1 FamFG.