Titel:
Erfolgloser Abänderungsantrag eines die Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Asylklage ablehnenden Eilbeschlusses (Syrien)
Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 7 S. 2
GG Art. 19 Abs. 4
Leitsätze:
1. Ein Abänderungsantrag bzgl. eines Eilbeschlusses dient allein der Möglichkeit, einer nachträglichen Änderung der Sach- und Rechtslage Rechnung zu tragen und kann nur damit begründet werden, dass sich entscheidungserhebliche Umstände, auf denen die ursprüngliche Entscheidung beruhte, geändert haben oder im ursprünglichen Verfahren nicht geltend gemacht werden konnten. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Änderung der Sach- oder Rechtslage tritt nicht zwangsläufig deshalb ein, weil im Klageverfahren das Berufungsgericht die Berufung gegen das klageabweisende Urteil zugelassen hat. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Abänderungsantrag, nachträgliche Änderung der Sach- und Rechtslage aufgrund der Zulassung der Berufung durch den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof in einem anderen Fall wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (verneint), Eilverfahren, Asylverfahren, Syrien, unzulässiger Asylantrag, Abschiebungandrohung, Bulgarien, Hauptsacheverfahren, Berufungszulassung
Fundstelle:
BeckRS 2023, 21652
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
Gründe
1
Der Antragsteller begehrt die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen die Nummer 3 des Bescheides vom 13.04.2023 des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden Bundesamt) (Az. B 7 K 23.30378) unter Änderung des ablehnenden Beschlusses des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 09.05.2023 (Az. B 4 S 23.30377) anzuordnen.
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1. Der Antragsteller ist syrischer Staatsangehöriger, vom Volke der Araber und islamischer Religionszugehörigkeit.
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Mit Bescheid vom 13.04.2023 hat das Bundesamt den Asylantrag des Antragstellers als unzulässig abgelehnt (Nr. 1), festgestellt, dass keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen (Nr. 2) und die Abschiebung nach Bulgarien angedroht (Nr. 3). Gegen diesen Bescheid hat der Antragsteller mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 26.04.2023 Klage erhoben (Az. B 4 K 23.30378) und einen Eilantrag eingelegt (B 4 S 23.30377). Das Verwaltungsgericht hat mit Beschluss vom 09.05.2023 den Eilantrag abgelehnt. Die siebte Kammer des Verwaltungsgerichts Bayreuth hat das Klageverfahren zum 01.07.2023, unter dem Aktenzeichen B 7 K 23.30378, übernommen.
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2. Mit Schriftsatz vom 03.08.2023 hat der Antragsteller durch seine Prozessbevollmächtigte einen Abänderungsantrag eingelegt und beantragt,
unter Abänderung des Beschlusses des VG Bayreuth vom 09.05.2023, B 4 S 23.30377 die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Ziffer 3) des Bescheids vom 13.04.2023 anzuordnen.
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Im Wesentlichen hat die Prozessbevollmächtigte vorgetragen, dass ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung bestünden. Zum einen sei der Zugang des Antragstellers zu effektivem Rechtschutz gem. Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG zu wahren. Die endgültige Klärung der aufgeworfenen Fragen im Klageverfahren von Bulgarien aus zu betreiben, würde für den Kläger eine unzumutbare Hürde für die Gewährung effektiven Rechtsschutzes darstellen. Zudem habe der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in einem vergleichbaren Fall die Berufung zugelassen (BayVGH, B.v. 31.7.2023 – 24 ZB 22.31060).
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Das Bundesamt hat für die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag nach § 80 Abs. 7 VwGO abzulehnen, da die vorgebrachten Gründe keine Änderung des Beschlusses vom 09.05.2023 rechtfertigten. Es seien keine veränderten Umstände zu erkennen.
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Entsprechend § 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO verweist das Gericht wegen der Einzelheiten auf die Gerichtsakte sowie die in elektronischer Form vorgelegte Behördenakte. Es hat die Gerichtsakte zum Verfahren B 4 S 23.30377 sowie B 7 K 23.30378 zum vorliegenden Verfahren beigezogen.
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Der zulässige Antrag hat in der Sache keinen Erfolg.
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Inmitten steht ein Verfahren nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO. Danach kann jeder Beteiligte die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
10
Das Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO dient nicht in der Art eines Rechtsmittelverfahrens der Überprüfung, ob die vorangegangene Entscheidung formell und materiell richtig ist. Es dient allein der Möglichkeit, einer nachträglichen Änderung der Sach- und Rechtslage Rechnung zu tragen. Prüfungsmaßstab für die Entscheidung ist daher allein, ob nach der jetzigen Sach- und Rechtslage die Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage geboten ist. Soweit ein Beteiligter den Antrag stellt, kann der Antrag nur damit begründet werden, dass sich entscheidungserhebliche Umstände, auf denen die ursprüngliche Entscheidung beruhte, geändert haben oder im ursprünglichen Verfahren nicht geltend gemacht werden konnten (§ 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO). Prozessrechtliche Voraussetzung für die Ausübung der dem Gericht der Hauptsache eröffneten Abänderungsbefugnis ist somit eine Änderung der maßgeblichen Umstände, auf die die frühere Entscheidung gestützt war. Liegt eine derartige Änderung nicht vor, ist dem Gericht eine Entscheidung in der Sache verwehrt, weil sie auf eine unzulässige Rechtsmittelentscheidung hinausliefe (vgl. BVerwG, B.v. 25.8.2008 – 2 VR 1/08 – juris Rn. 5 ff.).
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Gemessen daran ist der Antrag unbegründet. Eine im o.g. Sinne beachtliche Änderung der Sach- und Rechtslage, die eine Änderung des ergangenen Beschlusses rechtfertigen würde, macht der Antragsteller nicht geltend; sie ist auch nicht ersichtlich.
12
Eine derartige Änderung der Sach- oder Rechtslage tritt nicht zwangsläufig deshalb ein, weil der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit seinem Beschluss (B.v. 31.7.2023 – 24 ZB 22.31060) die Berufung gegen ein klageabweisendes Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg (U.v. 6.9.2022 – RN 11 K 22.30161) zugelassen hat. Denn die Zulassung der Berufung – die als Zulassungsgrund die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache benennt – besagt als solche nichts über deren Erfolgsaussicht (vgl. hierzu BVerwG B.v. 24.3.1994 – 1 B 134/93 – juris Rn. 3).
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Eine weitere Änderung der Sach- bzw. Rechtslage hat die Prozessbevollmächtige des Antragstellers nicht dargelegt. Sie hat lediglich ihre Rechtsmeinung ausgeführt, weshalb der Antragsteller in seinem Zugang zu effektivem Rechtsschutz gem. Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG beeinträchtigt sein könnte. Dies stellt aber keine Änderung der maßgeblichen Umstände dar, auf die die frühere Entscheidung gestützt war.
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Das Gericht weist – unabhängig davon, dass der Abänderungsantrag unbegründet ist – darauf hin, dass, ungeachtet der o.g. Berufungszulassung, die siebte Kammer, nach ständiger Rechtsprechung in laufenden Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO, nicht davon ausgeht, dass eine Rückkehr von in Bulgarien anerkannt Schutzberechtigten nach Bulgarien unzumutbar wäre, wobei freilich auch die Umstände des konkreten Einzelfalls in den Blick zu nehmen sind (vgl. VG Bayreuth, B.v. 1.8.2023 – B 7 S 23.30606 – zur Veröffentlichung vorgesehen).
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Nach alledem ist der Antrag mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 83b AsylG.
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Dieser Beschluss ist gem. § 80 AsylG unanfechtbar.