Titel:
Keine Gehörsrüge nach Ablauf der Rechtsbehelfsfrist
Normenkette:
ZPO § 321a
Leitsätze:
Eine Gehörsrüge nach § 321a Abs. 1 ZPO ist unzulässig, wenn im Zeitpunkt ihrer Erhebung eine Nichtzulassungsbeschwerde noch zulässig war. (Rn. 12 – 14 und 28 – 36)
1. Die Gehörsrüge ist auch im Hinblick auf eine mögliche Nichtzulassungsbeschwerde subsidiär (Rn. 20). (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Gehörsrüge ist nicht statthaft, wenn die Entscheidung mit einem anderen Rechtsbehelf angefochten werden kann, die dafür maßgebliche Rechtsbehelfsfrist jedoch abgelaufen ist (Rn. 21). (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Gehörsrüge, Rechtsbehelfsfrist, Nichtzulassungsbeschwerde
Vorinstanzen:
OLG Nürnberg, Beschluss vom 11.01.2023 – 6 U 4661/21
LG Weiden, Endurteil vom 10.12.2021 – 15 O 322/21
Fundstelle:
BeckRS 2023, 21583
Tenor
Die Gehörsrüge der Klägerin gem. § 321 a ZPO wird verworfen.
Gründe
1
Die Klägerin rügt mit Schriftsatz vom 25.01.2023 (Bl. 161 d.A.), das Berufungsgericht habe ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, indem es mit Beschluss vom 11.01.2023 (Bl. 151 d.A.) die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Weiden i.d. OPf. vom 10.12.2021, Az. 15 O 322/21, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen habe und dabei einen wesentlichen Teil des klägerseits vorgetragenen Sachverhalts übergangen und daher ihren Anspruch auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt habe.
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Die Klägerin beansprucht Unterlassung sowie Schmerzensgeld wegen Nennung ihres Namens in einem von dem Beklagten erstatteten gerichtlich erholten Sachverständigengutachten.
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Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und den Streitwert, entsprechend der klägerischen Anregung auf Seite 1 der Klageschrift (Bl. 3 d.A.), auf 25.000,00 € festgesetzt.
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Die Klägerin hat gegen das Endurteil Berufung eingelegt, mit dem Antrag, das Urteil des Landgerichts Weiden i.d. OPf. aufzuheben, dem Beklagten unter Androhung eines Ordnungsgeldes zu untersagen, den vollen Nachnamen der Klägerin in dem Gutachten wiederzugeben, den Beklagten zu verurteilen, das bereits herausgegebene Gutachten wieder einzuholen und/oder eine Verpflichtung zur Pseudonymisierung des Namens der Klägerin auszusprechen sowie Schmerzensgeld und vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten zu zahlen.
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Mit Hinweis vom 09.11.2022 hat der Senat mitgeteilt, dass er beabsichtige, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Weiden i.d. OPf. gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung sei, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg habe, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukomme, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordere und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten sei, und hierzu Frist zur Stellungnahme bewilligt.
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Binnen der vorgenannten Frist hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 01.12.2022 über ihren Prozessbevollmächtigten vorgetragen, dass ihr nach Einreichung ihrer Berufung bekannt geworden sei, dass das Gutachten des Beklagten nicht ordnungsgemäß erstellt worden sei und der Sachverhalt der Klägerin, gemäß dem Gutachterauftrag, gar nicht habe behandelt werden hätte dürfen und damit eine Rechtsgrundlage für die Verarbeitung des Nachnamens der Klägerin im Zusammenhang mit hoch sensiblen Daten des sexuellen Missbrauchs, religiöser Orientierung und Gesundheitszustands dem Grunde nach nicht habe gegeben sein können. Als Anlage K6 hat sie dazu eine Abschrift einer Beweisanordnung vom 16.08.2022 des Bayerischen Landessozialgerichts vorgelegt.
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Mit Beschluss vom 11.01.2023 hat der Senat die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Weiden i.d. OPf. gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen. Die Revision hat der Senat nicht zugelassen. Der Beschluss des Senats vom 11.01.2023 wurde der Klägerin über ihren Prozessbevollmächtigten am 13.01.2023 zugestellt.
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Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer mit Schriftsatz vom 25.01.2023 (Blatt 161 der Akte) eingelegten Gehörsrüge.
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Sie stellt nunmehr den Antrag,
1. den Prozess gem. § 321a Abs. 5 fortzuführen,
2. den Beschluss vom 11.01.2023 aufzuheben und wie folgt zu entscheiden:
I. Das Urteil des Landgerichts Weiden in der Oberpfalz vom 10.12.2021, Az.: 15 O 322/21, wird aufgehoben.
II. Dem Beklagten wird unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, wegen jeder Zuwiderhandlung untersagt den vollen Nachnamen der Klägerin in dem Gutachten nach Beweisanordnung des Sozialgerichts Regensburg vom 09.06.2020 Az. S 13 VG 14/18 wiederzugeben.
III. Der Beklagte wird verpflichtet bereits herausgegebene Gutachten wieder einzuholen und/oder eine Verpflichtung zur Pseudonymisierung des Namens der Klägerin auszusprechen, insbesondere im Hinblick auf das dem Sozialgericht Regensburg im Verfahren mit dem Aktenzeichen S 13 VG 14/18 eingereichtem Gutachten.
IV. Der Beklagte wird verurteilt, ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld, mindestens jedoch in Höhe von 5.000,00 €, nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit, zu zahlen
V. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.375,88 € vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten, zzgl. 5% Zinsen über den Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit, zu zahlen.
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Die Klägerin begründet ihre Gehörsrüge damit, dass die Frage des Vorliegens einer Rechtsgrundlage in Bezug auf die Verarbeitung der personenbezogenen Daten der Klägerin, unabhängig von der Frage der Datenminimierung bzw. der Frage der Notwendigkeit der Pseudonymisierung, darüber entscheide, ob Daten überhaupt verarbeitet werden dürfen. Durch die Nichtbeachtung des zulässigen Sach-, Rechts und Beweisvortrag in Bezug auf das Fehlen einer Rechtsgrundlage für die Verarbeitung der personenbedingten Daten der Klägerin durch den Beklagten in der Stellungnahme zum Hinweisbeschluss, sei das rechtliche Gehör der Klägerin verletzt worden.
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Der Beklagte hat auf die Anhörungsrüge rechtliches Gehör erhalten und beantragt, die Gehörsrüge als unzulässig zu verwerfen, da die Gehörsrüge gegenüber der im Zeitpunkt ihrer Einlegung ebenfalls zulässigen Nichtzulassungsbeschwerde subsidiär sei, hilfsweise sie als unbegründet zurückzuweisen.
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Die Gehörsrüge ist unzulässig.
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Gemäß § 321a Abs. 1 S. 1 ZPO ist auf die Rüge der durch die Entscheidung beschwerten Partei das Verfahren fortzuführen, wenn
1. ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und
2. das Gericht den Anspruch dieser Partei auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
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Dieser Grundsatz der Subsidiarität ist durch die mit Schriftsatz vom 25.01.2023 eingelegten Gehörsrüge nicht gewahrt.
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Gegen den Beschluss des Senats vom 11.01.2023 ist gem. §§ 522 Abs. 3, 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO grundsätzlich die Nichtzulassungsbeschwerde gegeben. Diese ist gem. § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zulässig, wenn das Berufungsgericht die Revision nicht zugelassen hat und der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20.000 Euro übersteigt.
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Das ist vorliegend der Fall, weil der Streitwert der abgewiesenen Klage 25.000,00 € beträgt und weil der Senat mit dem Beschluss vom 11.01.2023 die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Weiden i.d. OPf. vom 10.12.2021 zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen hat.
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Die Nichtzulassungsbeschwerde ist gemäß § 544 Abs. 3 Satz 1 ZPO innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen.
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Der Beschluss des Senats vom 11.01.2023 wurde der Klägerin über ihren Prozessbevollmächtigten am 13.01.2023 zugestellt.
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Zum Zeitpunkt der Einlegung der Gehörsrüge am 25.01.2023 war die Nichtzulassungsbeschwerde damit auch nicht noch nicht verfristet. Zwischenzeitlich, nachdem dem Beklagten gem. § 321a Abs. 3 ZPO rechtliches Gehör gewährt wurde, ist sie mit Ablauf des 13.02.2023 aber verfristet.
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Die Gehörsrüge ist auch im Hinblick auf eine mögliche Nichtzulassungsbeschwerde subsidiär (BeckOK ZPO/Bacher, 47. Ed. 1.12.2022, ZPO § 321a Rn. 12; Rensen in: Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Aufl. 2015, § 321a, Rn. 25; Saenger, ZPO, 9. Auflage 2021, § 321a Rn. 4).
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Umstritten ist in der Literatur hingegen, ob eine Gehörsrüge statthaft ist, wenn die Entscheidung mit einem anderen Rechtsbehelf angefochten werden kann, die dafür maßgebliche Rechtsbehelfsfrist jedoch abgelaufen ist.
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Von Teilen der Literatur wird die Statthaftigkeit jedenfalls für den Fall bejaht, dass der Betroffene erst nach Ablauf der Rechtsmittelfrist von dem Gehörsverstoß Kenntnis erlangt (MüKoZPO/Musielak, 6. Auflage 2020, § 321a, Rn. 6; Musielak/Voit, ZPO, 19. Auflage 2022, § 321a, Rn. 4)
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Noch weitergehend wird in einigen Teilen der Literatur sogar vertreten, unanfechtbar im Sinne des § 321a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO seien alle einem befristeten Rechtsmittel oder Rechtsbehelf unterliegenden Entscheidungen, die durch Ablauf der Rechtsmittel-(Rechtsbehelfs-)Frist formell rechtskräftig geworden seien. Dies entspreche dem Normwortlaut: Das – ursprünglich zulässige – Rechtsmittel gegen die Entscheidung sei auch dann „nicht“ mehr „gegeben“. Auf diese Weise erhält die Rüge einen umfassenden Anwendungsbereich (G. Vollkommer in: Zöller, ZPO, 34. Auflage 2022, § 321a, Rn. 5; HK-ZPO/Saenger Rn. 4).
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S. (AnwBl 2008, 188) geht sogar so weit, dass der Rechtssuchende die Möglichkeit habe, sich die Anhörungsrüge durch Rechtsmittelverzicht selbst zu eröffnen. Prozesstaktisch sei diese Option reizvoll, da sich für den Mandanten der Vorteil eines geringeren Kostenrisikos biete, denn die Unterliegenspauschale bei der Anhörungsrüge betrage lediglich 50,00 € (mittlerweile 66,00 €) und liegt damit deutlich unterhalb der Kosten bei erfolgloser Einlegung des vorrangigen Rechtsmittels. Zum anderen spare der Betroffene durch die „Umgehung“ des vorrangigen Rechtsmittels eine Rechtsmittelinstanz, da bei Erfolg der Anhörungsrüge das Verfahren gemäß § 321 a Abs. 5 S. 1 ZPO vor demselben Gericht fortgeführt werde, gegen dessen sodann folgende Entscheidung dann wieder das entsprechende Rechtsmittel offenstehe.
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Dogmatisch begründet wird diese Auffassung mit dem Wortlaut „gegeben“ in § 321 a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO bedeutet. Der Wortlaut lege nahe, dafür zu fordern, dass der jeweilige Rechtsbehelf als Abhilfemöglichkeit tatsächlich zur Verfügung stehe, denn „gegeben“ sei gegenüber „statthaft“ der deutlich weitere Begriff. Ein nicht vollumfänglich zulässiger Rechtsbehelf sei aber eben nicht „gegeben“ im Sinne des Wortlautes von § 321 a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO, da er dann nicht mehr als Instrument zur Abhilfe der Verletzung rechtlichen Gehörs zur Verfügung stehe.
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Die Gegenmeinung lehnt diese Auslegung ab. Bereits nach dem Wortlaut von § 321 a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO sei nur entscheidend, ob ein Rechtsmittel oder Rechtsbehelf gegeben ist, nicht aber, ob er in zulässiger Weise eingelegt wird. Eine abweichende Auslegung widerspräche dem subsidiären Charakter der Anhörungsrüge. Der Betroffene müsse sich daran festhalten lassen, dass er von der Einlegung eines statthaften Rechtsmittels abgesehen und dadurch deren Unanfechtbarkeit herbeigeführt habe (BeckOK ZPO/Bacher, a.a.O., Rn. 14; Rensen in: Wieczorek/Schütze, a.a.O., Rn. 22).
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Letzterer Auffassung schließt sich der Senat an.
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Es überzeugt bereits nicht der Verweis auf den Wortlaut des § 321 a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO.
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Aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber den Begriff „gegeben“ an Stelle von „statthaft“ gewählt hat, folgt nicht, dass er damit intendierte, die Gehörsrüge auch für Konstellationen zu öffnen, in denen ein vorrangiger und zunächst zulässiger Rechtsbehelf zunächst eingelegt werden konnte – mit der Folge der Unstatthaftigkeit der Gehörsrüge –, sodann aber nicht eingelegt wird, etwa weil der Betroffene die Rechtsbehelfsfrist schlicht verstreichen lässt oder gar noch vor deren Ablauf Gehörsrüge (zunächst unzulässig) einlegt.
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Die Wahl des Begriffs „statthaft“ in § 321 a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO kam für den Gesetzgeber erkennbar nicht in Betracht, da er ersichtlich insbesondere auch Fälle erfassen wollte, in denen ein Rechtsmittel zwar statthaft aber aus anderen Gründen von vornherein nicht zulässig ist. In der Praxis betrifft dies insbesondere die im ersten Rechtszug erlassenen Endurteile, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro nicht übersteigt. Die Berufung ist gem. § 511 Abs. 1 ZPO statthaft, aber gem. § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO nicht zulässig. Entsprechendes gilt für die Revision gegen Berufungsurteile, wenn gem. § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20.000 Euro nicht übersteigt (so im Falle des Plenarbeschlusses des BVerfG vom 30.04.2003, NJW 2003, 1924, welcher Anlass für die Novellierung des § 321a ZPO mit dem Anhörungsrügengesetz mit Wirkung vom 01.01.2005 war, vgl. MüKoZPO/Musielak, 6. Aufl. 2020, ZPO § 321a Rn. 1).
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Diese Fälle würden mit dem Begriff „statthaft“ nicht erfasst.
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Für die letztgenannte Auffassung spricht auch der Sinn und Zweck der Regelung des § 321a ZPO.
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Bereits durch das ZPO-RG war mit § 321a ZPO eine Rechtsgrundlage geschaffen worden, um in Fällen einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör den Fachgerichten die Selbstkorrektur unanfechtbarer Urteile zu ermöglichen. Nach dem ausdrücklichen Wortlaut dieser Vorschrift war sie nur auf Urteile des erstinstanzlichen Gerichts beschränkt; eine analoge Anwendung auf andere Fälle war sehr umstritten. Durch das Anhörungsrügengesetz wurde mit Wirkung vom 1.1.2005 § 321a neu gefasst und die Anhörungsrüge auf alle unanfechtbaren Entscheidungen ausgedehnt. Diese gesetzgeberische Maßnahme wurde auf Grund des Plenarbeschlusses des BVerfG vom 30.04.2003 erforderlich, der dem Gesetzgeber aufgab, eine Regelung zu schaffen, die sicherstellt, dass entscheidungserhebliche Verstöße gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör auch bei unanfechtbaren Entscheidungen durch die Fachgerichte beseitigt werden können (MüKoZPO/Musielak, 6. Aufl. 2020, ZPO § 321a Rn. 1).
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Die nunmehr geltende Regelung setzt voraus, dass Anhörungsverstöße zunächst im vorhandenen Rechtsmittelzug korrigiert werden und dass nur dann, wenn ein Rechtsmittel oder Rechtsbehelf nicht gegeben ist, als eigenständiger Rechtsbehelf die Anhörungsrüge eingreift. Da § 321a ZPO zu einem Rechtsinstitut ausgestaltet worden ist, das im Zivilverfahrensrecht der betroffenen Partei die Möglichkeit einräumt, die Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör zu rügen, muss sie auch von dieser Möglichkeit Gebrauch machen und darf nicht unabhängig davon die Gehörsverletzung mit einer Verfassungsbeschwerde geltend machen. Soweit also ein Grundrechtsverstoß in den Anwendungsbereich des § 321a fällt, ist die Anrufung des BVerfG ausgeschlossen, wenn die Gehörsverletzung nicht zuvor zum Gegenstand eines Verfahrens nach § 321a gemacht worden ist (MüKoZPO/Musielak, 6. Aufl. 2020, ZPO § 321a Rn. 2).
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Die Einführung und Novellierung des § 321a ZPO diente damit dem Ziel, das BVerfG zu entlasten, das mit einer Vielzahl von Verfassungsbeschwerden wegen gerügter Verletzungen des grundrechtsgleichen Rechts auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) belastet war. Auch dabei waren aber gem. § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG von vornherein lediglich Verfassungsbeschwerden zulässig, nachdem der Rechtsweg erschöpft worden war. Dazu war allgemein anerkannt, dass die Erschöpfung des Rechtsweges fehlte, wenn der Beschwerdeführer nicht von allen gesetzlichen Rechtsbehelfen Gebrauch gemacht, solche also z.B. versäumt oder zurückgenommen hat. Dasselbe betraf das Nichtdurchlaufen des nach der jeweiligen Verfahrensordnung eröffneten Instanzenzuges. Nichterschöpfung des Rechtswegs liegt auch bei „nichtordentlicher“ Erschöpfung des Rechtswegs vor. Rechtsmittel müssen form- und fristgerecht nach Maßgabe der Verfahrensordnungen eingelegt werden. Der Rechtsweg ist nicht ordnungsgemäß erschöpft, wenn eine Entscheidung deshalb bestands- oder rechtskräftig geworden ist, weil der Beschwerdeführer zu spät Rechtsbehelfe oder Rechtsmittel eingelegt hat (Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge/Bethge, 62. EL Januar 2022, BVerfGG § 90 Rn. 395).
36
Dafür, dass der Gesetzgeber auch für diese Fälle, in denen ein Beschwerdeführer zu spät einen statthaften Rechtsbehelf oder Rechtsmittel eingelegt hat, die Möglichkeit der Gehörsrüge eröffnen wollte, bietet das Gesetz keine Anhaltspunkte.
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Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (G. Vollkommer in: Zöller, Zivilprozessordnung, 34. Aufl. 2022, § 321a ZPO, Rn. 17a).