Inhalt

VGH München, Beschluss v. 16.08.2023 – 4 ZB 23.130
Titel:

Berechnung der Zweitwohnungssteuer bei Eigennutzung durch Wohnungseigentümer

Normenketten:
KAG Art. 3
BGB § 558 Abs. 2
VwGO § 86 Abs. 1 S. 1, § 124 Abs. 2 Nr. 1, § 124 Abs. 2 Nr. 5
ZwStS § 4 Abs. 3
Leitsätze:
1. Der örtliche Satzungsgeber muss bei der Ermittlung des Aufwands, der mit dem Innehaben einer vom Eigentümer genutzten Zweitwohnung typischerweise verbunden ist, nicht die auf zivilrechtliche Mieterhöhungsverlangen zugeschnittenen Einzelparameter des § 558 Abs. 2 Satz 1 BGB übernehmen. Es reicht vielmehr aus, dass er die Schätzung an den in § 4 Abs. 3 Satz 2 ZwStS genannten Faktoren ausrichtet, also an der im Gemeindegebiet für Räume gleicher oder ähnlicher Art, Lage und Ausstattung regelmäßig gezahlten Nettokaltmiete (BayVGH, U.v. 4.4.2006 –4 N 05.2249, BeckRS 2006, 2388).(Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Inhaber von Zweitwohnungen im Sinne von § 4 Abs. 3 S. 1 Alt. 1 ZwStS können nicht verlangen, dass die für ihre Wohnung im Vermietungsfall jeweils anzusetzende Nettokaltmiete individuell anhand einer Vielzahl werterhöhender oder wertmindernder Einzelmerkmale mit entsprechenden Zu- und Abschlägen bestimmt wird.   (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
3. Der Abgabenpflichtige kann nicht die Anwendung eines aus seiner Sicht optimalen Verfahrens zur Feststellung des Mietwerts der Wohnung, sondern lediglich eine sachgerechte Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die Zweitwohnungsteuer verlangen. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Zweitwohnungssteuer, Eigennutzung durch Wohnungseigentümer, Bemessung des Aufwands, Schätzung, Bewertungskriterien, Beurteilungsspielraum, Aufklärungsrüge, Pauschalierungs- und Typisierungsbefugnis, Regelung von Massengeschäften, Nettokaltmiete, ortsübliche Vergleichsmiete, energetische Ausstattung, Wohnraumgröße, Bemessungsgrundlage
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 24.11.2022 – M 10 K 20.6827
Fundstelle:
BeckRS 2023, 22057

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens als Gesamtschuldner.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 2.860,49 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
1. Die Kläger wenden sich gegen die Heranziehung zur Zweitwohnungssteuer.
2
Die Beklagte erhebt eine Zweitwohnungssteuer nach ihrer Zweitwohnungssteuersatzung (ZwStS) vom 14. Februar 2020. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 ZwStS wird die Steuer nach dem jährlichen Mietaufwand berechnet. Der jährliche Mietaufwand ist gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 ZwStS die Nettokaltmiete, die der Steuerpflichtige für die Benutzung der Wohnung aufgrund vertraglicher Vereinbarungen nach dem Stand im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerpflicht für ein Jahr zu entrichten hätte (Jahresnettokaltmiete). Für im Eigentum des Steuerpflichtigen stehende Wohnungen ist die Nettokaltmiete in der ortsüblichen Höhe anzusetzen (§ 4 Abs. 3 Satz 1 ZwStS); sie wird von der Beklagten in Anlehnung an die Nettokaltmiete geschätzt, die für Räume gleicher oder ähnlicher Art, Lage und Ausstattung regelmäßig gezahlt wird (§ 4 Abs. 3 Satz 2 ZwStS). Gemäß § 5 Abs. 1 ZwStS beträgt die Steuer jährlich 20% der Bemessungsgrundlage.
3
Die Kläger, die ein ihnen gehörendes, im Gemeindegebiet der Beklagten gelegenes Einfamilienhaus als Zweitwohnung nutzen, wurden mit Bescheid vom 6. Juli 2020 zu einer Zweitwohnungssteuer in Höhe von 2.860,49 Euro für das Jahr 2020 herangezogen. Der Berechnung wurden eine Wohnfläche von 153 m² entsprechend der Wohnflächenberechnung aus der Bauakte sowie eine Jahresnettokaltmiete von 14.302,44 Euro zugrunde gelegt. Diese errechnete die Beklagte aufgrund einer geschätzten Nettokaltmiete von 7,79 Euro/m² Wohnfläche, die sich unter Berücksichtigung eines Abschlages von 5% aus der mittleren Kaltmiete von 8,20 Euro gemäß einer Auswertung der Mieten von verkauften Wohnobjekten von 2017 bis 2019 durch den Gutachterausschuss des Landkreises T. ergab.
4
2. Die Kläger erhoben gegen den Bescheid Widerspruch und trugen u.a. vor, die angesetzte Nettokaltmiete von 7,79 Euro/m² treffe nicht zu, da die Auswertung des Gutachterausschusses keine taugliche Grundlage für die Ermittlung der ortsüblichen Nettokaltmiete sei.
5
Die Beklagte wies im Abhilfeverfahren darauf hin, dass sie zur Bestimmung der ortsüblichen Nettokaltmiete neben der Auswertung des Gutachterausschusses auch Vergleichsmieten im Gemeindegebiet heranziehe, die sie seit einigen Jahren erfasse. Danach seien die Mieten auf der Basis eines Vergleichs von 121 Wohnungen beständig von durchschnittlich 9,04 Euro/m² im Jahr 2017 auf 10,28 Euro/m² im Jahr 2020 angestiegen. Ein Vergleich von 35 Wohnungen mit über 120 m² Wohnfläche ergebe, dass in den Jahren von 2017 bis 2020 durchschnittlich 8,86 bis 11,10 Euro/m² als Nettokaltmiete gefordert worden seien.
6
3. Nach Zurückweisung des Widerspruchs durch das Landratsamt T. erhoben die Kläger Anfechtungsklage mit dem Antrag, den Bescheid der Beklagten vom 6. Juli 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landratsamts T. vom 23. November 2020 aufzuheben.
7
Mit Urteil vom 24. November 2022 wies das Verwaltungsgericht die Klage ab. Die Bemessung der Zweitwohnungssteuer bei selbstgenutzten Eigentumswohnungen anhand einer Schätzung der Jahresnettokaltmiete in ortsüblicher Höhe sei nach ständiger Rechtsprechung zulässig. Es liege im Ermessen der Gemeinde, auf welche Weise sie bei solchen Wohnungen den jährlichen Mietaufwand ermittle. Mangels konkreter Anhaltspunkte für den jährlichen Mietaufwand stelle die Schätzung der Nettokaltmiete in ortsüblicher Höhe eine geradezu zwingende Ermittlungsmethode dar. Im Übrigen habe der Steuerpflichtige keinen Anspruch auf ein bestimmtes, aus seiner Sicht optimales Verfahren zur Feststellung des Mietwerts der Wohnung, sondern nur darauf, dass diese Bemessungsgrundlage für die Zweitwohnungssteuer in sachgerechter Weise ermittelt werde. In der Zweitwohnungssteuersatzung der Beklagten fänden sich durch die Bezugnahme auf „Räume gleicher oder ähnlicher Art, Lage und Ausstattung“ hinreichend bestimmte Anhaltspunkte, anhand welcher Kriterien die Schätzung zu erfolgen habe. Es sei auch nicht rechtsfehlerhaft, dass das zur Berücksichtigung dieser Kriterien von der Beklagten angewandte System der Zu- und Abschläge nicht in der Satzung selbst näher erläutert werde. Die Beklagte habe die Zweitwohnungssteuersatzung auf den konkreten Fall zutreffend angewandt. Die der Steuerberechnung zugrunde gelegte Annahme einer Größe der Zweitwohnung (entsprechend der Wohnflächenberechnung aus der Bauakte) von 153 m² sei jedenfalls nicht zulasten der Kläger unrichtig. Auch die Schätzung der Jahresnettokaltmiete sei rechtlich nicht zu beanstanden. Mit der Heranziehung eines Preises von 8,20 Euro/m² als Berechnungsgrundlage für die Jahresnettokaltmiete habe die Beklagte ihren Schätzungsspielraum nicht überschritten. Sie habe diesen (abgerundeten) Quadratmeterpreis anhand der Auswertung der Mieten von verkauften Wohnobjekten von 2017 bis 2019 durch den Gutachterausschuss des Landkreises ermittelt. Mit der Einräumung einer Schätzungsermächtigung wie in § 4 Abs. 3 ZwStS sei notwendigerweise ein gewisser Schätzungsspielraum und damit ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum der Behörde verbunden. Sofern kein Mietspiegel als mögliche Schätzungsgrundlage existiere, könnten – ohne Bindung an § 558 Abs. 2 BGB – auch sonstige Informationen über das Mietzinsniveau im Gemeindegebiet herangezogen werden, um den auf dem örtlichen Mietmarkt erzielbaren Mietzins zu bestimmen. Die Gemeinde sei nicht verpflichtet, den Mietaufwand in der ortsüblichen Höhe für die jeweilige Wohnung durch ein Sachverständigengutachten exakt zu ermitteln. Bei der Auswertung des Gutachterausschusses handle es sich um eine Mietpreissammlung, die von einer sachkundigen Stelle zusammengestellt worden sei. Eingeflossen seien in erster Linie Bestandsmieten. Für die vier verschiedenen Zonen im Landkreis habe der Gutachterausschuss je einen Mittelwert errechnet. Für den Bereich „Mitte“, zu dem das Gemeindegebiet der Beklagten gehöre, habe sich ein Mittelwert von 8,25 Euro/m² ergeben. Der Gutachterausschuss habe über eine ausreichende Datenmenge verfügt; insgesamt seien 250 Vermietungen, für den Bereich „Mitte“ 90 Vermietungen eingeflossen. Dass nach Angaben der Kläger bei annähernd 90% aller ausgewerteten notariellen Kaufverträge keine Angaben zu den Mieten vorgelegen hätten, sei unerheblich. Auf Basis des durchschnittlichen Quadratmeterpreises von 8,25 Euro, abgerundet auf 8,20 Euro, habe die Beklagte gemäß den satzungsmäßigen Parametern „Art, Lage und Ausstattung“ Zu- und Abschläge geprüft und hier einen Abschlag von 5% vorgenommen. Da sie über ihr System der Zu- und Abschläge Differenzierungen entsprechend den satzungsmäßigen Parametern durchführe, sei es unbehelflich, dass in der Auswertung des Gutachterausschusses bei der Ermittlung des Mittelwerts nicht nach Art, Lage und Ausstattung differenziert werde. Gegen die Tauglichkeit der Auswertung des Gutachterausschusses könne nicht mit Erfolg eingewandt werden, dass sich diese ausweislich ihrer einführenden Erläuterungen nicht für die Ableitung der ortsüblichen Vergleichsmiete eigne. Dies sei laut der Begründung des Gutachterausschusses deswegen der Fall, weil lediglich die Bestandsmieten in die Auswertung eingeflossen seien, nicht aber die (regelmäßig höheren) Neumieten und erhöhten Bestandsmieten. Dieser Umstand wirke sich jedoch zugunsten der Kläger aus. Ob die mathematischen Einwände der Klagepartei gegen die Mittelung der Mietpreise sachlich richtig seien, könne offenbleiben. Die steuererhebende Gemeinde sei davon entbunden, den exakten Mietaufwand in der ortsüblichen Höhe für die jeweilige Wohnung zu ermitteln. Zusätzlich zur Auswertung des Gutachterausschusses habe die Beklagte im Widerspruchsverfahren von ihr gesammelte Vergleichsmieten für größere Wohnungen herangezogen. Eine solche Vergleichsmietensammlung sei als weitere Information über das Mietzinsniveau im Gemeindegebiet berücksichtigungsfähig. Nach der vorgelegten Übersicht zur Entwicklung der Wohnungsmieten im Gemeindegebiet habe die mittlere Miete von sechs Wohnungen mit einer Größe zwischen 130 und 170 m² im Jahr 2020 10,57 Euro/m² betragen. Nach der ergänzend vorgelegten Vergleichsmietensammlung für die Jahre 2017 bis 2022, die nicht auf größere Wohnungen beschränkt gewesen sei, ergebe sich für 2020 auf der Grundlage von 32 Wohnungen ein mittlerer Mietpreis von 10,69 Euro/m², der ebenso den angesetzten Quadratmeterpreis von 8,20 Euro/m² deutlich übersteige. Die im Juli 2021 erschienene, bei Bescheidserlass noch nicht vorliegende Auswertung des Gutachterausschusses für die Jahre 2019 bis 2021 habe einen höheren durchschnittlichen Preis von 9,19 Euro/m² ergeben. Auch die in Online-Mietportalen verfügbaren Informationen deuteten eher darauf hin, dass der durchschnittliche Mietpreis im Gemeindegebiet im Jahr 2020 höher gewesen sei als 8,25 Euro/m².
8
4. Gegen dieses Urteil wenden sich Kläger mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung.
9
Die Beklagte tritt dem Antrag entgegen.
10
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen.
II.
11
1. Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, da die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vorliegen.
12
a) Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Die Kläger haben keinen einzelnen tragenden Rechtssatz und keine erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt (zu diesem Maßstab BVerfG, B.v. 18.6.2019 – 1 BvR 587/17 – BVerfGE 151, 173 Rn. 32 m.w.N.).
13
aa) Die Kläger tragen vor, dem Anspruch auf sachgerechte Ermittlung der Bemessungsgrundlage sei die Beklagte nicht nachgekommen. Sie habe einen vom Gutachterausschuss angegebenen undifferenzierten Wert einer Nettokaltmiete zugrunde gelegt, der anhand einer statistisch-mathematisch fehlerhaften Datenbasis erzeugt worden sei; eine Anhörung des Gutachterausschusses hierzu wäre sachdienlich gewesen. Die bei der Schätzung nach § 4 Abs. 3 ZwStS als Bemessungsgrundlage übernommenen Mieten entstammten allesamt privatrechtlichen Mietverträgen. Die Satzung der Beklagten widerspreche aber den in § 558 Abs. 2 BGB festgelegten Kriterien zur Bildung der ortsüblichen Vergleichsmiete, weil die Wohnraumgröße und die energetische Ausstattung nicht genannt seien. Bei beiden Kriterien hätten bei den Klägern Steuerabschläge erfolgen müssen, da die erzielbaren Mieten bei großen Wohnungen niedriger seien als bei kleinen Wohnungen und da das Haus der Kläger eine über 30 Jahre alte Ölheizung sowie eine fehlende Wärmedämmung aufweise und energetisch nicht saniert sei. Die Beklagte habe in ihrer Satzung verschiedene wertbestimmende Faktoren als Bewertungskriterien willkürlich ausgeschlossen und die Satzungsbegriffe „Art, Lage und Ausstattung“ nicht im Einzelnen definiert. Für die Steuerzuschläge oder -abschläge gebe es kein festes System; die Entscheidungen der Beklagten erfolgten willkürlich. Die Satzung sei wegen vollständig fehlender Definition und Differenzierung der Satzungskriterien fehlerhaft. Die Beklagte habe den als Nettokaltmiete angesetzten Quadratmeterpreis nicht selbst ermittelt, sondern ihn selektiv aus der Auswertung (2017 bis 2019) des Gutachterausschusses abgeschrieben, wobei die dort ermittelten Mietpreise nicht unmittelbar aus den Kaufverträgen stammten, sondern aus Fragebögen, die an die Käufer versandt worden seien. Der Gutachterausschuss habe in der Präambel seiner Auswertung hervorgehoben, dass die genannten Mieten im Sinne einer allgemeinen Marktinformation für interessierte Kreise zu verstehen seien; diese Einschränkung schließe eine Verwendung als Bemessungsgrundlage zur Steuerfestsetzung aus. Die im Urteil des Verwaltungsgerichts weiter angegebenen Mietpreise stellten ein undifferenziertes Sammelsurium aus unterschiedlichen Internetportalen dar, das statistisch-mathematisch unverwertbar und ohne Aussagekraft sei. Die in der Auswertung des Gutachterausschusses erzeugten statistischen Daten seien mit Sicherheit nicht das Ergebnis eines wissenschaftlichen Vorgehens. Aus Berechnungen der Kläger ergebe sich eine massive systematische Verzerrung der Auswertung in Richtung auf pro Quadratmeter höherpreisige Wohnungen.
14
bb) Diese Ausführungen sind nicht geeignet, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils zu begründen. Entgegen den Einwänden der Kläger ist die Beklagte ihrer Verpflichtung zur sachgerechten Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die Steuererhebung hinreichend nachgekommen.
15
(1) Für Zweitwohnungen, die wie hier im Eigentum des Steuerpflichtigen stehen, gilt die Vorschrift des § 4 Abs. 3 Satz 1 Alt. 1 ZwStS, wonach die „Nettokaltmiete in der ortsüblichen Höhe“ anzusetzen ist. Die genannte Satzungsbestimmung verlangt weder die Erstellung eines örtlichen Mietspiegels noch muss bei ihrer Anwendung auf die mietrechtliche Vorschrift des § 558 Abs. 2 BGB über die Bildung einer „ortsüblichen Vergleichsmiete“ zurückgegriffen werden (BayVGH, B.v. 21.8.2006 – 4 BV 06.331 – juris Rn. 18). Der örtliche Satzungsgeber muss bei der Ermittlung des Aufwands, der mit dem Innehaben einer vom Eigentümer genutzten Zweitwohnung typischerweise verbunden ist, nicht die auf zivilrechtliche Mieterhöhungsverlangen zugeschnittenen Einzelparameter des § 558 Abs. 2 Satz 1 BGB übernehmen. Es reicht vielmehr aus, dass er die Schätzung an den in § 4 Abs. 3 Satz 2 ZwStS genannten Faktoren ausrichtet, also an der im Gemeindegebiet für Räume gleicher oder ähnlicher Art, Lage und Ausstattung regelmäßig gezahlten Nettokaltmiete (BayVGH, U.v. 4.4.2006 – 4 N 05.2249 – BayVBl 2006, 504/504).
16
Dass in der genannten Satzungsbestimmung die energetische Beschaffenheit der jeweiligen Wohnung nicht gesondert als Bewertungskriterium aufgeführt wird, ist schon deshalb unerheblich, weil diese wertbestimmende Eigenschaft zur „Ausstattung“ gehört und sich daher im Einzelfall auf das Schätzungsergebnis auswirken kann. Auch die in § 4 Abs. 3 Satz 2 ZwStS nicht ausdrücklich erwähnte Wohnraumgröße wird bei der Ermittlung der ortsüblichen Nettokaltmiete berücksichtigt, sofern wie hier ein ortsüblicher Quadratmeterpreis als Schätzungsgrundlage herangezogen wird, der mit der Wohnfläche multipliziert wird. Die von den Klägern geforderte weitere Ausdifferenzierung und begriffliche Erläuterung der satzungsrechtlich vorgegebenen Bewertungskriterien ist rechtlich nicht geboten, da bereits anhand der umfassend zu verstehenden Merkmale „Art, Lage und Ausstattung“ eine hinreichende Erfassung des Mietwerts der einzelnen Wohnung möglich ist.
17
In Anbetracht der dem Satzungsgeber bei der Regelung von Massengeschäften zustehenden Pauschalierungs- und Typisierungsbefugnis (vgl. BVerwG, B.v. 19.5.2021 – 9 C 2.20 – NVwZ-RR 2021, 991 Rn. 9 m.w.N.) können die Inhaber von Zweitwohnungen im Sinne von § 4 Abs. 3 Satz 1 Alt. 1 ZwStS nicht verlangen, dass die für ihre Wohnung im Vermietungsfall jeweils anzusetzende Nettokaltmiete individuell anhand einer Vielzahl werterhöhender oder wertmindernder Einzelmerkmale mit entsprechenden Zu- und Abschlägen bestimmt wird. Die Beklagte musste daher weder das Alter der Heizung noch den Grad der Wärmedämmung im Haus der Kläger gesondert bewerten, sondern durfte – auch im Hinblick auf die in deren Steuererklärung angegebene „durchschnittliche Ausstattung“ des Anwesens – bei einer Gesamtbetrachtung des Anwesens von entsprechenden ausstattungsbezogenen Abschlägen absehen. Dass das Wohnhaus, das u.a. über einen Balkon und eine Terrasse verfügt, insgesamt als „sehr einfach“ ausgestattet anzusehen wäre und daher den von der Beklagten für solche Fälle gewährten Abschlag von 10% beanspruchen könnte, haben die Kläger nicht dargetan.
18
Wie bereits das Verwaltungsgericht ausgeführt hat, kann der Abgabenpflichtige nicht die Anwendung eines aus seiner Sicht optimalen Verfahrens zur Feststellung des Mietwerts der Wohnung, sondern lediglich eine sachgerechte Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die Zweitwohnungsteuer verlangen. Die der Beklagten in § 4 Abs. 3 Satz 2 ZwStS eingeräumte Schätzungsbefugnis ist daher rechtlich nicht zu beanstanden (BayVGH, B.v. 4.3.2021 – 4 ZB 20.246 – juris Rn. 16); sie stellt eine zulässige Vollzugserleichterung dar und entbindet die Beklagte davon, den Mietaufwand in der ortsüblichen Höhe für die jeweilige Wohnung durch ein Sachverständigengutachten exakt ermitteln zu müssen (BVerwG, U.v. 14.12.2017 – 9 C 11.16 – BVerwGE 161, 119 Rn. 27). Da die Ermächtigung zur Schätzung einen gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraum impliziert (BayVGH, a.a.O., Rn. 20), bleibt es der Beklagten auch überlassen, welche Besonderheiten der jeweiligen Wohnung sie für so gewichtig hält, dass sich dadurch bei der Bestimmung der hypothetischen Nettokaltmiete auf der Grundlage von Vergleichsfällen Zu- oder Abschläge von der angenommenen Durchschnittsmiete rechtfertigen lassen. Insoweit handelt es sich stets um eine Einzelfallentscheidung, so dass in der Abgabensatzung kein festes System von Korrekturfaktoren vorgegeben werden muss.
19
(2) Da die Zweitwohnungssteuersatzung der Beklagten über die Benennung der Bewertungskriterien „Art, Lage und Ausstattung“ hinaus keine weiteren Vorgaben bezüglich des Schätzungsverfahrens enthält, muss das zur Ermittlung der ortsüblichen Nettokaltmiete verwendete Datenmaterial nicht den strengen wissenschaftlichen Anforderungen an eine „statistisch-mathematische Datenbasis“ genügen. Die Beklagte war daher nicht gehindert, bei ihrer Schätzung von den vom Gutachterausschuss des Landkreises für die Jahre 2017 bis 2019 ermittelten durchschnittlichen Mietpreisen auszugehen. Dass die von dem Ausschuss verwendeten Einzelangaben nicht sämtliche Grundstücksgeschäfte im damaligen Zeitraum erfassten, sondern durch Fragebögen gewonnen worden waren, die an die Grundstückskäufer versandt und von diesen freiwillig (mit einer Quote von immerhin 90%) ausgefüllt und zurückgesandt worden waren, stand ihrer Verwertbarkeit als Schätzungsgrundlage ebenso wenig entgegen wie der allgemeine Hinweis des Gutachterausschusses, dass die Auswertung kein Mietspiegel sei und nur im Sinne einer allgemeinen Marktinformation vorgestellt werde.
20
Die auf der Basis der Auswertung des Gutachterausschusses geschätzte mittlere Kaltmiete von 8,20 Euro für ein nach Art, Lage und Ausstattung mit dem Wohnhaus der Kläger vergleichbares Objekt war nach allen erkennbaren Umständen jedenfalls nicht zu hoch gegriffen. Dies ergibt sich insbesondere aus den von der Beklagten im Abhilfeverfahren vorgelegten zusätzlichen Erkenntnissen über das örtliche Mietniveau und dessen Entwicklung in den vergangenen Jahren, wie das Verwaltungsgericht im Einzelnen zutreffend dargelegt hat. Weshalb diese aktuellen Erkenntnisquellen, die keinen wissenschaftlichen Anspruch erheben, im Rahmen der Schätzung von vornherein unverwertbar sein sollen, haben die Kläger nicht nachvollziehbar dargelegt.
21
b) Es liegt auch kein ergebnisrelevanter Verfahrensmangel vor, der zur Zulassung der Berufung führen könnte (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO).
22
Mit der von den Klägern erhobenen Rüge, das Verwaltungsgericht hätte den Gutachterausschuss zur weiteren Sachaufklärung anhören müssen, wird lediglich ein Verstoß gegen die gerichtliche Amtsermittlungspflicht (§ 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO) geltend gemacht. Darin könnte ein Verfahrensmangel nur dann liegen, wenn entweder ein erstinstanzlich gestellter Beweisantrag zu Unrecht abgelehnt worden wäre oder wenn sich dem Gericht die weitere Sachaufklärung auf der Grundlage seiner materiellen Rechtsauffassung hätte aufdrängen müssen (vgl. Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 86 Rn. 49 m.w.N.). Keiner dieser beiden Fälle liegt hier vor. Die Kläger haben in der mündlichen Verhandlung laut Protokoll keinen Beweisantrag gestellt, sondern laut eigenem Bekunden lediglich auf „Widersprüche“ in der Auswertung des Gutachterausschusses hingewiesen. Für das Verwaltungsgericht waren solche möglichen Unstimmigkeiten aber erkennbar nicht von entscheidender Bedeutung, da es den im angegriffenen Bescheid für das Wohnhaus der Kläger angesetzten Mietpreis in Anbetracht der von der Beklagten vorgelegten weiteren Vergleichsmieten und eigener Recherchen auf Online-Portalen für jedenfalls nicht zu hoch erachtet hat. Aus seiner Sicht bedurfte es somit keiner weiteren Aufklärung.
23
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 i.V.m. § 159 Satz 2 VwGO; die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.
24
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).