Titel:
Unzulässige Klage, Versammlungsrecht, Fortsetzungsfeststellungsklage, Klagebefugnis (verneint)
Normenketten:
VwGO § 113 Abs. 1 S. 4
VwGO § 42 Abs. 2
Schlagworte:
Unzulässige Klage, Versammlungsrecht, Fortsetzungsfeststellungsklage, Klagebefugnis (verneint)
Fundstelle:
BeckRS 2023, 21874
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Tatbestand
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Der Kläger begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit eines Versammlungsverbots.
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Unter dem 11. August 2020 zeigte der Kläger als Veranstalter eine sich fortbewegende Versammlung der Vereinigung „Querdenken089“ mit dem Thema „Frieden, Freiheit und Gesundheit“ für den … September 2020 in … an. Die Versammlung mit 500 erwarteten Teilnehmern sollte um 12:00 Uhr auf dem …platz beginnen, sich über den … Altstadtring fortbewegen und um 15:30 Uhr auf dem …platz enden. Geplant waren eine Auftaktkundgebung am …platz sowie drei Zwischenkundgebungen.
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Mit Bescheid vom 10. September 2020 untersagte die Beklagte die Versammlung aus Gründen des Infektionsschutzes wegen der Corona-Pandemie. Auf die Begründung des Bescheids wird Bezug genommen.
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Mit Beschluss vom 11. September 2020 (M 13 E 20.4261 – juris) lehnte das Verwaltungsgericht München den Antrag des Klägers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der (noch zu erhebenden) Klage ab. In Abänderung dieses Beschlusses ordnete der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) mit Beschluss vom gleichen Tag (10 CS 20.2063 – juris) die aufschiebende Wirkung einer noch zu erhebenden Klage gegen den Bescheid vom 10. September 2020 mit der Maßgabe an, dass der Kläger eine sich fortbewegende Versammlung mit maximal 500 Teilnehmern mit Startpunkt …platz und Endpunkt … (ohne Auftakt- und Zwischenkundgebungen) durchführen dürfe. Im Übrigen wurde die Beschwerde zurückgewiesen. Hintergrund für die Festlegung des Endpunkts an der … war, dass eine weitere am gleichen Tag im Anschluss geplante Versammlung der Vereinigung „Querdenken089“ mit dem gleichen Motto von der Beklagten vom …platz auf die … verlegt worden war, was vom VGH nicht beanstandet wurde (vgl. hierzu BayVGH, B.v. 11.9.2020 – 10 CS 20.2064 – juris sowie den Gerichtsbescheid der Kammer vom 26.4.2023 im Verfahren M 10 K 20.5085).
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Aufgrund des Beschlusses des VGH erließ das Polizeipräsidium … am 12. September 2020 beschränkende Verfügungen für die Durchführung der Versammlung. Dadurch wurden insbesondere die vom VGH gemachten Vorgaben umgesetzt, die Streckenführung angepasst sowie infektionsschutzrechtliche Anordnungen getroffen. Das Polizeipräsidium … begründete seine Zuständigkeit mit einem unaufschiebbaren Fall (Art. 24 Abs. 2 Satz 2 Bayerisches Versammlungsgesetz – BayVersG). Auf die Begründung des Bescheids wird im Übrigen Bezug genommen.
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Der Kläger hat mit Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 12. Oktober 2020, eingegangen bei dem Verwaltungsgericht München am gleichen Tag, Klage erhoben. Er beantragt,
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Es wird festgestellt, dass der Bescheid der Beklagten vom 10. September 2020 rechtswidrig war.
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Der angegriffene Bescheid habe erheblich in die Versammlungsfreiheit des Klägers eingegriffen. Ferner seien im Verfahren komplexe tatsächliche und rechtliche Fragen zu klären.
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Mit Schriftsatz vom 15. April 2023 beantragt die Beklagte sinngemäß:
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Die Klage wird abgewiesen.
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Die Klage sei unbegründet, da der angegriffene Bescheid der Beklagten rechtmäßig sei, was im Einzelnen ausgeführt wird.
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Bereits mit Schreiben vom 20. März 2023, zugestellt am 25. und 28. März 2023, wurden die Beteiligten zur beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakten, auch im Verfahren M 13 E 20.4261, sowie die vorgelegte Behördenakte verwiesen.
Entscheidungsgründe
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1. Über die Klage kann nach vorheriger Anhörung der Beteiligten durch Gerichtsbescheid entschieden werden, da sie keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 84 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
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2. Die Klage bleibt ohne Erfolg. Die erhobene Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog ist bereits unzulässig, da die Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO nicht gegeben ist.
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Auch die Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog erfordert das Vorliegen einer Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO. Ein Ziel, das mit der Anfechtungsklage nicht hätte erreicht werden können, ist auch mit einer Fortsetzungsfeststellungsklage, die wegen der Erledigung des Verwaltungsakts vor Klageerhebung an deren Stelle tritt, nicht mehr zu verwirklichen (vgl. hierzu: Schübel-Pfister in Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 16. Aufl. 2022, § 113 VwGO Rn. 94).
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Im konkreten Fall fehlt die Klagebefugnis, da eine Rechtsverletzung des Klägers durch den mit der Fortsetzungsfeststellungklage (allein) angegriffenen Bescheid der Beklagten vom 10. September 2020 nicht (mehr) möglich ist. Dieser Bescheid ist durch den Bescheid des Polizeipräsidiums … vom 12. September 2020 überholt und damit gegenstandslos geworden. Der streitgegenständliche Bescheid vom 10. September 2020, der die Versammlung untersagte, entfaltet schon aufgrund des späteren Bescheids des Polizeipräsidiums … vom 12. September 2020 keine Regelungswirkung mehr. Denn der Bescheid vom 12. September 2020 beinhaltete beschränkende Auflagen für die Durchführung der Versammlung, die durch den Beschluss des VGH vom 11. September 2020 ermöglicht worden war. Die Polizei war aufgrund der Unaufschiebbarkeit des Falls nach Art. 24 Abs. 2 Satz 2 BayVersG – die Versammlung sollte am gleichen Tag stattfinden – auch befugt, anstelle der Beklagten die entsprechenden versammlungsrechtlichen Anordnungen zu treffen. Der Kläger war deswegen unabhängig von einer Erledigung durch Zeitablauf (Verstreichen des Versammlungstermins) bereits aufgrund des neuen Bescheids vom 12. September 2020 durch den ursprünglichen Bescheid vom 10. September 2020 nicht mehr beschwert. Vielmehr wäre ggf. gesondert Rechtsschutz gegen den Bescheid des Polizeipräsidiums … vom 12. September 2020 zu suchen gewesen.
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Angesichts dessen kommt es auf die Frage des Vorliegens eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses nicht mehr entscheidungserheblich an.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 1 Satz 3, § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung fußt auf § 84 Abs. 1 Satz 3, § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.