Inhalt

VG München, Beschluss v. 11.08.2023 – M 5 E 23.3236
Titel:

Amtsärztliche Untersuchung, Allgemeine ärztliche Untersuchung, Psychiatrische Untersuchung, Länger andauernde Dienstunfähigkeit, Formelle und inhaltliche Anforderungen an die Untersuchungsanordnung, Umfang der Untersuchung, Untersuchung nach Aktenlage, Bestimmtheit (abgelehnt)

Normenketten:
VwGO § 123 Abs. 1
BayBG Art. 65 Abs. 2
Schlagworte:
Amtsärztliche Untersuchung, Allgemeine ärztliche Untersuchung, Psychiatrische Untersuchung, Länger andauernde Dienstunfähigkeit, Formelle und inhaltliche Anforderungen an die Untersuchungsanordnung, Umfang der Untersuchung, Untersuchung nach Aktenlage, Bestimmtheit (abgelehnt)
Fundstelle:
BeckRS 2023, 21903

Tenor

I. Die Antragstellerin wird vorläufig bis zum rechtskräftigen Abschluss eines (noch durchzuführenden) Hauptsacheverfahrens von der Verpflichtung zur Durchführung einer amtsärztlichen Untersuchung aufgrund der Untersuchungsanordnung vom … März 2023 freigestellt.
II. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die 1968 geborene Antragstellerin steht als Obergerichtsvollzieherin beim Amtsgericht ... in den Diensten des Antragsgegners. Sie ist seit dem … September 2021 dienstunfähig erkrankt.
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Bereits mit Schreiben vom … Februar 2022 ordnete der Antragsgegner eine Untersuchung zur Überprüfung der Dienstfähigkeit der Antragstellerin an. Das infolgedessen durchgeführte Eilverfahren (M 5 E 22.2034) wurde nach Aufhebung der Untersuchungsanordnung mit Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 18. Mai 2022 eingestellt. Der Antragsgegner versuchte auch weiterhin, so beispielsweise mit Schreiben vom 4. Oktober 2022, die Dienstfähigkeit der Antragstellerin überprüfen zu lassen. Auch ein daraufhin durchgeführtes Eilverfahren (M 5 E 22.6409) endete mit der Einstellung durch Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 13. März 2023, nachdem der Antragsgegner auch diese Untersuchungsanordnung aufgehoben hat.
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Mit Schreiben des Antragsgegners vom 10. März 2023 ordnete der Antragsgegner (erneut) eine allgemeinmedizinische und psychiatrische Untersuchung der Antragstellerin bei der Medizinischen Untersuchungsstelle der Regierung von Oberbayern (MUS) zur Überprüfung der Dienstfähigkeit an. Es sei zweifelhaft, ob die Dienstfähigkeit der Antragstellerin in den nächsten sechs Monaten wiederhergestellt werden könne. Im Vordergrund der Untersuchung stehe die Frage, ob die Antragstellerin in der Zukunft wieder als Gerichtsvollzieherin oder, falls diese Prüfung negativ ausfalle, in einer Serviceeinheit eingesetzt werden könne. Es sei erforderlich, neben der allgemeinärztlichen Untersuchung zugleich eine psychiatrische Untersuchung vorzunehmen, da der Grund für die Dienstunfähigkeit ausweislich der vorgelegten Unterlagen im psychologischen/psychiatrischen Bereich liege. Es könne dem Dienstherrn und den noch arbeitsfähigen Kolleginnen und Kollegen nicht zugemutet werden, das Ergebnis der allgemeinärztlichen Untersuchung abzuwarten.
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Die Untersuchungsanordnung stützt sich auf die vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, die für den Zeitraum … September 2021 bis … März 2023 fortlaufend – mit Ausnahme einer Krankschreibung durch einen Facharzt für Innere Medizin vom … November 2021 bis … Januar 2022 – von einem Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie ausgestellt sind, auf einen stationären Klinikaufenthalt in der S. Klinik R. (Fachklinik für Psychosomatik) vom … November 2021 bis Ende Januar 2022 sowie auf die Diagnose „Burn-Out“. Diese Diagnose habe die Antragstellerin dem Dienstherrn offengelegt und dabei angegeben, bereits mehrere Zusammenbrüche erlitten zu haben.
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Die MUS teilte der Antragstellerin mit Schreiben vom … März 2023 mit, dass die Gutachtenanfertigung aktuell nur nach Aktenlage erfolge und forderte diese auf, übersandte Formulare (Beurteilungsgrundlage, Fragebogen) sowie Befundberichte behandelnder Ärzte und Abschlussberichte von Krankenhausaufenthalten und schriftliche Befunde technischer Untersuchungen bis zum … April 2023 zu übersenden. Dem kam die Antragstellerin nicht nach. Mit Schreiben vom … Juni 2023 wies der Antragsgegner die Antragstellerin auf ihre Pflicht zur Mitwirkung an der Untersuchung hin. Mit Schreiben vom … Juni 2023 setzte die MUS eine neue Frist für die Übersendung der Unterlagen bis zum … Juni 2023.
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Nachdem der Antragsgegner auf Einwendung des Antragstellerbevollmächtigten hin die streitgegenständliche Untersuchungsanordnung nicht zurückgenommen hatte, hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom … Juni 2023 den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt und dies wie folgt begründet:
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Ein Anordnungsanspruch sei gegeben. Die Untersuchungsanordnung sei unverhältnismäßig, da die in der Rechtsprechung entwickelten Anforderungen an den Umfang der Untersuchungsanordnung nicht vorlägen. Eine Eingrenzung des Untersuchungsumfangs durch den Antragsgegner sei nicht erfolgt, sodass der Untersuchungsumfang durch die Amtsärzte bestimmt werden könnte. Der Umfang werde auch nicht dadurch eingegrenzt, dass (zunächst) lediglich eine Übersendung von Befunden gefordert werde. Die Antragstellerin müsse vielmehr alle in ihrem Besitz befindlichen ärztlichen Befunde übersenden unabhängig davon, ob diese von tatsächlicher Relevanz für die Beurteilung der Dienstfähigkeit seien. Ein Anordnungsgrund liege vor. Der Fristablauf für die Übersendung der geforderten Befunde stehe unmittelbar bevor.
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Die Antragstellerin hat beantragt,
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vorläufig von der Verpflichtung der Durchführung einer amtsärztlichen Untersuchung aufgrund der Untersuchungsanordnung des Antragsgegners vom … März 2023 bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens über die Feststellung der Verpflichtung der Antragstellerin (richtig statt: des Antragstellers), die Untersuchungsanordnungen des Antragsgegners zu befolgen, freigestellt zu werden.
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Der Antragsgegner hat beantragt,
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den Antrag abzulehnen (richtig statt: abzuweisen).
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Der Anordnungsgrund sei der Untersuchungsanordnung klar zu entnehmen. Zudem ergäben sich Inhalt und Umfang der Untersuchung aus dem durch die Untersuchungsanordnung vorgegebenen Prüfungsmaßstab und den hierin enthaltenden Fragestellungen. Es bestehe kein Grund, die Antragstellerin von ihrer Mitwirkungspflicht an der Untersuchung freizustellen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und vorgelegte Behördenakte verwiesen.
II.
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Der Antrag ist zulässig und begründet.
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1. Der Antrag ist als Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) statthaft, weil es sich bei der Anordnung gegenüber einem Beamten, sich gemäß Art. 65 Abs. 2 Satz 1 Bayerisches Beamtengesetz (BayBG) zur Klärung der Dienstfähigkeit ärztlich untersuchen und, falls ein Amtsarzt dies für erforderlich hält, beobachten zu lassen, mangels unmittelbarer Rechtswirkung nach außen nicht um einen Verwaltungsakt im Sinne von Art. 35 Satz 1 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG), sondern um eine gemischt dienstlich-persönliche Weisung handelt. Die Gewährung vorläufigen Rechtschutzes richtet sich daher nach § 123 VwGO (vgl. BayVGH, B.v. 22.9.2015 – 3 CE 15.1042 – juris Rn. 22).
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Wegen des Gedankens des effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 des Grundgesetzes/GG) ist die Untersuchungsanordnung auch selbständig anfechtbar (so BVerfG, B.v. 14.1.2022 – 2 BvR 1528/21 – NVwZ 2022, 401, juris Rn. 17 ff.; nun auch BayVGH, B.v. 24.3.2022 – 6 CE 21.2753 – IÖD 2022, 152, juris Rn. 10; anders noch BVerwG, B.v. 14.3.2019 – 2 VR 5/18 – BVerwGE 165, 65, juris Rn. 18 f.). Denn § 44a VwGO ist verfassungskonform dahin auszulegen, dass die Vorschrift der Zulässigkeit einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Untersuchungsanordnung nicht entgegensteht, weil die angeordnete ärztliche Untersuchung zu Verletzungen materieller Rechtspositionen führen könnte, die nicht mit den durch die abschließende Sachentscheidung berührten materiellen Rechtspositionen identisch sind und die im Rechtsschutzverfahren gegen eine Zurruhesetzungsverfügung nicht vollständig beseitigt werden könnten (BVerfG, B.v. 14.1.2022 – 2 BvR 1528/21 – NVwZ 2022, 401, juris Rn. 24).
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2. Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auch schon vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung des Rechts der Antragstellerin vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach Satz 2 des § 123 Abs. 1 VwGO sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, notwendig erscheint, um insbesondere wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern. § 123 Abs. 1 VwGO setzt daher sowohl einen Anordnungsgrund, das heißt ein Bedürfnis für die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes in Form der Gefährdung eines eigenen Individualinteresses, als auch einen Anordnungsanspruch voraus, das heißt die bei summarischer Überprüfung der Sach- und Rechtslage hinreichende Aussicht auf Erfolg oder zumindest einen Teilerfolg des geltend gemachten Begehrens in der Hauptsache. Die Antragstellerin hat die hierzu notwendigen Tatsachen glaubhaft zu machen.
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3. Die Antragstellerin hat einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.
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Dem steht nicht entgegen, dass die mit Schreiben vom … März 2023 gesetzte Frist zur Übermittlung übersandter Formulare (Beurteilungsgrundlage und Fragebogen) und von Befundberichten der behandelnden Ärzte, Abschlussberichten von Krankenhausaufenthalten und Befunden technischer Untersuchungen bis zum … Mai 2023 bereits verstrichen ist. Denn die Untersuchungsanordnung und die dadurch eingetretene grundsätzliche Befolgungspflicht zulasten der Antragstellerin bestehen unabhängig von der isoliert ausgesprochenen Frist fort (vgl. BayVGH, B.v. 8.1.2013 – 3 CE 11.2345 – juris Rn. 18 – zur Weisung, sich einer stationären Behandlung zu unterziehen). Nur die isolierte Fristbestimmung ist durch Zeitablauf verstrichen. Dem Antragsgegner ist es nicht verwehrt, unter Verweis auf die Mitwirkungspflicht auf Grund der dienstrechtlichen Treuepflichten auf Übermittlung der angeforderten Unterlagen auch nach Fristablauf zu bestehen.
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4. Die Antragstellerin hat zudem einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Die streitgegenständliche Untersuchungsanordnung erweist sich bei der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung als rechtswidrig, sodass die Antragstellerin von der Verpflichtung zu ihrer Befolgung freizustellen war.
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a) Ein Beamter hat nach Art. 65 Abs. 2 Satz 1 BayBG die Dienstpflicht, sich ärztlich untersuchen zu lassen, wenn Zweifel hinsichtlich seiner Dienstunfähigkeit bestehen (vgl. BVerwG, B.v. 28.5.1984 – 2 B 205.82 – Buchholz 237.5 § 51 LBG Hessen Nr. 1, juris Rn. 3). Diese Zweifel des Dienstherrn an der Dienstunfähigkeit des Beamten müssen sich auf konkrete Umstände stützen, die eine derartige Untersuchung rechtfertigen und dürfen nicht „aus der Luft gegriffen“ sein (BayVGH, B.v. 14.1.2014 – 6 CE 13.2352 – juris Rn. 10; VG München, B.v. 31.7.2018 – M 5 E 18.2781 – juris Rn. 23). Die Anordnung muss sich folglich auf solche Umstände beziehen, die bei vernünftiger, lebensnaher Einschätzung die ernsthafte Besorgnis begründen, der betroffene Beamte sei dienstunfähig oder jedenfalls nur begrenzt dienstfähig (BVerwG, U.v. 26.4.2012 – 2 C 17/10 – ZBR 2013, 128, juris Rn. 19).
22
Die Anordnung einer ärztlichen Untersuchung gemäß Art. 65 Abs. 2 Satz 1 BayBG muss nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit inhaltlichen und formellen Anforderungen genügen (BVerwG, U.v. 26.4.2012 – 2 C-17/10 – ZBR 2013, 128, juris Rn. 20; U.v. 30.5.2013 – 2 C-68/11 – BVerwGE 146, 347, juris Rn. 18 ff.; B.v. 10.4.2014 – 2 B 80/13 – NVwZ 2014, 892, juris Rn. 8). Sie hat zur Voraussetzung, dass aufgrund hinreichend gewichtiger tatsächlicher Umstände zweifelhaft ist, ob der Beamte wegen seines körperlichen Zustands oder aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage ist, die Dienstpflichten seines abstrakt-funktionellen Amtes zu erfüllen (BVerwG, U.v. 30.5.2013 – 2 C 68/11 – BVerwGE 146, 347, juris Rn. 19). Die Behörde muss die tatsächlichen Umstände, auf die sie die Zweifel an der Dienstfähigkeit stützt, sowie Art und Umfang der beabsichtigten Untersuchungsmaßnahmen in der Anordnung angeben (BVerwG, U.v. 30.5.2013 – 2 C 68/11 – BVerwGE 146, 347, juris Rn. 20; U.v. 26.4.2012 – 2 C 17/10 – ZBR 2013, 128, juris Rn. 19). Der Beamte muss anhand der darin gegebenen Begründung entnehmen können, was konkret ihr Anlass ist und ob das in der Anordnung Verlautbarte die Zweifel an seiner Dienstfähigkeit zu rechtfertigen vermag (BVerwG, U.v. 23.10.1980 – 2 A 4.78 – ZBR 1981, 220, juris Rn. 27; U.v. 26.4.2012 – 2 C 17/10 – ZBR 2013, 128, juris Rn. 19 ff.; B.v. 10.4.2014 – 2 B 80/13 – NVwZ 2014, 892, juris Rn. 10). Gleichermaßen muss es für den Beamten überprüfbar sein, ob die beabsichtigten Untersuchungsmaßnahmen verhältnismäßig sind, so dass diese nicht frei dem Amtsarzt überlassen werden dürfen. Dementsprechend muss sich der Dienstherr bereits im Vorfeld des Erlasses einer Untersuchungsanordnung nach entsprechender sachkundiger ärztlicher Beratung zumindest in den Grundzügen darüber klarwerden, in welcher Hinsicht Zweifel am körperlichen Zustand oder der Gesundheit des Beamten bestehen und welche ärztlichen Untersuchungen zur endgültigen Klärung geboten sind (BVerwG, U.v. 30.5.2013 – 2 C 68.11 – NVwZ 2013, 1619/1621, juris Rn. 23). Entspricht die Anordnung nicht diesen Anforderungen, können Mängel nicht nachträglich durch Nachschieben von Gründen geheilt werden (BVerwG, U.v. 26.4.2012 – 2 C 17/10 – ZBR 2013, 128, juris Rn. 21).
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Im Einzelfall kann die Anordnung einer (amts-) ärztlichen Untersuchung allerdings ohne nähere Angaben zu den gesundheitsbedingten Zweifeln an der Dienstfähigkeit des Beamten sowie zu Art und Umfang der Untersuchung rechtmäßig sein, wenn der Dienstherr nach den ihm vorliegenden Erkenntnissen überhaupt nicht dazu in der Lage ist, die wegen einer länger andauernden Dienstunfähigkeit des Beamten entstandenen Zweifel an dessen Dienstfähigkeit näher zu konkretisieren und auf dieser Grundlage wiederum Art und Umfang der (amts-) ärztlichen Untersuchung in ihren Grundzügen vorzubestimmen, weil der betreffende Beamte trotz vorhergehender Aufforderung der erforderlichen Mitwirkung bei der Sachverhaltsaufklärung nicht bzw. zumindest nicht in hinreichendem Maße nachgekommen ist (BayVGH, B.v. 18.2.2016 – 3 CE 15.2768 – juris Rn. 28; VG München, B.v. 11.8.2017 – M 5 E 17.2578 – juris Rn. 34 ff.; OVG NW, B.v. 12.12.2017 – 1 B 1470/17 – NVwZ-RR 2018, 57, juris Rn. 20 ff.). Eine solche Mitwirkungspflicht folgt aus der dienstlichen Treuepflicht des Beamten. So kann es im Rahmen der allgemeinen Gehorsamspflicht gerechtfertigt und dem Beamten zuzumuten sein, an der für die Durchführung eines ordnungsgemäßen Dienstbetriebes erforderlichen Klärung seines Gesundheitszustandes mitzuwirken (BVerwG, U.v. 23.10.1980 – 2 A 4.78 – DVBl 1981, 50, juris Rn. 25; BayVGH, B.v. 18.2.2016 – 3 CE 15.2768 – juris Rn. 28). Eine Dienstpflicht des Beamten zu konkreter Gesundheitsauskunft besteht jedoch wohl nicht (BVerwG, B.v. 16.5.2018 – 2 VR 3.18 – Buchholz 232.0 § 44 BBG 2009 Nr. 13, juris Rn. 7; OVG Berlin-Bbg, B.v. 28.12.2016 – OVG 10 S 35.16 – NVwZ-RR 2017, 300, juris Rn. 4). Unter diesen Umständen kann auch die Anordnung einer allgemeinen amtsärztlichen Untersuchung den formellen Anforderungen genügen (VG München, B.v. 11.8.2017 – M 5 E 17.2578 – juris Rn. 34 ff.; OVG NW, B.v. 12.12.2017 – 1 B 1470/17 – juris Rn. 20 ff.; BVerwG, B.v. 16.5.2018 – 2 VR 3.18 – Buchholz 232.0 § 44 BBG 2009 Nr. 13, juris Rn. 7).
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b) Die streitgegenständliche Untersuchungsanordnung vom … März 2023 genügt den vorstehenden Anforderungen nicht. Denn die Untersuchungsanordnung lässt den Umfang der allgemein-ärztlichen und der psychiatrischen Untersuchung nicht erkennen.
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aa) Der Anlass der psychiatrischen Untersuchung ist für die Antragstellerin ohne weiteres dargelegt. Mit dieser Art der Untersuchungsanordnung (psychiatrisch) trägt der Antragsgegner dem Umstand Rechnung, dass die von der Antragstellerin vorgelegten Dienstunfähigkeitsbescheinigungen für einen Zeitraum von knapp eineinhalb Jahren (.9.2021 bis …3.2023) von einer Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie ausgestellt wurden. Daneben befand sich die Antragstellerin vom … November 2021 bis … Januar 2022 in stationärer Behandlung in einer Fachklinik für Psychosomatik (S. Klinik R.*). Außerdem gab die Antragstellerin gegenüber dem Dienstherrn an, sie leide an „Burn-Out“ und habe bereits mehrere Zusammenbrüche erlitten. Damit lagen konkrete Hinweise vor, dass bei der Antragstellerin gesundheitliche Störungen oder Beeinträchtigungen auf dem Gebiet der Psychiatrie und Psychotherapie wahrscheinlich sind. Eine knapp eineinhalb Jahre andauernde Krankschreibung auf psychiatrischem Gebiet, ein Klinik-Aufenthalt sowie die Diagnose „Burn-Out“ rechtfertigen es, eine amtsärztliche Untersuchung auf diesem Gebiet anzuordnen, da letztlich nur der Amtsarzt beurteilen kann, ob die Antragstellerin den Anforderungen des Amts im abstrakt funktionellem Sinn gewachsen ist. Denn dieser kennt im Gegensatz zum Privatarzt die Anforderungen an das konkrete Amt und kann zudem auch beurteilen, ob die Antragstellerin dienstfähig ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.2.2015 – 3 CE 15.172 – juris Rn. 19).
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Inwieweit daneben auch eine allgemein-ärztliche Untersuchung veranlasst werden konnte, ist zweifelhaft. Die parallele Anordnung einer psychiatrischen und einer allgemein-ärztlichen Untersuchung ist nicht von vornherein ausgeschlossen, bedarf jedoch vor dem Hintergrund der Verhältnismäßigkeit einer besonderen Begründungsintensität. In diesem Zusammenhang hat die Behörde zu klären, welche ärztlichen Untersuchungen zur endgültigen Klärung geboten (vgl. BVerwG, U.v. 30.5.2013 – 2 C 68.11 – NVwZ 2013, 1619/1621, juris Rn. 23) bzw. welche Untersuchungen ausweislich der vorgelegten Bescheinigungen ganz oder teilweise entbehrlich sind (BVerwG, B.v. 10.4.2014 – 2 B 80/13 – juris Rn. 11). Anhaltspunkte, die eine allgemein-ärztliche Untersuchung rechtfertigen würden, finden sich in den Akten nicht. Neben den Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen im psychiatrischen Bereich ist lediglich ein Attest eines Internisten (nicht Allgemeinmediziners) für einen bereits länger zurückliegenden Zeitraum (. Februar 2022 bis … April 2022) enthalten.
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bb) Unabhängig von der Frage, ob neben der psychiatrischen Untersuchung auch genügender Anlass für die Anordnung einer allgemein-ärztlichen Untersuchung gegeben sein sollte, ist jedenfalls der Umfang der Untersuchungsanordnung sowohl mit Blick auf die allgemein-ärztliche als auch die psychiatrische Untersuchung zu unbestimmt. In der Untersuchungsanordnung ist nicht in Grundzügen bestimmt, welche ärztlichen Untersuchungen im Rahmen der allgemein-ärztlichen und der psychiatrischen Untersuchung zur endgültigen Klärung des körperlichen Zustands und der Gesundheit der Antragstellerin als geboten angesehen werden. Mithin war es der Antragstellerin nicht möglich, die Berechtigung der Anordnung zu prüfen und die voraussichtliche Reichweite des zu erwartenden Eingriffs in ihre körperliche Unversehrtheit und ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht zu ermessen.
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Zwar dürfte der Antragsgegner nicht verpflichtet sein, in der Aufforderung bereits anzugeben, welche Untersuchungen im Einzelnen durchgeführt werden sollen (vgl. BayVGH, B.v. 22.9.2015 – 3 CE 15.1042 – juris Rn. 42; OVG Berlin-Bbg, B.v. 10.6.2015 – OVG 4 S 6.15 – juris Rn. 17). Es begegnet auch keinen rechtlichen Bedenken, wenn der Amtsarzt je nach Art der Gesundheitsstörung Schwerpunkte setzt und nach Erforderlichkeit bestimmte Untersuchungsmaßnahmen (z.B. Bluttests oder Leistungstests) durchführt (vgl. OVG Berlin-Bbg, B.v. 2.11.2015 – OVG 4 S 34.15 – juris Rn. 7). Eine detaillierte Festschreibung des Untersuchungsablaufs scheidet schon wegen der Ergebnisoffenheit der Begutachtung, die gerade wegen sonst nicht aufklärbarer Zweifel an der Dienstfähigkeit angeordnet wird, aus (vgl. BayVGH, B.v. 18.2.2016 – 3 CE 15.2768 – juris Rn. 31).
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Gleichwohl muss sich der Dienstherr nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts „in den Grundzügen“ Klarheit darüber verschaffen, in welcher Hinsicht Zweifel am körperlichen Zustand oder der Gesundheit des Beamten bestehen und welche ärztlichen Untersuchungen zur endgültigen Klärung geboten sind (vgl. BVerwG, U.v. 30.5.2013 – 2 C 68.11 – NVwZ 2013, 1619/1621, juris Rn. 23; B.v. 10.4.2014 – 2 B 80.13 – ZBR 2014, 254 juris Rn.10 m.w.N.; OVG Berlin-Bbg, B.v. 2.11.2015 – OVG 4 S 34.15 – juris Rn. 6). Die in diesem Prozess gewonnenen Erkenntnisse muss er dem betroffenen Beamten nachvollziehbar in der Untersuchungsanordnung vermitteln, um ihn zu befähigen, die Berechtigung der Anordnung unter diesen Gesichtspunkten prüfen und die voraussichtliche Reichweite des zu erwartenden Eingriffs in seine körperliche Unversehrtheit und sein allgemeines Persönlichkeitsrecht ermessen zu können (vgl. BayVGH, B.v. 18.2.2016 – 3 CE 15.2768 – juris Rn. 23; B.v. 28.3.2022 – 3 CE 22.508 – BayVBl 2022, 453, juris Rn. 23).
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Diesen Anforderungen ist der Antragsgegner nicht gerecht geworden. Mithin wird es der Antragstellerin nicht ermöglicht, die voraussichtliche Reichweite des zu erwartenden Eingriffs in ihre körperliche Unversehrtheit und ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht ermessen zu können. Es wäre rechtlich geboten gewesen, den Untersuchungsablauf jedenfalls in groben Zügen zu skizzieren. Denn für die Antragstellerin ist nicht ersichtlich, aus welchen groben Bestandteilen sich die Untersuchung zusammensetzt. Es ist insbesondere nicht erkennbar, ob sich die amtsärztliche Untersuchung auf ein amtsärztliches Anamnesegespräch beschränkt, oder ob die Beamtin grundrechtsintensivere Maßnahmen wie körperliche und technische (z.B. Röntgen, Ultraschall, Blutabnahme) Untersuchungen zu erwarten hat (vgl. OVG Berlin-Bbg, B.v. 2.11.2015 – OVG 4 S 34.15 – juris Rn. 6). Die Untersuchungsanordnung enthält – in Abgrenzung zu Ausführungen im Einzelfall – auch keine formularmäßigen Ausführungen zu Art und Umfang der Untersuchung, die als solche wohl noch geeignet wären, Art und Umfang der Untersuchung zu umreißen (vgl. OVG NW, B.v. 19.4.2016 – 1 B 307/16 – IÖD 2016, 134, juris Rn. 22 f. zur Formulierung „Besondere Hinweise: Zu der Untersuchung gehört ein ausführliches Gespräch mit der Erhebung der körperlichen Untersuchungsbefunde. Im Einzelfall können zusätzliche Untersuchungen wie Blutabnahme oder die Durchführung eines EKG's erforderlich sein“). Die Anordnung ist hinsichtlich des Umfangs der Untersuchung offengehalten und ließe so eine allgemein-ärztliche sowie psychiatrische amtsärztliche Untersuchung in jedem Umfang zulasten der Antragstellerin zu.
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Da die Antragstellerin dem Dienstherrn die Diagnose ihrer Erkrankung („Burn-Out“) offengelegt hat, wäre der Dienstherr ohne weiteres in der Lage gewesen, die voraussichtlichen Bestandteile der Untersuchung in der Untersuchungsanordnung anzugeben, um die Antragstellerin darauf vorzubereiten, „was diese erwartet“ (VG München, B.v. 8.12.2022 – M 5 E 22.5000 – juris Rn. 44). In der näheren Bestimmung des Untersuchungsinhalts sieht die Kammer keine bloße Förmelei (so jedoch OVG NW (6. Senat), B.v. 14.4.2023 – 6 B 205/23 – juris Rn. 18; anders OVG NW (1. Senat), B.v. 21.11.2022 – 1 A 1314/19 – juris Rn. 47, 77 ff., 80 ff.). Vielmehr hat der Dienstherr im Rahmen der ihm zustehenden Möglichkeiten dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung zu tragen und hoheitliche Eingriffsmaßnahmen hinreichend bestimmt auszugestalten. Mithin ist es die Aufgabe des Dienstherrn, die Grenze für die Untersuchungsbefugnisse des Amtsarztes klar zu definieren. Diese Grenze muss auch für den betroffenen Beamten erkennbar sein. Denn es liegt für den Beamten – auch bei einer allgemein-ärztlichen Untersuchung – nicht von vornherein auf der Hand, welche Untersuchungsbefugnisse von einer solchen Untersuchung umfasst sind. Es ist dem Dienstherrn auch zumutbar, die voraussichtlich zu erwartenden Elemente der Untersuchung grob zu skizzieren bzw. die in Betracht kommenden Untersuchungen beispielhaft – im Einzelfall oder auch in Form eines Merkblatts – aufzulisten, um dem Betroffenen einen Eindruck von der Intensität des bevorstehenden Grundrechtseingriffs zu vermitteln (vgl. VG München, B.v. 11.8.2017 – M 5 E 17.2578 – juris Rn. 39 zu: „Erfragung der Krankengeschichte, in der Regel körperliche Untersuchung und ggf. weitere technische Untersuchungen (z.B. Röntgen, Ultraschall, Blutabnahme)“; ähnlich: „ausführliches Gespräch mit der Erhebung körperlicher Untersuchungsbefunde“ sowie „zusätzlichen Untersuchungen wie Blutabnahme und EKG“, OVG NW, B.v. 18.2.2016 – 1 B 1414/15 – juris). Sollte dies im Einzelfall gänzlich ausgeschlossen sein, hat der Dienstherr die Untersuchung explizit auf weniger eingriffsintensive Maßnahmen zu beschränken (vgl. zur „orientierenden Erstuntersuchung“ OVG NW, B.v. 12.12.2017 – 1 B 1470/17 – NVwZ-RR 2018, 576, juris LS und Rn. 40 ff.).
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Eine eingrenzende Vorgabe zum Umfang der amtsärztlichen allgemein-medizinischen und psychiatrischen Untersuchung enthält die Untersuchungsanordnung vom … März 2023 nicht. Insbesondere ist die Vorgabe auf der Terminbestimmung der Untersuchungsstelle vom … März 2023, die Untersuchung nur nach Aktenlage durchzuführen, nicht geeignet, den Umfang der Untersuchungsanordnung zu beschränken. Die Untersuchungsanordnung selbst nimmt eine Eingrenzung auf eine Untersuchung nach Aktenlage gerade nicht vor.
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Die Untersuchung kann potentiell je nach den ihr zugrundeliegenden Bestandteilen und anzuwendenden Verfahren in unterschiedlichem Maß in die körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 des Grundgesetzes für die Bunderepublik Deutschland – Grundgesetz/GG) und das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) der zu untersuchenden Person eingreifen. Da der Umfang dieser Untersuchung unklar bleibt, ist der Antragstellerin wie dem Gericht eine Prüfung am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verwehrt (dazu BayVGH, B.v. 14.1.2014 – 6 CE 13.2352 – juris Rn. 10). Die Antragstellerin konnte als medizinische Laiin gerade nicht wissen, was sie erwartet.
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5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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6. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG), wobei im Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes nur die Hälfte des Wertes eines Hauptsacheverfahrens festzusetzen ist.