Titel:
Beseitigung von Solarmodulen
Normenketten:
ZPO § 246
BayBO Art. 6 Abs. 7 Nr. 2, Art. 57 Abs. 1 Nr. 3 lit. a, Art. 76 S. 1
BauNVO § 14 Abs. 1, Abs. 3
VwGO § 124a Abs. 4 S. 4
Leitsätze:
1. Die Frage der Unterordnung einer Nebenanlage gem. Art. 14 Abs. 1 BauNVO bestimmt sich nicht im Verhältnis der Nebenanlage zur Grundstücksgröße, sondern im Verhältnis der Nebenanlage zur Hauptanlage. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
2. Änderungen der Sach- und Rechtslage, die erst nach Ablauf der zweimonatigen Frist für die Darlegung von Berufungszulassungsgründen (§ 124a Abs. 4 S. 4 VwGO) eintreten, sind bei der Entscheidung über die Zulassung der Berufung nicht zu berücksichtigen. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
3. Art. 76 S. 1 BayBO umfasst auch die Entfernung des bei der Beseitigung einer baulichen Anlage anfallenden Materials vom Grundstück. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Beseitigungsanordnung, Großflächig angebrachte Solarpaneele im allgemeinen Wohngebiet, Unterordnung einer Nebenanlage, Brandschutz, Änderungen der Sach- und Rechtslage, Darlegungsfrist, Entfernung von Material vom Grundstück
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 18.03.2022 – M 9 K 21.1823
Fundstelle:
BeckRS 2023, 22055
Tenor
I. Soweit die Beteiligten das Verfahren übereinstimmend für erledigt erklärt haben, wird das Verfahren eingestellt und das Urteil des Verwaltungsgerichts München (M 9 K 21.1823) für unwirksam erklärt.
II. Im Übrigen wird der Antrag auf Zulassung der Berufung abgelehnt.
III. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
IV. Der Streitwert wird auf 10.000, – € festgesetzt.
Gründe
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1. Über das Berufungszulassungsverfahren kann mit unverändertem Rubrum entschieden werden, obwohl die Klägerin während des laufenden Berufungszulassungsverfahrens am ... 2022 verstorben ist. Denn zu diesem Zeitpunkt war für die Klägerin ein Prozessbevollmächtigter bestellt. Die von ihr dem Bevollmächtigten erteilte Vollmacht besteht gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 86 ZPO über den Tod der Klägerin hinaus fort (BayVGH, B.v. 27.4.2006 – 9 C 06. 494 – juris Rn. 6). Nach § 173 VwGO i.V.m. § 246 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist das Verfahren infolge der Vertretung durch einen Prozessbevollmächtigten nicht kraft Gesetzes (vgl. § 239 ZPO) unterbrochen. Denn der Klagebevollmächtigte hat zuletzt mit Schreiben vom 20. Juli 2023 um Fortführung des Verfahrens und Entscheidung gebeten und keinen Antrag auf Aussetzung des Verfahrens gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 246 Abs. 1 Alt. 2 ZPO gestellt (vgl. Rudisile in Schoch/Schneider, VwGO, 43. EL Stand August 2022, § 94 Rn. 117 f.). Das führt dazu, dass die Person oder die Personen, von denen die Klägerin beerbt wird, ohne Unterbrechung des Verfahrens (§ 173 VwGO i.V.m. §§ 239, 241 ZPO) kraft Gesetzes in den Prozess eintreten. Wenn der Prozessbevollmächtigte – wie hier – nicht die Aussetzung des Verfahrens beantragt, ist dieses trotz Gesamtrechtsnachfolge unter der bisherigen Parteibezeichnung fortzusetzen, zumal ein noch auf die verstorbene Partei lautendes Urteilsrubrum gemäß § 118 VwGO berichtigt werden kann, wenn die Erbenposition nachgewiesen wird (vgl. zu § 319 ZPO BGH, U.v. 1.12.2003 – II ZR 161/02 – juris Rn. 8).
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2. Nachdem die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache hinsichtlich der Ziffer 1 des verfahrensgegenständlichen Bescheides vom 10. März 2021, mit welchem die Klägerin verpflichtet wurde, die entlang der Zufahrt an der Grundstücksgrenze errichteten Solarmodule zu beseitigen, übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren insoweit in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen und aus Gründen der Rechtsklarheit deklaratorisch festzustellen, dass das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 18. März 2022 insoweit wirkungslos geworden ist (§ 173 VwGO i.V.m. § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO analog).
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3. Im Übrigen bleibt der Antrag auf Zulassung der Berufung ohne Erfolg. Der geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegt nicht vor.
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An der Richtigkeit des angegriffenen Urteils bestehen keine ernstlichen Zweifel im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Ernstliche Zweifel im Sinn dieser Vorschrift, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen, sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – juris) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (vgl. BVerwG, B.v. 10.03.2004 – 7 AV 4.03 – juris). Das ist nicht der Fall.
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In Ansehung des Vortrags in der Zulassungsbegründung bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung. Der Senat teilt die Auffassung des Erstgerichts, dass die Beseitigungsanordnung rechtmäßig ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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Die Klägerin wendet sich gegen den Bescheid des Beklagten vom 10. März 2021, mit welchem sie verpflichtet wird, Teile der auf ihrem Grundstück aufgestellten, errichteten und angebrachten Solarmodule zu beseitigen. Es handelt sich dabei um Solaranlagen, die zum Teil auf fest auf dem Boden verankerten Tragekonstruktionen und zum Teil auf fahrbaren Ständerkonstruktionen entlang der Zufahrt zu dem Wohnhaus der Klägerin angebracht sind (Ziffer 1 des Bescheides), um neun von siebzehn an der südöstlichen Fassade des Haupthauses angebrachten Solarmodule (Ziffer 2 des Bescheides), um an der Südwestfassade des Hauptgebäudes am Balkongeländer befestigte Solarmodule (Ziffer 3 des Bescheides), um Solarmodule, die auf der Überdachung des im Zufahrtsbereich errichteten Carports angebracht sind, inklusive deren Rahmenkonstruktion (Ziffer 4 des Bescheides), um die im nordwestlichen Bereich des Grundstücks aufgeständerten und sonstigen dort aufgestellten Solarmodule inklusive Rahmenkonstruktion (Ziffer 5 des Bescheides) und um auf die im Anschluss an die Garage errichtete Überdachung durch Solarmodule (Ziffer 6 des Bescheides). Diese Solarmodule hat die Klägerin, nachdem diese zwischenzeitlich von ihrem Sohn beseitigt wurden, angeblich erneut in ähnlicher Anordnung errichtet. Die Klage des Sohnes der Klägerin, der im Jahr 2014 zur Beseitigung der von ihm aufgestellten Solaranlagen verpflichtet wurde, hat das Verwaltungsgericht mit rechtskräftigen Urteilen vom 29. April 2015 (9 K 14.5052) und vom 6. Juni 2018 (9 K 16.1872) abgewiesen.
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a) Soweit die Klägerin vorab ausführt, das Urteil sei fehlerhaft, da das Gericht zu Unrecht davon ausgegangen sei, dass es über den nahezu gleichgelagerten Sachverhalt zu entscheiden habe, über den es bereits mit rechtskräftigem Urteil vom 29. April 2015 (Az. 9 K 14.5052) entschieden habe, führt dieser Einwand nicht zum Erfolg des Berufungszulassungsantrages. Denn das Verwaltungsgericht hat in zulassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise über die Rechtmäßigkeit der von dem Beklagten verfügten Anordnung betreffend die neu errichtete Solar-/Photovoltaikanlage, die von dem Sohn der Klägerin zwischenzeitlich abgebaut und im Wesentlichen in fast identischer Weise von der Klägerin wiedererrichtet worden ist (UA Rn. 23), entschieden, auch wenn es in den Entscheidungsgründen teilweise auf das Urteil vom 29. April 2015 Bezug nimmt. Die Klägerin lässt eine substantiierte Darlegung vermissen, dass und inwieweit das Gericht den nun zur Entscheidung vorliegenden Sachverhalt rechtlich fehlerhaft beurteilt hat bzw. inwieweit die wieder errichteten Solaranlagen rechtlich anders als die ursprünglich von dem Sohn errichteten Anlagen zu bewerten sind.
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b) Der Einwand der Klägerin, das Verwaltungsgericht habe auf die Teilerledigungserklärung der Klägerin betreffend die Ziffer 2 des Bescheides in der mündlichen Verhandlung vom 18. März 2022 fehlerhaft reagiert, da insoweit eine Teilerledigung hätte ausgesprochen und eine eigene Kostenentscheidung hätte getroffen werden müssen, verhilft dem Antrag auf Zulassung der Berufung nicht zum Erfolg. Die Klägerin legt nicht dar, dass das Verwaltungsgericht bei einer Kostenentscheidung im Rahmen des § 161 Abs. 2 VwGO zu einer anderen Kostenentscheidung gekommen wäre, sich also die Zweifel an der Richtigkeit des Urteils auf das Ergebnis durchgeschlagen hätte (vgl. BVerwG, B.v. 10.03.2004 – 7 AV 4.03 – juris).
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c) In Ziffer 3 des Bescheides wurde die Klägerin verpflichtet, die an der Südwest-Fassade des Hauptgebäudes am Balkongeländer befestigten Solarmodule zu beseitigen. Unabhängig davon, ob man der Rechtsansicht der Klägerin zur Genehmigungsfreiheit dieser Solarmodule nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa BayBO folgt, muss die verfahrensgegenständliche Anlage jedenfalls sämtliche Anforderungen, die durch öffentlich-rechtliche Vorschriften an Anlagen gestellt werden, einhalten (Art. 55 Abs. 2 BayBO; vgl. Lechner/Busse in Busse/Kraus, BayBO, 149. EL Januar 2023, BayBO, Art. 57 Rn.18). Dies ist hier nicht der Fall.
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Das Verwaltungsgericht ist bei der Inaugenscheinnahme im Verfahren gegen den Sohn der Klägerin (Az. 9 K 14.5052) zu der Auffassung gelangt, dass die am Balkon angebrachten Module sich der Wohnnutzung nicht unterordnen, sodass es an der räumlich-gegenständlichen und damit auch an der optischen Unterordnung fehlt, § 14 Abs. 1 und 3 BauNVO (vgl. VG München, U.v. 29.4.2015 – 9 K 14.5052 – juris Rn. 21 ff.). Diese Ansicht vertritt das Verwaltungsgericht auch hinsichtlich der von der Klägerin am Balkon erneut angebrachten Module (vgl. Bezugnahmen auf die Feststellungen im Urteil vom 29. April 2015 sowie auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid). Der erkennende Senat schließt sich dieser Rechtsauffassung an. Nach Berücksichtigung der im Zulassungsverfahren vorgelegten Luftbildaufnahmen – eine Inaugenscheinnahme der örtlichen Gegebenheiten kommt im Zulassungsverfahren nicht in Betracht – vermag die Klägerin mit ihrer Argumentation, dass es sich bei dem Grundstück der Klägerin um das mit Abstand Größte in der gesamten Umgebungsbebauung handle, weswegen die errichteten Anlagen planungsrechtlich als untergeordnet angesehen werden müssten, die tatrichterlichen Feststellungen des Verwaltungsgericht zur Frage der Unterordnung der Solarmodule nicht in Zweifel zu ziehen. Denn die Frage der Unterordnung der Nebenanlage gem. Art. 14 Abs. 1 BauNVO bestimmt sich nicht im Verhältnis Nebenanlage zur Grundstücksgröße, sondern im Verhältnis Nebenanlage zur Hauptanlage (vgl. Stock in König/Luise/Stock, BauNVO, 5. Aufl. 2022, Rn. 18). Demgemäß darf die Nebenanlage im Verhältnis zur Hauptanlage nach ihren Abmessungen nicht – wie hier – gleichwertig erscheinen oder jene gar optisch verdrängen (BVerwG U.v. 18.2.1983 – 4 C 18.81 – NJW 1993, 2713; B.v. 23.6.1993 – 4 B 7.93 – juris Rn. 3; OVG Berlin U.v. 27.11.1981 – 2 A 1/80 – NVwZ 1982, 442).
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Soweit die Klägerin beanstandet, das Verwaltungsgericht habe die gesetzgeberische Wertung des § 248 Satz 2 BauGB nicht in ihre Abwägung miteinbezogen, weist das Gericht darauf hin, dass § 248 BauGB nur geringfügige Abweichungen von dem festgesetzten Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der bebaubaren Grundstücksfläche, nicht jedoch Abweichungen nach der Art der baulichen Nutzung zulässt. Vorliegend hat aber das Verwaltungsgericht die bauliche Anlage bereits wegen der unzulässigen Art der baulichen Nutzung im Allgemeinen Wohngebiet (WA) verneint, nachdem die Solarmodule aufgrund deren fehlenden Unterordnung nicht als Nebenanlagen nach Art. 14 BauNVO im WA zulässig sind.
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d) Die Klägerin wendet bezüglich der Ziffer 4 des verfahrensgegenständlichen Bescheides, mit welchem sie verpflichtet wird, den im vorderen Zufahrtsbereich errichteten Carport bzw. die Überdachung mit Solarmodulen inklusive Rahmenkonstruktion (Foto Nr. 2) zu beseitigen, ein, aus Sicht des Brandschutzes gebe es keinen Grund, den Carport abzureißen. Eine ungehinderte Zufahrt zu dem Grundstück der Klägerin sei nicht erforderlich, da eine Feuerlöschanschlussmöglichkeit an den Hydranten auf dem Nachbargrundstück bestehe. Hiermit dringt die Klägerin nicht durch. Der Hydrant beseitigt nicht die Verpflichtung nach Art. 5 Abs. 1 und 2 BayBO, die für die Feuerwehr erforderliche Zu- und Durchfahrt zu dem Haupthaus der Klägerin zu schaffen und ständig freizuhalten Der Senat hat hierzu bereits mit Beschluss vom 16. September 2021 (Az. 2 CS 21.2123, BA Rn. 7), auf den das Verwaltungsgericht im verfahrensgegenständlichen Urteil Bezug genommen hat, ausgeführt, dass durch den im vorderen Bereich angebrachten Carport und die dortigen Solarpaneele die Zufahrt der Feuerwehr über die ca. 80 m lange Zufahrt kaum möglich ist.
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e) Gegen die Rechtmäßigkeit der Ziffer 5 des verfahrensgegenständlichen Bescheides, mit welcher die Klägerin verpflichtet wurde, die im nordwestlichen Bereich des Grundstücks aufgeständerten Solarmodule sowie sämtliche auf den ebenfalls im nordwestlichen Grundstücksbereich befindlichen Gebäuden angebrachten Solarmodule zu beseitigen, bringt die Klägerin vor, diese Anlagen würden der Verfahrensfreiheit des Art. 57 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a BayBO unterfallen, da diese allesamt auf Dächern – auf einem Unterstellplatz/Carport für Gartenmaschinen und einem Gartenhaus – befestigt worden seien. Der Beklagte wendet hiergegen mit Schreiben vom 27. Juli 2022 zutreffend ein, dass die im nordwestlichen Bereich des Grundstücks aufgestellten Solaranlagen mit einer Größe von ca. 5 m x 7 m die nach den textlichen Festsetzungen in Ziffer 1.2 des Bebauungsplans zulässige Größe der Gartenhäuser von 10 m² deutlich überschreiten und folglich auch eine Überdachung dieser Gartenhäuser mit Solaranlagen unzulässig ist. Unabhängig davon, in welcher Größe Garten- und Gerätehäusern nach dem Bebauungsplan zulässig sind, sind Solaranlagen aber jedenfalls nach der Art der baulichen Nutzung im Bebauungsplan nur dann zulässig, wenn sie gemäß § 14 Abs. 1 und 3 BauNVO von untergeordneter Bedeutung sind. Dies ist hier – wie oben ausgeführt – nicht der Fall.
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f) In Ziffer 6 des Bescheides wird die Klägerin verpflichtet, die im Anschluss an die Garage errichtete Überdachung (Foto Nr. 3) zu beseitigen. Nach Ansicht der Klägerin verstoße die 12,87 m lange Grenzbebauung (Garage, Terrasse, Vordach) nicht gegen Art. 6 Abs. 7 Satz 2 BayBO, der eine Grenzbebauung auf einem Grundstück bis insgesamt 15 m erlaube. Auch dieser Einwand geht fehl. Der erkennende Senat hat hinsichtlich der zulässigen Grenzbebauung nach Art. 6 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 BayBO im Eilverfahren gegen die damals von dem Sohn der Klägerin angebrachten Solarpaneele (Az. 2 CS 21.2123) bereits darauf hingewiesen, dass alle an einer Grundstücksgrenze befindlichen Anlagen an sämtlichen Grenzen zu addieren sind und diese in ihrer Gesamtheit 15 m nicht überschreiten dürfen. Die verfahrensgegenständlichen grenzständigen Solarmodule überschreiten diese zulässige Länge. Auf die Ausführungen im Beschluss vom 16. September 2021 wird Bezug genommen (BA Rn. 9).
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Der Senat weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass der geänderte Grundstückzuschnitt des verfahrensgegenständlichen (Hammerstiel-)Grundstücks, der erstmals mit Schriftsatz vom 11. August 2022 bzw. vom 17. August 2022 dargelegt wurde, in dem hiesigen Verfahren keine Berücksichtigung finden kann. Die Klägerin hat insoweit vorgetragen, dass der Teil des Grundstückes, der dem Wohnhaus der Klägerin als Zufahrt dient (ca. 80 m langer Hammerstiel), parzelliert worden sei und nun aus drei Grundstücken (FlNrn. …4, …5 und …6) bestehe. Änderungen der Sach- und Rechtslage, die erst nach Ablauf der zweimonatigen Frist für die Darlegung von Berufungszulassungsgründen eintreten, sind aber bei der Entscheidung über die Zulassung der Berufung nicht zu berücksichtigen (BayVGH, B.v. 20.10.2015 – 22 ZB 15.1584 – juris m.w.N.). Denn die äußerste zeitliche Grenze dafür, dass das Rechtsmittelgericht im Berufungszulassungsverfahren eine Änderung der Sach- und Rechtslage nach Erlass des angegriffenen Urteils berücksichtigen und wegen dieser Änderung die Berufung zulassen darf, ist nach herrschender Meinung, der sich der Verwaltungsgerichtshof weiterhin anschließt, der Ablauf der Darlegungsfrist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO für die Begründung des Berufungszulassungsantrags (BVerwG, B.v. 15.12.2003 – 7 AV 2/03 – NVwZ 2004, 744; BayVGH, B.v. 2.5.2011 – 22 ZB 11.184 – Rn. 10; wohl auch OVG SH, B.v. 14.10.1999 – 4 L 83/99 – juris, Leitsatz 2, Rn. 6 a.E.; NdsOVG, B.v. 3.11.1998 – 9 L 5136/97 – juris, Rn. 6; Rudisile in Schoch/Schneider, VwGO, 43. EL August 2022, § 124 Rn. 26n und 26p m.w.N.; Seibert in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 124 Rn. 97). Unabhängig davon stellt sich die Parzellierung des Teils des Grundstückes, der dem Wohnhaus als Grundstückszufahrt dient, als rechtmissbräuchlich dar, da eine selbständige Nutzung der so entstandenen drei Grundstücke FlNrn. …4, …5 und …6 nicht möglich ist (vgl. BayVGH B.v. 1.3.2016 – 1 ZB 15.1560 – juris Rn. 6).
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g) Soweit die Klägerin ausführt, Ziffer 7 des Bescheides sei deswegen rechtswidrig, da Material nur insoweit von dem Grundstück beseitigt werden müsse, als es von einem illegalen Bau stamme, überzeugt das nicht. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht ausgeführt, dass die in Ziffer 7 des Bescheides angeordnete Verpflichtung, sämtliche Materialien, die durch die Beseitigungsanordnungen in Ziffer 1-6 angefallen sind, von dem verfahrensgegenständlichen Grundstück zu entfernen auf Art. 76 Satz 1 BayBO als Ermächtigungsgrundlage gestützt werden kann, da diese Vorschrift auch die Entfernung des bei der Beseitigung einer baulichen Anlage anfallenden Materials vom Grundstück umfasst (vgl. BayVGH, B.v. 4.6.1997 – 27 B 95.2273 – juris Rn. 18).
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h) Auch die Verpflichtung der Klägerin in Ziffer 8 des Bescheides, sämtliche Gegenstände/Materialien aus dem Zufahrtsbereich zur südöstlich des Hauptgebäudes gelegenen Garage zu entfernen und den Bereich von jeglicher Lagerung freizuhalten, ist zulassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts (UA Rn. 25) wird Bezug genommen. Die vom Beklagten vorgelegten Fotos der Ortseinsicht am 30. Juni 2022 untermauern die Notwendigkeit, die Freihaltung der Zufahrt aus Brandschutzgründen sicherzustellen, nachdem im Zufahrtsbereich zahlreiche Gegenstände dauerhaft abgestellt wurden, die mit einer Wohnnutzung nicht in Verbindung gebracht werden können.
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i) Mit dem Einwand der Klägerin betreffend die Anordnung in Ziffer 9 des Bescheides, dass der Beklagte eine Einschränkung dahingehend hätte dahingehend verfügen müssen, dass die Verpflichtung zur Unterlassung Solarmodule auf dem Grundstück erneut zu errichten oder durch Dritte errichten zu lassen, dann nicht gelte, wenn sich die Rechtslage ändere, übersieht sie, dass die Bauaufsichtsbehörde die Anordnung bis zu deren Vollzug unter Kontrolle halten und gegebenenfalls bei einer Änderung der Sachin Rechtslage die Anordnung aktualisieren muss (vgl. BayVGH, B.v. 5.11.2020 – 1 ZB 20.598 -juris Rn. 7). Eine explizite Aufnahme einer solchen Einschränkung ist daher nicht erforderlich.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Hinsichtlich des übereinstimmend für erledigt erklärten Teils der Klage entspricht es billigem Ermessen gemäß § 161 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 VwGO die Kosten des Verfahrens der Klägerin aufzuerlegen. Denn in der Regel sind entsprechend dem Grundsatz des § 154 Abs. 1 VwGO demjenigen Beteiligten die Verfahrenskosten aufzuerlegen, der ohne die Erledigung voraussichtlich unterlegen wäre. Bei der Prüfung der Erfolgsaussichten einer Klage, die sich im Verfahren auf Zulassung der Berufung befand, ist darauf abzustellen, ob die Berufung zuzulassen gewesen wäre und ob und in welchem Umfang die Berufung im Fall ihrer Zulassung Erfolg gehabt hätte (vgl. BayVGH, B.v. 23.7.2019 – 9 ZB 19.50011 – juris Rn. 2; B.v. 8.8.2015 – 15 ZB 13.418 – juris Rn. 3 m.w.N.). Nach Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes wäre die Klägerin voraussichtlich unterlegen, da die in Ziffer 1 des Bescheides angeordnete Verpflichtung, die entlang der Zufahrt an der Grundstücksgrenze montierten Solarmodule zu beseitigen, keinen ernstlichen Zweifeln begegnet. Es wird insoweit auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichtes (UA Rn. 24) sowie auf die Ausführungen im Beschluss vom 16. September 2021 (2 CS 21.2123), mit welchem die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 6. Juli 2021 zurückgewiesen wurde, Bezug genommen. Die Solarmodule entlang der Einfahrt befinden sich außerhalb der im Bebauungsplan festgesetzten Baugrenzen und verstoßen somit gegen § 23 Abs. 3 Satz 1 BauNVO. Die Voraussetzungen des § 23 Abs. 5 Satz 1 BauNVO, wonach auch untergeordnete Nebenanlagen im Sinne des § 14 Abs. 1 BauNVO zugelassen werden können, sind vorliegend nicht einschlägig. Das Verwaltungsgericht ist insofern zutreffend und von den Beteiligten nicht bestritten davon ausgegangen, dass die Anlage die Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 BauNVO nicht erfüllt, da sie das Merkmal der Unterordnung nicht einhält. Hierzu gehört insbesondere, dass sie nicht nur in ihrer Funktion, sondern auch räumlich-gegenständlich dem primären Nutzungszweck der in dem Baugebiet gelegenen Grundstücke sowie der diesem Nutzungszweck entsprechenden Bebauung dienend zugeordnet und untergeordnet ist (BVerwG Urt. v. 28.4.2004 – 4 C 10.03 – NVwZ 2004, 1244).
20
Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst (§ 162 Abs. 3 VwGO). Im Berufungszulassungsverfahren sind die außergerichtlichen Kosten eines Beigeladenen in der Regel nicht aus Billigkeitsgründen der unterliegenden Partei aufzuerlegen (vgl. BayVGH, B.v. 11.10.2001 – 8 ZB 01. 1789 – BayVBl 2002, 378).
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Die Streitwertentscheidung folgt aus §§ 47, 52 Abs. 1 GKG und entspricht der nicht infrage gestellte Streitwertfestsetzung im erstinstanzlichen Verfahren.
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5. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts – soweit es nicht den übereinstimmend für erledigten Teil des Verfahrens betrifft – rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).