Titel:
Aberkennung des Rechts, von einer ausländischen Fahrerlaubnis, Gebrauch zu machen, gelegentlicher Cannabis-Konsum + weitere Tatsachen i.S.d. § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV, angemessene Fristsetzung i.R.d. § 11 Abs. 6 Satz 2 FeV, Fristverlängerung
Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 5
StVG § 3 Abs. 1 Sätze 1, 2
FeV § 46 Abs. 1, 5
FeV § 11 Abs. 8
FeV Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur
FeV § 14 Abs. 1 S. 3
BayVwVfG Art. 31 Abs. 7 S. 1
Schlagworte:
Aberkennung des Rechts, von einer ausländischen Fahrerlaubnis, Gebrauch zu machen, gelegentlicher Cannabis-Konsum + weitere Tatsachen i.S.d. § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV, angemessene Fristsetzung i.R.d. § 11 Abs. 6 Satz 2 FeV, Fristverlängerung
Fundstelle:
BeckRS 2023, 21637
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.
3. Der Streitwert wird auf 8.750,00 EUR festgesetzt.
Gründe
1
Der Antragsteller begehrt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen die Aberkennung des Rechts, von seiner polnischen Fahrerlaubnis in Deutschland Gebrauch zu machen.
2
Die polnische Verwaltungsbehörde … erteilte dem Antragsteller am 18. August 2022 die Fahrerlaubnis für die Klassen A, AM, B, B1, BE, C, C1, C1E, CE und T (Nr. 00711142462). Der Antragsteller ist wohnhaft in Polen.
3
Am 22. Oktober 2022 führte eine Streife der Grenzpolizeiinspektion … beim Antragsteller eine allgemeine Verkehrskontrolle durch. Dem Sachverhalt zu Az. … (Behördenakte, Bl. 26) ist zu entnehmen, dass die kontrollierenden Beamten im PKW des Antragstellers ein Schraubglas mit 4,2 g netto Marihuana und eine Plastiktüte mit 18,2 g netto Marihuana auffanden. Die Beamten stellten daneben drogentypische Auffälligkeiten beim Antragsteller fest (Behördenakte, Bl. 16). Aufgrund eines freiwillig durchgeführten, positiv verlaufenden Urintests auf Tetrahydrocannabinol (THC) wurde eine Blutentnahme angeordnet. Ausweislich des polizeilichen Berichts vom 22. Oktober 2022 (Behördenakte, Bl. 16 f.) gab der Antragsteller an, zuletzt am „letzte(n) Wochenende“ Betäubungsmittel konsumiert zu haben. Nach dem forensisch-toxikologischen Gutachten des MVZ Labors … …, …, vom 7. November 2022 konnten im Blut des Antragstellers THC in einer Konzentration von 2,0 ng/ml und THC-Carbonsäure in einer Konzentration von 34 ng/ml festgestellt werden.
4
Mit Schreiben vom 22. Dezember 2022 wurde dem Antragsteller durch den Antragsgegner mitgeteilt, dass zur Überzeugung des Antragsgegners feststehe, dass der Antragsteller gelegentlich Cannabis konsumiere und gegen das Trenngebot von Cannabiskonsum und dem Führen eines Kraftfahrzeugs verstoßen habe. Daher werde die Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung angeordnet und eine Frist zur Vorlage des Gutachtens bis spätestens 6. März 2023 gesetzt. Die Eignungszweifel bezögen sich auf folgende Fragestellung:
„Ist aufgrund der Fahrt unter Cannabiseinfluss vom 22.10.2022 nicht zu erwarten, dass Herr C. zukünftig ein Kraftfahrzeug unter Einfluss von Cannabis oder dessen Nachwirkungen führen wird (Fähigkeit zum Trennen von Konsum und Verkehrsteilnahme)?“
5
Der Antragsteller wurde auf die Entziehung der Fahrerlaubnis hingewiesen, wenn er der Gutachtensvorlage nicht fristgemäß nachkomme. Es wurde die Möglichkeit zur Stellungnahme gegeben.
6
Mit Schreiben vom 17. Februar 2023, ausweislich des Eingangsstempels des Antragsgegners eingegangen am 20. Februar 2023, benannte der Bevollmächtigte des Antragstellers die … … … als gewählte Begutachtungsstelle. Mit Schreiben vom 20. Februar 2023 (Zustellungsnachweis Behördenakte, Bl. 59) übersandte der Antragsgegner die Unterlagen des Antragstellers an die genannte Begutachtungsstelle. Mit weiterem Schreiben vom 20. Februar 2023 wurde der Antragsteller seitens des Antragsgegners erneut auf die Vorlageverpflichtung bis 6. März 2023 hingewiesen. Die Begutachtungsstelle sandte mit Schreiben vom 24. Februar 2023, ausweislich des Eingangsstempels des Antragsgegners eingegangen am 27. Februar 2023, die Unterlagen an den Antragsgegner zurück, da die Untersuchung dort bis zum 6. März 2023 nicht möglich sei. Hierüber wurde der Bevollmächtigte des Antragstellers mit E-Mail vom 28. Februar 2023 durch den Antragsgegner in Kenntnis gesetzt, woraufhin dieser unter Hinweis auf die Auswahl einer Begutachtungsstelle durch den Antragsteller drei Wochen vor Fristablauf um Fristverlängerung zur Vorlage des Gutachtens sowie erneute Versendung der Unterlagen des Antragstellers an die … bat. Der Antragsteller sei bereit, jederzeit – auch sehr kurzfristig – vor dem Gutachter zu erscheinen. Das angeforderte Gutachten wurde bis zum 6. März 2023 nicht beim Antragsgegner vorgelegt.
7
Mit Bescheid vom 7. März 2023, zugestellt am 9. März*2023, entzog der Antragsgegner dem Antragsteller die Fahrberechtigung auf Grund eines nationalen polnischen Führerscheines im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (Ziffer 1). Die sofortige Vollziehung der Ziffer 1 werde angeordnet (Ziffer 2). Die Kosten des Verfahrens habe der Antragsteller zu tragen; für den Bescheid werde eine Gebühr von 200,00 EUR festgesetzt, die Auslagen betrügen 4,55 EUR (Ziffer 3). Der Bescheid enthielt den Hinweis, dass die Entziehung die Wirkung einer Aberkennung des Rechts, mit dem polnischen Führerschein am innerdeutschen Kraftfahrzeugverkehr teilzunehmen, habe. Der Antragsteller dürfe bereits mit Zustellung des Bescheids in der Bundesrepublik Deutschland keine Kraftfahrzeuge mit einem nationalen Führerschein aus Polen führen.
8
Die Aberkennung des Rechts vom Gebrauch einer in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union erworbenen Fahrerlaubnis aufgrund der Nichteignung des Führerscheininhabers unterliege den gleichen gesetzlichen Anforderungen wie der Entzug der deutschen Fahrerlaubnis, § 3 Abs. 1 Satz 2 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG). Nach § 46 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV) sei die Ungeeignetheit insbesondere dann gegeben, wenn ein Mangel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 zur FeV vorliege. Der Antragsteller sei nach Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen, da er gelegentlich Cannabis konsumiere und den Konsum und das Fahren nicht wirksam trennen könne. Gelegentlicher Konsum i.d.S. liege bei zwei selbstständigen Konsumvorgängen vor. Der Wirkstoff THC sei bei einem Einzelkonsum nur vier bis sechs Stunden im Blut nachweisbar; es sei ausgeschlossen, dass nach einem Einzelkonsum am Wochenende vorher – wie vom Antragsteller angegeben – noch THC im Blut nachweisbar sei (Anm.: der 22. Oktober 2022 war ebenfalls ein Samstag). Ein zweiter Konsumakt stehe damit fest. Aufgrund des THC-COOH-Werts von 34 ng/ml könne nach geltender Rechtsprechung ebenfalls von einem mindestens gelegentlichen Cannabis-Konsum ausgegangen werden. Der Antragsteller sei der behördlichen Annahme eines gelegentlichen Cannabis-Konsums auch in keiner Weise entgegengetreten. Nach der ständigen Rechtsprechung belege eine Fahrt mit einer THC-Konzentration ab 1,0 ng/ml im Blutserum die fehlende Trennung zwischen dem Cannabis-Konsum und dem Fahren; beim Antragsteller sei dieser Wert mit 2,0 ng/ml überschritten. Bei Bedenken gegen die Eignung des Fahrerlaubnisinhabers könne die Fahrerlaubnisbehörde die Beibringung eines Fahreignungsgutachtens anordnen, § 2 Abs. 8 StVG, §§ 46 Abs. 3 i.V.m. §§ 11 bis 14 FeV. Bei Nichtbeibringung dürfe diese auf die Nichteignung des Betroffenen schließen, § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV. Die Fahrerlaubnisbehörde könne die Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens verlangen, wenn eine gelegentliche Einnahme von Cannabis vorliege und weitere Tatsachen Zweifel an der Eignung des Fahrerlaubnisinhabers begründeten, § 46 Abs. 3 i.V.m. § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV. Das neben der gelegentlichen Einnahme von Cannabis festgestellte fehlende Trennvermögen des Antragstellers zwischen dem Cannabis-Konsum und der Teilnahme am Straßenverkehr stelle eine weitere Tatsache dar, welche Zweifel i.d.S. begründe. Die Anordnung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens sei daher rechtmäßig erfolgt. Es folgen Ausführungen zur Ermessensausübung. Der Antragsteller habe die Verkehrssicherheit bereits konkret gefährdet, indem er nachweislich am 22. Oktober 2022 einmal unter Betäubungsmitteleinfluss am Straßenverkehr teilgenommen habe. Zur Abklärung des künftigen Trennvermögens habe es der Antragsgegner daher für erforderlich gehalten, dass sich der Antragsteller einer Untersuchung unterziehe. Die Anordnung stelle das mildeste Mittel zur Aufklärung der Sachlage verglichen mit der sofortigen Aberkennung des Rechts, vom polnischen Führerschein in Deutschland Gebrauch zu machen, dar. Mithin sei die Anordnung auch verhältnismäßig gewesen. Die Zustellung der Gutachtensaufforderung sei laut Zustellnachweis der Post am 11. Januar 2023 erfolgt. Somit habe der Antragsteller mit knapp acht Wochen ausreichend Zeit gehabt, das geforderte Gutachten vorzulegen. Bereits in der Anordnung sei der Antragsteller darauf hingewiesen worden, dass er die Frist zur Vorlage des Gutachtens nur dann einhalten könne, wenn er unverzüglich eine Begutachtungsstelle benenne (S. 5 des Schreibens, vorletzter Absatz). Eine Benennung sei jedoch erst fünf Wochen nach Zustellung der Anordnung erfolgt. Bei rechtzeitiger Benennung einer Begutachtungsstelle wäre eine fristgerechte Vorlage unproblematisch möglich gewesen. Gründe, die eine Fristverlängerung gerechtfertigt hätten, seien nicht vorgetragen worden. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs München (unter Verweis auf die Entscheidung vom 14.11.2011, Az. 11 CS 11.2349) werde der Behörde im Rahmen des § 11 Abs. 8 FeV kein Ermessen eingeräumt, wenn kein ausreichender Grund vorgetragen werde. Dies sei hier der Fall. Der Antragsgegner sei deshalb verpflichtet gewesen, die Fahrberechtigung auf Grund eines nationalen polnischen Führerscheins im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zu entziehen (§ 3 Abs. 1 Satz 2 StVG i.V.m. § 46 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 FeV). Die Entziehung habe die Wirkung einer Aberkennung des Rechts, von der Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen, § 46 Abs. 5 FeV. Die sofortige Vollziehbarkeit des Bescheids sei gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO im öffentlichen Interesse angeordnet worden. Das private Interesse des Antragstellers habe gegenüber den Belangen der Verkehrssicherheit, für die Betäubungsmittelkonsumenten ein Risiko darstellten, erheblich zurückzustehen.
9
Der Antragsteller ließ mit Schreiben vom 20. März 2023 durch seinen Bevollmächtigten Widerspruch gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 7. März 2023 erheben und beantragte die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs.
10
Zur Begründung wurde ausgeführt, dass unter normalen Umständen eine Begutachtung bis zum 6. März 2023 ohne Weiteres durchführbar sein dürfte, wenn wie vorliegend am 17. März 2023 mit Eingang beim Antragsgegner am 20. März 2023 die Entscheidung für eine Begutachtungsstelle mitgeteilt werde. Es liege außerhalb der Risikosphäre des Antragstellers, wenn die Begutachtungsstelle nicht in der Lage sei, innerhalb von zwei Wochen einen Termin zu vergeben. Der Widerspruchsführer sei nicht verpflichtet, sofort eine Begutachtungsstelle aufzusuchen, sondern nur so frühzeitig, dass eine Begutachtung unter normalen Umständen noch innerhalb der vorgegebenen Frist erfolgen könne. Nach dem Kenntnisstand des Bevollmächtigten des Antragstellers würden die Begutachtungsstellen keine Termine ohne vorherigen Eingang der behördlichen Unterlagen vergeben. Es sei dem Antragsteller daher nicht möglich gewesen, nach Erhalt der E-Mail des Antragsgegners vom 28. März 2023 kurzfristig einen anderen Begutachter zu beauftragen; innerhalb der verbleibenden Zeit hätten diese Unterlagen nicht mehr rechtzeitig bei einer anderen Begutachtungsstelle eingehen können. Es sei daher folgerichtig gewesen, dass der Antragsteller um erneute Zusendung der Unterlagen an die … sowie entsprechende Fristverlängerung gebeten habe. Ein hinreichender Grund für die Fristverlängerung habe vorgelegen. Um jene erneute Zusendung der Unterlagen sowie die Fristverlängerung werde erneut gebeten.
11
Mit Schreiben vom 21. März 2023 half der Antragsgegner dem Widerspruch nicht ab und gab dem Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nicht statt. Es werde die Möglichkeit eingeräumt, sich der Begutachtung im Rahmen des Widerspruchsverfahrens zu unterziehen. Alternativ bestehe auch die Möglichkeit, den Widerspruch zurückzunehmen.
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Mit am 20. März 2023 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz seines Bevollmächtigten ließ der Antragsteller beantragen,
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 20.3.2023 gegen den Bescheid des Landratsamts … vom 7.3.2022 (Anm.: 2023) wird wiederhergestellt.
13
Zur Begründung wurden im Wesentlichen die Ausführungen im Rahmen der Widerspruchseinlegung angeführt. Der ohne Gewährung der beantragten Fristverlängerung erlassene Verwaltungsakt sei rechtswidrig.
14
Der Antragsgegner beantragt mit Schriftsatz vom 22. März 2023, den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung abzulehnen.
15
Der Antragsteller sei bereits in der Gutachtensanordnung darauf hingewiesen worden, dass die gesetzte Frist nur dann eingehalten werden könne, wenn eine Begutachtungsstelle unverzüglich benannt werde, und dass eine Fristverlängerung nur in begründeten Ausnahmefällen, z.B. belegte objektive Verhinderung, in Betracht komme. Sofern die Vorlage des Gutachtens nicht dem Nachweis der Wiedererlangung der Fahreignung diene, sondern wie hier der Klärung der Frage, ob der Fahrerlaubnisinhaber seine Fahreignung verloren habe, sei die Beibringungsfrist nach der Zeitspanne zu bemessen, die von einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung zur Erstellung des Gutachtens voraussichtlich benötigt werde. Hieran gemessen sei die Frist mit ca. acht Wochen ab tatsächlichem Zugang der Anordnung ausreichend bemessen gewesen. Der Umstand, dass der Antragsteller erst über fünf Wochen nach Zustellung der Anordnung eine Begutachtungsstelle benannt habe, falle nicht in den Verantwortungsbereich der Fahrerlaubnisbehörde und rechtfertige keine Fristverlängerung. Die erheblichen Gefahren für die zu schützenden Rechtsgüter der anderen Verkehrsteilnehmer, die von nicht oder nur bedingt geeigneten Fahrzeugführern ausgingen, könnten der Allgemeinheit nicht aufgrund einer durch den Antragsteller selbst herbeigeführten Verzögerung aufgebürdet werden. Über den eingelegten Widerspruch sei noch keine abschließende Entscheidung getroffen worden.
16
Wie sich nach gerichtlicher telefonischer Nachfrage nach dem Sachstand beim Antragsgegner am 10. Mai 2023 ergab, erklärte der Bevollmächtigte des Antragstellers mit Schreiben vom 24. März 2023 an den Antragsgegner die Bereitschaft des Antragstellers, seine Fahreignung von der … begutachten zu lassen; es werde um erneute Übersendung der Unterlagen und Bestimmung des Begutachtungstermins gebeten. Daraufhin teilte der Antragsgegner mit Schreiben vom 29. März 2023 mit, dass eine Versendung der Unterlagen derzeit nicht möglich sei, da sich diese aufgrund des laufenden Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO beim Verwaltungsgericht Bayreuth befänden. Die Beauftragung erfolge ggf. nach Wiedererhalt der Akte.
17
Der Behördenakte ist ein Strafbefehl des Amtsgerichts … vom 20. Dezember 2022 (Az. …*), rechtskräftig seit 17. Januar 2023, zu entnehmen, wonach die Tat des Antragstellers vom 22. Oktober 2022 gemäß §§ 24a Abs. 2, Abs. 3, 25 StVG mit einer Geldstrafe in Höhe von 45 Tagessätzen á 10 EUR, einer Geldbuße in Höhe von 500,00 EUR sowie einem Fahrverbot von einem Monat geahndet wurde.
18
Im Übrigen wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Behördenakte (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO analog).
19
Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet.
20
Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen bzw. im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr.1 bis 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen. Bei der Entscheidung hat das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung zu treffen, bei der das Interesse der Allgemeinheit an der sofortigen Vollziehung gegen das Interesse des Betroffenen an der aufschiebenden Wirkung abzuwägen ist. Dabei sind auch die überschaubaren Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs zu berücksichtigen. Sind diese im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung offen, ist eine reine Interessenabwägung vorzunehmen. Das Gericht prüft auch, ob die formellen Voraussetzungen für die Anordnung der sofortigen Vollziehung gegeben sind.
21
Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist der vorliegende Antrag abzulehnen, da der Widerspruch des Antragstellers nach summarischer Überprüfung aller Voraussicht nach ohne Erfolg bleiben wird. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Bescheids wiegt insoweit schwerer als das Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs.
22
1. Der zulässige Antrag ist unbegründet. Nach summarischer Prüfung wurde dem Antragsteller aufgrund seiner feststehenden Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen im gegenständlichen Bescheid rechtmäßig das Recht aberkannt, von einer ausländischen, hier polnischen Fahrerlaubnis im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Gebrauch zu machen.
23
a. Rechtsgrundlage der in Ziffer 1 des Bescheids verfügten Aberkennung des Rechts, von der polnischen Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen, ist § 3 Abs. 1 Sätze 1 und 2 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) i.V.m. § 46 Abs. 1 und Abs. 5 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV).
24
Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG und § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich ihr Inhaber als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Nach § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV gilt dies insbesondere dann, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 der FeV vorliegen oder erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen wurde. Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet oder bedingt geeignet ist, finden die §§ 11 bis 14 FeV entsprechend Anwendung (§ 3 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 2 Abs. 8 StVG, § 46 Abs. 3 FeV). Bei einer ausländischen Fahrerlaubnis hat die Entziehung die Wirkung einer Aberkennung des Rechts, von der Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen (§ 3 Abs. 1 Satz 2 StVG, § 46 Abs. 5 FeV).
25
Die Formulierung der Ziffer 1 des gegenständlichen Bescheids, wonach wörtlich dem Antragsteller die Fahrberechtigung auf Grund eines nationalen polnischen Führerscheins im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland entzogen werde, begegnet keinen gerichtlichen Bedenken. Im Zusammenspiel mit dem Hinweis zur Wirkung jener „Entziehung“ auf Seite 2 des Bescheids ist ersichtlich, dass vorliegend das Recht aberkannt wird, von einer ausländischen Fahrerlaubnis im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Gebrauch zu machen, § 3 Abs. 1 Satz 2 StVG i.V.m. § 46 Abs. 1 und Abs. 5 FeV.
26
b. Die Nichteignung des Antragstellers ergibt sich vorliegend aus § 11 Abs. 8 FeV. Bringt ein Fahrerlaubnisinhaber demgemäß ein behördlich angeordnetes Fahreignungsgutachten nicht bzw. nicht fristgerecht bei, darf die Fahrerlaubnisbehörde zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung darauf schließen, dass dem Betroffenen die Fahreignung fehlt. Der Schluss auf die Nichteignung des Betroffenen im Falle grundloser Nichtbeibringung des Gutachtens ist gemäß § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV aber nur dann zulässig, wenn die Anordnung zur Gutachtensbeibringung rechtmäßig war, wenn also die rechtlichen Voraussetzungen für die Anordnung erfüllt sind und die Anordnung auch im Übrigen den Anforderungen des § 11 FeV entspricht. Voraussetzung ist, dass die Anordnung zur Beibringung des Gutachtens formell und materiell rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig erfolgt ist (st Rspr., vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2016 – 3 C 20/15 – juris Rn. 19). Die Gutachtensanordnung muss weiter hinreichend bestimmt und aus sich heraus verständlich sein. Der Betroffene muss der Gutachtensaufforderung entnehmen können, was konkret ihr Anlass ist und ob das Verlautbarte die behördlichen Zweifel an seiner Fahreignung zu rechtfertigen vermag. Weiterhin ist gemäß § 11 Abs. 8 Satz 2 FeV erforderlich, dass der Betroffene nachweislich auf die Folgen der Nichteignungsvermutung des § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV hingewiesen wurde. Die Frist muss so bemessen sein, dass dem Betroffenen die Gutachtensbeibringung möglich und zumutbar ist (BayVGH, B.v. 17.4.2019 – 11 CS 19.24 – juris Rn. 18).
27
aa. Die behördliche Anordnung des medizinisch-psychologischen Gutachtens mit Schreiben des Antragsgegners vom 22. Dezember 2022 wurde zu Recht auf § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV gestützt. Nach § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV kann die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens angeordnet werden, wenn eine gelegentliche Einnahme von Cannabis vorliegt und weitere Tatsachen Zweifel an der Eignung begründen. Weitere Zweifel in diesem Sinne lassen sich bereits der Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zu den §§ 11,13 und 14 FeV entnehmen. Nach deren Nr. 9.2.2 liegt eine Kraftfahreignung bei gelegentlicher Einnahme von Cannabis vor, wenn der Konsum und das Fahren getrennt werden, kein zusätzlicher Gebrauch von Alkohol oder anderen psychoaktiv wirkenden Stoffen besteht und keine Störung der Persönlichkeit oder Kontrollverlust vorliegt. Im Übrigen ist es erforderlich, dass die weiteren Tatsachen im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV einen Bezug zum gelegentlichen Cannabiskonsum haben und einen Rückschluss darauf zulassen, dass sich die Einnahme des Rauschmittels verkehrsgefährdend auswirken kann (Pause-Münch, in Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 2. Aufl., FeV, § 14 Rn. 86 f.). Die Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV sind hier erfüllt.
28
(1) Das Landratsamt durfte im grundsätzlich maßgeblichen Zeitpunkt der Anordnung (vgl. BVerwG, U.v. 4.12.2020 – 3 C 5.20 – juris Rn. 14; BayVGH, B.v. 14.9.2021 – 11 CS 21.1965 – juris Rn. 17) davon ausgehen, dass der Antragsteller zumindest gelegentlich Cannabis konsumiert oder konsumiert hat. Gelegentlicher Konsum von Cannabis liegt vor, wenn der Betroffene in zwei oder mehr selbständigen Konsumvorgängen Cannabis zu sich genommen hat und diese Konsumvorgänge einen gewissen, auch zeitlichen Zusammenhang aufweisen (st Rechtsprechung, vgl. BVerwG, U.v. 11.4.2019 – 3 C 14.17 – juris Rn. 14). Insofern unterscheidet sich der gelegentliche Konsum vom fahrerlaubnisrechtlich nicht relevanten einmaligen Konsum von Cannabis.
29
Bei der Wertung, dass der Antragsteller mehr als einmal und damit gelegentlich Cannabis konsumiert hat, handelt es sich um einen Akt der Beweiswürdigung. Zwar ist die Gelegentlichkeit des Cannabiskonsums ein Tatbestandsmerkmal, für das die Fahrerlaubnisbehörde die materielle Beweislast trägt, mit der Folge, dass eine etwaige Nichterweislichkeit zu ihren Lasten geht. Allerdings liegt ein einmaliger Konsum nur dann vor, wenn der Betreffende entweder erstmals im Rahmen eines Probierkonsums Cannabis zu sich genommen hat oder frühere Konsumakte derart weit zurückliegen, dass daran nicht mehr angeknüpft werden kann und er aus besonderen Umständen heraus einmalig Cannabis eingenommen hat (BayVGH, B.v. 23.3.2021 – 11 CS 20.2643 – juris Rn. 23; B.v. 25.6.2020 – 11 CS 20.791 – juris Rn. 23). Dies plausibel darzulegen, obliegt dem Betroffenen. Die bloße Behauptung eines einmaligen Konsums ist nicht ausreichend (vgl. BayVGH, B.v. 29.3.2017 – 11 CS 17.368 – juris Rn. 15). Vor dem Hintergrund des äußerst seltenen Falles, dass ein mit den Wirkungen der Droge noch völlig unerfahrener Erstkonsument nach dem Konsum ein Kraftfahrzeug führt und dann auch noch von der Polizei kontrolliert wird, ist im Rahmen der Beweiswürdigung nach ständiger Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs grundsätzlich die Annahme gerechtfertigt, dass ohne substantiierte und plausible Darlegung des Gegenteils nicht von einem einmaligen Konsum ausgegangen werden muss (vgl. BayVGH, B.v. 1.7.2022 – 11 CS 22.860 – juris Rn. 15; B.v. 7.3.2022 – 11 CS 22.362 – juris Rn. 15; B.v. 12.11.2021 – 11 CS 21.2536 – juris Rn. 14 f.), da es sich bei dem Vortrag des einmaligen Konsums vielfach um eine bloße Schutzbehauptung handelt. Erst wenn substantiierte Darlegungen erfolgen, die für einen einmaligen Konsum sprechen, ist ihre Glaubhaftigkeit unter Würdigung sämtlicher Fallumstände zu prüfen (BayVGH, B.v. 29.3.2017 – 11 CS 17.368 – juris Rn. 14).
30
Es wurde vorliegend seitens des Antragstellers schon nicht vorgebracht, dass es sich um einen einmaligen Konsum handle. Der Antragsteller gab ausweislich des polizeilichen Berichts vom 22. Oktober 2022 (Behördenakte, Bl. 16 f.) an, am letzten Wochenende, d.h. 14. Oktober bis 16. Oktober 2022, zuletzt Betäubungsmittel konsumiert zu haben. Nach dem forensisch-toxikologischen Gutachten des MVZ Labors … …, …, vom 7. November 2022 zur Blutprobe, welche am 22. Oktober 2022 beim Antragsteller entnommen wurde, konnten im Blut des Antragstellers Tetrahydrocannabinol (THC) in einer Konzentration von 2,0 ng/ml und THC-Carbonsäure in einer Konzentration von 34 ng/ml festgestellt werden. Der gegenüber den kontrollierenden Beamten angegebene Konsum am letzten Wochenende vor der Verkehrskontrolle kann den in der am 22. Oktober 2022, ebenfalls ein Samstag, entnommenen Blutprobe festgestellten THC-Wert von 2,0 ng/ml nicht erklären. Der psychoaktive Wirkstoff THC ist nach einem Einzelkonsum nur sechs bis zwölf Stunden im Blut nachweisbar. Bei der überwiegenden Zahl der Cannabiskonsumenten sind bereits nach sechs Stunden nur noch THC-Werte zwischen 1 und 2 ng/ml festzustellen. Lediglich bei häufigem Cannabiskonsum kann ggf. selbst 24 bis 48 Stunden nach dem letzten Konsum noch eine positive THC-Konzentration im Serum nachgewiesen werden (Schubert/Dittmann/Brenner-Hartmann, Beurteilungskriterien, 3. Aufl. 2013, Kapitel 8, S. 247). Diese Erkenntnisse über das Abbauverhalten von THC ermöglichen nach ständiger Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs die Beurteilung, ob ein für einen bestimmten Zeitraum eingeräumter Konsum von Cannabis für die Konzentration ursächlich gewesen sein kann, die in einer später gewonnenen Blutprobe vorhanden war (vgl. BayVGH, B.v. 23.3.2021 – 11 CS 20.2643 – juris Rn. 26; B.v. 24.9.2020 – 11 CS 20.1234 – juris Rn. 22; B.v. 3.1.2017 – 11 CS 16.2401 -juris Rn. 13 ff. m.w.N.; U.v. 10.4.2018 – 11 BV 18.259 – juris Rn. 24). Hiervon ausgehend kann der beim Antragsteller am 22. Oktober 2022 festgestellte THC-Wert nicht auf den angegebenen Konsum am 14. bis 16. Oktober 2022, d.h. ca. sechs Tage vorher, zurückgeführt werden. Vielmehr muss er, um einen solchen Wert zu erreichen, in entsprechend engem zeitlichen Zusammenhang mit dem Tag der Fahrt unter Cannabiseinfluss zumindest noch einmal Cannabis konsumiert haben. Den diesbezüglichen Feststellungen durch den Antragsgegner im gegenständlichen Bescheid (S. 4) ist der Antragsteller auch nicht entgegengetreten.
31
Zudem kommt dem beim Antragsteller am 22. Oktober 2021 festgestellten THC-Carbonsäure-Wert von 34 ng/ml zumindest Indizwirkung im Hinblick auf einen gelegentlichen Cannabiskonsum des Antragstellers zu. Während der Hauptwirkstoff THC in Abhängigkeit von Aufnahmemenge und Konsumform nach einer Einzeldosis nur ca. sechs bis zwölf Stunden im Serum nachweisbar ist, kann die nicht psychoaktive THC-Carbonsäure über einen deutlich längeren Zeitraum detektiert werden. Bei regelmäßigem Konsum kommt es zu einer Kumulation der THC-COOH und damit zu einem Anstieg der messbaren Konzentrationen (Schubert/Dittmann/Brenner-Hartmann, Beurteilungskriterien, 3. Auflage 2013, Kapitel 8, S. 246). So vertritt das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz in ständiger Rechtsprechung, dass bei einem Verkehrsteilnehmer, der unter verkehrsrechtlich relevantem Cannabiseinfluss ein Fahrzeug führt, ab einem THC-COOH Wert von 10 ng/ml Serum von gelegentlichem Cannabiskonsum auszugehen ist, wenn der Betroffene nicht substantiiert und glaubhaft darlegt, er habe erstmals Cannabis eingenommen (OVG RhPf, B.v. 1.3.2018 – 10 B 10008/18 – juris; vgl. auch OVG Berlin-Bbg, B.v. 24.5.2006 – OVG 1 S 14.06 – juris Rn. 8, welches bei Konzentrationen zwischen 5 ng/ml und 75 ng/ml einen gelegentlichen Cannabiskonsum annimmt).
32
Auch der Umstand, dass die Polizei beim Antragsteller am 22. Oktober 2022 Marihuana sichergestellt hat, kann im summarischen Verfahren neben den bereits erörterten als zusätzliches Indiz für einen gelegentlichen Cannabiskonsum gewertet werden.
33
(2) Mit der Fahrt vom 22. Oktober 2022 hat der Antragsteller auch gegen das Trennungsgebot der Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV verstoßen, was Zweifel an seiner Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen begründet (vgl. BayVGH, B.v. 23.3.2021 – 11 CS 20.2643 – juris Rn. 33; U.v. 25.4.2017 – 11 BV 17.33 – juris Rn. 23; Pause-Münch in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 2. Aufl., § 14 FeV Rn. 42). Gemäß dem forensisch-toxikologischen Gutachten des MVZ Labors … …, …, vom 7. November 2022 hat er mit einer Konzentration von 2,0 ng/ml THC im Blut am Straßenverkehr teilgenommen. Somit hat er den maßgeblichen Risikogrenzwert von 1,0 ng/ml THC überschritten, weshalb eine durch den Drogeneinfluss bedingte Beeinträchtigung seiner Fahrtüchtigkeit nicht auszuschließen war, was nach Auffassung der aktuellen Rechtsprechung alleine maßgeblich ist (vgl. BVerwG, U.v. 11.4.2019 – 3 C 8.18 – juris Rn. 18; BayVGH, B.v. 12.11.2021 – 11 CS 21.2536 – juris Rn. 17; *vgl. auch Pause-Münch in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 2. Aufl., Stand 23.05.2022, § 14 FeV Rn. 42). Dabei wurde von der Rechtsprechung auch berücksichtigt, dass die Grenzwertkommission von 2015 erst ab einer THC-Konzentration von 3,0 ng/ml von der gesicherten Annahme eines erst kürzlich erfolgten Konsums ausgeht, bei dem der Betroffene mit einer Leistungsbeeinträchtigung rechnen muss (vgl. BVerwG, U.v. 11.4.2019 – 3 C 8/18 – juris). Damit liegen auch „weitere Tatsachen“, die „Zweifel an der Eignung“ i.S.d. § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV begründen, vor.
34
(3) Das Landratsamt hat das ihm gemäß § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV zustehende Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt. Ausgehend vom Wortlaut „kann“ stellt § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV eine Ermessensvorschrift dar (vgl.*auch BayVGH, B.v. 26.5.2021 – 11 CS 21.730 – juris Rn. 31; BVerwG, U.v. 11.4.2019 – 3 C 14/17 – juris Rn. 45). Es bestehen keine Anhaltspunkte für Ermessensfehler, § 114 Satz 1 VwGO. So wurde seitens des Landratsamtes berücksichtigt, dass von Betäubungsmittelkonsumenten erhebliche Gefahren für den Straßenverkehr ausgehen. Aus Gründen der Verkehrssicherheit und zur Vermeidung künftiger Fahrten unter Cannabiseinfluss hielt es das Landratsamt für erforderlich, durch ein medizinisch-psychologisches Fahreignungsgutachten zu klären, ob der Antragsteller auch zukünftig unter Cannabiseinfluss fährt und ob er in der Lage ist, den Konsum und die Teilnahme am Straßenverkehr zu trennen.
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bb. Die Beibringungsaufforderung vom 22. Dezember 2022 entspricht den formellen Anforderungen des § 11 Abs. 6 FeV. Insbesondere ergeben sich für das Gericht keine Zweifel an der eingeräumten Frist bzw. erscheint die Ablehnung einer Fristverlängerung aus Sicht des Gerichts rechtmäßig.
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(1) Das Landratsamt ist den sich aus § 11 Abs. 6 Satz 2 und 4 FeV ergebenden Informationspflichten korrekt nachgekommen. Es hat dem Antragsteller in seinem Schreiben vom 22. Dezember 2022 ausführlich die Gründe dargelegt, welche die Zweifel an der Fahreignung des Antragstellers stützen. Dabei bezieht sich das Landratsamt auf die polizeiliche Verkehrskontrolle am 22. Oktober 2022 und erläutert, weshalb es aufgrund der bei der Kontrolle bekannt gewordenen Tatsachen beim Antragsteller das Vorliegen eines gelegentlichen Cannabiskonsums vermutet, der Zweifel an der Fahreignung des Antragstellers begründet. Auch Hinweise darauf, dass der Antragsteller die Kosten der Begutachtung zu tragen hat und das Recht hat, die zu übersendenden Unterlagen einzusehen (§ 11 Abs. 6 Satz 2 FeV) sowie ein Hinweis über die Rechtsfolge des § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV (§ 11 Abs. 8 Satz 2 FeV) sind in der Beibringungsanordnung enthalten. Die Fragestellung an den Begutachter wurde hinreichend konkret und bestimmt gestellt (§ 11 Abs. 6 Satz 1 FeV). So bezieht sich diese auf die Fähigkeit des Antragstellers zum Trennen von Konsum und Verkehrsteilnahme und damit auf den psychologischen Teil der Begutachtung, da der gelegentliche Konsum des Antragstellers für den Antragsgegner anhand der gemessenen Blutkonzentrationen zu Recht bereits feststand bzw. -steht. Die Frage wird von den Beurteilungskriterien der Fahreignungsbegutachtung der Deutschen Gesellschaft für Verkehrspsychologie (DGVP) und der Deutschen Gesellschaft für Verkehrsmedizin (DGVM) auch so vorgesehen (vgl. Schubert/Dittmann/Brenner-Hartmann, Beurteilungskriterien, 3. Aufl. 2013, S. 63).
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(2) Die Fristsetzung zur Beibringung des medizinisch-psychologischen Gutachtens war angemessen im Sinne von § 2 Abs. 8 Satz 1 StVG und § 11 Abs. 6 Satz 2 FeV. Sie war insbesondere so bemessen, dass es dem Antragsteller unter Berücksichtigung seiner konkreten Umstände möglich und zumutbar war, das Gutachten fristgerecht vorzulegen.
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Die Frist muss lediglich so bemessen sein, dass eine Gutachterstelle zur Erstellung eines Gutachtens über die aktuelle Fahreignung tatsächlich in der Lage ist (VG Würzburg, B.v. 8.5.2017 – W 6 S 17.413 – juris Rn. 29). Die Bemessung der Frist für die Beibringung eines Fahreignungsgutachtens ist grundsätzlich an den Umständen des Einzelfalls zu orientieren. Dies bedeutet allerdings nicht, dass hierfür die besonderen persönlichen Bedürfnisse des Fahrerlaubnisinhabers maßgeblich sind. Dient die Vorlage des Gutachtens nicht dem Nachweis der Wiedererlangung der Fahreignung, sondern der Klärung der Frage, ob der Fahrerlaubnisinhaber seine Fahreignung verloren hat, ist die Beibringungsfrist nach der Zeitspanne zu bemessen, die von einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle zur Erstattung des Gutachtens voraussichtlich benötigt wird. Etwaigen Eignungszweifeln ist insoweit so zeitnah wie möglich nachzugehen, da insofern die Abwendung möglicher erheblicher Gefahren für andere Verkehrsteilnehmer in Frage steht (vgl. BayVGH, B.v. 5.5.2022 – 11 CS 22.927 – juris Rn. 27; BayVGH, B.v. 11.2.2019 – 11 CS 18.1808 – juris Rn. 26; so auch VG Würzburg, a.a.O., juris Rn. 29).
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Mit Schreiben vom 22. Dezember 2022, zugestellt am 11. Januar 2023, wurde der Antragsteller aufgefordert, bis zum 6. März 2023 ein medizinisch-psychologisches Gutachten vorzulegen. Dabei erfolgte bereits in der Gutachtensaufforderung der Hinweis durch den Antragsgegner, dass dieser Termin nur eingehalten werden könne, sofern die beigefügte Erklärung zur Auswahl der Begutachtungsstelle unverzüglich zurückgegeben werde. Die Frist für die Beibringung des Gutachtens könne nur in begründeten Ausnahmefällen (belegte objektive Verhinderung) auf Antrag des Betroffenen verlängert werden. Nochmals mit Schreiben vom 20. Februar 2023 wies der Antragsgegner ausdrücklich auf das Fristende zur Vorlage am 6. März 2023 hin. Dem Antragsteller standen damit seit Zugang der Gutachtensanordnung knapp acht Wochen zur Einholung eines Gutachtens zur Verfügung. Dieser Zeitraum hätte ihm unter Berücksichtigung der vorhandenen Kommunikationswege grundsätzlich die Gelegenheit geboten, sich begutachten zu lassen (vgl. BayVGH, B.v. 11.2.2019 – 11 CS 18.1808 – juris Rn. 27 bezüglich eines Zeitraums von „etwas mehr als acht Wochen“, wobei hier Feiertage und Jahreswechsel zu berücksichtigen waren). Weder aus der Rechtsprechung des Senats (vgl. BayVGH, B.v. 9.10.2017 – 11 CS 17.1483 – juris Rn. 5, 26; B.v. 21.10.2015 – 11 C 15.2036 – juris Rn. 18; B.v. 23.4.2013 – 11 CS 13.219 – juris Rn. 20: jeweils zwei Monate für ausreichend erachtet) noch aus der Verwaltungspraxis anderer Hoheitsträger lässt sich eine behördliche Verpflichtung ableiten, regelmäßig (z.B.) drei Monate zur Beibringung eines Gutachtens einzuräumen (BayVGH, B.v. 11.2.2019 – 11 CS 18.1808 – juris Rn. 28).
40
Es ist nicht ersichtlich, dass sich der Antragsteller während der laufenden Beibringungsfrist zeitnah nach Zugang der Anordnung um einen Termin bemüht hätte. Es wurde auch nicht dargelegt, dass er sich vor der Meldung der gewählten Begutachtungsstelle mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 17. Februar 2023 überhaupt mit der Auswahl einer derartigen Stelle beschäftigt hätte. Vielmehr wird seitens des Bevollmächtigten des Antragstellers ausgeführt, der bis zum Fristende am 6. März 2023 verbleibende Zeitraum ab 17. Februar 2023 sei „unter normalen Umständen“ für eine Begutachtung ausreichend gewesen. Dem ist jedoch, wie ausgeführt, zu widersprechen, zumal allein die Postweg-Zeiten der Unterlagen des Antragstellers mehrere Tage dieses Zeitraums abschneiden dürften, deren Relevanz dem Bevollmächtigten des Antragstellers nach seinen Ausführungen auch bekannt ist. Sofern sich der Antragsteller zeitnah nach Erhalt der Begutachtungsaufforderung, wie darin nahegelegt, um eine Terminvergabe bemüht hätte, wäre auch die Zurücksendung von Unterlagen durch eine Begutachtungsstelle unschädlich gewesen, da eine weitere Begutachtungsstelle innerhalb des Fristlaufs mit der Begutachtung beauftragt hätte werden können.
41
Dementsprechend war auch die Gewährung einer Fristverlängerung i.S.d. Art. 31 Abs. 7 Satz 1 BayVwVfG nicht angezeigt. Die seitens des Antragsgegners gesetzte Frist von knapp acht Wochen war, wie ausgeführt, ausreichend bemessen, um dem Antragsteller eine Begutachtung wie gefordert zu ermöglichen. Gründe, die eine Fristverlängerung rechtfertigen würden, wurden nicht vorgebracht.
42
Bei einer Verlängerung behördlicher Fristen handelt es sich um eine Ermessensentscheidung, die an Stelle der nur bei gesetzlichen Fristen möglichen Wiedereinsetzung tritt. Die Voraussetzungen, unter denen eine Fristverlängerung erfolgt, dürfen daher nicht strenger sein als bei einer Wiedereinsetzung. Bei der Ausübung des Ermessens ist insbesondere zu berücksichtigen, ob es unbillig wäre, die durch den Fristablauf eingetretene Rechtsfolge bestehen zu lassen (BayVGH, B.v. 5.5.2022 – 11 CS 22.927 – juris Rn. 29; BayVGH, B.v. 29.11.2019 – 11 CS 19.2096 – juris Rn. 23).
43
Das ist hier nicht der Fall. Der Antragsteller konnte nicht nachvollziehbar darlegen, dass es ihm nicht möglich gewesen wäre, bei der von ihm ausgewählten Begutachtungsstelle zwischen 11. Januar 2023 und 6. März 2023 eine Begutachtung zu erwirken. Das Risiko der nicht rechtzeitigen Erstellung des Gutachtens fällt allein in die Sphäre des Antragstellers, wenn er zunächst ca. fünf Wochen der laufenden Frist verstreichen lässt, bevor er sich überhaupt erst um eine entsprechende Terminvereinbarung bemüht. Mit dem bloßen Zuwarten bis etwa zwei Wochen vor Fristablauf hat der Antragsteller seiner Mitwirkungspflicht nicht genügt (vgl. BayVGH, B.v. 17.4.2019 – 11 CS 19.24 – juris Rn. 18).
44
Die Verbescheidung des Antrags auf Fristverlängerung im Rahmen des Entziehungsbescheids ist nicht zu beanstanden. Hier hat das Landratsamt über den Fristverlängerungsantrag nicht ausdrücklich entschieden, sondern im Rahmen des Entziehungsbescheids ausgeführt, dass eine Fristverlängerung rechtfertigende Gründe nicht vorliegen würden. Der Antragsteller habe selbst zu vertreten, dass eine rechtzeitige Gutachtenserstellung zeitlich nicht mehr möglich gewesen sei, da er sich erst nach über fünf Wochen nach Zustellung der Anordnung um die Benennung einer Begutachtungsstelle gekümmert habe. Wäre die Einhaltung der Frist tatsächlich aufgrund von Kommunikationsschwierigkeiten, dem Fehlen ärztlicher Kapazität, einer zögerlichen Bearbeitung durch die Begutachtungsstelle oder dergleichen unmöglich gewesen, hätte das Landratsamt über einen Antrag auf Fristverlängerung gemäß Art. 31 Abs. 7 Satz 1 BayVwVfG zu entscheiden gehabt. Ein derart begründeter Fristverlängerungsantrag des Antragstellers lag jedoch nicht vor. Zwar trifft es zu, dass den Antragsteller kein Verschulden an der Ablehnung der Gutachtenserstellung durch die ausgewählte Begutachtungsstelle trifft (vgl. BayVGH, B.v. 29.11.2019 – 11 CS 19.2069 – juris Rn. 23). Gleichwohl hat er es zu vertreten, dass er erst knapp vor Ablauf der Frist eine Begutachtungsstelle benannt hat, ohne dafür nachvollziehbare Gründe anzugeben. Wie ausgeführt wurde nicht dargelegt, warum sich nicht bereits vor dem 17. Februar 2023 um eine Terminvergabe bei der gewählten Begutachtungsstelle bemüht wurde. Verzögerungen seitens der Behörden sind nicht ersichtlich. Vielmehr sendete der Antragsgegner nach Eingang der Auswahlentscheidung hinsichtlich der Begutachtungsstelle seitens des Antragstellers – ausweislich des Eingangsstempels am 20. Februar 2023 (Behördenakte, Bl. 52) – die Unterlagen des Antragstellers noch mit Schreiben vom gleichen Tage (Behördenakte, Bl. 54) an die Begutachtungsstelle, um jeglichen weiteren zeitlichen Verzug zu vermeiden. Auch die Begutachtungsstelle sendete nach Erhalt der Akten des Antragstellers am 23. Februar 2023 diese bereits mit Schreiben vom 24. Februar 2023 (Behördenakte, Bl. 61) an den Antragsgegner mit dem Hinweis, dass eine Bearbeitung bis zum Fristende nicht möglich sei, sofort zurück. Hierüber informierte der Antragsgegner den Bevollmächtigten des Antragstellers wiederum nach Eingang der Unterlagen am 27. Februar 2023 (vgl. Eingangsstempel, Behördenakte, Bl. 61) mit E-Mail vom 28. März 2023 (Gerichtsakte, Bl. 16).
45
cc. Der Einwand des Bevollmächtigten des Antragstellers, dieser sei nach wie vor mitwirkungsbereit, habe aber bis heute keinen neuen Untersuchungstermin erhalten können, weil die Begutachtungsstelle die Akten an die Fahrerlaubnisbehörde zurückgesandt habe, führt zu keiner anderen Bewertung (vgl. BayVGH, B.v. 17.4.2019 – 11 CS 19.24 – juris Rn. 20), womit es auf eine erneute Versendung der Unterlagen zur Begutachtung im Rahmen des Widerspruchsverfahrens vorliegend nicht ankommt. Lag für die Nichtbeibringung des angeforderten Gutachtens wie hier kein ausreichender Grund vor, wird die gemäß § 11 Abs. 8 FeV gerechtfertigte Annahme fehlender Fahreignung nicht schon durch die nachträglich erklärte Bereitschaft zur Gutachtensbeibringung, sondern nur durch ein positives Gutachten ausgeräumt (vgl. VGH BW, B.v. 1.3.1993 – 10 S 67/93 – DAR 1993, 309 = juris Rn. 3 ff.; BayVGH, B.v. 6.2.2009 – 11 CS 08.2459 – juris Rn. 19; OVG NW, B.v. 3.12.2015 – 16 E 817/15 – juris Rn. 17).
46
dd. Nachdem der Antragsteller das ordnungsgemäß geforderte Gutachten nicht innerhalb der angemessenen Frist beigebracht hat, war die Fahrerlaubnisbehörde nach § 11 Abs. 8 FeV gehalten, aus der Nichtvorlage auf die Nichteignung zu schließen und hatte dem Antragsteller das Recht, von seiner polnischen Fahrerlaubnis Gebrauch zu machen, zu entziehen. Ein Ermessen wird der Behörde bei dieser Entscheidung nicht eingeräumt.
47
c. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Ziffer 1 in Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheides genügt auch den (formalen) Anforderungen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 und Abs. 3 Satz 1 VwGO. Nach der ständigen Rechtsprechung der Kammer und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs reicht es bei einer Fahrerlaubnisentziehung aus, die für den Fall typische Interessenlage aufzuzeigen; die Darlegung besonderer zusätzlicher Gründe für die Erforderlichkeit der sofortigen Vollziehung ist nicht geboten (so z.B. BayVGH, B.v. 24.8.2010 – 11 CS 10.1139 – juris Rn. 29; B.v. 25.5.2010 – 11 CS 10.227 – juris Rn. 12; VGH BW, B.v. 24.1.2012 – 10 S 3175/11 – juris Rn. 4). Die Behörde kann sich bei der Abwägung zwischen den Beteiligteninteressen im Wesentlichen auf die Prüfung beschränken, ob nicht ausnahmsweise in Ansehung der besonderen Umstände des Falles die sofortige Vollziehung weniger dringlich als im Normalfall ist (vgl. BayVGH, B.v. 5.9.2008 – 11 CS 08.1890 – juris Rn. 18). Dem werden die Ausführungen in der Begründung des Bescheides gerecht. So stellte der Antragsgegner zu Recht auf die Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs ab.
48
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, wonach der unterliegende Teil die Kosten des Verfahrens trägt.
49
3. Die Höhe des Streitwertes richtet sich nach § 63 Abs. 2, § 53 Abs. 2 und § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nrn. 1.5, 46.1, 46.3 und 46.4 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (s. NVwZ-Beilage 2013, 57).