Inhalt

OLG München, Beschluss v. 23.06.2023 – 33 W 460/23 e
Titel:

Zuständiges Gericht bei Nebeneinander von Pflichtteils- und Zugewinnausgleichsansprüchen 

Normenketten:
BGB § 1371, § 1383, § 1931
ZPO § 39, § 40, § 114 Abs. 1 S. 1
GVG § 23 a
Leitsatz:
Macht der überlebende Ehegatte neben dem „kleinen Pflichtteil“ auch Zugewinnausgleichsansprüche geltend, ist für den Pflichtteilsanspruch das Zivilgericht, für Zugewinnausgleichsansprüche das Familiengericht zuständig (Anschluss an BGH, IX ZR 91/81, NJW 1983, 388). (Rn. 21)
Schlagworte:
Pflichteilsanspruch, Zugewinnausgleich, Familiengericht, Zivilgericht
Vorinstanz:
LG München I, Beschluss vom 28.02.2023 – 10 O 14692/19
Fundstellen:
ErbR 2023, 934
FamRZ 2024, 67
ZEV 2023, 784
BeckRS 2023, 21935
LSK 2023, 21935
ZErb 2023, 434
NJOZ 2023, 1128

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Landgerichts München I vom 28.02.2023, Az. 10 O 14692/19, wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
1
Die Parteien streiten über erbrechtliche Ansprüche.
2
Die Klägerinnen sind die Töchter des am …2017 in M. verstorbenen Erblassers, die Beklagte war dessen zweite Ehefrau.
3
Der Erblasser hatte mit seiner vorverstorbenen ersten Ehefrau am …2008 ein gemeinschaftliches Testament errichtet, in dem sich die Ehegatten gegenseitig zu Alleinerben und die Klägerinnen als Erben des Letztversterbenden eingesetzt hatten.
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Die Klägerinnen nehmen die Beklagte auf Räumung und Herausgabe der zum Nachlass gehörenden Immobilie in Pullach in Anspruch.
5
Das Landgericht hat am 05.12.2019 ein der Klage stattgebendes Versäumnisurteil (Blatt 22/27 der Akten) erlassen, die Räumungsfrist jedoch nach Einspruch der Beklagten gegen das Versäumnisurteil auf deren Anträge hin wiederholt verlängert.
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Die Beklagte verlangte die Aufhebung des Versäumnisurteils sowie mit ihrer Widerklage die Feststellung, dass sie den Erblasser zu ½ beerbt hat. Für den Fall der Erfolglosigkeit ihrer Widerklage beantragte die Widerklägerin ursprünglich hilfsweise Auskunft und Wertermittlung hinsichtlich des Nachlasses sowie „in der dritten Stufe nach Erteilung der Auskunft und nach Feststellung des Wertes der Immobilien an die Widerklägerin den Pflichtteilsbetrag gemäß Pflichtteilsquote von 1/8 des sich aus der … zu erteilenden Auskunft errechneten Betrages nebst Zinsen … zu bezahlen.“ sowie „in der 3. Stufe nach Erteilung der Auskunft und Belegvorlage einen sich, nach Vergleich von End- und Anfangsvermögen des Erblassers und der Widerklägerin sich errechnenden Zugewinnausgleich nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit der Widerklage an die Widerklägerin zu bezahlen, wobei die Klägerinnen und Widerbeklagten weiterhin verpflichtet sind, das Eigentum an dem Grundstück … Pullach … zum Alleineigentum der Beklagten und Widerklägerin aufzulassen und deren Eintragung im Grundbuch zu bewilligen.“
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Das Landgericht hat die Widerklage im Hauptantrag rechtskräftig abgewiesen, da es der Ansicht war, dass die Klägerinnen den Erblasser zu je ½ beerbt haben. Es hat die Klägerinnen auf den Hilfsantrag hin zur Auskunftserteilung und Wertermittlung verurteilt. Darüber hinaus hat es festgestellt, dass der Beklagten gegen die Klägerinnen ein Pflichtteilsrecht mit einer Quote von 1/8 zusteht.
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Für die weitere Darstellung des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf das Teil- und Grundurteil des Landgerichts München I vom 07.04.2021.
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Mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 01.09.2022 bezifferte die Beklagte ihre Ansprüche und beantragte, die Klägerinnen nunmehr zur Zahlung eines Zugewinnausgleichs in Höhe von 1.003.745,97 € sowie eines Pflichtteils von 550.608,63 € zu verurteilen und stellte den Antrag, „die Klägerinnen und Widerbeklagten zu 1) und 2) sind verpflichtet, das Eigentum am Grundstück … Pullach … zum Alleineigentum der Beklagten und Widerklägerin aufzulassen und ihren Eintrag im Grundbuch zu bewilligen“. Mit Schriftsatz vom 22.11.2022 (Bl. 485 ff.) stellte sie klar, dass der Grundstückswert auf die Zahlungsansprüche angerechnet werden solle.
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Die Klägerinnen erkannten mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 19.10.2022 der Beklagten in Höhe von 550.000 € und Pflichtteilsansprüche in Höhe von 150.000 € an.
11
Das Landgericht erließ am 17.02.2023 ein Teilanerkenntnisurteil, durch das die Klägerinnen als Gesamtschuldnerinnen verurteilt wurden, an die Beklagte 550.000 € und weitere 150.000 € zu zahlen.
12
Mit Beschluss vom 17.02.2023 setzte das Landgericht die Verhandlung bis zur Erledigung des Rechtsstreits vor dem Landgericht München I zum Aktenzeichen 10 O 14484/22 aus.
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Mit Beschluss vom 28.02.2023 lehnte das Landgericht den Antrag der Beklagten vom 02.03.2022 auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ab.
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Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Beklagten vom 31.03.2023, der das Landgericht mit Beschluss vom 18.04.2023 nicht abgeholfen und die Akten dem Senat vorgelegt hat. Wegen des Inhalts des angefochtenen Beschlusses und der Nichtabhilfeentscheidung wird auf die jeweiligen Entscheidungen Bezug genommen.
II.
15
Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts vom 28.02.2023 ist zulässig, bleibt im Ergebnis aber ohne Erfolg. Zutreffend hat das Landgericht den Antrag der Beklagten auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen.
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1. Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss vom 28.02.2023 ist zulässig, insbesondere wurde sie fristgerecht eingelegt.
17
2. In der Sache bleibt die sofortige Beschwerde jedoch ohne Erfolg. Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die seitens der Beklagten gestellten Anträge liegen nicht vor.
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a) Dabei teilt der Senat zunächst die Ansicht des Landgerichts, wonach titulierte Forderungen von der Partei zur Prozessfinanzierung zu verwenden sind, soweit diese Forderungen alsbald realisierbar sind. Aufgrund des ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbaren Teilanerkenntnisurteils vom 17.02.2023 wäre es der Beklagten mithin ohne weiteres möglich, die Kosten der Prozessführung selbst aufzubringen, da sie aus diesem Urteil insgesamt 650.000 € vollstrecken kann.
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b) Darüber hinaus kann dahinstehen, ob die Ausführungen des Landgerichts in der Nichtabhilfeentscheidung hinsichtlich der Annahme des Geldes durch die Beklagte und etwaiger Auswirkungen im Hinblick auf mögliche weitere Ansprüche der Beklagten zutreffend sind. Auf diese Erwägungen kommt es schon deshalb nicht an, weil die Zugewinnausgleichsansprüche, die die Beklagte im vorliegenden Verfahren verfolgt und für deren Durchsetzung Prozesskostenhilfe bewilligt werden soll, mangels sachlicher Zuständigkeit des Landgerichts für diese Ansprüche im hiesigen Verfahren nicht erfolgreich geltend gemacht werden können. Die Hilfswiderklage hat schon aus diesem Grund im Wesentlichen offensichtlich keinen Erfolg.
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aa) Die Beklagte macht vorliegend Ansprüche gemäß §§ 1371 Abs. 2, 1931 Abs. 1 Satz 1 BGB geltend. Da sie aufgrund der Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge ausgeschlossen ist, steht ihr neben dem sogenannten kleinen Pflichtteil (§ 1931 Abs. 1 Satz 1 BGB) auch der Ausgleich des Zugewinns gemäß § 1371 Abs. 2 BGB zu (sogenannte güterrechtliche Lösung).
21
Im Rahmen der güterrechtlichen Lösung kommt es zu einem Nebeneinander des erbrechtlichen Pflichtteilsanspruchs mit dem familienrechtlichen Zugewinnausgleichsanspruch (Lange, Erbrecht, 3. Aufl. 2022, § 86 Rn. 37). Insoweit ist zu berücksichtigen, dass für den Pflichtteilsanspruch das allgemeine Zivilgericht, für den Zugewinnausgleich hingegen gemäß § 23a Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Nr. 2 GVG, § 261 Abs. 1 FamFG das Familiengericht zuständig ist (BGH, Urteil vom 18.11.1982, IX ZR 91/81, NJW 1983, 388; NK/Nachfolgerecht/Wackenberg, 2. Aufl. 2019, § 1371 BGB Rn. 53; Horn in: MAH/Erbrecht, 5. Aufl. 2018, § 29 Rn. 179).
22
bb) Bei der Zuständigkeit des Amtsgerichts als Familiengericht handelt es sich gemäß § 23a Abs. 1 S. 2 GVG um eine ausschließliche Zuständigkeit, die nicht zur Disposition der Beteiligten steht. Die Zuständigkeit des Streitgerichts kann daher weder durch Prorogation (§ 38 ZPO) noch durch rügeloses Einlassen (§ 39 ZPO) zugunsten des Landgerichts verändert werden (§ 40 Abs. 2 ZPO) (MüKoZPO/Pabst, 6. Aufl. 2022, GVG § 23a Rn. 3). Demzufolge hat auch das vom Landgericht erlassene Anerkenntnisurteil keine Auswirkungen für die Zuständigkeit des Landgerichts.
23
cc) Vor diesem Hintergrund vermag es dahinzustehen, ob und in welchem Umfang der Beklagten ein Zugewinnausgleichsanspruch gegen die Klägerinnen nach Beendigung der Ehe mit dem Erblasser durch Tod zusteht und ob insoweit die Voraussetzungen des § 1383 BGB vorliegen oder nicht, da für diese Ansprüche das Streitgericht schon nicht zuständig ist, so dass die Klage insoweit keinen Erfolg haben kann (§ 114 Abs. 1 ZPO).
III.
24
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (Thomas/Putzo/Seiler, ZPO, 43. Aufl. 2023, § 128 Rn. 11).
25
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.