Inhalt

VG Bayreuth, Urteil v. 28.04.2023 – B 3 K 22.189
Titel:

Anerkennung von Prüfungsleistungen, Prüfung bei der Virtuellen, Hochschule Bayern (VHB), Vergleichbarkeit von Prüfungsleistungen

Normenketten:
BayHSchG Art. 63
BayHIG Art. 86
Schlagworte:
Anerkennung von Prüfungsleistungen, Prüfung bei der Virtuellen, Hochschule Bayern (VHB), Vergleichbarkeit von Prüfungsleistungen
Fundstelle:
BeckRS 2023, 21639

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist in seiner Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 v.H. des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 v.H. des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.   

Tatbestand

1
Gegenstand des Verfahrens ist ein Streit um die Anerkennung von Kompetenzen der Klägerin im Rahmen des Bachelorstudiengangs „Recht und Wirtschaft (LL.B.)“ der Beklagten. Die Klägerin begehrt die Anerkennung einer an der Virtuellen Hochschule Bayern (VHB) erbrachten Prüfungsleistung zur Lehrveranstaltung „Sachenrecht (Allgemeines und Mobilien)“. Ein entsprechender Antrag wurde seitens der Beklagten mit Bescheid vom 31.01.2022 abgelehnt.
2
Die Klägerin ist seit dem Wintersemester 2018/19 bei der Beklagten als Studentin eingeschrieben und studiert den Bachelorstudiengang Recht und Wirtschaft (LL.B.). Im Modul Zivilrecht III des Studiengangs hat die Klägerin die Prüfung „Sachenrecht“ im Erstversuch (Prüfung im Wintersemester 2019/20 am 21.02.2020; Note: 5,0) sowie im ersten Wiederholungsversuch (Prüfung am 17.02.2021 im Wintersemester 2020/21; Note: 5,0) nicht bestanden. Letztere Prüfung im Wintersemester 2020/21, an der die Klägerin erfolglos teilgenommen hat, fand als Einsendeklausur ohne Prüfungsaufsicht statt. Als Hilfsmittel waren u.a. Kommentare und Lehrbücher zulässig. Im gleichen Semester wurde seitens der VHB ein Leistungsnachweis angeboten, der ebenfalls durch eine Einsendeklausur zu erbringen war. Diese VHB-Klausur im Wintersemester 2020/21 wurde seitens der Beklagten in zwei bekannten Fällen für das Modul Zivilrecht III als gleichwertig anerkannt und angerechnet.
3
Im Sommersemester 2021 nahm die Klägerin an der Online-Veranstaltung „Sachenrecht (Allgemeines und Mobilien)“ der VHB teil. Dort erbrachte sie am 14.09.2021 einen Leistungsnachweis, der mit der Note 1,7 (juristische Notenskala: 11 Punkte) bewertet wurde. Bei dem erbrachten Leistungsnachweis handelte es sich um eine unbeaufsichtigte Einsendeklausur, die vom Bearbeiter zu Hause angefertigt und online eingereicht wurde. Die Prüfung entsprach von ihren Modalitäten der im Wintersemester 2020/21 angebotenen Prüfung der VHB. Die im gleichen Semester (Sommersemester 2021) von der Beklagten angebotene Nachholklausur „Sachenrecht“, u.a. angeboten für den Studiengang der Klägerin und für diesen als Wiederholungsversuch vorgesehen und als solcher anrechenbar, fand am 18.06.2021 als Präsenzklausur statt. Die Klägerin hat sich für diese Klausur weder angemeldet noch daran teilgenommen.
4
Mit Antrag vom 17.12.2021 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die „Anrechnung“ ihrer am 14.09.2021 erbrachten Prüfungsleistung für das Modul Zivilrecht III ihres Studiengangs bei der Beklagten.
5
Der Anrechnungsantrag wurde vom Prüfungsausschuss – im Einvernehmen mit dem Modulverantwortlichen – mit Bescheid vom 31.01.2022 abgelehnt. Der Bescheid wurde vom Vorsitzenden des Prüfungsausschusses für den Bachelorstudiengang Recht und Wirtschaft unterzeichnet. Zur Begründung der Ablehnung wurde ausgeführt, die am 14.09.2021 erbrachte Klausur im Sachenrecht weise bezüglich der Prüfungsform wesentliche Unterschiede zum Modul ZR III auf, da die Klausur als Einsendeklausur nicht unter Aufsicht geschrieben worden sei und somit keine vergleichbare zeitliche Begrenzung der Bearbeitungszeit bestanden habe. Außerdem hätten aufgrund der fehlenden Aufsicht bei der Anfertigung der Klausur Hilfsmittel wie Kommentare und ggf. auch fremde Hilfe genutzt werden können. Im Übrigen habe kein sachlicher Grund dafür bestanden, die Klausur als Einsendeklausur im Rahmen der VHB abzulegen, da die Prüfungsleistung als Präsenzklausur in … am 18.06.2021 angeboten worden sei, worauf der zuständige Lehrstuhl am 19.04.2021 hingewiesen habe. Eine Anrechnung sei daher nicht möglich. Mit E-Mail vom 10.02.2022 teilte der Vorsitzende des Prüfungsausschusses der Klägerin ergänzend mit, dass nach der maßgeblichen Fassung der für die Klägerin geltenden Prüfungsordnung die Frist für die Stellung des Anrechnungsantrags nicht gewahrt worden sei.
6
Mit Schreiben vom 21.02.2022 beantragte die Klägerin über ihre Bevollmächtigte die Überprüfung der Entscheidung durch die Hochschulleitung gemäß § 21 Abs. 2 Satz 5 der Prüfungs- und Studienordnung (PSO). Mit Schreiben vom 17.03.2022 wurde diesbezüglich seitens der Beklagten mitgeteilt, dass dem Prüfungsausschuss durch die Hochschulleitung empfohlen worden sei, die getroffene Entscheidung vom 31.01.2022 zunächst aufrechtzuerhalten und den Ausgang des mittlerweile anhängigen Klageverfahrens abzuwarten.
7
Mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 24.02.2022 erhob die Klägerin Klage gegen den Bescheid vom 31.01.2022.
8
Die Klägerseite beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 31.01.2022 zu verpflichten, die von der Klägerin am 14.09.2021 erbrachte Klausur zur Lehrveranstaltung Sachenrecht zum Modul ZR III anzuerkennen.
9
Zur Begründung wurde mit Schriftsatz vom 30.03.2022 sinngemäß ausgeführt, die Klage sei zulässig und begründet. Der Bescheid vom 31.01.2022 sei rechtswidrig und verletze die Klägerin in ihren Rechten. Die Klägerin habe einen Anspruch auf Anrechnung der von ihr am 14.09.2021 erbrachten Prüfungsleistung. Rechtsgrundlage für die Anrechnung von Kompetenzen sei § 21 Abs. 1 PSO i.V.m. Art. 63 Abs. 1 des Bayerischen Hochschulgesetzes (BayHSchG). Der Bescheid der Beklagten vom 31.01.2022 sei bereits formell rechtswidrig. Es sei nicht ersichtlich, ob der Prüfungsausschuss zur Entscheidung über den Antrag der Klägerin vom 17.12.2021 ordnungsgemäß einberufen worden sei. Ebenso bleibe unklar, ob der Prüfungsausschuss überhaupt beschlussfähig gewesen sei, was mit Nichtwissen bestritten werde. Darüber hinaus sei eine – gemäß Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG erforderliche – Anhörung der Klägerin nicht erfolgt. Der Bescheid sei daneben auch materiell rechtswidrig, da die Beklagte die gesetzlichen Vorgaben des Art. 63 Abs. 1 BayHSchG missachtet habe. Es seien vorliegend hinsichtlich der zu vergleichenden Kompetenzen keine wesentlichen Unterschiede gegeben, womit ein Rechtsanspruch auf Anrechnung bestehe. Der Wortlaut des Art. 63 Abs. 1 BayHSchG sei eindeutig. Die Anrechnung von Prüfungsleistungen ziele auf den Erwerb der Kompetenzen ab und nicht auf die Frage der jeweiligen Prüfungsform. Es komme ausschließlich darauf an, dass die erworbenen Fertigkeiten und Fähigkeiten sich nicht wesentlich unterschieden. Dies verkenne die Beklagte, indem sie allein auf die Prüfungsform abstelle und unberücksichtigt lasse, dass die Prüfungsdauer der Klausur vom 14.09.2021 120 Minuten betragen habe, diese mithin unter Zeitdruck habe angefertigt werden müssen. Die von der Klägerin absolvierte Klausur habe deckungsgleich auf den Inhalten des Moduls Zivilrecht III basiert, so dass die Klägerin die erforderlichen Lernergebnisse erworben habe. Wesentliche Unterschiede hinsichtlich der erworbenen Kompetenzen bestünden in Bezug auf die von der Beklagten am 18.06.2021 angebotene Präsenzklausur nicht. Auch das Argument der Beklagten, dass die Klausur in Präsenzform am 18.06.2021 bei ihr angeboten worden sei, gehe für die materiell-rechtliche Betrachtung der Anrechnung von Kompetenzen ins Leere und stelle sich zudem als ungerechtfertigter Eingriff in die Berufsfreiheit der Klägerin dar. Ein Prüfling müsse eine Prüfung nicht noch einmal ablegen, wenn er die in dieser Prüfung geforderten Kenntnisse und Kompetenzen bereits nachgewiesen habe. Ob dieser Nachweis an einer anderen Hochschule erbracht worden sei oder an derselben Hochschule in einem anderen Studiengang, könne keinen Unterschied machen. Die VHB werde anderen Hochschulen im Freistaat Bayern insoweit – auch gesetzgeberisch – gleichgestellt. Die Form der Prüfungsleistung habe pandemiebedingt zur Wahl der Klägerin gestanden. Das Argument der Beklagten, dass die Studierenden nur die Prüfungsleistung in Präsenzform hätten ablegen dürfen, sei rechtsfehlerhaft. Die Klägerin könne die begehrte Anrechnung zudem auch unter Berufung auf den Gleichbehandlungsgrundsatz erstreiten, da die Beklagte in zwei anderen, gleichgelagerten Fällen zu Gunsten der jeweiligen Antragsteller entschieden habe. Eine sachliche Rechtfertigung für die Ungleichbehandlung liege nicht vor.
10
Mit Schriftsatz vom 18.04.2023 wurde seitens der Klägerin ergänzend vorgetragen, die Beklagte habe bei Erlass des Bescheides vom 31.01.2022 auch gegen ihre eigenen Richtlinien und die eigene Verfahrenspraxis verstoßen. Dies ergebe sich u.a. aus einem Informationsschreiben für die Studierenden und Interessenten des Bachelorstudiengangs Recht und Wirtschaft sowie aus der Richtlinie des Prüfungsausschusses des besagten Studiengangs zur Anerkennung und Anrechnung von Kompetenzen. Prüfungsleistungen seien demnach anzuerkennen, sofern keine wesentlichen Unterschiede hinsichtlich der erworbenen Kompetenzen (Lernergebnisse) bestünden. Von einer Differenzierung im Hinblick auf die Form der Durchführung der Lehrveranstaltung sei hingegen keine Rede. In dem Formular der Beklagten zum Antrag auf Anerkennung werde sodann noch auf die Prüfungsleistung „ZR III: Sachenrecht“ und „Sachenrecht“ verwiesen. Entgegen des bisherigen Vortrags der Beklagten erfolge bei der Entscheidung über die Anrechnung nicht mehr ein unmittelbarer Vergleich konkreter Inhalte oder formaler Elemente (etwa Dauer, Zahl der Leistungspunkte, Art der Lehrveranstaltung), sondern es komme ausschließlich darauf an, dass die erworbenen Fertigkeiten und Fähigkeiten sich nicht wesentlich unterschieden. Die Beklagte selbst habe die normativen hochschulrechtlichen Vorgaben ihres Bundeslandes in ihrer Richtlinie und internen Erlassen manifestiert, agiere jedoch im vorliegenden Einzelfall rechtswidrig dagegen.
11
Die Beklagtenseite beantragt,
die Klage abzuweisen.
12
Die Klage sei unbegründet. Der ablehnende Bescheid vom 31.01.2022 sei zunächst formell rechtmäßig ergangen. Über das Vorliegen der Voraussetzungen für die Anrechnung entscheide nach § 21 Abs. 2 Satz 4 PSO der Prüfungsausschuss im Einvernehmen mit dem zuständigen Modulverantwortlichen. Nach § 5 Abs. 3 Satz 5 PSO könne der Prüfungsausschuss aber dem Vorsitzenden die Erledigung einzelner Aufgaben widerruflich übertragen, wie in Bezug auf die Anrechnung von Prüfungsleistungen geschehen. Dies sei im Hinblick auf die Vielzahl der Anrechnungsentscheidungen auch sachlich gerechtfertigt. Es handele sich hierbei um regelmäßig auftretende laufende Angelegenheiten und eine Befassung des Prüfungsausschusses würde zu einer erheblichen zeitlichen Verzögerung führen. Ein Verstoß gegen die Anhörungspflicht nach Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG liege nicht vor, da der Klägerin vor Erlass der Ablehnungsentscheidung ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden sei. Abgesehen davon sei jedenfalls eine Heilung gemäß Art. 45 Abs. 1 Nr. 2 BayVwVfG erfolgt. Der Bescheid vom 31.01.2022 sei auch materiell rechtmäßig ergangen. Die Anerkennung von Kompetenzen (Lernergebnissen) bestimme sich nach § 21 Abs. 1 PSO i.V.m. Art. 63 BayHSchG. Einer Anerkennung der streitgegenständlichen Leistung stehe vorliegend bereits entgegen, dass die Klägerin die für den Anrechnungsantrag maßgebliche Frist des § 21 Abs. 3 Satz 1 PSO nicht eingehalten habe. Die Frist des § 21 Abs. 3 Satz 1 PSO binde den Prüfungsausschuss und dessen Vorsitzenden als Normanwender. Sie sei vom Normgeber eindeutig festgelegt worden und diene der Prüfungsgerechtigkeit nach Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG. Die Fristversäumnis für die Stellung des Anrechnungsantrages sei allein auf das Verhalten der Klägerin zurückzuführen. Der Antrag vom 17.12.2021 auf Anerkennung sei aber auch deshalb abzulehnen gewesen, da wesentliche Unterschiede zwischen den erworbenen Kompetenzen bestünden. Die am 14.09.2021 erbrachte Klausur weise wesentliche Unterschiede in Bezug auf die Prüfungsform auf, da die Klausur nicht als Klausur unter Aufsicht, sondern als Einsendeklausur geschrieben worden sei. Es habe somit aufgrund der Nichtkontrolle der Bearbeitungszeit keine vergleichbare zeitliche Begrenzung der Bearbeitungszeit bestanden. Aufgrund der fehlenden Aufsicht hätten außerdem Hilfsmittel wie Kommentare und ggf. auch fremde Hilfe genutzt werden können. Des Weiteren hätten keine sachlichen Gründe für die Ablegung als Einsendeklausur im Rahmen der VHB bestanden, weil die Prüfungsleistung als Präsenzklausur in … am 18.06.2021 angeboten worden sei, worauf der zuständige Lehrstuhl auch hingewiesen habe. Daher liege ein wesentlicher Unterscheid vor. Auch unter Berufung auf einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz gemäß Art. 3 Abs. 1 GG könne ein Anspruch auf Anerkennung der streitgegenständlichen Klausur nicht hergeleitet werden. Selbst bei Vorliegen einer Ungleichbehandlung könne sich die Klägerin hierauf nicht berufen, da es kein Recht auf Gleichbehandlung im Unrecht gebe.
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Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte mitsamt Sitzungsprotokoll vom 28.04.2023 sowie auf den Inhalt der vorgelegten Behördenakte der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

14
I. Die als Verpflichtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 Halbs. 2 Alt. 1 VwGO (Versagungsgegenklage) statthafte Klage ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Die Ablehnung der beantragten Anerkennung war rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Anerkennung der von ihr bei der VHB erbrachten Prüfungsleistung für das Modul Zivilrecht III ihres Studiengangs bei der Beklagten.
15
Maßgeblich ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung. Nach § 21 Abs. 1 der Prüfungs- und Studienordnung für den Bachelorstudiengang Recht und Wirtschaft an der Universität … vom 20. Juni 2018 (in der Fassung der Sammeländerungssatzung vom 9. Januar 2023) bestimmen sich die Anerkennung und Anrechnung von Kompetenzen nach Art. 86 BayHIG. Diese letztgenannte Norm löste in ihrem Anwendungsbereich den insoweit bislang – bis zum 31.12.2022 – einschlägigen Art. 63 BayHSchG ab. Es geht vorliegend um die Anerkennung einer Prüfungsleistung. Hierfür findet sich die gesetzliche Grundlage in Art. 86 Abs. 1 BayHIG. Prüfungsleistungen, die an der VHB erbracht wurden, sind dabei in Art. 86 Abs. 1 Satz 2 BayHIG ausdrücklich genannt. Entsprechend der in Art. 86 Abs. 1 Satz 1 BayHIG genannten Studien- und Prüfungsleistungen sind derartige Prüfungsleistungen anzuerkennen, sofern hinsichtlich der erworbenen und der nachzuweisenden Kompetenzen keine wesentlichen Unterschiede bestehen (vgl. Art. 86 Abs. 1 Satz 1 und 2 BayHIG).
16
Vorliegend ist eine Anerkennung der von der Klägerin erbrachten Prüfungsleistung vom 14.09.2021 demnach ausgeschlossen, da im konkreten Fall hinsichtlich der erworbenen und nachzuweisenden Kompetenzen derartige wesentliche Unterschiede bestehen. Dabei kann zur Konkretisierung, worauf sich wesentliche Unterschiede beziehen können, die Anerkennungsrichtlinie der Beklagten (Richtlinie des Prüfungsausschusses des Bachelorstudiengangs Recht und Wirtschaft zur Anerkennung und Anrechnung von Kompetenzen vom 20.01.2023) herangezogen werden. Demnach sind wichtige Kriterien zur Beurteilung wesentlicher Unterschiede: Lernergebnisse sowie Qualität, Niveau, Profil und Umfang der Lehrveranstaltung (vgl. S. 1 der Richtlinie, vorgelegt als Anlage K 5, Bl. 156 ff. der Gerichtsakte).
17
1. Vor diesem Hintergrund ergeben sich wesentliche Unterschiede hinsichtlich der erworbenen Kompetenzen zunächst bezüglich des Umfangs der beiden Lehrveranstaltungen.
18
Die (Online-)Lehrveranstaltung „Sachenrecht (Allgemeines und Mobilien)“ der VHB, an der die Klägerin teilgenommen hat, ist seitens der VHB mit 5 ECTS-Punkten (= Leistungspunkte) und 2 SWS (Semesterwochenstunden) angesetzt. Demgegenüber wurden seitens der Beklagten für die Lehrveranstaltung Sachenrecht im Modul Zivilrecht III 8 Leistungspunkte sowie 6 SWS (Vorlesung: 4 SWS, Übung: 2 SWS) angesetzt. Der Vergleich der Leistungspunkte und SWS zeigt vorliegend einen deutlichen Unterschied im Umfang der beiden Lehrveranstaltungen. Dabei ist nicht der bloße Vergleich der Zahlen an sich entscheidend, sondern vielmehr der hierdurch zum Ausdruck kommende Unterschied im studentischen Arbeitsaufwand. ECTS-Punkte bzw. Leistungspunkte messen die zeitliche Gesamtbelastung der Studierenden. Sie umfassen sowohl den unmittelbaren Unterricht als auch die Zeit für die Vor- und Nachbereitung des Lehrstoffes im Präsenz- und Selbststudium sowie u.a. den Prüfungsaufwand und die Prüfungsvorbereitung. Ein Leistungspunkt spiegelt eine Arbeitsbelastung des Studierenden im Präsenz- und Selbststudium von 30 Stunden wider. Wie sich der Modulbeschreibung im Anhang der Prüfungsordnung entnehmen lässt, steht hinter den angegebenen 8 Leistungspunkten der Lehrveranstaltung Sachenrecht im Modul Zivilrecht III der Beklagten ein studentischer Arbeitsaufwand von insgesamt 240 Stunden, der sich aufgliedert in Vorlesung (60 Std.), Übung (30 Std.), Vor- und Nachbereitung (90 Std) sowie Klausurvorbereitung (60 Std.). Die Arbeitsbelastung im Rahmen der von der Klägerin besuchten Lehrveranstaltung bei der VHB ist hier deutlich geringer. Dies begründet bereits für sich einen wesentlichen Unterschied hinsichtlich der erworbenen Kompetenzen.
19
Der von der Klägerin im Rahmen bereits mehrfacher Prüfungsversuche geleistete Arbeitsaufwand, der im Gesamten sicherlich vergleichbar hoch war, kann insoweit bei der Betrachtung keine Rolle spielen. Erworbene – und nachzuweisende – Kompetenzen (vgl. Art. 86 Abs. 1 Satz 1 BayHIG) beruhen stets auf einer zusammenhängenden Gesamtheit von Lehrveranstaltung und abschließender Prüfung, durch deren Bestehen der Erwerb der Kompetenzen nachgewiesen wird. Wird eine Prüfung nicht bestanden, so sind die Kompetenzen der Lehrveranstaltung gerade nicht erworben und nachgewiesen.
20
2. Im vorliegenden Fall ergeben sich wesentliche Unterschiede zudem auch hinsichtlich des Inhalts der Lehrveranstaltungen und mithin hinsichtlich der erzielten Lernergebnisse.
21
Aus der Modulbeschreibung zur Lehrveranstaltung Sachenrecht (Modul ZR III) geht hervor, dass die Veranstaltung zum Ziel hat, die wesentlichen Regelungen sowohl des Mobiliar- als auch des Immobiliarsachenrechts zu vermitteln. Wie sich aus der Modulbeschreibung auch im Übrigen ergibt, ist das Immobiliarsachenrecht ein zentraler und wichtiger Bestandteil der Lehrveranstaltung. In dem Inhalt der VHB-Lehrveranstaltung „Sachenrecht (Allgemeines und Mobilien)“, an der die Klägerin teilgenommen hat, fehlt das Immobiliarsachenrecht vollständig. Entsprechend findet sich im Lehrangebot der VHB auch noch ein weiterer – das Sachenrecht betreffender – Kurs, benannt als „Einführung in das Immobiliarsachenrecht mit integrierter Übung“. Die von der Klägerin erfolgreich abgelegte und zur Anerkennung beantragte Prüfungsleistung vom 14.09.2021 bezog sich jedoch ausschließlich auf die erstgenannte Lehrveranstaltung. Das Immobiliarsachenrecht war in dieser Lehrveranstaltung nicht enthalten. Dies begründet bereits für sich einen – weiteren – gewichtigen wesentlichen Unterschied hinsichtlich der erworbenen Kompetenzen.
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3. Des Weiteren lassen sich im vorliegenden Fall wesentliche Unterschiede hinsichtlich der erworbenen Kompetenzen auch an den unterschiedlichen Prüfungsmodalitäten festmachen.
23
Die von der Klägerin erbrachte Prüfungsleistung vom 14.09.2021 wurde als unbeaufsichtigte Online-Klausur abgeliefert. Der Sachverhalt wurde den Klausurteilnehmern online zur Verfügung gestellt, konnte zu Hause bearbeitet werden und war per E-Mail einzureichen. Eine Schreibzeit- oder Hilfsmittelkontrolle gab es nicht (vgl. Anlage B 3, Bl. 114 der Gerichtsakte). Im Gegensatz hierzu fand die Nachholklausur Sachenrecht der Beklagten am 18.06.2021 als Präsenzklausur statt. Die Klausur war beaufsichtigt und hinsichtlich der Bearbeitungszeit (kontrolliert) zeitlich beschränkt. Die damit einhergehende Drucksituation einer überwachten Präsenzklausur bestand für die Klägerin bei ihrer Prüfungsleistung nicht. Im Rahmen einer unbeaufsichtigten Einsendeklausur ist zudem die Hilfe Dritter nicht ausgeschlossen. Ohne dass es hierauf entscheidungserheblich ankommt, begründen auch diese Umstände einen wesentlichen Unterschied hinsichtlich der erworbenen Kompetenzen.
24
4. Unabhängig vom Bestehen wesentlicher Unterschiede im Sinne von Art. 86 Abs. 1 Satz 1 BayHIG ist im konkreten Fall ein Anspruch der Klägerin auf Anerkennung ihrer bei der VHB erbrachten Prüfungsleistung auch aufgrund von § 15 PSO ausgeschlossen.
25
Die Klägerin hat die Prüfung „Sachenrecht“ im Modul Zivilrecht III im Erstversuch (Prüfung im Wintersemester 2019/20 am 21.02.2020; Note: 5,0) sowie im ersten Wiederholungsversuch (Prüfung am 17.02.2021 im Wintersemester 2020/21; Note: 5,0) nicht bestanden. Für den Fall der Wiederholung von im Bachelorstudiengang Recht und Wirtschaft abgelegten, nicht bestandenen Prüfungen sieht § 15 Abs. 1 Satz 3 PSO vor, dass derartige Prüfungen auch im Bachelorstudiengang Recht und Wirtschaft wiederholt werden müssen. § 15 PSO regelt als spezielle Regelung (lex specialis) die Fälle der Prüfungswiederholung und geht in seinem Anwendungsbereich der Regelung des § 21 PSO vor. Die Anerkennung anderweitig erbrachter Prüfungsleistungen ist im Fall der Wiederholung einer Prüfung damit ausgeschlossen. Dies ist sachlich gerechtfertigt, da sonst keine Kontrolle der Anzahl etwaiger Wiederholungsversuche (vgl. § 15 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 PSO) gewährleistet wäre. Deshalb müssen im Bachelorstudiengang Recht und Wirtschaft abgelegte, nicht bestandene Prüfungen im Studiengang der Beklagten selbst wiederholt werden. Die Anerkennung einer nach dem ersten erfolglosen Prüfungsversuch anderweitig erbrachten Prüfungsleistung, wie im vorliegenden Fall beantragt, ist damit ausgeschlossen.
26
Die satzungsrechtliche Regelung des § 15 Abs. 1 Satz 3 PSO, die die Anerkennung von Prüfungsleistungen im Fall von Prüfungswiederholungen ausschließt, steht nicht im Widerspruch zur gesetzlichen Regelung des Art. 86 Abs. 1 BayHIG. Die Prüfungs- und Studienordnungen stellen das vom Gesetz anerkannte Instrument zur Regelung der Studiengänge dar (vgl. u.a. Art. 55 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1, Art. 77 Abs. 1 Satz 1, Art. 80 Abs. 1, Art. 84 Abs. 2 Satz 1 BayHIG). In Art. 84 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, Nr. 4 und Nr. 11 BayHIG sind ausdrücklich Ermächtigungen für die §§ 15 und 21 PSO der Beklagten enthalten. Die beklagte Hochschule ist demnach insbesondere dazu ermächtigt, in ihrer Prüfungsordnung die Wiederholbarkeit und Wiederholung von Prüfungen zu regeln, wie sie es vorliegend in § 15 PSO getan hat.
27
5. Ein Anspruch der Klägerin auf Anerkennung ergibt sich auch nicht aus Gleichheitsgesichtspunkten, aufgrund der erfolgten Anerkennungsentscheidungen der Beklagten bezüglich anderer Studierenden.
28
Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) setzt die Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem ohne sachliche Rechtfertigung voraus. Die Sachverhaltskonstellation im Fall der Klägerin unterscheidet sich jedoch nicht unwesentlich von der Konstellation der beiden anderweitig ergangenen Anerkennungsentscheidungen. Als im Wintersemester 2020/2021 seitens der Beklagten zwei VHB-Prüfungsleistungen anerkannt worden sind, fand die entsprechende Klausur der Beklagten ebenfalls nur als Einsendeklausur (ohne Prüfungsaufsicht und unter Verwendung von Hilfsmitteln) statt. Insoweit war die Anerkennung von VHB-Prüfungsleistungen zumindest „naheliegender“, wenngleich sie vor dem Hintergrund der obigen Darlegungen wohl nicht hätte erfolgen dürfen. Im Fall der Klägerin wurde nunmehr jedoch seitens der Beklagten im maßgeblichen Semester eine Präsenzklausur angeboten. Die zugrundeliegenden Sachverhaltskonstellationen unterscheiden sich somit erkennbar, da nur im Fall der Klägerin die „Umgehung“ einer angebotenen Präsenzklausur stattfand.
29
Unabhängig davon kann die Beklagte seitens des Gerichts nicht zu einer rechtswidrigen Anerkennungsentscheidung verpflichtet werden. Dem steht der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Art. 20 Abs. 3 GG) entgegen. Es besteht kein Recht auf Gleichbehandlung im Unrecht. Aus der (rechtswidrigen) Anerkennung von Prüfungsleistungen anderer Studierenden resultiert kein Anspruch der Klägerin auf eine (rechtswidrige) Anerkennung ihrer Prüfungsleistung.
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6. Die klägerseits vorgebrachten Kritikpunkte bezüglich der formellen Rechtmäßigkeit des Ablehnungsbescheides der Beklagten vom 31.01.2022 können einen Anspruch der Klägerin ebenfalls nicht begründen. Aus einer etwaigen formellen Rechtswidrigkeit – wie sie vorliegend zudem nicht gegeben ist – resultiert kein Anspruch der Klägerin auf Anerkennung ihrer Prüfungsleistung, da – wie oben dargelegt – die materiellen Voraussetzungen für eine Anerkennung nicht vorliegen.
31
Vor diesem Hintergrund kann auch der klägerseitige Einwand des beinahe kompletten Austausches der Begründung des Ablehnungsbescheides vom 31.01.2022 nicht durchgreifen. Im Rahmen der vorliegenden Verpflichtungsklage geht es letztlich darum, ob die Klägerin einen Anspruch auf Anerkennung einer erbrachten Prüfungsleistung hat. Dies beurteilt sich - unabhängig von der Begründung im Bescheid – aufgrund der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung. Das Gericht ist bei seiner Prüfung nicht auf die seitens der Behörde vorgebrachten – rechtlichen – Erwägungen beschränkt, sondern prüft umfassend die rechtlichen Voraussetzungen für einen Anspruch der Klägerin.
32
II. Ein Anspruch der Klägerin auf Anerkennung ihrer erbrachten Prüfungsleistung war vorliegend unter keinem Gesichtspunkt gegeben. Die Klage war deshalb mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.