Inhalt

VGH München, Urteil v. 20.07.2023 – 22 A 22.40030
Titel:

Artenschutzrechtliche Ausnahme für Windenergieanlage zu Forschungszwecken

Normenketten:
UmwRG § 2, § 3, § 6
BNatSchG § 44 Abs. 1, § 45 Abs. 7, § 45b Abs. 8
Leitsätze:
1. Der Wortlaut des § 45 Abs. 7 S. 1 Nr. 3 BNatSchG (Ausnahme für Zwecke der Forschung) enthält keine Anhaltspunkte dafür, dass sich die Forschung auf das betroffene Tier beschränken müsste. Eine solche Einschränkung ergibt sich auch nicht aus dem Unionsrecht. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein fachwissenschaftlicher Konsens dahin, dass in Dichtezentren einer geschützten Art die tatsächlichen Voraussetzungen für die Erfüllung des Verbotstatbestands des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG stets – selbst unter Anwendung von Schutzmaßnahmen – vorlägen, ist nicht ersichtlich. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ein Vorhabenträger braucht sich nicht auf eine Alternativlösung verweisen zu lassen, wenn diese auf ein anderes Projekt hinausläuft, weil die von ihm in zulässiger Weise verfolgten Ziele nicht mehr verwirklicht werden könnten. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)
4. Bleibt der Erhaltungszustand der betroffenen lokalen Population unverändert, so steht damit zugleich fest, dass keine negativen Auswirkungen auf den Erhaltungszustand der Art in ihrem überörtlichen Verbreitungsgebiet zu besorgen sind. (Rn. 45) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
immissionsschutzrechtliche Genehmigung für drei Windenergieanlagen, Klage einer Umweltvereinigung, signifikant erhöhtes Tötungsrisiko für den Rotmilan, Ausnahme für ein Forschungsvorhaben betreffend ein Antikollisionssystem, Erkenntnisgewinn, Dichtezentrum, zumutbare Alternativen, Erhaltungszustand der lokalen Population
Rechtsmittelinstanz:
BVerwG Leipzig, Beschluss vom 18.07.2024 – 7 B 33.23
Fundstellen:
NuR 2025, 281
LSK 2023, 22039
BeckRS 2023, 22039

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1
Der Kläger, eine anerkannte Umweltvereinigung, begehrt die Aufhebung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für drei Windenergieanlagen. Vorhabenträgerin ist mittlerweile die Beigeladene.
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Mit Bescheid vom 31. März 2022 erteilte der Beklagte die immissionsschutzrechtliche Genehmigung gemäß §§ 4, 10 BImSchG zur Errichtung und zum Betrieb von drei Windenergieanlagen, jeweils vom Typ Enercon E-160 EP5, E2/5.500 kW mit einer Nabenhöhe von 166,60 m und einem Rotordurchmesser von 160 m. Nach Nr. III.2.1 der Genehmigung sind die Windenergieanlagen zum Schutz des Rotmilans im Zeitraum vom 15. März bis einschließlich 15. August eines jeden Jahres jeweils 30 Minuten vor Sonnenaufgang bis 30 Minuten nach Sonnenuntergang abzuschalten. Die Genehmigung umfasst eine bis 31. Dezember 2026 befristete Ausnahme gemäß § 45 Abs. 7 Satz 1 Nr. 3 BNatSchG für ein Forschungsvorhaben zur Erprobung eines kamerabasierten Erkennungs- und Vermeidungssystems (Antikollisionssystem „IdentiFlight“). Für das Forschungsvorhaben gelten gesonderte Inhalts- und Nebenbestimmungen (Abschnitt Nr. III.13), insbesondere Abschaltbedingungen (Nrn. III.13.4, III.13.8 und III.13.11).
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Der Kläger trägt im Wesentlichen vor: Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausnahme nach § 45 Abs. 7 Satz 1 Nr. 3 BNatSchG seien nicht gegeben. Die Ausnahmegründe seien nach Unionsrecht eng auszulegen. Die Forschung i.S.d. § 45 Abs. 7 Satz 1 Nr. 3 BNatSchG müsse sich auf das betroffene Tier beziehen, nicht – wie hier – auf das zur Genehmigung stehende Vorhaben. Es bestünden zumutbare Alternativen i.S.d. § 45 Abs. 7 Satz 2 BNatSchG; ggfs. müsse der Vorhabenträger Abstriche an seinen Planungszielen hinnehmen. Das Forschungsvorhaben müsse nicht am vorliegenden Standort durchgeführt werden. Bestehende Windenergieanlagen kämen ebenso in Betracht wie virtuelle Untersuchungen. Dicht bewaldete und unübersichtliche Standorte – wie sie hier vorlägen – seien in Bezug auf die Genehmigungsfähigkeit von Windenergieanlagen von vornherein problematisch und schieden häufig aus. Es bestünden massive Zweifel daran, ob das Forschungsvorhaben gegenüber bereits umfassend und deutlich komplexer durchgeführten Untersuchungen zum auch hier eingesetzten System einen Mehrwert bringen könne. Widersprüchlich sei, dass für die Erprobung eines kamerabasierten Erkennungssystems zwingend die Lage in einem Dichtezentrum erforderlich sein solle, wenn das System dort offenbar nicht funktioniere. In Dichtezentren sollten nach fachlicher Einschätzung Windenergieanlagen nicht oder nur aufgrund konkreter Darlegung der überwiegenden Interessen errichtet werden. Der Erprobung in einem Dichtezentrum stünden Zielsetzungen der FFH-Richtlinie entgegen. Die Dauer des Forschungsvorhabens sei nicht nachvollziehbar. Nicht zureichend begründet worden sei, dass sich der Erhaltungszustand der Populationen der Art nicht verschlechtere. Auf die Erkennungsrate des Systems komme es nicht an; vielmehr müsse das System in der Lage sein, die Anlagen zur Vermeidung von Kollisionen herunterzusteuern. Der Genehmigungsbescheid lasse nicht erkennen, im Hinblick auf welche Populationen geprüft worden sei, ob sich der Erhaltungszustand verschlechtere. Der Beklagte habe nicht die gem. § 45 Abs. 7 Satz 2 BNatSchG zu beachtenden weitergehenden Anforderungen aus Art. 16 FFH-Richtlinie sowie des zugehörigen Leitfadens der Europäischen Kommission geprüft. Der Rotmilan sei für Deutschland eine Verantwortungsart, weil hier mehr als 50% des Weltbestandes der Art lebten. Die Inhalts- und Nebenbestimmungen unter Nr. III.13 des Genehmigungsbescheids seien nicht geeignet, den günstigen Erhaltungszustand der Populationen des Rotmilans sicherzustellen. Sie seien unbestimmt; ihre Umsetzung könne nicht gewährleistet werden. Die personell-fachliche Versuchsbegleitung bzw. Evaluierung des Forschungsprojektes sei unzureichend.
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Der Kläger beantragt,
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den Genehmigungsbescheid vom 31. März 2022 aufzuheben.
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Der Beklagte und die Beigeladene beantragen jeweils,
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die Klage abzuweisen.
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Sie treten dem Vorbringen des Klägers im Einzelnen entgegen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die Behördenakten verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die immissionsschutzrechtliche Genehmigung vom 31. März 2022 als Zulassungsentscheidung gem. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a UmwRG (i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 1, § 7 Abs. 3 UVPG) verstößt nicht i.S.d. § 2 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UmwRG gegen Rechtsvorschriften, die für diese Entscheidung von Bedeutung sind. Nach Maßgabe der Klagebegründung (vgl. § 6 Satz 1 UmwRG) ist die diesbezügliche Prüfung auf die erteilte Ausnahme nach § 45 Abs. 7 BNatSchG beschränkt (1.). Die Voraussetzungen dieser Norm lagen vor (2.). Offen kann daher bleiben, ob eine Rechtswidrigkeit der Ausnahme die vom Kläger begehrte Aufhebung der Genehmigung insgesamt gerechtfertigt hätte (3.).
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1. Der gerichtlichen Überprüfung sind (nur) diejenigen Einwände zugrunde zu legen, die vom Kläger innerhalb der Frist des § 6 Satz 1 UmwRG substantiiert vorgebracht wurden (vgl. BVerwG, U.v. 7.7.2022 – 9 A 1.21 – juris Rn. 11; U.v. 3.11.2020 – 9 A 7.19 – BVerwGE 170, 138 – juris Rn. 14). Vorliegend beschränken sich die Einwände des Klägers auf die nach § 45 Abs. 7 Satz 1 Nr. 3 BNatSchG zu Forschungszwecken erteilte Ausnahme. Zwar macht der Kläger im Ausgangspunkt geltend, die Genehmigung verstoße gegen das Tötungsverbot des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG, dies allerdings nur im Hinblick auf die Voraussetzungen des § 45 Abs. 7 BNatSchG (vgl. insbesondere Klagebegründung S. 11 ff.). Jenseits der zu Forschungszwecken erteilten Ausnahme enthält die Genehmigung für den Betrieb der Anlagen in der Nebenbestimmung Nr. III.2.1 (i.V.m. Nr. III.2.2, 2.3 und 13.1) eine Abschaltvorgabe zum Schutz des Rotmilans. Hierzu enthält die Klagebegründung keine Einwände.
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2. Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausnahme nach § 45 Abs. 7 BNatSchG sind gegeben. Zwecke der Forschung i.S.d. § 45 Abs. 7 Satz 1 Nr. 3 BNatSchG bzw. Art. 9 Abs. 1 Buchst. b der RL 2009/147/EG (Vogelschutz-Richtlinie) liegen vor (2.1). Es gibt keine zumutbaren Alternativen i.S.d. § 45 Abs. 7 Satz 2 BNatSchG bzw. andere zufriedenstellende Lösungen i.S.d. Art. 9 Abs. 1 der Vogelschutz-Richtlinie (2.2). Der Erhaltungszustand der Populationen des Rotmilans verschlechtert sich nicht (2.3). Weitergehende Anforderungen ergeben sich nicht aus § 45 Abs. 7 Satz 2 BNatSchG i.V.m. Art. 16 Abs. 1 der RL 92/43/EWG (FFH-Richtlinie; 2.4). Die Anforderungen nach § 45 Abs. 7 Satz 3 BNatSchG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 der Vogelschutz-Richtlinie sind gewahrt (2.5). Ermessensfehler wurden vom Kläger nicht geltend gemacht; nach Maßgabe von § 45b Abs. 8 Nr. 6 BNatSchG besteht für die Erteilung einer Ausnahme bei einer Windenergieanlage an Land zudem mittlerweile kein Ermessen mehr (2.6).
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2.1 Gem. § 45 Abs. 7 Satz 1 Nr. 3 BNatSchG kann von den Verboten des § 44 BNatSchG (hier: des § 44 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 BNatSchG in Bezug auf ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko für den Rotmilan) im Einzelfall eine Ausnahme für Zwecke der Forschung zugelassen werden. Diese Voraussetzungen liegen vor.
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2.1.1 Der Wortlaut des § 45 Abs. 7 Satz 1 Nr. 3 BNatSchG enthält keine Anhaltspunkte für die vom Kläger vertretene Auffassung, dass sich die Forschung auf das betroffene Tier beschränken müsste (wie hier VGH BW, U.v. 5.10.2022 – 10 S 1485/21 – juris Rn. 79 f.; vgl. auch Müller-Walter in Lorz/Konrad/Mühlbauer/ders./Stöckel, Naturschutzrecht, 3. Aufl. 2013, § 45 BNatSchG Rn. 26). Eine solche Einschränkung ergibt sich auch nicht aus dem Unionsrecht (Art. 16 Abs. 1 der FFH-Richtlinie; Art. 9 Abs. 1 der Vogelschutz-Richtlinie), an das § 45 BNatSchG eng angelehnt ist (vgl. Lau in Frenz/Müggenborg, BNatSchG, 3. Aufl. 2020, § 45 Rn. 1). Auf Art. 16 Abs. 1 der FFH-Richtlinie sowie den hierzu von der Europäischen Kommission veröffentlichten Leitfaden kann der Kläger seine Auffassung schon deshalb nicht stützen, weil die Verbote der FFH-Richtlinie in Bezug auf den hier in Rede stehenden Schutz des Rotmilans nicht greifen. Art. 16 der FFH-Richtlinie regelt Ausnahmen u.a. vom Tötungsverbot nach Art. 12 Abs. 1 Buchst. a der FFH-Richtlinie. Dieses Verbot gilt für die in Anhang IV Buchstabe a der FFH-Richtlinie genannten Tierarten. Hierzu zählt der Rotmilan (Milvus milvus) nicht. Selbst wenn man das Vorbringen des Klägers so verstehen wollte, die Erwägungen des Leitfadens beanspruchten auch für den Ausnahmetatbestand des Art. 9 Abs. 1 Buchst. b der Vogelschutz-Richtlinie Geltung, würde dies die Auffassung des Klägers nicht stützen. Art. 9 Abs. 1 Buchst. b der Vogelschutz-Richtlinie enthält die vom Kläger befürwortete Einschränkung ebenfalls nicht. Dementsprechend betrifft die vom Kläger zitierte Passage des Leitfadens der Europäischen Kommission zwar die Forschung an Individuen einer Art; dass sich die Forschung hierauf zu beschränken hätte, lässt sich ihr aber nicht entnehmen.
15
Dafür, dass der Ausnahmegrund „Forschungszwecke“ im vorliegenden Fall einschlägig ist, spricht zudem Folgendes: Die Ausnahmegründe des § 45 Abs. 7 BNatSchG müssen sich gerade auf diejenigen Handlungen beziehen, die den Verbotstatbestand nach § 44 BNatSchG verwirklichen. Vorliegend kann nach Einschätzung der Genehmigungsbehörde während des Forschungsvorhabens die Verwirklichung des Verbotstatbestands des § 44 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 BNatSchG durch den Betrieb der Anlagen in Folge von Kollisionen von Rotmilanen mit den Rotoren der Windenergieanlagen nicht ausgeschlossen werden (vgl. Genehmigungsbescheid S. 63). Da das Forschungsvorhaben die Erprobung eines Antikollisionsystems für Windenergieanlagen betrifft, besteht hier also der erforderliche Zusammenhang zwischen der Verwirklichung des Verbotstatbestands und dem Forschungszweck. Aus Unionsrecht ergibt sich nichts anderes. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist der Verbotstatbestand des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG bzw. sind die entsprechenden unionsrechtlichen Tatbestände im Grundsatz auch dann erfüllt, wenn sich die Tötung als unausweichliche Konsequenz eines im Übrigen rechtmäßigen Verwaltungshandelns – hier: der Zulassung des Betriebs von Windenergieanlagen – erweist (vgl. grundlegend BVerwG, U.v. 9.7.2008 – 9 A 14.07 – BVerwGE 131, 274 – juris Rn. 91 m.N. aus der Rspr. des EuGH; zu Windenergieanlagen BVerwG, U.v. 27.6.2013 – 4 C 1.12 – BVerwGE 147, 118 – juris Rn. 11; OVG LSA, U.v. 9.11.2016 – 2 L 112/14 – juris Rn. 51). Kann nach Unionsrecht die Kollision von Exemplaren einer besonders geschützten Art im Grundsatz unter § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG bzw. Art. 5 Buchst. a der Vogelschutz-Richtlinie fallen, muss auch eine Ausnahme nach § 45 Abs. 7 Satz 1 Nr. 3 BNatSchG bzw. Art. 9 Abs. 1 Buchst. b der Vogelschutz-Richtlinie Forschung zu Kollisionsrisiken und deren Vermeidung umfassen können. Dies gilt umso mehr, wenn die Forschung – wie hier – auf die Gewinnung weiterer Erkenntnisse dazu zielt, inwieweit sich das Risiko der Erfüllung eines unionsrechtlichen Verbotstatbestands beim Betrieb von Windenergieanlagen reduzieren lässt (vgl. die zum Bestandteil des Genehmigungsbescheids erklärte Projektbeschreibung des Landesamts für Umwelt [LfU], S.1 [Nebenbestimmung Nr. III.13.2, dort als „Forschungsskizze“ bezeichnet]).
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2.1.2 Die vom Kläger geltend gemachten Zweifel, ob das Forschungsprojekt einen Mehrwert insbesondere gegenüber bisherigen Untersuchungen zu dem – auch vorliegend eingesetzten – System „IdentiFlight“ bietet, greifen nicht durch.
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Voraussetzung für das Vorliegen von Forschung ist u.a., dass auf einen Erkenntnisgewinn gezielt wird (vgl. VGH BW, U.v. 5.10.2022 – 10 S 1485/21 – juris Rn. 79; Gläß in Giesberts/Reinhardt, BeckOK Umweltrecht, Stand April 2023, § 45 BNatSchG Rn. 21, Rn. 43; Fellenberg in Lütkes/Ewer, BNatSchG, 2. Aufl. 2018, § 45 Rn. 20; Lau in Frenz/Müggenborg, BNatSchG, § 45 Rn. 10, Rn. 20). Vorliegend ist nichts dafür ersichtlich, dass insbesondere hinsichtlich des hier zum Einsatz kommenden Systems keine Erkenntnislücken mehr bestünden, zu deren Schließung das vorliegende Forschungsvorhaben nicht zumindest beitragen könnte.
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2.1.2.1 Dem vom Kläger vorgelegten Bericht „Wie gut schützt IdentiFlight den Rotmilan (Milvus milvus)?“ vom 7. Oktober 2021 (Anlage K6), in dem die Ergebnisse von Erprobungsuntersuchungen an sechs Standorten in Ost- und Süddeutschland in den Jahren 2018 bis 2020 dargestellt sind, lässt sich nicht entnehmen, dass bereits umfassende und abschließende Erkenntnisse erzielt worden wären. Dieser Bericht stellt resümierend fest (Abschnitt 7, „Ausblick“; S. 144 f.), dass nunmehr umfangreiche „Grundlagen“ für die Beurteilung der „grundsätzlichen Leistungsfähigkeit“ von IdentiFlight vorlägen. Dementsprechend werden für etliche Bereiche weitere Untersuchungen empfohlen. Hieran knüpft das hiesige Forschungsvorhaben an.
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2.1.2.1.1 Vorliegend kommt das System bei Standorten von Windenergieanlagen zum Einsatz, die vollständig von Wald umgeben sind (Waldstandort im Sinne des 2. Aufzählungspunkts des „Ausblicks“ in dem von Kläger vorgelegten Untersuchungsbericht). Der Einwand des Klägers, es liege keine Mittelgebirgssituation vor, die der Bericht ebenfalls nenne, verfängt nicht. Die Empfehlung zur Untersuchung von „Waldstandorten in Mittelgebirgssituationen“ erklärt sich aus der vorigen Angabe in dem Bericht, es seien vor allem „Offenlandstandorte mit geringem Waldanteil“ untersucht worden. Der Bericht spricht dementsprechend nicht etwa von Standorten in einem Mittelgebirge, sondern von „Mittelgebirgssituationen“. In dieser Hinsicht ergibt sich aus den schlüssigen Angaben des Beklagten zur Topografie in der Umgebung der vorliegenden Standorte (Klageerwiderung S. 7), dass der Naturraum von Höhenzügen und Taleinschnitten geprägt ist, die Höhenunterschiede von knapp 100 m erreichen. Damit weicht die Standortumgebung vorliegend deutlich von den „Offenlandstandorten“ ab, die in dem vom Kläger vorgelegten Bericht vorwiegend untersucht wurden. Der „Standort Geislingen“ mag zwar gewisse Unterschiede zu den übrigen untersuchten Standorten aufweisen; mit dem vorliegenden Standort ist er indes nicht vergleichbar. Aus dem Bericht ergibt sich, dass die Windenergieanlagen am Standort Geislingen – die ohnehin nur als virtuelle Windenergieanlagen simuliert und bei denen die Abschaltungen virtuell durchgeführt wurden (vgl. S. 18) – anders als vorliegend nicht vollständig von Wald umgeben waren (Abb. 14, S. 27); in dem Bericht (S. 17) ist auch nur von „dem mit Abstand größten Waldanteil im Sichtbereich von IdentiFlight“ die Rede. Hinsichtlich der Topografie dieses Standorts wird zwar ausgeführt, dass dieser bereichsweise ein stärkeres Relief mit Höhenunterschieden bis zu 150 m im Sichtbereich von IdentiFlight aufweise. Es ist aber nicht erkennbar, dass eine mit der vorliegenden Situation vergleichbare Topografie mit Höhenzügen und tief eingeschnittenen Flüssen und Bächen vorlag. Im Übrigen wird aus der Empfehlung, Waldstandorte in Mittelgebirgssituationen einzubeziehen, deutlich, dass der Bericht die bisherigen Untersuchungen – auch am Standort Geislingen – nicht für ausreichend erachtete.
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2.1.2.1.2 Über die vom Kläger in Bezug genommenen Untersuchungen hinaus reicht das vorliegende Forschungshaben auch insoweit, als zwei IdentiFlight-Systeme zum Einsatz kommen, die den Betrieb dreier (realer) Windenergieanlagen überwachen sollen. Dies stellt – wie der Beklagte ebenfalls schlüssig ausgeführt hat (Klageerwiderung S. 9) – besondere Anforderungen an die Kommunikation und das Zusammenwirken beider Systeme. Auch in dieser Hinsicht („Überwachung ganzer Windparks durch Kopplung mehrerer Systeme“) empfiehlt der vom Kläger vorgelegte Bericht (Abschnitt 7, 3. Aufzählungspunkt) weitere Untersuchungen. Hinzu kommt, dass bislang – wie hinsichtlich des Standortes Geislingen bereits erwähnt – lediglich zum Teil Untersuchungen an bereits existierenden Windenergieanlagen erfolgen konnten (vgl. Anlage K6, Tabelle 2, S. 20); im Übrigen wurden virtuelle Windenergieanlagen simuliert und die Abschaltungen virtuell durchgeführt (vgl. a.a.O., S. 18). Vorliegend erfolgt die Forschung in vollem Umfang anhand tatsächlich errichteter und in Betrieb genommener – bzw. zunächst in Errichtung befindlicher – Windenergieanlagen. Der Vortrag des Beklagten, dass bei den vorliegenden Gegebenheiten unter zahlreichen Gesichtspunkten sehr komplexe Fallkonstellationen auftreten, die nicht voll umfänglich virtuell simuliert werden können (Klageerwiderung S. 5), ist ebenfalls schlüssig.
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2.1.2.1.3 Über die vom Kläger in Bezug genommenen Untersuchungen hinaus geht das vorliegende Forschungsvorhaben auch hinsichtlich des Untersuchungszeitraums. Bei den bisherigen Untersuchungen lagen die Erfassungszeiträume an den einzelnen Standorten zwischen weniger als einem Monat und gut zweieinhalb Monaten. Am Standort Gerbstedt, der als einziger – wie vorliegend – drei real in Betrieb befindliche Windenergieanlagen umfasste, wurde weniger als einen Monat lang untersucht; am vom Kläger wiederholt in Bezug genommenen Standort Geislingen zwei Monate (vgl. zu alldem Anlage K6, Tabelle 2, S. 20). Auch wenn in der Summe Zeiträume von etwa Mitte April bis Mitte September umfasst waren, sind diese – zumal über unterschiedliche Kalenderjahre verteilten – Zeiträume nicht mit demjenigen des vorliegenden Forschungsvorhabens vergleichbar, welches bis 31. Dezember 2026 die gleichen Windenergieanlagen betrifft. Auf diese Weise können alle während der Brutzeit anfallenden Verhaltensweisen hinreichend dokumentiert und alle witterungs- und standortbedingten Situationen (mehrmals) über den Zeitraum von etwa einem halben Jahr erfasst und in die Beurteilung mit einbezogen werden (vgl. Klageerwiderung S. 6).
22
2.1.2.1.4 Einen Mehrwert besitzt das vorliegende Forschungsvorhaben ferner im Hinblick darauf, dass – wie der Beklagte ebenfalls schlüssig vorgebracht hat – verhaltensrelevante Effekte vor, während und nach dem Bau der Windenergieanlagen untersucht werden können. Diese Vergleiche ermöglichen Aussagen über die Störwirkung der baulichen Aktivitäten und darüber, welchen Einfluss Windenergieanlagen auf das Flugverhalten der Vögel im Untersuchungsgebiet haben könnten (vgl. Klageerwiderung S. 5, S. 11).
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2.1.2.1.5 Der Einwand des Klägers, die von ihm in Bezug genommenen Untersuchungen seien bereits viel komplexer durchgeführt worden (Einsatz einer Drohne, eines Laser Range Finders, z.T. Erhebung von GPS-Daten eines besenderten Rotmilanmännchens, Untersuchung des Einflusses von Niederschlag), vermag den Mehrwert des Forschungsvorhabens ebenfalls nicht in Zweifel zu ziehen. Auch beim vorliegenden Projekt werden Laser Range Finder verwendet (Projektbeschreibung LfU S. 7; Sitzungsprotokoll S. 6). Eine Drohne kam bei den vom Kläger genannten Untersuchungen lediglich an einem Standort zum Einsatz, bei dem auch nur eine Windenergieanlage virtuell simuliert wurde (vgl. Anlage K6, S. 20, S. 36). GPS-Daten eines besenderten Rotmilans lagen nur für den Standort Geislingen vor, der mit dem vorliegenden Anlagenstandort in mehrfacher Hinsicht – wie ausgeführt – nicht vergleichbar ist. Was den Einflussfaktor Niederschlag angeht, führt der vom Kläger vorgelegte Bericht selbst aus (S. 84), dass „IdentiFlight“ Flugaktivitäten auch bei Regen aufgezeichnet habe und dass sich in Fällen mit Niederschlag und ohne aufgezeichnete Flugaktivität nicht sagen lasse, ob eine verminderte Kameraleistung der Grund sein könnte, oder ob eine generell geringe bis fehlende Flugaktivität der Vögel bei Regen ausschlaggebend sei. Dass der Einflussfaktor Niederschlag für die Aussagekraft von bereits durchgeführten oder künftigen Untersuchungsergebnissen entscheidend ist, ist daher nicht erkennbar. Auch die im vom Kläger vorgelegten Bericht unter „Ausblick“ für eine weitere Untersuchung empfohlenen Bereiche umfassen den Einfluss von Niederschlag nicht. Zudem werden auch beim vorliegenden Untersuchungsansatz meteorologische Parameter berücksichtigt (vgl. Projektbeschreibung LfU S. 3).
24
2.1.2.1.6 Auch die Zweifel des Klägers, ob das Forschungsvorhaben einen Mehrwert besitze, weil im Bereich sichtverschattender Gehölzstrukturen keine Flugwegedetektionen möglich seien, greifen nicht durch. Die vom Kläger insoweit angeführte Passage in dem Untersuchungsbericht (Abschnitt 6.1.1) führt über die von ihm wiedergegebenen Aussagen hinaus aus, dass diese Bereiche nur einen sehr kleinen Anteil an dem gesamten Kamerablickfeld einnähmen und zudem nur sehr niedrige Flughöhen beträfen, die in Bezug auf das Kollisionsrisiko nicht relevant seien. Die grundsätzliche Wirksamkeit des Antikollisionssystems an einem Waldstandort und die Sinnhaftigkeit diesbezüglicher weiterer Forschung werden also durch die vom Kläger angeführten Aussagen nicht in Frage gestellt. Ein Erkenntnisgewinn bei dem vorliegenden Waldstandort ist vielmehr deshalb zu erwarten, weil u.a. Flugbewegungen vor sehr dunklem Hintergrund zu detektieren sind; diese waren bei den vom Kläger genannten Untersuchungen nur in geringem Umfang zu bewältigen (Klageerwiderung S. 9).
25
2.1.2.2 Das Ziel, durch die Forschung zusätzliche Erkenntnisse zu gewinnen, ist auch nicht deshalb in Frage gestellt, weil – wie der Kläger geltend macht – das Kamerasystem bei sehr hohen Flugaktivitäten, wie sie hier durch die Lage der Windenergieanlagen in einem Rotmilan-Dichtezentrum auftreten können, nicht funktionieren würde. Insofern ist der Genehmigungsbescheid auch nicht widersprüchlich. Der vom Kläger angeführten Nebenbestimmung Nr. III.13.4 lässt sich schon ihrem Wortlaut nach nicht entnehmen, dass die kameragestützte Detektion in einem Dichtezentrum nicht funktioniere. Nur unter bestimmten Voraussetzungen – und nicht generell in einem Dichtezentrum – wird das System nach dieser Nebenbestimmung „an seine Grenzen gebracht“; dies bedeutet auch nicht, dass es selbst unter den genannten Bedingungen („sehr hohe Flugaktivitäten“, „viele Vögel gleichzeitig“) nicht funktioniert. Zudem hat der Beklagte auch insoweit nachvollziehbar dargelegt, dass gerade zureichende Flugaktivitäten des Rotmilans – wie sie mit größter Wahrscheinlichkeit in einem Dichtezentrum zu finden sein würden – Voraussetzung für eine aussagekräftige Beurteilung sind und dass ein Untersuchungsgebiet mit vorhersehbar geringeren Aktivitäten die statistische Aussagekraft der Untersuchung an ihre Grenzen bringe; gerade aus der Lage in einem Dichtezentrum ergibt sich also ein Forschungsmehrwert. Schließlich sieht die vom Kläger in Bezug genommene Nebenbestimmung eine Abschaltung der Anlage – in dem für die signifikante Erhöhung des Tötungsrisikos relevanten Zeitraum des Jahres – vor, wenn mehrere Flugbewegungen detektiert und eine bedarfsgerechte Abschaltung nicht mehr gewährleistet werden kann, es sei denn, es besteht kein Kollisionsrisiko. Gerade für die für das Kamerasystem ggfs. problematische Situation trifft das mit dem Genehmigungsbescheid zugelassene Forschungsvorhaben also Vorkehrungen zum Schutz des Rotmilans (zur Nebenbestimmung Nr. III.13.4 vgl. auch 2.3.2.3.4).
26
2.1.2.3 Aus dem Hinweis des Klägers in der mündlichen Verhandlung auf Aussagen in der dritten Fortschreibung der Synopse „Detektionssysteme zur ereignisbezogenen Abschaltung von Windenergieanlagen zum Schutz von tagaktiven Brutvögeln“ (Stand 1.9.2022) des „Kompetenzzentrums ‚Naturschutz und Energiewende‘“, ergibt sich ebenfalls nicht, dass das zum Einsatz kommende System keinen Mehrwert erbringen könne, weil dieses bei den hier vorliegenden Gegebenheiten nicht funktioniere. In dieser Unterlage (S. 19, 2. Abschnitt, dritter Aufzählungspunkt) wird vielmehr auf das vorliegende Forschungsvorhaben verwiesen. Zudem wird den vom Kläger wohl in Bezug genommenen Aussagen zu Einschränkungen des Systems (a.a.O.: „Die zeitgleiche Positionsbestimmung mehrerer Vögel ist nicht uneingeschränkt möglich. Das System priorisiert und verfolgt das am meisten gefährdete Individuum“) vorliegend in zweifacher Hinsicht Rechnung getragen: Zum einen durch die vorgenannte Nebenbestimmung Nr. III.13.4, zum anderen durch den – in der vom Kläger in Bezug genommenen Unterlage ausdrücklich als mögliche Verbesserung angesprochenen – Einsatz eines weiteren Kamerasystems (vgl. auch Sitzungsprotokoll S. 3).
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2.1.3 Das Forschungsvorhaben, für das die Ausnahme erteilt wurde, ist nicht auf ein nutzloses oder gar rechtswidriges Ziel gerichtet.
28
Der Kläger macht insoweit geltend, dicht bewaldete und unübersichtliche Standorte, wie sie dem Forschungsvorhaben zugrunde lägen, seien im Hinblick auf die Genehmigungsfähigkeit von Windenergieanlagen von vornherein problematisch und schieden häufig aus. Damit stellt allerdings auch der Kläger die grundsätzliche Genehmigungsfähigkeit von Windenergieanlagen an solchen Standorten nicht in Abrede. Zudem existiert keine Rechtsnorm, nach der die Errichtung und der Betrieb von Windenergieanlagen an Waldstandorten unzulässig wären (vgl. auch BVerfG, B.v. 27.9.2022 – 1 BvR 2661/21 – juris). Die vom Kläger angesprochene Problematik der Unübersichtlichkeit eines Standorts steht der Genehmigungsfähigkeit von Windenergieanlagen ebenfalls nicht ohne Weiteres entgegen. Ihr kann nötigenfalls durch aufwändigere artenschutzfachliche Untersuchungen Rechnung getragen werden (vgl. auch Bayerischer Windenergieerlass 2016 [BayWEE 2016], Anlage 5 Satz 9).
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Ein zulässiges Forschungsziel scheidet vorliegend auch nicht deshalb aus, weil sich die genehmigten Windenergieanlagen in einem Dichtezentrum des Rotmilans befinden. Eine Rechtsnorm, die den Betrieb von Windenergieanlagen in Dichtezentren – zumal unter Einsatz eines Antikollisionssystems als Schutzmaßnahme i.S.d. § 44 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 BNatSchG – untersagt, existiert ebenfalls nicht; ein solches Verbot ergibt sich insbesondere nicht aus den vom Kläger angeführten Erwägungsgründen der FFH-Richtlinie, die überdies in Bezug auf den Rotmilan, wie ausgeführt, nicht anwendbar ist. Für einen fachwissenschaftlichen Konsens dahin, dass in Dichtezentren die tatsächlichen Voraussetzungen für die Erfüllung des Verbotstatbestands des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG stets – selbst unter Anwendung von Schutzmaßnahmen – vorlägen, ist weder etwas vorgetragen noch ersichtlich. Die – bloße – Empfehlung des vom Kläger vorgelegten „Helgoländer Papiers“, wonach Dichtezentren der relevanten Großvögel von Windparks und Windenergieanlagen freigehalten werden sollten, beruht auf populationsbezogenen und standortübergreifenden Erwägungen (Ausgleich von Verlusten andernorts), nicht auf – wie im Rahmen von § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG geboten – einer individuen- und standortbezogenen Betrachtung. Gegen das Vorliegen eines fachwissenschaftlichen Konsenses zur Unzulässigkeit von Windenergieanlagen in Dichtezentren spricht auch, dass diese Anlagen nach dem BayWEE 2016 – selbst wenn es sich um sensible Gebiete handelt – auch dort grundsätzlich zulässig sind (vgl. Abschnitt 8.2.3, insbes. Satz 3 Buchst. c BayWEE 2016). Der vom Kläger vorgenommenen Auslegung von Erwägungsgründen der – hier ohnehin nicht anwendbaren – FFH-Richtlinie anhand von Aussagen des BayWEE 2016 kann daher nicht gefolgt werden.
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2.1.4 An „Zwecken der Forschung“ i.S.d. § 45 Abs. 7 Satz 1 Nr. 3 BNatSchG fehlt es nicht wegen einer, wie der Kläger geltend macht, unzureichenden Qualifikation des wissenschaftlichen Leiters und weiterer im Rahmen des Forschungsprojekts eingesetzter Personen.
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Zum wissenschaftlichen Leiter hat der Beklagte überzeugend ausgeführt, dass es sich um einen anerkannten Ornithologen handele, der bei der Bewertung von kamerabasierten Erkennungssystemen über weitreichende Erfahrungen verfüge. Sein Lehrstuhl habe sich wiederholt mit Fragestellungen für den Ausbau erneuerbarer Energiequellen insbesondere von Windenergieanlagen befasst (vgl. Klageerwiderung S. 18). Zu den ornithologischen Beobachtungen hat der Beklagte (a.a.O.) vorgetragen, dass sie von einem erfahrenen Ornithologenteam eines Gutachterbüros durchgeführt würden. Dass bei den durchzuführenden Vergleichsuntersuchungen (nur) geschulte Beobachter zum Einsatz kommen dürfen, ergibt sich überdies bereits aus der Projektbeschreibung des LfU (S. 6).
32
2.1.5 Insgesamt betrachtet liegt dem vorliegenden Forschungsvorhaben zwar ein anspruchsvolles Szenario zugrunde, insbesondere wegen des Waldstandorts (Unübersichtlichkeit, dunkler Hintergrund), des Standorts in einem Dichtezentrum des Rotmilans (mit entsprechend häufigen, z.T. auch multiplen Flugbewegungen) und des Einsatzes mehrerer Kamerasysteme zur Überwachung mehrerer, nicht bloß simulierter Windenergieanlagen (mit der Notwendigkeit der Kommunikation und des Zusammenwirkens der beiden Systeme). Gerade daraus ergibt sich jedoch die Zulässigkeit der Forschungsziele. Die Durchführung des Forschungsvorhabens an Waldstandorten und in einem Dichtezentrum des Rotmilans ist von § 45 Abs. 7 Satz 1 Nr. 3 BNatSchG umfasst. Zudem lassen die absehbar sehr komplexen Fallkonstellationen weitere Erkenntnisse zur Leistungsfähigkeit (und zu den Grenzen) des Antikollisionssystems erwarten. Da es sich um Standorte mit Merkmalen handelt, die weder aus tatsächlichen noch aus Rechtsgründen die Genehmigung von Windenergieanlagen ausschließen, ist auch von einer Verwendbarkeit der Forschungsergebnisse für die Genehmigungspraxis auszugehen. Ein Bedarf nach weiteren Erkenntnissen zur Leistungsfähigkeit und zu den Grenzen von Antikollisionssystemen besteht umso mehr, als nach dem nach Genehmigungserteilung (vgl. Art. 1 Nr. 3, Art. 3 Abs. 1 des Vierten Gesetzes zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes vom 22.7.2023, BGBl I S. 1362) in Kraft getretenen § 45b Abs. 6 Satz 1 i.V.m. Anlage 1 Abschnitt 2 BNatSchG solche Systeme grundsätzlich als Schutzmaßnahmen anerkannt sind; diese Rechtsänderung ist, da sie aus dem vorgenannten Grund zu Gunsten des Vorhabenträgers wirkt, im vorliegenden Rechtsstreit zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, B.v. 28.7.2022 – 7 B 15.21 – juris Rn. 12 m.w.N.).
33
2.2 Zumutbare Alternativen i.S.d. § 45 Abs. 7 Satz 2 BNatSchG sind nicht gegeben; die Vorschrift trägt Art. 9 Abs. 1 der Vogelschutz-Richtlinie Rechnung, wonach es keine anderen zufriedenstellenden Lösungen geben darf.
34
Der Kläger trägt insoweit im Wesentlichen vor, als Alternative käme Forschung an bestehenden Windenergieanlagen in Betracht. Zudem kämen die Standorte in Betracht, an denen die bisherigen Untersuchungen zu dem hier gegenständlichen System durchgeführt worden seien. Ggfs. müssten Abstriche an den Forschungszielen hingenommen werden. Die Forschung müsse nicht an einem dicht bewaldeten und unübersichtlichen Standort und auch nicht in einem Dichtezentrum für den Rotmilan durchgeführt werden. Hiermit dringt der Kläger nicht durch.
35
2.2.1 Für die artenschutzrechtliche Alternativenprüfung gelten im Ansatz vergleichbare Grundsätze wie für diejenige im Rahmen der gebietsschutzrechtlichen Beurteilung (BVerwG, U.v. 23.4.2014 – 9 A 25.12 – BVerwGE 149, 289 – juris Rn. 120; U.v. 12.3.2008 – 9 A 3.06 – BVerwGE 130, 299 – juris Rn. 240). Hierzu gehört, dass sich der Vorhabenträger nicht auf eine Alternativlösung verweisen zu lassen braucht, wenn diese auf ein anderes Projekt hinausläuft, weil die von ihm in zulässiger Weise verfolgten Ziele nicht mehr verwirklicht werden könnten (vgl. BVerwG, U.v. 9.2.2017 – 7 A 2.15 – BVerwGE 158, 1 – juris Rn. 410; U.v. 23.4.2014 – 9 A 25.12 – BVerwGE 149, 289 – juris Rn. 78 m.w.N.; VGH BW, U.v. 5.10.2022 – 10 S 1485/21 – juris Rn. 82). Ausgangspunkt für die Alternativenprüfung ist also das mit dem Vorhaben verfolgte Ziel, sofern es die Voraussetzungen eines Ausnahmegrundes erfüllt (vgl. auch Lau in Frenz/Müggenborg, BNatSchG, § 45 Rn. 30); nach dem Unionsrecht darf und muss die Alternativenprüfung ebenfalls am Plan- und Projektziel anknüpfen (vgl. BVerwG, U.v. 5.7.2022 – 4 A 13.20 – BVerwGE 176, 39 – juris Rn. 140). Inwieweit Abstriche von einem Planungsziel hinzunehmen sind, hängt maßgebend von seinem Gewicht und dem Grad seiner Erreichbarkeit im jeweiligen Einzelfall ab (BVerwG, U.v. 5.7.2022 – 4 A 13.20 – BVerwGE 176, 39 – juris Rn. 140).
36
2.2.2 (Zulässiges) Ziel ist vorliegend, neben der Erzeugung von Energie mithilfe des an realen Windenergieanlagen durchgeführten Forschungsvorhabens weitere Erkenntnisse zur Leistungsfähigkeit von Antikollisionssystemen unter anspruchsvollen Bedingungen zu gewinnen, um zu klären, inwieweit solche Systeme geeignet sind, ein prognostiziertes Tötungs- und Verletzungsrisiko zu reduzieren. Aus dem Klägervorbringen ergeben sich keine Alternativen, mit denen dieses Ziel – selbst unter Abstrichen – erreichbar wäre; solche Alternativen sind auch nicht ersichtlich.
37
2.2.2.1 Der Kläger macht im Wesentlichen geltend, das Forschungsvorhaben könne auch an anderen Standorten durchgeführt werden. Zwar kommen auch andere Standorte grundsätzlich als Alternative i.S.d. § 45 Abs. 7 Satz 2 BNatSchG in Betracht (vgl. zum Planfeststellungsrecht BVerwG, U.v. 6.11.2013 – 9 A 14.12 – juris Rn. 131; Lütkes in ders./Ewer, BNatSchG, § 45 Rn. 48; Gläß in Giesberts/Reinhardt BeckOK Umweltrecht, § 45 BNatSchG Rn. 54; zu Windenergieanlagen an Land nunmehr § 45b Abs. 8 Nr. 2 und Nr. 3 BNatSchG). Die vom Kläger genannten Alternativen zählen hierzu jedoch nicht.
38
2.2.2.1.1 Soweit der Kläger auf die Möglichkeit zur Forschung an bereits bestehenden Windenergieanlagen verweist, trägt er schon nicht vor, um welche Anlagen es sich konkret handeln sollte, zumal dies solche sein müssten, bei denen die Ziele des vorliegenden Forschungsvorhabens – selbst mit Abstrichen – erreichbar wären.
39
Zudem müsste der Verbotstatbestand nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG bei bestehenden Anlagen ebenfalls erfüllt sein, denn nur dann bestünde die Notwendigkeit einer Ausnahme zu Forschungszwecken nach § 45 Abs. 7 Satz 1 Nr. 3 BNatSchG. Abgesehen davon, dass damit Windenergieanlagen in Betracht gezogen werden müssten, bei denen – ggf. ohne belastbare Grundlage – unterstellt würde, sie wären unter Verstoß gegen § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG genehmigt worden, oder bei denen sich die – von der höchstrichterlichen Rechtsprechung bislang nicht geklärte – Frage eines nachträglichen Einschreitens auf Grundlage von § 3 Abs. 2 BNatSchG zur Abwendung eines Verstoßes gegen § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG stellen würde (vgl. dazu NdsOVG, U.v. 5.7.2022 – 12 KS 121/21 – juris; Revision anhängig unter BVerwG 7 C 4.22), wäre dadurch der Verstoß gegen artenschutzrechtliche Vorschriften, der durch die Erteilung der Ausnahme zugelassen werden soll, bei diesen anderen Anlagen in gleicher Weise gegeben. Hieran ändert der Vortrag des Klägers nichts, es hätten Standorte gewählt werden können, die nicht in einem Dichtezentrum des Rotmilans lägen. Das Vorliegen eines Dichtezentrums besagt für sich genommen nichts darüber, ob der Tatbestand des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG erfüllt ist (vgl. auch 2.1.3). Sollte sich das Vorbringen des Klägers dahin verstehen lassen, bei einem nicht in einem Dichtezentrum gelegenen Standort könnte die Signifikanzschwelle in geringerem Umfang überschritten sein, ergäbe sich hieraus nicht, dass ein solcher Standort eine zumutbare Alternative wäre. Denn ein geringerer Umfang der Überschreitung der Signifikanzschwelle würde nichts am Vorliegen eines Verbotstatbestands auch für den anderen Anlagenstandort ändern.
40
Außerdem würde der Betreiber einer (ohne Einschränkungen) genehmigten Windenergieanlage mit der Teilnahme an dem Forschungsprojekt Gefahr laufen, die Anlage in geringerem Umfang betreiben zu können, als ihm dies bislang genehmigt wurde (vgl. die Abschaltvorgaben in Nrn. III.13.4, 13.8 und 13.11 des Genehmigungsbescheids); ggfs. würden weitere Nebenbestimmungen zur Abschaltung der Anlage verfügt (vgl. Nr. III.13.13 des Genehmigungsbescheids). Nachvollziehbar hat der Beklagte daher vorgetragen, dass der Betreiber einer ebenfalls in Südbayern gelegenen Windenergieanlage auf erhebliche zu erwartende Ertragsausfälle verwiesen hat (Klageerwiderung S. 4). Insofern ist nicht konkret erkennbar, auf welche konkrete andere Windenergieanlage für das Forschungsvorhaben zugegriffen werden könnte.
41
2.2.2.1.2 Die Standorte, an denen bereits Untersuchungen des kamerabasierten Erkennungssystems durchgeführt worden sind, stellen ebenfalls keine zumutbaren Alternativen dar. Diese Untersuchungen waren ausweislich des vom Kläger vorgelegten Berichts bei Erteilung der angefochtenen Genehmigung längst abgeschlossen. Es ist nicht erkennbar, dass die Berechtigten (Anlagenbetreiber und/oder Grundstückseigentümer) zu einer (erneuten) Mitwirkung bereit wären. Zudem weist der vom Kläger vorgelegte Untersuchungsbericht weiteren Untersuchungsbedarf aus, der an den untersuchten Standorten nicht abgedeckt werden konnte. Zur Erzielung des erforderlichen Forschungsmehrwerts wären diese Standorte also nicht geeignet.
42
2.2.2.2 Der weitere Einwand des Klägers, die Untersuchungen könnten virtuell durchgeführt werden, greift ebenfalls nicht durch. Wie ausgeführt (2.1.2.1.2), können nach dem schlüssigen Vortrag des Beklagten die Erkenntnisse aus den vorliegend auftretenden Fallkonstellationen durch virtuelle Simulation nicht gewonnen werden.
43
2.2.2.3 Es ist auch nicht erkennbar, dass die hier verfolgten Ziele andernorts oder auf andere Weise mit Abstrichen verwirklicht werden könnten. Bei den vom Kläger als „verzichtbar“ angeführten Merkmalen des vorliegenden Standorts (dichte Bewaldung; Unübersichtlichkeit; Dichtezentrum) handelt es um für die Erreichung der – zulässigen – Ziele wesentliche, wenn nicht zentrale, Elemente des Vorhabens.
44
2.3 Die erteilte Ausnahme führt auch nicht zu einer Verschlechterung des Erhaltungszustands der Populationen des Rotmilans (§ 45 Abs. 7 Satz 2 BNatSchG).
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2.3.1 Maßgeblich ist insoweit, dass die Gesamtheit der Populationen in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet, das über das Plangebiet hinausreicht, als lebensfähiges Element erhalten bleibt (vgl. BVerwG, U.v. 9.11.2017 – 3 A 4.15 – juris Rn. 70; U.v. 6.11.2013 – 9 A 14.12 – juris Rn. 130). Das schließt nicht aus, dass die Auswirkungen auf die örtliche Population in die Beurteilung einfließen. Dies kann im Rahmen einer zweistufigen Betrachtung geschehen: Bleibt der Erhaltungszustand der betroffenen lokalen Population unverändert, so steht damit zugleich fest, dass keine negativen Auswirkungen auf den Erhaltungszustand der Art in ihrem überörtlichen Verbreitungsgebiet zu besorgen sind (vgl. BVerwG, B.v. 9.9.2009 – 4 BN 4.09 – juris Rn. 9; U.v. 12.3.2008 – 9 A 3.06 – juris Rn. 249; BayVGH, U.v. 29.11.2019 – 8 A 18.40005 – juris Rn. 190). Auch nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist die Bewertung der Auswirkungen einer Ausnahme bezogen auf das Gebiet einer lokalen Population im Allgemeinen erforderlich, um ihre Auswirkungen auf den Erhaltungszustand der in Rede stehenden Population in einem größeren Rahmen zu bestimmen, da sich die Folgen einer Ausnahme in der Regel am unmittelbarsten in dem von ihr betroffenen lokalen Gebiet bemerkbar machen werden (vgl. EuGH, U.v. 10.10.2019 – C-674/17 – juris Rn. 59; hierauf Bezug nehmend OVG NW, B.v. 9.6.2022 – 8 B 407/22 – juris Rn. 119). Vergleichbare Erwägungen liegen dem zwischenzeitlich in Kraft getretenen, den Vorhabenträger begünstigenden und damit ebenfalls zu berücksichtigenden (vgl. 2.2.3.4) § 45b Abs. 8 Nr. 4 BNatSchG zugrunde, wonach die Voraussetzungen des § 45 Abs. 7 Satz 2 BNatSchG hinsichtlich des Erhaltungszustands vorliegen, wenn sich der Zustand der durch das Vorhaben jeweils betroffenen lokalen Population unter Berücksichtigung von Maßnahmen zu dessen Sicherung nicht verschlechtert. Erweist sich – so die Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drs. 20/2354 S. 27) – der Erhaltungszustand der unmittelbar betroffenen lokalen Population als gewahrt oder günstig, so gilt dies grundsätzlich auch für die Populationen im natürlichen Verbreitungsgebiet insgesamt, sodass sich weitergehende Untersuchungen erübrigen.
46
2.3.2 Die erteilte Ausnahme entspricht den vorgenannten Anforderungen.
47
2.3.2.1 Der Vortrag des Klägers zur Gefährdung des Rotmilans durch Windenergieanlagen (vgl. insbesondere Klagebegründung S. 8 ff. sowie Anlage K8) betrifft für sich genommen nicht die Frage der Verschlechterung des Erhaltungszustands i.S.d. § 45 Abs. 7 Satz 2 BNatSchG, sondern die Voraussetzungen des Verbotstatbestands nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang, dass der Tatbestand des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG ohnehin nur erfüllt ist, wenn das Risiko des Verlusts von Einzelexemplaren auch unter Berücksichtigung von Vermeidungsmaßnahmen einen Risikobereich übersteigt, der mit einem solchen Vorhaben im Naturraum immer verbunden ist (vgl. BVerwG, U.v. 3.11.2020 – 9 A 7.19 – BVerwGE 170, 138 – juris Rn. 431 m.w.N.; zu Windenergieanlagen BVerwG, U.v. 27.6.2013 – 4 C 1.12 – juris Rn. 11).
48
2.3.2.2 In der im Genehmigungsbescheid (vgl. S. 65) maßgeblich in Bezug genommenen Stellungnahme der höheren Naturschutzbehörde vom 17. Juli 2020 ist ausgeführt, dass sowohl die lokale Population als auch die Gesamtheit der Populationen des Rotmilans in ihrem überörtlichen Verbreitungsgebiet als lebensfähiges Element auch während des Testbetriebs erhalten bleiben werden. Bei Anwendung des zu erprobenden Vogelerkennungssystems könne zumindest eine Verschlechterung des Erhaltungszustands der Populationen der Art ausgeschlossen werden. Auch der Kläger verkennt nicht (Klagebegründung S. 20), dass der Beklagte eine Betrachtung sowohl der lokalen als auch der Gesamtheit der Populationen des Rotmilans im natürlichen Verbreitungsgebiet vorgenommen hat. Soweit er bemängelt, dass diese Feststellungen ohne Berücksichtigung der weitergehenden Anforderungen nach § 45 Abs. 7 Satz 2 BNatSchG i.V.m. Art. 16 Abs. 1 FFH-Richtlinie getroffen worden seien, kann er damit schon deshalb nicht durchdringen, weil der einschlägige Verbotstatbestand der FFH-Richtlinie auf den Rotmilan nicht anwendbar ist (vgl. 2.1.1).
49
Ferner hat der Beklagte sein Vorgehen in der mündlichen Verhandlung schlüssig wie folgt erläutert (Sitzungsprotokoll S. 4): Die Betrachtung der lokalen Population habe sich im vorliegenden Fall auf das Dichtezentrum beschränkt, da Dichtezentren kartiert seien und daher die Anzahl der Brutpaare des Rotmilans bekannt sei. Bei acht Brutpaaren sei nach einer Brutsaison eine Gesamtpopulation von 30 bis 40 Individuen vorhanden. Daraus ergebe sich, dass sich selbst dann, wenn einzelne Individuen durch den Betrieb der Windenergieanlage samt Kameraerkennungssystem zu Tode kämen, der Erhaltungszustand der lokalen Population nicht verschlechtern würde. Daher gebe es auch keine Auswirkungen auf den Erhaltungszustand der Population im überörtlichen Bereich. Die Schlüssigkeit dieser Ausführungen werden durch die Angabe des Klägers, der Rotmilan stehe in Bayern auf der Vorwarnstufe, nicht in Frage gestellt, zumal u.a. deshalb konkrete Vorgaben für das Forschungsvorhaben in den Genehmigungsbescheid aufgenommen wurden (vgl. 2.3.2.3).
50
Sollte das Vorbringen des Klägers zum Erhaltungszustand des Rotmilans in anderen Bundesländern sowie dazu, dass der Rotmilan deutschlandweit auf der Vorwarnstufe stehe, dahin zu verstehen sein, es habe ein größerer überörtlicher Bereich zugrunde gelegt werden müssen, kann er auch damit nicht durchdringen. Abgesehen davon, dass der Kläger auch insoweit auf den Leitfaden zur hier nicht einschlägigen FFH-Richtlinie verweist, ist nach der Begründung des Vierten Gesetzes zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes (BT-Drs. 20/2354 S. 27 f.) für den Rotmilan bundesweit von einem Bestand von 14.000 bis 16.000 Exemplaren und von einer Nicht-Verschlechterung des Erhaltungszustands auszugehen. Diese Angaben werden durch die vom Beklagten in der mündlichen Verhandlung vorgelegte (aktuellere) Unterlage des Bundesamts für Naturschutz vom 30. Dezember 2022 bestätigt. Insofern ist nicht ersichtlich, weshalb sich der Erhaltungszustand – auch über die lokale Population sowie über die Landesebene hinaus – durch die vorliegend erteilte Ausnahme verschlechtern würde.
51
Angesichts des Vorstehenden ergibt sich für den Kläger auch nichts aus seinem Vorbringen, der Verlust eines erfahrenen und sich erfolgreich reproduzierenden Altvogels wirke sich auch auf den Bruterfolg der nachfolgenden Jahre aus. Ein solcher Verlust würde angesichts der Anzahl der im Dichtezentrum vorhandenen Brutpaare und der nach einer Brutsaison zu erwartenden Gesamtpopulation von 30 bis 40 Individuen schon auf lokaler Ebene nicht zu einer Verschlechterung des Erhaltungszustands führen. Der weitere Einwand des Klägers, beim Rotmilan handele es sich um eine nationale Verantwortungsart, greift ebenfalls nicht durch. Angesichts der vorstehenden Ausführungen zur lokalen Population sowie zur Situation auf Bundesebene ist nicht davon auszugehen, dass sich der Erhaltungszustand des Rotmilans auf der Ebene Deutschlands durch die vorliegend erteilte Ausnahme verschlechtert.
52
2.3.2.3 Nach Auffassung des Beklagten besteht wegen der Lage der Windenergieanlagen in einem Dichtezentrum des Rotmilans und angesichts dessen, dass der Rotmilan in Bayern auf der Vorwarnliste steht, Bedarf nach konkreten Vorgaben für das Forschungsvorhaben, um die Voraussetzung, dass sich der Erhaltungszustand der Populationen nicht verschlechtern darf, sicherzustellen (vgl. Genehmigungsbescheid S. 65 unten; Stellungnahme der höheren Naturschutzbehörde vom 27.1.2022, Behördenakte Bl. 591 ff., insbesondere Bl. 597 ff.). Solche Vorgaben sind als Nebenbestimmungen unter Nr. III.13 des Genehmigungsbescheids aufgenommen worden. Die hiergegen u.a. unter dem Gesichtspunkt ihrer Bestimmtheit und ihrer Umsetzbarkeit erhobenen Einwendungen des Klägers greifen nicht durch.
53
2.3.2.3.1 Die Dauer des Forschungsvorhabens (Nebenbestimmung Nr. III.13.1) hat der Beklagte in der Klageerwiderung sowie in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar erläutert. Danach findet der Betrieb der Windenergieanlagen erst ab dem dritten Jahr des Forschungsvorhabens – also ab 2024 – statt; nur innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren – die Ausnahme ist bis zum 31. Dezember 2026 befristet – kann es also zur Verwirklichung des Tatbestands des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG kommen, wobei das zu erprobende Kamerasystem bereits im ersten Jahr erstellt und eingerichtet wird. Angesichts dieses begrenzten Zeitraums des Forschungsvorhabens und der Anzahl der auf lokaler Ebene vorhandenen Brutpaare ist die Auffassung des Beklagten überzeugend, dass sich schon auf lokaler Ebene die Population kurzfristig erholen kann, selbst wenn – was zudem zunächst nur zum Vorliegen der Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG führt – einzelne Exemplare während der Dauer der Ausnahme zu Schaden kommen.
54
2.3.2.3.2 Ein Widerspruch zwischen den Nebenbestimmungen Nr. III.13.2 und Nr. III.13.3 besteht nicht. Nr. III.13.2 erklärt die Forschungsskizze des LfU („Projektbeschreibung“) formal zum Bestandteil des Bescheids, inkorporiert sie also in diesen. Hieran anknüpfend trifft die Nebenbestimmung Nr. III.13.3 eine Regelung zur Durchführung des Forschungsvorhabens anhand der Projektbeschreibung. Mit der Formulierung „in enger Anlehnung“ wird dem Umstand Rechnung getragen, dass es sich nicht um eine in sämtlichen Einzelheiten ausgearbeitete Unterlage handelt.
55
2.3.2.3.3 Die auf die Projektbeschreibung des LfU zielenden Einwände des Klägers greifen nicht durch.
56
Bedenken bezüglich der Qualifikation des wissenschaftlichen Begleiters des Vorhabens und des eingesetzten Personals bestehen nicht (vgl. 2.1.4).
57
Dem Einwand des Klägers, die Freilanduntersuchungen würden nur während drei Jahren durchgeführt, während das Forschungsvorhaben auf fünf Jahre angelegt sei, steht ebenfalls das Vorbringen des Beklagten entgegen, dass die Windenergieanlagen erst ab 2024 in Betrieb gehen werden (vgl. 2.3.2.3.1), so dass der Anlagenbetrieb nicht etwa während zweier Jahre „unbeobachtet“ bzw. -begleitet bleibt.
58
Zu der Beobachtungsdauer von 28 Tagen hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung klargestellt, dass sich diese nicht auf die Gesamtdauer des Forschungsvorhabens, sondern auf das jeweilige Jahr bezieht. Ebenso nachvollziehbar hat der Beklagte ausgeführt, dass es sich um eine Anzahl handelt, die eine hinreichende statistische Aussagekraft (Stichprobe) besitze (Klageerwiderung S. 17). Schlüssig ist auch das Vorbringen des Beklagten, dass der Gerüstturm aufgrund seiner Höhe (42 m) die Höhe der Bäume überragt und eine sehr gute Rundumsicht bietet (vgl. zu dieser Anforderung auch LfU-Projektbeschreibung S. 7).
59
2.3.2.3.4 Die Einwendungen des Klägers gegen die Nebenbestimmung Nr. III.13.4 greifen ebenfalls nicht durch.
60
Aus dieser Nebenbestimmung ergibt sich nicht, dass das Erkennungs- und Abschaltsystem unter den hier vorliegenden Bedingungen nicht funktioniert. Vielmehr handelt es sich, wie bereits ausgeführt (2.1.2.2.), um eine vorsorgliche Abschaltvorgabe, wenn das System „an seine Grenzen gebracht“ wird (sehr hohe Flugaktivitäten, keine Erfass- und Verfolgbarkeit beliebig vieler Vögel gleichzeitig, so dass keine bedarfsgerechte Abschaltung [mehr] möglich ist).
61
Der Kläger bezweifelt des Weiteren, ob diese Nebenbestimmung auch tatsächlich umgesetzt wird. Dies ist aber keine Frage der Rechtmäßigkeit der erteilten Ausnahme, sondern ihres Vollzugs (vgl. BayVGH, U.v. 25.10.2021 – 22 B 17.855 – juris Rn. 197). Nur dann, wenn die Einhaltung der Nebenbestimmung tatsächlich oder rechtlich unmöglich ist, fehlt es an ihrer Rechtmäßigkeit (vgl. generell U. Stelkens in ders./Bonk/Sachs, VwVfG, 10. Aufl. 2023, § 36 Rn. 150). Derartiges ergibt sich aus dem Klagevorbringen aber nicht; der Kläger zeigt vielmehr selbst Wege zur Umsetzung der Nebenbestimmung auf. Zweifel an der Umsetzbarkeit der Nebenbestimmung bestehen auch nicht, insbesondere unter Berücksichtigung der in der mündlichen Verhandlung gegebenen Erläuterungen des Beklagten und der Beigeladenen. Danach erfolgt die vorgegebene Abschaltung durch die Anlage automatisch; im Übrigen existiert eine laufende Überwachung durch die Herstellerfirma des Systems. Die Kriterien für eine Abschaltung sind in der Nebenbestimmung hinreichend deutlich bestimmt. Zudem sind die entsprechenden Ereignisse zu dokumentieren, auszuwerten und aufzubereiten; dies gewährleistet, dass hinsichtlich der Hard- und Software, der Signalauswertungen und der Anlagensteuerung erforderlichenfalls weitere Maßnahmen ergriffen werden können (vgl. Nebenbestimmung Nr. III.13.13).
62
Soweit der Kläger bemängelt, dass der Zeitraum möglicher Abschaltungen in Nr. III.13.4 zu kurz gewählt worden sei, denn es habe auch die Wanderphase zwischen Februar und März sowie September und November berücksichtigt werden müssen, lässt dies schon nicht erkennen, dass in diesem Zeitraum i.S.d. § 44 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 BNatSchG das Tötungsrisiko signifikant erhöht wäre. In den im Genehmigungsbescheid (S. 63) in Bezug genommenen Stellungnahmen der höheren Naturschutzbehörde vom 27. Januar 2022 und vom 17. Juli 2020 wird – u.a. unter Würdigung der vom Vorhabenträger vorgelegten speziellen artenschutzrechtlichen Prüfung – nur für den in der Nebenbestimmung genannten Zeitraum eine signifikante Erhöhung des Tötungsrisikos angenommen. Hiermit setzt sich der Kläger nicht auseinander. Er begründet auch nicht weiter, inwieweit ein Zusammenhang zwischen dem von ihm genannten Zeitraum und dem Erhaltungszustand der Populationen bestehen würde.
63
2.3.2.3.5 Auch die Einwendungen des Klägers zu den Nebenbestimmungen Nr. III.13.10 und Nr. III.13.11 greifen nicht durch. Der Kläger wirft auch insoweit lediglich Fragen zur Umsetzung dieser Nebenbestimmungen auf; dass sie von vornherein nicht umsetzbar seien, lässt sich seinem Vorbringen nicht entnehmen. Hinsichtlich der Umsetzbarkeit bestehen auch keine Zweifel. Der Beklagte hat hierzu in der mündlichen Verhandlung ausgeführt (vgl. Sitzungsprotokoll S. 7), dass sich die Abschaltung in der Nebenbestimmung Nr. III.13.11 ausschließlich auf Funktionsstörungen bei der Kommunikation zwischen dem Erkennungssystem und der Windenergieanlage, aber nicht auf Funktionsstörungen des Erkennungssystems selbst, beziehe. Es ist nicht erkennbar, dass eine automatische, hilfsweise manuelle Abschaltung bei solchen Funktionsstörungen nicht möglich sein sollte. Der Beklagte hat hierzu bereits in der Klageerwiderung (vgl. S. 16) überzeugend ausgeführt, dass zwar eine detaillierte Beschreibung der Wirkungsmechanismen und des Zusammenspiels von Software/Hardware im Rahmen der technischen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zwischen Anlagenhersteller und Betreiber zu konkretisieren und diese anschließend umzusetzen sei, dass diese technischen Möglichkeiten jedoch den Standard bei dem Betrieb von Windenergieanlagen darstellten und bereits regelmäßig in anderen Kontexten zur Anwendung kämen. Die Umsetzung der Nebenbestimmungen Nr. III.13.10 und Nr. III.13.11 unterliege keiner technischen Beschränkung. Die Beigeladene hat hierzu – für den Senat ebenfalls schlüssig – erläutert (vgl. Sitzungsprotokoll S. 6 f.), dass das Kamerasystem so programmiert sei, dass halbstündlich ein „heartbeat-Signal“ abgegeben werde. Erfolge dieses Signal nicht, schalte das System die Anlage automatisch ab. Das System sei grundsätzlich in der Lage, Fehler selbst zu beheben. Gelinge dies nicht, werde ein Stoppsignal für die Anlage gesendet. Zudem werde das System laufend von der Firma IdentiFlight überwacht, sodass bei einem „Systemversagen“ auch eine unmittelbare händische Abschaltung möglich sei. Bereits mit Schriftsatz vom 31. November 2022 hatte die Beigeladene vorgetragen, dass ein Ausfall der Abschaltautomatik über die Fernüberwachung umgehend an die technische Betriebsführung gemeldet werde, die die Windenergieanlagen im Anschluss an die Meldung umgehend abschalte. Insofern ist auch nicht erkennbar, dass die systeminterne Kontrolle i.S.d. Nebenbestimmung Nr. III.13.10 nicht gewährleistet werden kann. Da Letzteres nach dieser Nebenbestimmung zudem zu dokumentieren ist, bestehen, sollte es bei der Umsetzung Probleme geben, auch insoweit Möglichkeiten, nach Nr. III.13.13 weitere Nebenbestimmungen zu verfügen.
64
2.3.2.3.6 Bei Gesamtwürdigung aller Nebenbestimmungen unter Berücksichtigung der in der mündlichen Verhandlung erläuterten Funktionsweise des Systems (Sitzungsprotokoll S. 5 f.) sowie des bereits dargestellten Umfangs und der Reproduktionsfähigkeit der lokalen Population (2.3.2.2) ist mit dem Beklagten davon auszugehen, dass die Zahl der ggfs. während des Forschungsvorhabens zu Schaden kommenden Rotmilane derart gering ist, dass eine Verschlechterung des Erhaltungszustands der Populationen schon auf lokaler Ebene sowie auch in ihrem überörtlichen, natürlichen Verbreitungsgebiet nicht zu erwarten ist. Zu berücksichtigen ist dabei insbesondere, dass der Betrieb der Windenergieanlagen während des Forschungsvorhabens – also die Zeit, in der Rotmilane tatsächlich zu Schaden kommen können – auf drei Jahre begrenzt ist, dass die Erkennungsrate des Systems grundsätzlich sehr hoch ist (vgl. Sitzungsprotokoll S. 5), dass ein gestuftes, entfernungsabhängiges Abschaltsystem besteht (vgl. Sitzungsprotokoll S. 5 f.), dass – umsetzbare (s.o.) – Abschaltvorgaben für Störungen und für die Fälle bestehen, dass eine bedarfsgerechte Abschaltung nicht mehr gewährleistet werden kann, dass parallel zum Forschungsvorhaben in statistisch belastbarer Häufigkeit eine Freilandbeobachtung durch erfahrene Vogelkundler erfolgt, dass Kollisionsereignisse zeitnah zu melden sind (Nebenbestimmung Nr. III.13.12), und insbesondere, dass u.a. zum Schutz des Rotmilans, basierend auf den bisherigen Erkenntnissen des Forschungsvorhabens, weitere Nebenbestimmungen verfügt werden können (Nebenbestimmung Nr. III.13.13). Abschnitt Nr. III.13 des Genehmigungsbescheids enthält daher – auch wenn, worauf das Forschungsvorhaben aber gerade zielt, hinsichtlich der Wirksamkeit des Antikollisionssystems unter den vorliegenden Bedingungen (insbesondere Waldstandort, Dichtezentrum), Unsicherheiten bestehen – ein ausreichendes Schutzkonzept, um populationsrelevante Verluste des Rotmilans durch die Ausnahmeregelung zu vermeiden.
65
2.4 Weitergehende Anforderungen nach § 45 Abs. 7 Satz 2 BNatSchG i.V.m. Art. 16 Abs. 1 FFH-Richtlinie bestehen nicht. Die FFH-Richtlinie ist für die hier in Rede stehende Ausnahme von § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG bezüglich des Rotmilans nicht anwendbar (vgl. 2.2.1).
66
2.5 Es ist auch weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die Dokumentationsanforderungen nach § 45 Abs. 7 Satz 3 BNatSchG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 der Vogelschutz-Richtlinie nicht gewahrt worden sind.
67
2.6 Zu Fehlern bei der Ausübung des nach dem Wortlaut des § 45 Abs. 7 Satz 1 BNatSchG für die Erteilung einer Ausnahme bestehenden Ermessens („können“) hat der Kläger i.S.d. § 6 Satz 1 UmwRG keine Tatsachen und Beweismittel vorgebracht. Im Übrigen besteht nach dem nunmehr geltenden, den Vorhabenträger begünstigenden und damit maßgeblichen (vgl. 2.2.3.4, 2.3.1) § 45b Abs. 8 Nr. 6 BNatSchG ein Anspruch auf Erteilung einer Ausnahme. Insofern braucht nicht darauf eingegangen zu werden, ob § 45 Abs. 7 BNatSchG in Anwendung der Rechtsfigur des „intendierten Ermessens“ regelmäßig die Erteilung einer Ausnahme verlangt (vgl. zum Meinungsstand Gellermann in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 45 BNatSchG Rn. 33 m.w.N.). Der Hinweis des Klägers in der mündlichen Verhandlung auf die Begründung des Vierten Gesetzes zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes, wonach nach wie vor eine Abwägung erforderlich sei, greift nicht durch. Die insoweit wohl in Bezug genommene Aussage (BT-Drs. 20/2354 S. 27) betrifft nicht § 45b Abs. 8 Nr. 6 BNatSchG, sondern § 45b Abs. 8 Nr. 1 BNatSchG, der Maßgaben für die Anwendung der – hier vom Beklagten nicht herangezogenen – Ausnahmegründe nach § 45 Abs. 7 Satz 1 Nr. 4 und Nr. 5 BNatSchG enthält. Für § 45b Abs. 8 Nr. 6 BNatSchG ergibt sich auch aus der Gesetzesbegründung eindeutig, dass der zuständigen Behörde kein Versagungsermessen zusteht, wenn – wie hier – die Voraussetzungen des § 45 Abs. 7 Satz 1 bis 3 BNatSchG gegeben sind (vgl. BT-Drs. 20/2354 S. 28).
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3. In Bezug auf die vom Kläger nach § 6 UmwRG zum (alleinigen) Prozessstoff bestimmte Ausnahme nach § 45 Abs. 7 BNatSchG weist der angefochtene Genehmigungsbescheid mithin keine Rechtsfehler auf. Offen kann daher bleiben, ob der Kläger – wofür angesichts des Wortlauts des § 2 Abs. 4 Satz 1 UmwRG („soweit“) und des Umstands, dass es sich bei der Ausnahme um einen eigenen (nach § 13 BImSchG einkonzentrierten) Verwaltungsakt handelt (vgl. OVG NW, B.v. 12.3.2021 – 7 B 8/21 – juris Rn. 33 ff. m.w.N.), wenig spricht – bei einem Rechtsfehler der Ausnahme die Gesamtaufhebung der Genehmigung hätte beanspruchen können.
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4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO.
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Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeht nach § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
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Die Revision war nicht zuzulassen, da kein Zulassungsgrund im Sinn von § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.