Titel:
Erfolgloser Eilantrag der Nachbarin gegen Biomassefeuerungsanlage zur Nahwärmeversorgung
Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 5, § 80a Abs. 3 S. 2
BauGB § 30 Abs. 1, § 31 Abs. 1, Abs. 2
Leitsätze:
1. Ein Nachbar kann eine unzureichende inhaltliche Bestimmtheit einer Baugenehmigung und von Bauvorlagen (nur) geltend machen, soweit dadurch nicht sichergestellt ist, dass das genehmigte Vorhaben allen dem Nachbarschutz dienenden Vorschriften entspricht. (Rn. 90) (redaktioneller Leitsatz)
2. Da der Gebietsbewahrungsanspruch auf der durch eine Baugebietsfestsetzung wechselseitigen Eigentumsbindung beruht, besteht ein von konkreten Beeinträchtigungen unabhängiger gebietsübergreifender Schutz der Nachbarn vor (behaupteten) gebietsfremden Nutzungen im lediglich angrenzenden Plangebiet grundsätzlich nicht. (Rn. 96) (redaktioneller Leitsatz)
3. Es ist grundsätzlich Sache des Bauherrn, im Genehmigungsverfahren den Nachweis zu erbringen, dass die zur Genehmigung gestellte Anlage die einschlägigen Zumutbarkeitskriterien der TA-Lärm einhält. (Rn. 104) (redaktioneller Leitsatz)
4. Die Ziele und Grundsätze des Naturschutzes und der Landschaftspflege sind dem öffentlichen Interesse zuzuordnen. Durch das Naturschutzrecht werden nur die Interessen der Allgemeinheit geschützt und es ist nicht dazu bestimmt, dem Schutz Dritter zu dienen. (Rn. 117) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Nachbarklage gegen Baugenehmigung für eine Biomassefeuerungsanlage zur Nahwärmeversorgung, Bestimmtheit der Baugenehmigung und Bauvorlagen, gebietsübergreifender Gebietserhaltungsanspruch (verneint), Gebot der Rücksichtnahme, unzumutbare Umweltbeeinträchtigungen (verneint), Befreiung, TA-Lärm
Fundstelle:
BeckRS 2023, 21579
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
3. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
1
Die Antragstellerin wendet sich gegen eine der Beigeladenen erteilten Baugenehmigung für die Errichtung einer Biomassefeuerungsanlage zur Nahwärmeversorgung.
2
Die Beigeladene beantragte mit Bauantragsformular vom Februar 2022 die Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung einer Biomassefeuerungsanlage zur Nahwärmeversorgung auf dem Grundstück FlNr. … der Gemarkung … und einer nördlichen Teilfläche des südlich angrenzenden Grundstücks FlNr. … der Gemarkung … (im Folgenden wird auf die Angabe der Gemarkung verzichtet; alle Grundstücke liegen innerhalb der Gemarkung …). Es ist beabsichtigt, die Grundstücksgrenze des Grundstücks FlNr. … um etwa 18 m nach Süden zu verlegen. Dazu wurde zwischenzeitlich (nach Erteilung der Baugenehmigung) von dem Grundstück FlNr. … das Grundstück FlNr. …, das südlich an das Grundstück FlNr. … angrenzt, abgetrennt. Bei den Grundstücken FlNr. … und FlNr. … (in seinem ursprünglichen Umgriff) handelt es sich um unbebaute Flächen, die als Grünflächen mit Gehölzen und Ackerfläche genutzt werden.
3
Die Vorhabensgrundstücke liegen innerhalb des Geltungsbereiches des Bebauungsplanes „…“. Dieser setzt unter anderem für die Vorhabensgrundstücke Flächen bzw. Baugrundstücke für den Gemeindebedarf fest. Die zeichnerische Darstellung weist neben der Festsetzung einer Baugrenze ein Gelände für Sportanlagen aus. Westlich grenzt an die streitgegenständlichen Grundstücke die S. straße … von … nach …, östlich/nordöstlich befinden sich auf dem Grundstück FlNr. … die Freianlagen des … mit einer Art Vereinsheim direkt an der Grenze zum Grundstück FlNr. … Auf dem Grundstück FlNr. …, nördlich an das Grundstück FlNr. … angrenzend, befindet sich das Freibad. Auf dem östlich/nordöstlich an das Grundstück FlNr. … angrenzenden Grundstück FlNr. … sind die Grundschule, die Mittelschule und eine Kindertagesstätte angesiedelt.
4
Aus der Baubeschreibung zum Bauantrag geht hervor, dass in der Anlage zwei Hackschnitzelbrenner mit einer Leistung von je 400 kW, gesamt 800 kW, betrieben werden sollen. Das Vorhaben umfasst im Wesentlichen ein Heizhaus (Abmessungen 14,75 m x 12,50 m; bestehend aus einem Brennstofflager mit 72 qm Nutzfläche und einem Heizraum mit einer Nutzfläche von 96 qm) und einem Pufferspeicher (Abmessungen 7,50 m x 5,50 m; Nutzfläche 35,00 qm).
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Im Laufe des Genehmigungsverfahrens wurde ein Antrag gemäß Art. 63 Abs. 2 BayBO gerichtet auf Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplanes hinsichtlich „Baugrenze“ und „Dachneigung bei einer zulässigen Anzahl von drei VG“ gestellt. Zur Begründung ist ausgeführt, dass die geplanten Gebäude die vorhandene Baugrenze nach Westen auf einer Länge von 8,18 m mit einer Tiefe von bis zu 3 m (Pufferspeicher) und auf einer Länge von 14,81 m mit einer Tiefe von bis zu 1,41 m (Heizhaus) überschritten. Die festgesetzte Dachneigung von 25-30 Grad werde durch die geplante Dachneigung von 10 Grad unterschritten.
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Des Weiteren wurde ein Antrag auf Gewährung einer Abweichung hinsichtlich Art. 23 des Bayerischen Straßen und Wegegesetzes (BayStrWG) gestellt, da der geforderte Gebäudeabstand von 20 m zum Fahrbahnrand der S. straße … von … nach … nicht eingehalten werden könne. Der Pufferspeicher solle mit einem Abstand von 17 m zum Fahrbahnrand und das Heizhaus mit einem Abstand von 18,55 m zum Fahrbahnrand errichtet werden. Durch das Vorhaben ergebe sich weder eine Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit noch der Leichtigkeit des Verkehrs. Die Sichtverhältnisse würden durch die beiden geplanten Gebäude nicht beeinträchtigt, da der Straßenabschnitt kreuzungsfrei und in dem Bereich gerade ohne Kurvenverlauf sei.
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Vorgelegt wurden auch Zustimmungen gemäß Art. 6 Abs. 2 BayBO zur Abstands- und Abstandsflächenübernahmen durch die Eigentümer der Grundstücke FlNr. … und … Das gemeindliche Einvernehmen wurde mit Schreiben vom 20. Juni 2022 erteilt.
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Das staatliche Bauamt … teilte mit Schreiben vom 30. Mai 2022 mit, dass anlässlich der Anbindung des Vorhabens an die S. straße … gegen die Erteilung der Baugenehmigung keine Einwände erhoben würden, soweit näher bezeichnete Auflagen und Bedingungen in den Baugenehmigungsbescheid aufgenommen würden.
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Aus einer Bau- und Betriebsbeschreibung vom 4. Juli 2022 ergibt sich, dass Betriebszweck des Vorhabens die Verbrennung von Holzhackgut zur Erzeugung von Warmwasser für die Speisung eines Nahwärmenetzes sei. Eine Stromproduktion sei mit der geplanten Anlage nicht möglich. Benötigt würden hierfür zwei Heizungen „Fröling Turbomat 400“ inkl. Partikelfilter mit je 399 kW Nennwärmeleistung. Als Rohstoff würde ausschließlich Holzhackgut aus unbehandeltem Holz verwendet; auf dem Grundstück würden maximal 200 m3 gelagert, im Jahresdurchschnitt vermutlich ca. 50 – 70 m3 je nach Jahreszeit. Erzeugt würde ausschließlich Warmwasser für die Speisung von einem Nahwärmenetz. Auf dem Grundstück befänden sich zwei Pufferspeicher mit jeweils ca. 31.500 l unbehandeltem Warmwasser. Aus der Verbrennung entstehe Holzasche, welche in den Aschebehältern der Heizungen gesammelt und anschließend fachgerecht entsorgt werde. Bei einer jährlichen Laufzeit von rund 2.000 Stunden würden Abgasmassen im Umfang von 2.432.000 m3/Jahr (2.000 x 1.216 m3/h) entstehen. Jeder Kessel sei mit einem Kamin ausgestattet. Die Höhe des Kamins werde aktuell nach BImSchV und VDI 3781 Blatt 4 neu berechnet. Pro Heizung würden Abgasreinigungsfilter der aktuellsten Generation verbaut. Geräusche entstünden durch Traktoren zur Anlieferung von Holzhackschnitzel: in der Zeit von März bis September würden ca. alle sechs Wochen zwei Traktoren und in der Zeit von Oktober bis Februar ca. alle drei Wochen vier Traktoren benötigt. Dabei beliefen sich die relevanten Vorgänge auf 4 Minuten pro Traktor (Anfahrten 1 Minute – Abladevorgang 1 Minute – Abfahrt 2 Minuten). Alle Gebäudewände der Heizanlage befänden sich hinter voll betonierten Wänden; die Heizungsanlagen würden ca. 1 m unter der natürlichen Geländeoberfläche erbaut, so dass Geräusche im Heizhaus unterirdisch entstünden und vom natürlichen Gelände absorbiert würden. Ca. 0,3% der eingebrachten Hackschnitzel würden in Form von Holzasche als Abfall anfallen (max. 3,5 m3/Jahr). Der automatische Betrieb der Hackschnitzelheizungen sei ein 24/7-Betrieb. Für die Hackschnitzelbelieferung würden die Anlieferzeiten auf Montag bis Freitag von 8:00 bis 17:00 Uhr und Samstag von 9:00 bis 14:00 Uhr beschränkt. An Sonn- und Feiertagen erfolge keine Anlieferung.
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Beigefügt war eine schalltechnische Untersuchung für das Bauvorhaben „Nutzungsänderung und Erweiterung: Errichtung einer Biomassefeuerungsanlage am Bauort …, …“ vom 3. März 2021. Daraus ergibt sich in der Zusammenfassung, dass die Anfahrten mit dem Traktorgespann die relevante Geräuschquelle darstellten. Die schalltechnische Untersuchung komme zu dem Ergebnis, dass der geplante Betrieb der Biomassefeuerungsanlage die Anforderungen der TA Lärm erfülle und aus schallimmissionsschutzfachlicher Sicht zulässig sei.
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Mit Schreiben vom 28. Juli 2022 übermittelte die Beigeladene drei Berechnungen des zuständigen Schornsteinfegermeisters hinsichtlich der erforderlichen Schornsteinhöhe. Am aussagekräftigsten sei danach die Berechnung nach VDI 3781. Danach ergebe sich eine angepasste Schornsteinhöhe mit 4,86 m über Dach.
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Der Technische Umweltschutz am Landratsamt kam nach umfassender Stellungnahme unter Berücksichtigung von Luftreinhaltung und Lärm zu dem Ergebnis, dass der Betrieb der geplanten Hackschnitzelheizung mit Hackschnitzellager mit den nächstgelegenen Immissionsorten im umgebenden allgemeinen Wohngebiet bei Verwendung genau bezeichneter Auflagen verträglich sei.
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Die aufgrund der Forderung der Unteren Naturschutzbehörde erstellten biologischen Gutachten (Eingriffs-/ Ausgleichsbilanzierung in Text- und Planform, qualifizierter Freiflächengestaltungsplan, artenschutzrechtliches Gutachten zur speziellen artenschutzrechtlichen Prüfung) gingen beim Antragsgegner am 2. August 2022 ein. Daraufhin teilte die Untere Naturschutzbehörde mit Schreiben vom 10. August 2022 ihr Einverständnis mit, soweit genau bezeichnete Auflagen eingehalten würden.
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Mit Bescheid vom 19. Dezember 2022 wurde die Baugenehmigung für das streitgegenständliche Vorhaben erteilt. Verschiedene im Baugenehmigungsverfahren vorgelegte Unterlagen wurden zum Bestandteil des Bescheides gemacht. Von den Festsetzungen des Bebauungsplanes „…“ wurde gemäß § 31 Abs. 2 BauGB i.V.m. Art. 63 Abs. 2 Satz 1, Abs. 1 BayBO eine Befreiung bezüglich der festgesetzten Dachneigung (10° statt mindestens 25°) und der festgesetzten Baugrenze nach Westen (Pufferspeicher und Heizhaus) erteilt.
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Für den Bereich des Immissionsschutzes wurden folgende Auflagen festgelegt:
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1. Es gelten die Bestimmungen der 1. BlmSchV.
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2. Der Kamin darf nicht überdacht werden. Zum Schutz vor Regeneinfall kann ein Deflektor aufgesetzt werden.
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3. Für die Beurteilung der von der Anlage verursachten Lärmimmissionen gelten die Bestimmungen der TA Lärm (Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm – Sechste Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Bundesimmissionsschutzgesetz – vom 26.08.1998, GMBI 1998,3.501 ff.).
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4. Der Beurteilungspegel der vom Gesamtbetrieb auf dem Betriebsgelände ausgehenden Geräusche einschließlich Fahrverkehr und Verladebetrieb darf den Immissionsrichtwert nach TA-Lärm Ziff. 6.1 für allgemeine Wohngebiete von 55/40 dB(A) – hier wegen der Summenwirkung von mehreren Betrieben um 6 dB(A) verminderten – Immissionsrichtwert in Höhe von
an den nächsten Wohnhäusern (insbesondere … (Flurnrn., …, …)) im nahen WA-Gebiet nicht überschreiten sowie den Immissionsrichtwert nach TA-Lärm Ziff. 6.1 für Mischgebiete von 60/45 dB(A) – hier wegen der Summenwirkung von mehreren Betrieben um 6 dB(A) verminderten – Immissionsrichtwert von
am nächsten Gebäude ( …, … (Flurnr. …)) nicht überschreiten.
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Die Nachtzeit beginnt um 22.00 Uhr und endet um 6.00 Uhr.
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Einzelne Geräuschspitzen dürfen den Immissionsrichtwert am Tag um nicht mehr als 30 dB(A) und in der Nacht nicht mehr als 20 dB(A) überschreiten. Die Beurteilung der Geräusche erfolgt anhand der TA-Lärm (GMBI Nr. 26/1998, S. 503 ff.) vom 26.08.1998.
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5. Die Anlieferung von Hackschnitzeln wird wie folgt begrenzt:
Montag – Freitag: 08:00 – 17:00 Uhr
Samstag: 09:00 – 14:00 Uhr
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6. Lärmerzeugende Anlagen und Maschinen sind dem Stand der Schallschutztechnik entsprechend geräuscharm aufzustellen, zu betreiben und zu warten. Auf eine ausreichende Abschirmung und Schalldämpfung ist zu achten.
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7. Bei Betrieb des Heizhauses sind das Tor und die Tür geschlossen zu halten. Sie dürfen nur kurzzeitig zum Zwecke des Ein- oder Austretens geöffnet werden.
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8. Sämtliche lärmintensive Arbeiten ausgenommen Be- und Entladetätigkeiten, sind nur innerhalb des Betriebsgebäudes bei geschlossenen Fenstern, Türen oder Toren zulässig.
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9. Auf Anforderung der Genehmigungsbehörde ist die Einhaltung der verminderten Immissionsrichtwerte durch eine nach § 26 BlmSchG bekanntgegebene Messstelle nachweisen zu lassen.
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Die Antragstellerin ist Eigentümerin des Grundstücks FlNr. … (…, …). Das Grundstück FlNr. … grenzt mit der nordwestlichen Grundstücksecke an das Grundstück FlNr. … an. Die Entfernung zwischen der geplanten, nach Süden versetzten Grenze des Grundstücks FlNr. … und dem Grundstück FlNr. … beträgt etwa 160 m. Das Grundstück ist mit einem Wohnhaus bebaut. Das Grundstück liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans „…“, der u.a. für das Grundstück der Antragstellerin ein allgemeines Wohngebiet festsetzt. Eine Ausfertigung der Baugenehmigung für die Antragstellerin wurde am 27. Dezember 2022 als Einschreiben zur Post gegeben.
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Mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 26. Januar 2023, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach per EGVP und qualifiziert signiert eingegangen am 27. Januar 2023, ließ die Antragstellerin Klage mit dem Antrag, den Baugenehmigungsbescheid der Antragsgegnerin vom 19. Dezember 2022 aufzuheben, erheben (AN 3 K 23.194), über die noch nicht entschieden ist.
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Mit weiterem Schreiben vom 4. April 2023, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach per EGVP und qualifiziert signiert eingegangen am selben Tag, ließ die Antragstellerin einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung stellen.
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Die Beigeladene habe zwischenzeitlich die Bauarbeiten zur Umsetzung des Vorhabens aufgenommen. So seien bereits die Bodenplatten gesetzt worden und zum Teil die Wände der Gebäude betoniert worden. Der Rohbau sei noch nicht fertiggestellt.
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Der Antrag nach § 80a Abs. 3 Satz 2 VwGO, § 80 Abs. 5 VwGO, sei zulässig, da die Antragstellerin als Nachbarin im baurechtlichen Sinn antragsbefugt sei. Die erforderliche räumliche Beziehung zum Baugrundstück sei gegeben, da das Anwesen der Antragstellerin unmittelbar betroffen sei. Insbesondere seien bei Lärm, Abgasen, Gerüchen, elektromagnetischen Strahlungen und sonstigen emittierenden Vorhaben nicht nur angrenzende Grundstücke benachbart, sondern jedes Grundstück, das belastenden Auswirkungen ausgesetzt sei oder potentiell betroffen sein könne (BayVGH, B.v. 24.11.1989 – 14 CS 89.3046; B.v. 25.10.1994 – 20 CS 93.3622).
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Auf Grund der begonnenen Bauarbeiten bestehe auch ein Rechtsschutzbedürfnis für den Eilantrag. Das Vorhaben sei noch nicht fertiggestellt. Auch nach Fertigstellung des Rohbaus bestehe das Rechtsschutzbedürfnis der Antragstellerin fort, da die Antragstellerin auch eine Verletzung in eigenen Rechten durch die Nutzung der genehmigten Anlagen geltend mache.
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Der Antrag sei begründet, da die Klage der Hauptsache aller Voraussicht nach erfolgreich sein werde. So fehle bereits eine Befreiung hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung. Es bestünden nachbarliche Abwehrrechte, wenn ein einem Baugebiet seiner Art nach allgemein unzulässiges Vorhaben ohne die erforderliche Befreiung von der Art der baulichen Nutzung zugelassen werde (BVerwG, B.v. 8.7.1998 – 4 B 64.98; OVG Hamburg, B.v. 5.6.2009 – 2 BS 26/09). Die Antragstellerin könne sich zwar nicht auf einen Gebietserhaltungsanspruch stützen, jedoch bleibe es ihr unbenommen, sich auf Grund des Rücksichtnahmegebots von unzumutbaren Beeinträchtigungen im Klageweg Schutz zu verschaffen. Die Erteilung der Baugenehmigung ohne Befreiung unter Würdigung der nachbarlichen Belange verstoße gegen das Rücksichtnahmegebot. Die Antragstellerin habe sich darauf verlassen und auch darauf verlassen können, dass das Baugrundstück nach dem Bebauungsplan ausschließlich zu Zwecken eines Geländes für Sportanlagen genutzt werde. Die streitgegenständliche Baugenehmigung habe stattdessen zusätzlich zu den ohnehin bestehenden immissionsträchtigen Sportanlagen ein Heizkraftwerk zugelassen, das wiederum mit erheblichen Immissionen für das Anwesen der Antragstellerin einhergehe. Mit einem Heizkraftwerk an dieser Stelle habe die Antragstellerin aber nicht rechnen müssen. Wäre die Befreiung von den Festsetzungen erteilt worden, so hätten jedenfalls die nachbarlichen Rechte der Antragstellerin abgewogen und in einen gerechten Ausgleich mit den Interessen der Beigeladenen gebracht werden müssen. Da dies nicht erfolgt sei, liege ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot vor.
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Auch seien Bauvorlagen und Baugenehmigung zu unbestimmt, worauf sich die Antragstellerin auch berufen könne, da Gegenstand und Umfang der Baugenehmigung nicht festgestellt werden könnten. Auch sei nicht sichergestellt, dass das genehmigte Vorhaben dem Rücksichtnahmegebot entspreche. Bei der Akteneinsicht habe sich eine erhebliche Friktion zwischen den tatsächlich mit Genehmigungsvermerk versehenen Bauvorlagen und den Bauvorlagen, die nach dem Baugenehmigungsbescheid Bestandteil der Baugenehmigung sein sollten, ergeben. Es lägen zahlreiche ungestempelte Unterlagen (z.B. Trag-, Schallgutachten, artenschutzrechtlicher Fachbeitrag, Betriebsbeschreibung sowie deren Zusatzerklärung) vor. Damit seien notwendige Bauvorlagen nicht Bestandteil der Baugenehmigung geworden und es fehle daher an einer Begrenzung des Bauvorhabens. Gestempelte Planunterlagen enthielten einen Genehmigungsstempel, der auf einen Baubescheid vom 21. Dezember 2022 hinweise, wohingegen der angegriffene Baugenehmigungsbescheid vom 19. Dezember 2022 datiere. Auch seien die Bauvorlagen unvollständig und unbestimmt. Den Bauvorlagen seien keine ausreichenden Informationen zu den von dem Vorhaben ausgelösten zu erwartenden Betriebsimmissionen zu entnehmen. Es fehle u.a. an einem erforderlichen lufthygienischen Gutachten betreffend der ausgelösten Geruchs- und Staubbelastungen sowie der Zusatzbelastung durch Bio-Aerosole. Auch liege weder eine ausreichende Betriebsbeschreibung noch eine erforderliche und ausreichende Schallimmissionsprognose vor.
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Hinsichtlich der nach § 9 Satz 1 BauVorlV notwendigen Betriebsbeschreibung sei festzustellen, dass eine entsprechende Beschreibung nicht Bestandteil der Baugenehmigung geworden sei. Deshalb sei völlig offen, wie oft und in welcher Form Anlieferungsvorgänge stattfänden. Der Antragsgegner sei den sich daraus ergebenden Unwägbarkeiten auch nicht durch entsprechende Beauflagung entgegengetreten. Frequenz und Häufigkeit der Anliefervorgänge sei jedoch eine maßgebliche Bezugsgröße für die Ermittlung der auf die nachbarlichen Anwesen einwirkenden Immissionen und damit für das Rücksichtnahmegebot. Eine andere Bewertung ergebe sich auch nicht aus den in der Bauakte der Antragsgegnerin befindlichen Dokumenten, die von dem Antragsgegner mit der Bezugnahme als Betriebsbeschreibung oder Zusatzerklärung gemeint sein könnten. Es finde sich zwar ein Dokument, bei dem als Datum handschriftlich der 4. Juli 2022 angegeben sei, das jedoch im oberen Bereich der Seite mit dem handschriftlichen Vermerk 10. Juli 2022 versehen sei. Daneben finde sich ein weiteres Schreiben, das von dem Antragsgegner stamme und in der Fußzeile mit dem Datum 10.7.2022 versehen sei. Ob es sich dabei um die im Baugenehmigungsbescheid angesprochene Betriebsbeschreibung oder Zusatzerklärung handele, könne mangels Genehmigungsstempel aber nicht eindeutig festgestellt werden. Aber selbst bei Berücksichtigung dieser Dokumente bleibe Frequenz und Häufigkeit der Anliefervorgänge weiter unklar. Die Planung der Beigeladenen mit „rund 30 Anlieferungen pro Jahr“ reiche nicht aus, da die Angaben nicht hinreichend konkret und bestimmt genug seien, zumal sie keine Informationen zu der Dauer der Anliefervorgänge und deren konkretem Ablauf enthielten.
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Auch fehle es an einem erforderlichen schalltechnischen Gutachten. Das von dem Antragsgegner analog angewandte Schallgutachten zum Heizkraftwerk „…“ sei nicht zum Bestandteil der Baugenehmigung geworden. Selbst wenn es Bestandteil der Baugenehmigung geworden wäre, würde es nicht ausreichen, um auszuschließen, dass von dem Vorhaben keine unzumutbaren Lärmimmissionen ausgelöst würden. Der Antragsgegner habe sein ihm eingeräumtes Ermessen zunächst richtigerweise dahingehend ausgeübt, angesichts der offensichtlichen Immissionsprobleme ein Schallgutachten von der Beigeladenen zu fordern. Er habe es jedoch rechtsfehlerhaft genügen lassen, dass die Beigeladene ein Schallgutachten zu einem völlig anderen Bauvorhaben vorgelegt habe. Auf Grund eines Gutachtens zu einem völlig anderen Standort könne nicht die Unzumutbarkeit der von dem streitgegenständlichen Vorhaben ausgelösten Immissionen ausgeschlossen werden. Wegen der Verschiedenheit der Standorte und den abweichenden äußeren Rahmenbedingungen müssten gänzlich andere Berechnungseingangsdaten zugrunde gelegt werden. Allein der Umstand, dass die vorliegende Bebauung im Vergleich zum analog herangezogenen Heizkraftwerk vermeintlich weiter entfernt sei, lasse nicht den Schluss zu, dass deshalb unzumutbare Immissionen ausgeschlossen werden könnten. Die Ausbreitung von Schall richte sich nicht allein nach der Entfernung zu den Immissionsorten, sondern sei u.a. auch von topografischen und baulichen Gegebenheiten, Abschirmung durch Wände, Wälle und natürliche Hindernisse sowie beispielsweise Reflexionen von Gebäuden maßgeblich. Entsprechend habe vorliegend überhaupt keine Begutachtung der auf die nachbarlichen Anwesen einwirkenden Schallimmissionen stattgefunden.
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Weiter sei vorliegend zu berücksichtigen gewesen, dass auf das Anwesen der Antragstellerin und der umliegenden Nachbarn bereits jetzt erhebliche (illegale) Gastronomieimmissionen sowie Geräuschimmissionen aus den umliegenden Sport- und Freizeitanlagen einwirkten. Es werde darauf hingewiesen, dass die Antragstellerin selbst ein schalltechnisches Gutachten zum Ausschluss unzumutbarer Immissionen und Belästigungen habe in Auftrag geben wollen. Dem angefragten Gutachter habe mangels Unbestimmtheit und Unvollständigkeit der Bauvorlagen und entsprechender Beauflagung im Bescheid nicht die für eine Begutachtung notwendigen Daten vorgelegt werden können.
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Die Unbestimmtheit der Bauvorlagen sei auch nicht durch den Inhalt der Baugenehmigung behoben worden, da diese selbst zu unbestimmt sei. So seien zahlreiche Auflagen des Bescheides zu unbestimmt. Dies betreffe u.a. auch die den Lärmschutz betreffenden Auflagen, insbesondere die Auflagen zum Immissionsschutz in Ziffer 4 Satz 3 des Baugenehmigungsbescheides. Soweit darin Immissionsrichtwerte festgesetzt würden, die an den nächsten Wohnhäusern im nahen WA-Gebiet nicht überschritten werden dürften, bleibe völlig offen, welche Anwesen in der näheren Umgebung des gegenständlichen Vorhabens durch diese Auflage geschützt werden sollten. So könne die Auflage einerseits dahingehend zu verstehen sein, dass nur die sich im Osten des Baugrundstücks befindlichen Wohnanwesen in der … von der Auflage geschützt werden sollten. Allerdings würde sich dann die Frage anschließen, wie weit dieser Schutz für die dort gelegenen Anwesen reiche, welche Anwesen im Osten des Baugrundstücks also erfasst seien. Diese Frage stelle sich lediglich nicht für das ausdrücklich in der Auflage genannte Anwesen. Andererseits werde aus der Formulierung „insbesondere“ auch ersichtlich, dass die Auflage noch zum Schutz weiterer Grundstücke aufgenommen worden sei. Andererseits könnte die Auflage auch dahingehend verstanden werden, dass auch die im Süden des Baugrundstücks nächstgelegenen Anwesen Am Kesselgraben, zu denen auch das Anwesen der Antragstellerin gehöre, geschützt werden solle. Diese Unsicherheit könne nicht durch Auslegung gelöst werden.
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Widersprüchlich seien auch die genehmigten Bauvorlagen und die Auflagen des Bescheides. Deutlich werde dies bei einem Vergleich des mit Genehmigungsstempel versehenen Grundrisses und der unter Ziffer 2 der seitens des staatlichen Bauamts … geforderten und im Bescheid aufgenommenen Auflage. Danach sei die bestehende Zufahrt zur S. straße straßenbaumäßig zu befestigen und auf eine Länge von 50 m gemessen vom Fahrbahnrand der S. straße sowie eine Breite von 3,50 m mit einer staubfreien Decke zu versehen und nach Weisung der Straßenmeisterstelle zügig mit Ausrundungshalbmessern von 6 m an den Fahrbahnrand der S. straße bündig anzuschließen. Die Auflage sei nicht mit dem Grundriss in Einklang zu bringen. Es sei nicht möglich, die beauflagte 50 m lange Zufuhr unterzubringen. Es sei keine Fallgestaltung ersichtlich, in der dieser Widerspruch aufgelöst werden könne. Der Widerspruch werde verstärkt durch die Auflagen zum Naturschutz und zur Landschaftspflege. Ziffer 1 der Auflagen zum Naturschutz und zur Landschaftspflege sehe die Pflanzung von drei Einzelbäumen vor und nehme hinsichtlich der Situierung auf einen Lageplan Bezug. Ein solcher mit Genehmigungsvermerk versehener Lageplan liege jedoch nicht vor.
40
Die Bevollmächtigten der Antragstellerin ergänzten mit Schriftsatz vom 25. April 2023 ihre Ausführungen dahingehend, dass bezüglich der im Schallgutachten „…“ geschilderten Anliefervorgänge nun aktuelle Lichtbilder vom 20. April 2023 vorlägen. Die Lichtbilder zeigten einen auf dem Betriebsgelände „…“ befindlichen Bagger, der offenbar die angelieferten Hackschnitzel in den Brennraum verlade. Angesichts der Menge des zu verladenden Materials in der Größe der Baggerschaufel sei ersichtlich, dass der Verladevorgang einige Zeit beanspruchen werde und jedenfalls nicht binnen einer Minute erledigt sei. Die Lichtbilder zeigten die Diskrepanz zwischen den tatsächlichen Betriebsvorgängen und den dem Schallgutachten zugrunde gelegten Betriebsvorgängen. Da es sich nach den Angaben der Beigeladenen bei den Heizkraftwerken um identische Anlagen handele, müsse unterstellt werden, dass auch beim verfahrensgegenständlichen Heizkraftwerk zur Verbringung der angelieferten Hackschnitzel der Einsatz eines Baggers erforderlich sei. Der Einsatz eines Baggers gehe jedoch aus keinen vorgelegten Dokumenten hervor.
41
Die Antragstellerin beantragt,
1. Die aufschiebende Wirkung der mit Datum vom 27. Januar 2023 erhobenen Klage, Aktenzeichen AN 3 K 23.194, gegen die von dem Antragsgegner an die Beigeladene erteilte Baugenehmigung vom 19. Dezember 2022, Aktenzeichen …, wird angeordnet.
2. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
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Der Antragsgegner beantragt mit Schriftsatz vom 16. Mai 2023,
den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO abzulehnen.
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Zur Begründung wird vorgetragen, dass das streitgegenständliche Vorhaben im Geltungsbereich des Bebauungsplanes „…“ der Marktgemeinde …, der am Vorhabenstandort ein Gelände für Sportanlagen festsetze sowie des Weiteren u.a. Festsetzungen zur überbaubaren Grundstücksfläche durch Baugrenzen und nähere gestalterische Festsetzungen enthalte, liege. Mit der Baugenehmigung vom 19. Dezember 2022 seien gemäß § 31 Abs. 2 BauGB ausdrücklich beantragte Befreiungen wegen Überschreitens der Baugrenze und gestalterischen Anforderungen sowie gemäß § 31 Abs. 1 BauGB eine gesetzlich zulässige Ausnahme (von der festgesetzten Art der baulichen Nutzung) erteilt. Gemäß § 14 Abs. 2 Satz 1 BauNVO könnten in Baugebieten Nebenanlagen, die der Versorgung der Baugebiete u.a. mit Wärme dienten, als Ausnahmen zugelassen werden, auch soweit für sie im Bebauungsplan – wie hier – keine besonderen Flächen festgesetzt seien. Ausnahmen und Befreiungen könnten bundesrechtlich auch ohne einen hierauf gerichteten Antrag erteilt werden (BVerwG, B.v. 28.5.1990 – 4 B 56/90). Festsetzungen zu überbaubaren Grundstücksfläche sowie zur Baugestaltung hätten regelmäßig keine drittschützende Wirkung. Eine Befreiung von solchen Regelungen des Bebauungsplans könne daher nicht zu einer Verletzung subjektiv öffentlicher Rechte führen. Festsetzungen zur Art der baulichen Nutzung hätten im Rahmen des allgemeinen Gebietsgewährleistungsanspruchs regelmäßig nur dann auch eine nachbarschützende Funktion, wenn die Klagenden Eigentümer eines Grundstücks seien, das im selben Baugebiet wie das Baugrundstück liege, also in einem nach der Art der zulässigen baulichen Nutzung einheitlich ausgewiesenen Bereich. Sei dies der Fall, werde zwischen Bauherrn und Nachbarn ein nachbarliches Austauschverhältnis angenommen, da beide sich denselben Einschränkungen hinsichtlich der Art der zulässigen baulichen Nutzung unterwerfen müssten. Vorliegend befinde sich das Grundstück der Antragstellerin allerdings im Geltungsbereich des Bebauungsplans „…“ und damit bereits nicht im selben Baugebiet wie das streitgegenständliche Vorhaben. Auf einen Gebietserhaltungsanspruch könne sich die Antragstellerin daher nicht berufen.
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Die streitgegenständliche Baugenehmigung sei auch hinreichend bestimmt. Bestandteil der Baugenehmigung würden Unterlagen, die als solche im Bescheid aufgeführt würden. Diese seien durch die Bezeichnung und die entsprechende Datumsangabe vorliegend ausreichend konkret und klar bestimmt, so dass es auf den Unterlagen selbst keines zusätzlichen Zugehörigkeitsvermerks mehr bedürfe. Durch die klare Bezugnahme auf das Datum des jeweiligen Planungsstandes reiche allein ein vom Datum des Genehmigungsbescheides abweichendes Datum der Genehmigungsstempel auf den Planunterlagen nicht aus, um von einer Unbestimmtheit der Baugenehmigung auszugehen.
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Es bestehe auch kein Widerspruch des genehmigten Standortes des Vorhabens zur Auflage des staatlichen Bauamtes … Im Rahmen der nach Art. 19 i.V.m. Art. 23 Abs. 3 BayStrWG erforderlichen Entscheidung war das Einvernehmen des staatlichen Bauamtes … einzuholen. In seiner Stellungnahme vom 30. Mai 2022 habe das staatliche Bauamt u.a. gefordert, die bestehende Zufahrt zur S. straße straßenbaumäßig zu befestigen. Bei der in der Stellungnahme angegebenen und in die Auflage Nr. 2 des streitgegenständlichen Bescheides übernommenen Maßangabe von 50 m Länge handele es sich um einen offensichtlichen Schreibfehler. Die bestehende Zufahrt sei aktuell (nur) 5 m lang. Eine mögliche Verschiebung des streitgegenständlichen Vorhabens in Richtung des Anwesens der Antragstellerin könne aus der offensichtlich unrichtigen Maßangabe von 50 m – ebenfalls offensichtlich – nicht abgeleitet werden.
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Auch die Auflage zum Naturschutz und zur Landschaftspflege genüge dem Bestimmtheitsgrundsatz. Sie nehme Bezug auf die im streitgegenständlichen Bescheid auf Seite 2 näher bezeichneten Eingriffsbilanzierung samt Freiflächengestaltungsplan vom 5. August 2022 sowie dem artenschutzrechtlichen Fachbeitrag vom 5. August 2022. Naturschutzfachliche Regelungen seien darüber hinaus regelmäßig nicht drittschützend.
47
Die Betriebsbeschreibung vom 4. Juli 2022 mit Zusatzerklärung vom 10. Juli 2022 entspreche den Anforderungen des § 9 Satz 1 BauVorlV. Insbesondere seien die Angaben zu den Anlieferungsvorgängen klar definiert. Die Betriebsbeschreibung vom 4. Juli 2022 führe unter Nr. 7 „Geräusche“ explizit auf, dass von März bis September zwei Traktoren ca. alle sechs Wochen, von Oktober bis Februar vier Traktoren ca. alle drei Wochen zur Anlieferung der Hackschnitzel eingesetzt würden. Das Anfahren dauere eine Minute, der Abladevorgang eine Minute und die Abfahrt zwei Minuten (pro Traktor). Hieraus ergäben sich maximal 37 Anlieferungen jährlich. Die „rund 30 Anlieferungen pro Jahr“ der Zusatzerklärung vom 10. Juli 2022 würden dadurch zusätzlich konkretisiert. Ein Mangel an Informationen oder Widersprüche bezüglich der Anlieferungsvorgänge sei nicht erkennbar. Die beiden angeführten Schriftstücke seien beide Bestandteil der Baugenehmigung.
48
Auf Grund des Vortrages der Antragstellerin hinsichtlich eines abweichenden Betriebs in der Biomassefeuerung „…“ sei die Beigeladene um Stellungnahme gebeten worden. Die Beigeladene habe sich dazu geäußert, dass es auf Grund eines technischen Defekts erforderlich gewesen sei, das gesamte Hackschnitzellager auszuräumen, wozu man sich eines Baggers bedient habe (wird weiter ausgeführt). Somit ergäben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass ein Baggereinsatz im Regelbetrieb am Heizhaus an der Grundschule zu erwarten sei und in die schalltechnische Beurteilung des Vorhabens hätte einfließen müssen. Ein solcher werde im Übrigen auch nicht von der Baugenehmigung umfasst. Die im Genehmigungsbescheid berücksichtigte Anlieferung von Hackschnitzeln per Traktor und Abschiebewagen werde als repräsentativ und damit geeignet für die schalltechnische Beurteilung des bestimmungsgemäßen Betriebs der streitgegenständlichen Biomassefeuerung betrachtet. Sowohl die Beigeladene als auch der Antragsgegner gingen weiterhin in Summe von einem identischen Betrieb des Heizkraftwerkes am Sportplatz zu dem Heizkraftwerk „…“ aus.
49
Bezüglich der Schallimmissionsprognose und des analog angewandten Schallgutachtens zum Heizkraftwerk „…“ könne kein rechtsfehlerhafter Umgang festgestellt werden. Das Schallgutachten des Ingenieurbüros …, das als Bestandteil des Bescheides dort mit aufgeführt sei, sei zwar für einen anderen Standort erstellt worden, an dem allerdings eine Hackschnitzelheizung des gleichen Typs und der gleichen Nennleistung verbaut sei. Lediglich der Hackschnitzelbunker weise eine andere Größe auf. Zudem sei die Entfernung zwischen der Hackschnitzelheizung und relevanten Immissionsorten im allgemeinen Wohngebiet geringer als im gegenständlichen Bauantrag. Im Rahmen der Ermessensausübung sei es als möglich empfunden worden, das Gutachten heranzuziehen, da bereits beim Heizhaus „…“ im Endergebnis das Gutachten die Hackschnitzelheizung samt Betrieb und Verkehrsbetrieb als verträglich mit den damaligen – näher gelegenen – Immissionsorten eingestuft habe.
50
Unabhängig davon seien die dem obengenannten Schallgutachten zugrundeliegenden Daten auf das streitgegenständliche Vorhaben transponiert worden. Dazu habe die Umweltingenieurin des Landratsamtes am 8. August 2022 eine Ortsbegehung und am 11. August 2022 eine individuelle standortbezogene schalltechnische Beurteilung vorgenommen. Nach Ziffer 2.3 TA-Lärm sei als maßgeblicher Immissionsort (grundsätzlich nur) der Ort im Einwirkungsbereich der Anlage zu berücksichtigen gewesen, an dem eine Überschreitung der Immissionsrichtwerte am ehesten zu erwarten sei. Vorliegend wurde der Lärmbetrachtung das nächstgelegene Wohnhaus im Wohngebiet … (Entfernung ca. 120 m) sowie das nächste Gebäude im Mischgebiet ( …) zugrunde gelegt. Das in einer größeren Entfernung (ca. 170 m) gelegene Wohnhaus der Antragstellerin sei bei der fachlichen Beurteilung unabhängig davon ebenfalls mitbetrachtet worden. Da allerdings bereits der maßgebliche nähere Immissionsort außerhalb des Einwirkungsbereichs gelegen habe, habe über den Erst-recht-Schluss prognostiziert werden können, dass es auch am Anwesen der Antragstellerin zweifelsfrei nicht zu einer Überschreitung der maßgeblichen Immissionsrichtwerte kommen werde. Um – nach Ermittlungen des Landratsamtes nicht vorhandene – Vorbelastungen im Wege einer worst-case-Betrachtung dennoch zu berücksichtigen, seien im streitgegenständlichen Bescheid zudem entsprechend der Ziffer 3.2.1 der TA-Lärm um 6 dB reduzierte Immissionsrichtwerte festgelegt worden. Wie sich aus der umweltschutztechnischen Stellungnahme vom 11. August 2022 ergebe, seien bezüglich der Luftreinhaltung lediglich die Bestimmungen der 1. BImSchV bzw. die der VDI 3781 Bl. 4 einzuhalten. Deren Überprüfung obliege dem Schornsteinfeger. Ein separates lufthygienisches Gutachten sei aus hiesiger Sicht entbehrlich, da lediglich das Sportheim auf dem Grundstück FlNr. … als maßgeblicher Immissionsort im Einwirkungsbereich des Bauvorhabens liege. Die bezüglich dieses Immissionsortes erforderliche Kaminhöhe (3,6 m über First und 4,8 m über Dach als Mindesthöhe) sei entsprechend der fachlichen Einschätzung des Schornsteinfegermeisters angepasst worden. Zudem sei als Auflage im Bescheid gefordert, dass der Kamin nicht überdacht werden dürfe.
51
Das Anwesen der Antragstellerin liege nach Maßgabe der oben aufgeführten Normen außerhalb des Einwirkungsbereichs der Kaminanlage. Eine unzumutbare Belästigung oder Störung durch Staub, Gerüche oder sonstige Bestandteile von Abgasen der streitgegenständlichen Anlage könne daher ausgeschlossen werden. Freiwillig plane der Bauherr zudem einen Partikelfilter bzw. eine nachgeschaltete Staubminderungseinrichtung für Kleinfeuerungsanlagen.
52
Der Bevollmächtigte der Beigeladenen beantragt mit Schriftsatz vom 22. Mai 2023,
den Antrag der Antragstellerin kostenpflichtig abzuweisen
die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen der Antragstellerin aufzuerlegen.
53
Der Bevollmächtigte der Beigeladenen führt hinsichtlich des Überwiegens des Suspensiveffekts aus, dass im zu versorgenden Gebiet insgesamt 75 Häuser an die geplante Anlage angeschlossen werden sollten, u.a. eine Arztpraxis und die neue Kinderkrippe der Kommune. Die Kinderkrippe sei allein auf die Fernwärme angewiesen und würde ansonsten ohne Heizung dastehen. Ein derartiges Nahwärmenetz sei die ideale Versorgung des Ortes mit Wärme, insbesondere im Hinblick auf die Lage der Wärmeversorgung mit fossilen Brennstoffen infolge des Ukrainekrieges. Die Einstellung der Bauarbeiten wäre angesichts dessen unabsehbar und für die beteiligten Kunden mit tiefgreifenden Folgen verbunden.
54
Sollten tatsächlich auf den Unterlagen unterschiedliche Stempel aufgebracht worden sein, so lasse sich dies bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung korrigieren und rechtfertige unter keinen Umständen einen Suspensiveffekt.
55
Die von der Antragstellerin gerügte fehlende Befreiung von den Vorgaben des Bebauungsplans gehe fehl. Bei einem Nahwärmenetz handele es sich um eine bauliche Nebenanlage im Sinne des § 14 BauNVO. Nebenanlagen seien solche Anlagen, die als dezentraler, untergeordneter Bestandteil funktional in ein übergeordnetes System zur Schaffung einer gleichermaßen in allen Baugebieten erforderlichen Infrastruktur eingebunden seien. Dies treffe bei dem Nahwärmenetz zu. Zum anderen handele es sich bei der Baugenehmigung um eine konkludente Genehmigung (vgl. BayVGH, B.v. 2.8.2018 – 15 ZB 18.764). Da im Bescheid ausgeführt werde, dass im Genehmigungsverfahren die Übereinstimmung mit den Vorgaben der §§ 29 ff. BauGB geprüft worden sei, habe der Antragsgegner konkludent, sofern notwendig, die Befreiung erteilt.
56
Hinsichtlich der Bestimmtheit werde darauf hingewiesen, dass die Unterlagen allesamt dem Antragsgegner übermittelt worden seien. So sei z.B. die Betriebsbeschreibung übermittelt worden, in der mehrfach erwähnt werde, dass es sich um unbehandeltes Holz handele und kein Strom produziert werde. Behandeltes Holz könne die Beigeladene nicht einfach mit einem Standardkessel verbrennen, da hier die eingesetzten Anlagen zu schnell verschleißen würden. Ein Datenblatt zur Elektrofilteranlage sei ebenfalls übermittelt worden. Es sei somit nachvollziehbar, welche Anlage genau verbaut werde und welche Eigenschaften diese habe. Sollten diese Unterlagen tatsächlich kein Teil der Bauakte bzw. des Bescheides geworden sein, müsste dies selbstverständlich schnellstmöglich geheilt werden. Die Beigeladene habe die 30 Anlieferungsvorgänge aus ihren Erfahrungen mit vergleichbaren Anlagen geschöpft. Allerdings komme es bei der Anlieferungshäufigkeit stets auch auf die Witterungsbedingungen an.
57
Hinsichtlich Lärms sei das Lärmgutachten aus der ersten Heizzentrale herangezogen worden, welche mit den identischen Heizkesseln bestückt sei. Beim Lärmgutachten sei festgestellt worden, dass die An- und Abfahrten von Traktoren die lauteste Lärmquelle sei. Da im Betrieb kein Lärm entstehe, sei der Betrieb an sich außen vor gelassen worden. Bei der ersten Heizzentrale sei das nächstgelegene Wohnhaus von der Schornsteinmündung 40 m entfernt und das nächste gewerbliche Objekt lediglich ca. 6 m. Auf Grund der großen Entfernung von rund 170 m zum Objekt der Antragstellerin sei angenommen worden, dass dies folglich erst recht kein Problem darstellen könne, wenn bereits 40 m entfernt keine außergewöhnliche Lärmbelastung feststellbar sei. Die sich aus dem Einspruchsschreiben der Antragstellerin vom 9. Juni 2022 ergebende Annahme der Antragstellerin, dass am Standort eine Art Motor stehen müsse, welcher Strom und Wärme produziere, sei definitiv nicht zutreffend. Es handele sich um eine reine Hackschnitzelheizung, die ausschließlich Holz verbrenne, um an die thermische Energie zu gelangen. Es gebe keine elektrische, sondern ausschließlich eine thermische Leistung.
58
Die Beigeladene habe ein neues Gutachten beauftragt, welches demnächst vorliegen werde.
59
Hinsichtlich Staub, Gerüche und sonstiger Schadstoffe werde das Gebäude so errichtet, dass das Entladen der Hackschnitzel auf der Rückseite des Gebäudes (aus Sicht der Antragstellerin) stattfinde. Somit sei es nicht einmal annähernd denkbar, dass Staub und Gerüche zum Objekt der Antragstellerin gerieten. Der Staub müsse aus dem Gebäude gelangen und dann per Wind in 170 m noch erkennbar sein. Da es sich nicht einmal um die Hauptwindrichtung handele, sei dies nahezu ausgeschlossen. Des Weiteren komme alle zwei Jahre der Schornsteinfeger und kontrolliere alle Abgaswerte (inklusive Feinstaub). Die rechtlichen Rahmenbedingungen würden eingehalten, da ansonsten die Erlaubnis, die betroffene Anlage weiter zu betreiben, erlösche.
60
Soweit die Antragstellerin davon ausgehe, dass die Beigeladene Eigentümerin der FlNr. … sei, so sei dies nicht zutreffend. Die Beigeladene sei lediglich Eigentümerin der FlNr. … Die FlNr. … habe mit der Beigeladenen nichts zu tun. Lediglich das Grundstück FlNr. … grenze direkt an das Grundstück der Antragstellerin, nicht aber das Grundstück der Beigeladenen.
61
Es werde auf Vergleichsobjekte in …, …, …, … und … verwiesen. Die Beigeladene habe noch nicht eine einzige Beschwerde über Geruch, Staub und Sonstiges erhalten.
62
Das Vorhaben halte das Rücksichtnahmegebot ein. So bestehe das Gebäude vollständig aus Beton, in Richtung Sportgelände und Antragstellerin seien keinerlei Öffnungen vorhanden, so dass dies der beste Lärmschutz sei. Die erforderlichen Öffnungen für den Heizraum zeigten in Richtung S. straße. Das Abladen der Hackschnitzel erfolge hinter einem vollbetonierten Gebäude in einen vollbetonierten Hackschnitzelbunker. Die Zufahrt zum Grundstück befinde sich ebenfalls am nördlichsten Ende des Gesamtgrundstücks, so dass An- und Abfahrten möglichst weit von der Wohnbebauung entfernt seien. Alle Lieferungen kämen aus Richtung Ortskern, so dass am Objekt der Antragstellerin nicht ein einziger Traktor vorbeifahren werde. Auf der südlichen Grenze werde über die gesamte Länge ein 2 m hoher Erdwall errichtet, welcher zum einen als Ausgleich für die gefundenen Zauneidechsen und zum anderen dem Schallschutz in südlicher Richtung diene.
63
Hinsichtlich der Benutzung des Baggers werde darauf hingewiesen, dass die Anlage einen Defekt aufgewiesen habe. Daher habe das Hackschnitzellager ausgeräumt werden müssen, wofür sich die Beigeladene eines Baggers bedient habe.
64
Die Bevollmächtigte der Antragstellerin erwiderte mit Schriftsatz vom 9. Juni 2023 unter Bezugnahme auf eine Stellungnahme eines Mitarbeiters der … vom 7. Juni 2023, wonach die Erstellung eines schalltechnischen Gutachtens durch die Antragstellerin nicht möglich gewesen sei, da dem Gutachterbüro zur Berechnung noch zahlreiche Daten gefehlt hätten, die der Antragstellerin nicht vorgelegen hätten und nur durch den Betreiber beigebracht hätten werden können. Danach fehle es u.a. an einer Angabe zur genauen Anzahl der An- und Abfahrten pro Tag sowie an Schallleistungspegeln technischer Anlagen im Gebäude sowie der Abluftkamine und sonstiger relevanter lärmintensiver Maschinen. Weiter fehlten die Schalldämmmaße der Außenbauteile des geplanten Heizhauses. Die Stellungnahme bestätige danach, dass die im Genehmigungsverfahren durch die Beigeladene vorgelegten Unterlagen und die Baugenehmigung bzw. die darin vorgesehenen Auflagen nicht ausreichten, um die auf das Anwesen der Antragstellerin einwirkenden Immissionen berechnen zu können. Weiter gehe aus der Stellungnahme auch hervor, dass das von dem Antragsgegner „analog“ herangezogene Gutachten zum Standort „…“ nicht einfach entsprechend für den hiesigen Standort in … herangezogen hätte werden können, um die Immissionsbelastungen und vor allem die Frage, ob das Vorhaben gegenüber den anliegenden Wohnhäusern unzumutbare Immissionsbelastungen auslöse oder nicht. Entsprechend sei der Bescheid zu unbestimmt. Einem anerkannten Sachverständigen sei es nicht möglich, die Immissionsbelastung für das Anwesen der Antragstellerin auf der Grundlage der eingereichten Unterlagen zu bestimmen bzw. zu berechnen, ob die maßgeblichen Lärmimmissionsrichtwerte eingehalten seien oder nicht.
65
Soweit der Antragsgegner meine, mit der Baugenehmigung vom 19. Dezember 2022 offenbar auch eine Ausnahme von der Art der baulichen Nutzung erteilt zu haben, liege allenfalls ein versteckter Dispens vor, da weder dem Genehmigungsbescheid noch der Bauakte Ausführungen zu der vermeintlich erteilten Ausnahme enthalte. Darunter verstehe man den Fall, dass die zuständige Behörde ein Vorhaben genehmigt habe, ohne dass sie erkannt habe, dass es von Bebauungsplanfestsetzungen abweiche und es einer Ausnahme oder Befreiung bedurft hätte. Dies sei vorliegend der Fall. Da weder die Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausnahme vorlägen noch eine Ermessensbetätigung stattgefunden habe, habe dies auch unstreitig die materielle Rechtswidrigkeit des Bescheides zur Folge. Insbesondere handele es sich bei dem Vorhaben nicht um eine Nebenanlage im Sinne von § 14 Abs. 2 Satz 2 BauNVO. Denn selbst unter Berücksichtigung dessen, dass dem Begriff der Nebenanlage in § 14 Abs. 2 Satz 2 BauNVO ein anderes Begriffsverständnis als bei § 14 Abs. 1 BauNVO zukomme, lägen dessen Voraussetzungen nicht vor. Dem gegenständlichen Vorhaben komme, bezogen auf das infrastrukturelle Versorgungsnetz, jedenfalls keine nur untergeordnete Funktion zu. Es handele sich vielmehr um eine Hauptnutzung, die nicht mehr unter den Begriff der Nebenanlage subsumierbar sei. Es werde darauf hingewiesen, dass im Gegensatz zu den §§ 12, 13 und 14 Abs. 1 BauNVO, welche eine allgemeine Zulässigkeit der dort genannten Anlagen vorsähen, die in § 14 Abs. 2 BauNVO genannten speziellen Infrastruktursysteme nur ausnahmsweise in allen Baugebietsarten zulässig seien. Um eine ungewollte Häufung derartiger Anlagen zu vermeiden, habe der Gesetzgeber im Wege der ausnahmsweisen Zulassung eine Einzelfallprüfung vorgesehen. Diese Einzelfallprüfung habe jedoch nicht auf der Ebene des Gebietserhaltungsanspruchs, sondern auf der Ebene des Rücksichtnahmegebots und der Ermessensentscheidung der Behörde zu erfolgen (Bundesrats-Drs. 354/89, Seite 57; OVG NRW v. 6.5.2005 – 7 B 2752/04). Diese Einzelfallprüfung habe der Antragsgegner vorliegend jedoch gar nicht vorgenommen, obwohl dies erforderlich gewesen wäre, da er schon nicht erkannt habe, dass es einer Ausnahme von einer Festsetzung des Bebauungsplans bedürfe. In diesem Zusammenhang hätte der Antragsgegner sich bei der Prüfung des Rücksichtnahmegebots freilich auch nicht darauf beschränken dürfen, nur die Belange der innerhalb des Plangebiets betroffenen Nachbarn zu prüfen. Der Antragsgegner hätte das zu Gunsten der Antragstellerin zur Anwendung kommende Rücksichtnahmegebot prüfen müssen, welches vorliegend unter mehrerlei Gesichtspunkten verletzt sei.
66
Es werde bestritten, dass es sich bei der Maßgabe von 50 m um einen Schreibfehler seitens des staatlichen Bauamtes … handele. Der Ehemann der Antragstellerin habe zu der Forderung des staatlichen Bauamtes … nach Genehmigungserteilung und Baubeginn auch mit der zuständigen Sachbearbeiterin … telefoniert. Angesprochen darauf, dass die Beigeladene diese Maßgabe von 50 m nicht werde einhalten können, habe die zuständige Sachbearbeiterin mitgeteilt, dass es nicht so entscheidend sei, ob es nun 39 m oder 35 m seien. Daraus werde deutlich, dass eine Zufahrt tatsächlich in dieser Länge gefordert werde. Die Erklärung, es handele sich um einen offensichtlichen Schreibfehler, habe sich der Antragsgegner erst im Nachhinein zurechtgelegt. Im Übrigen wäre ein Schreibfehler auch erst recht nicht offensichtlich.
67
Fehl gingen auch die Ausführungen des Antragsgegners zu der hinreichenden Ermittlung schädlicher Umwelteinwirkungen, Belästigungen und Störungen. Dies gelte schon für die Anzahl der Anlieferungen. Auch werde die Auffassung des Antragsgegners nicht geteilt, dass die Stellungnahme seitens der Umweltingenieurin ausreiche. Es entspreche gängiger Praxis, dass Bauherren beispielsweise für nahezu jede Garagenanlage eines Mehrfamilienwohnhauses eine Schallimmissionsprognose beizubringen hätten.
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Soweit die Beigeladene vorträgt, ein Gutachten beauftragt zu haben, so werde dies bestritten. Allerdings wäre es aus Nachbarsicht zu begrüßen, wenn Antragsgegner und Beigeladene nach Erteilung der Baugenehmigung und Anstrengung eines Eilverfahrens nun doch noch zu der Einsicht gelangt seien, dass es der Erstattung eines Schallgutachtens bedurft hätte.
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Bestritten werde auch, dass die im Schriftsatz der Beigeladenen genannten Häuser und Einrichtungen an das Heizkraftwerk angeschlossen werden sollten. Ebenso werde bestritten, dass einzelne Häuser oder Einrichtungen bei Nichtumsetzung des Vorhabens ohne Heizung dastünden. Die Beigeladene habe ihre Ausführungen auch nicht glaubhaft gemacht. Selbst bei Zutreffen führe dies jedoch nicht zu einem Überwiegen des Vollzugsinteresses, da Beigeladene und Antragsgegner von Anfang an gewusst hätten, dass sich in der örtlichen Bevölkerung erheblicher Widerstand gegen das Vorhaben gebildet habe. Die Umsetzung des Vorhabens erfolge auf eigenes Risiko. Das Vertrauen einzelner Haushalte oder Einrichtungen auf die Errichtung des Kraftwerkes seien nicht schutzwürdig.
70
Selbst wenn die Beigeladene nur Eigentümerin des Anwesens FlNr. … sein sollte, so sei zu berücksichtigen, dass im Baugenehmigungsbescheid als Bauort die FlNrn. … und … angegeben seien. Das Grundstück FlNr. … existiere in den genehmigten Plänen nicht. Danach fielen die Angaben im Baugenehmigungsbescheid und den genehmigten Plänen zum Bauort auseinander. Die Baugenehmigung sei insoweit zu unbestimmt. Verbleibende Zweifel gingen zu Lasten des Bauherrn. Unabhängig davon sei das Angrenzen für den baurechtlichen Nachbarbegriff nicht erforderlich. Nachbar sei jeder im Umgriff der Anlage, der von dem Vorhaben durch mögliche Immissionen betroffen sei.
71
Bestritten würden auch die Ausführungen zu etwaigen Vergleichsobjekten. Auch sagten die angeführten Heizkraftwerke nichts über die im hiesigen Verfahren verletzten Nachbarrechte aus.
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Es werde bestritten, dass sich der Bagger Anfang April nur zum Zweck der Behebung eines Schadens auf dem Betriebsgelände befunden habe.
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Der Bevollmächtigte der Beigeladenen legte mit Schriftsatz vom 26. Juni 2023 ein Lärmgutachten des Ingenieurbüros für Bauphysik … vom 23. Juni 2023 vor. Dazu wird ausgeführt, dass die Beigeladene als eine Art „worst case“-Szenario vollkommen unrealistische Annahmen durch den Gutachter hätten unterstellen lassen. Zum einen werde unterstellt, die Biomasseheizanlage werde werktäglich viermal befüllt, was unrealistisch sei, da die angelieferten Hackschnitzel, sofern die Anlage befüllt sei, mehrere Wochen ausreichten. Selbst bei Annahme von 20 Anfahrten in einer Fünf-Tage-Woche sei keine Beeinträchtigung der Antragstellerin ersichtlich. Zum anderen habe die Beigeladene den Betrieb des Radladers mit einer Stunde täglich unterstellen lassen. Wie bereits im Verfahren ausgeführt, werde der Radlader im Regelbetrieb überhaupt nicht benötigt, da die Befüllung mittels der Traktoren erfolge. Der Radlader werde nur dann notwendig, wenn die Anlage einen Defekt aufweise und deshalb das Hackschnitzellager geräumt werden müsse.
74
Die getätigten Annahmen seien aus folgendem Grund unrealistisch:
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Pro Anlieferung würden ca. 45 m3 Hackschnitzel gebracht. Jeder Kubikmeter Hackschnitzel beinhalte im Durchschnitt 782 kWh. Pro Anlieferung würden somit 35.190 kWh Brennmaterial geliefert. Pro Kessel stehe eine maximale Feuerungswärmeleistung von 425 kWh zur Verfügung. Würden beide Kessel gleichzeitig 24 Stunden und in maximaler Volllast laufen, könnten pro Tag maximal 20.400 kWh an Brennmaterial verbraucht werden. Bei vier Anlieferungen pro Tag wäre somit ein Vorrat für ca. sieben komplette Tage vorhanden, wenn beide Kessel 24 Stunden auf Volllast laufen würden. Die getätigte Annahme sei daher unmöglich, da, sofern das Lager einmal voll sei, dieses selbst bei maximaler Last beider Kessel 24/7 bereits eine Woche halte.
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Nachvollziehbarerweise könnten aber beide Kessel nicht allzu oft in Volllast und schon gar nicht 24 Stunden am Tag laufen, da sonst das Wärmenetz ständig und bei jeder Witterung am Limit laufe und selbstverständlich die Haltbarkeit der Heizkessel sich schnell dem Ende zuneigen würde. Daraus folge, dass unter keinen Umständen eine Beeinträchtigung der Antragstellerin ersichtlich sei.
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Aus der Zusammenfassung des Gutachtens des Ingenieurbüros für Bauphysik … vom 23. Juni 2023 ist zu entnehmen, dass unter Berücksichtigung der vorliegenden Planung und der in Abschnitt 5 des Gutachtens aufgeführten Berechnungsvoraussetzungen (Maximalabschätzung) die zugrunde gelegten schallimmissionsschutztechnischen Anforderungen der TA-Lärm an allen Fassaden des Wohnhauses der Antragstellerin deutlich unterschritten und somit eingehalten würden (auf die Ausführungen des Gutachtens wird ausdrücklich Bezug genommen).
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Der Antragsgegner erwiderte zum Schreiben der Antragstellerin vom 9. Juni 2023 mit Schriftsatz vom 26. Juni 2023, dass die Antragstellerin irre, wenn sie meine, dass die Immissionsbelastung an ihrem Anwesen nicht berechnet werden könne. Der streitgegenständliche Bescheid enthalte Auflagen zum Lärmimmissionsschutz. Danach müssten an näher bestimmten Immissionsorten klar definierte Immissionsrichtwerte eingehalten werden. Bereits daraus lasse sich die Einhaltung der maßgeblichen Immissionsrichtwerte am – weiter entfernten – Anwesen der Antragstellerin ableiten und im Zweifel auch berechnen. Die Einhaltung der Immissionsrichtwerte sei vom Landratsamt auch verifiziert worden. Die zuständige Umweltingenieurin habe das schalltechnische Gutachten des Heizhauses „…“ dabei nicht ungesehen übernommen, sondern habe Ansätze, die sich aus dem Gutachten „…“ auf das geplante Heizhaus übertragen lassen, gewählt und habe selbst eine überschlägige Berechnung des Beurteilungspegels mit DIN 9613 Beiblatt 2 durchgeführt. Diese Ergebnisse fänden sich in der fachtechnischen Stellungnahme vom 11. August 2022. Für die überschlägige Berechnung sei der Immissionsort … betrachtet worden. Dieser liege näher am geplanten Heizhaus als das Anwesen … und komme daher als maßgeblicher Immissionsort im Sinne von 2.3 TA-Lärm in Betracht. Der gewählte Ansatz sei dabei konservativer als im Gutachten „Heizhaus …“, da ein höherer Schallleistungspegel an der Kaminmündung angenommen worden sei, welcher sich aus Literaturwerten ergeben habe. In der Betriebsbeschreibung der Beigeladenen vom 4. Juli 2022 werde in den Wintermonaten eine Anlieferung von vier Fuhren mit Traktor/Abschiebewagen alle drei Wochen angegeben. Die Dauer eines Anlieferungsvorganges werde mit vier Minuten angegeben. Bei der überschlägigen Berechnung des Beurteilungspegels am Immissionsort … seien vier Anlieferungen berücksichtigt. In die überschlägige Berechnung des Beurteilungspegels seien die Geräusche aus dem Inneren des Heizhauses nicht miteingeflossen, da diese durch Wände und Dach des Heizhauses gedämmt würden und keine Lüftungsöffnung in Richtung der Immissionsorte zeige. Dieser Ansatz finde sich auch im schalltechnischen Gutachten des Heizhauses „…“. Die überschlägige Berechnung des Beurteilungspegels am Immissionsort … habe eine Unterschreitung der Immissionsrichtwerte und deutlich mehr als 10 dB(A) ergeben. Damit liege dieser Immissionsort nach 2.2 TA-Lärm nicht mehr im Einwirkungsbereich des Heizhauses und sei daher nach 2.3 TA-Lärm auch maßgeblicher Immissionsort. Das Anwesen der Antragstellerin liege nochmals weiter vom Heizhaus entfernt als das Wohnhaus … Zudem sei der Bereich der Anlieferung durch das Heizhaus selbst abgeschirmt. Somit könnten sich für das Anwesen der Antragstellerin keine höheren Schallimmissionen ergeben als für den betrachteten Immissionsort … Da nach überschlägiger Betrachtung keine Wohnbebauung im schalltechnischen Einwirkbereich des Heizhauses liege, habe es unterbleiben können, eine auf das konkrete Bauvorhaben bezogene detaillierte Prognose vom Beigeladenen zu fordern. Zwischenzeitlich liege auch ein – fachlich nicht zu beanstandendes – Lärmgutachten des Ingenieurbüros Sorge vor, das die Einhaltung der Immissionsrichtwerte am Anwesen der Antragstellerin bestätige. Dieses Lärmgutachten komme, wie auch die Umweltingenieurin zum Ergebnis, dass die maßgeblichen Immissionsrichtwerte der TA-Lärm am Anwesen der Antragstellerin um deutlich mehr als 10 dB(A) unterschritten würden. Folglich liege das Anwesen der Antragstellerin außerhalb des Einwirkbereiches der Anlage.
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Soweit geltend gemacht werde, die Auflagen des staatlichen Bauamtes seien widersprüchlich und daher unbestimmt, dürfe zunächst darauf verwiesen werden, dass die Vorschriften des Bayerischen Straßen- und Wegegesetzes nicht zum Schutz der Nachbarschaft, sondern zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs bestimmt seien. Im Rahmen des Auflagenvollzugs sei das staatliche Bauamt … um Stellungnahme gebeten worden. Soweit Auflagen anderer Behörden und Fachstellen im Rahmen des „aufgedrängten Rechtes“ Einfluss in die Baugenehmigung fänden, vollziehe zwar das Landratsamt diese Auflage. Die Übereinstimmung mit dem materiellen Recht und auflagenkonforme Umsetzung bestätige aber die jeweils zuständige Behörde bzw. Fachstelle. Mit E-Mail vom 19. Juni 2023 habe sich die Sachbearbeiterin des staatlichen Bauamtes wie folgt geäußert: „Die Straßenmeisterei … hat am Donnerstag eine Ortseinsicht vorgenommen. Dabei wurde Herrn … mitgeteilt, dass, falls weitere Eingriffe in den Randbereich der S. straße erforderlich sind, eine verkehrsrechtliche Anordnung des Landratsamtes einzuholen ist. Zur Herstellung der Zufahrt und der baulichen Anlage ist ein gewisser Eingriff in den Straßenverkehr unabdingbar. Die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs war bislang nicht beeinträchtigt. Die Einhaltung des Abstandes der baulichen Anlage von 17 m zum Fahrbahnrand der S. straße wurde am 21. März 2023 seitens der Straßenmeisterei nachgemessen. Ein Schnurgerüst ist hierfür nicht zwingend erforderlich.“
80
Das staatliche Bauamt habe in der Stellungnahme vom 30. Mai 2022 eine Befestigung der Zufahrt von 50 m mit einer staubfreien Decke gefordert. Es sei lediglich eine Befestigung von 15 m mit einer staubfreien Befestigung erforderlich, wenn davon ausgegangen werde, dass die Restfläche geschottert werde. An der Grundstücksgrenze sei eine Entwässerungsmulde oder -rinne mit ordnungsgemäßer Wasserabführung vorzusehen, so dass kein Wasser dem Straßengrundstück zugeleitet werde. An der Grenze zur Fahrbahn sei ebenfalls eine Mulde auszubilden, so dass aus der Zufahrt kein Wasser auf die S. straße fließen könne.
81
Die Bevollmächtigten der Antragsteller replizierten mit Schriftsatz vom 3. Juli 2023 und wiesen abschließend darauf hin, dass die Baugenehmigung einschließlich ihrer Auflagen sowie die zugrunde liegenden Bauvorlagen unvollständig, widersprüchlich und unbestimmt seien. Im Übrigen bestünden Bedenken an der Unparteilichkeit des Sachverständigen, wenn dieser tatsächlich bereits beim ersten Ortstermin ohne weitere Sachprüfung zu dem Ergebnis gelangt sei, dass alle maßgeblichen Richtwerte in jedem Fall eingehalten seien. Auch habe ein Gutachten zu einem hypothetischen Vorhaben keinerlei Auswirkungen auf das gegenständliche Vorhaben. Das Gutachten begutachte nicht das baugenehmigungsgegenständliche Vorhaben, sondern einen hypothetischen Betrieb mit hypothetischem Betriebsablauf. Das Gutachten belege jedoch, dass die im Genehmigungsverfahren vorgelegten Unterlagen nicht ausgereicht hätten, um die auf das Anwesen der Antragstellerin einwirkenden Immissionen berechnen zu können.
82
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, auch des Verfahrens AN 3 K 23.194, und auf die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.
83
Es kann dahinstehen, ob die Antragsbefugnis der Antragstellerin aufgrund der nachträglichen Teilung des Grundstückes Flnr. … bzw. der fehlenden Möglichkeit einer Rechtsverletzung der Antragstellerin in drittschützenden Normen aufgrund der großen Entfernung zum Vorhabensstandort zu verneinen ist, da der Antrag auf jeden Fall unbegründet ist.
84
1. Erhebt ein Dritter gegen die einem anderen erteilte Baugenehmigung Anfechtungsklage, so kann das Gericht auf Antrag gemäß § 80a Abs. 3 Satz 2 VwGO in entsprechender Anwendung von § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO die bundesgesetzlich gemäß § 212a Abs. 1 BauGB ausgeschlossene aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage ganz oder teilweise anordnen. Hierbei trifft das Gericht aufgrund der sich im Zeitpunkt seiner Entscheidung darstellenden Sach- und Rechtslage eine eigene Ermessensentscheidung darüber, welche Interessen höher zu bewerten sind – die für einen sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsaktes oder die für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung streitenden. Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache als wesentliches Indiz zu berücksichtigen. Fällt die Erfolgsprognose zu Gunsten des Nachbarn aus, erweist sich die angefochtene Baugenehmigung nach summarischer Prüfung also als rechtswidrig im Hinblick auf nachbarschützende Vorschriften, so ist die Vollziehung der Genehmigung regelmäßig auszusetzen. Hat dagegen die Anfechtungsklage des Nachbarn mit hoher Wahrscheinlichkeit keinen Erfolg, so ist dies im Rahmen der Interessenabwägung ein starkes Indiz für ein überwiegendes Interesse des Bauherrn an der sofortigen Vollziehung der ihm erteilten Baugenehmigung. Bei offenen Erfolgsaussichten findet eine reine Abwägung der für und gegen den Sofortvollzug sprechenden Interessen statt (vgl. etwa BayVGH, B.v. 26.7.2011 – 14 CS 11.535 – juris; B.v. 23.2.2021 – 15 CS 21.403 – juris).
85
Nach diesen Grundsätzen hat der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der erhobenen Klage der Antragstellerin keinen Erfolg. Im vorliegenden Fall überwiegen die Interessen der Beigeladenen an der sofortigen Vollziehung der ihr erteilten Baugenehmigung gegenüber dem Interesse der Antragstellerin an der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage, da die Anfechtungsklage der Antragsteller gegen den streitgegenständlichen Bescheid vom 19. Dezember 2022 voraussichtlich keinen Erfolg haben wird.
86
Die Anfechtungsklage ist voraussichtlich unbegründet. Die von dem Antragsgegner erteilte Baugenehmigung verletzt nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage aller Voraussicht nach die Antragstellerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Dabei kann die Antragstellerin die streitgegenständliche Baugenehmigung mit dem Ziel der Aufhebung nur dann erfolgreich anfechten, wenn öffentlich-rechtliche Vorschriften verletzt sind, welche auch dem nachbarlichen Schutz dienen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO) und Gegenstand des vorliegenden Baugenehmigungsverfahrens gemäß Art. 59 BayBO sind.
87
a) Insoweit ist bereits nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner vorliegend das vereinfachte Baugenehmigungsverfahren gemäß Art. 59 BayBO angewandt hat. Insbesondere war wegen der Nennwärmeleistung von insgesamt 798 kW (399 kW je Heizung) kein immissionsschutzrechtliches Genehmigungsverfahren gemäß § 4 Abs. 1 BImSchG i.V.m. 4. BImSchV durchzuführen. Auch liegt kein Sonderbau im Sinne des Art. 2 Abs. 4 Nr. 19 BayBO vor. Insoweit wird auf die Ausführungen in der streitgegenständlichen Baugenehmigung verwiesen.
88
Im Übrigen würde aus der Wahl einer falschen Verfahrensart keine Verletzung von Rechten Drittbetroffener folgen (BayVGH, B.v. 20.3.2020 – 15 ZB 19.2046 – juris Rn. 36 m.w.N.). Dass die Antragstellerin durch die Wahl eines falschen Verfahrens in einer eigenen materiellen Rechtsposition betroffen bzw. verletzt ist, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.
89
b) Auch stellen sich die Baugenehmigung und die Bauantragsunterlagen nicht als zu unbestimmt dar.
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Die Baugenehmigung muss wie jeder Verwaltungsakt hinreichend bestimmt sein (Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG). Sie muss – gegebenenfalls nach objektivierender Auslegung – das genehmigte Vorhaben, insbesondere Inhalt, Reichweite und Umfang der genehmigten Nutzung, eindeutig erkennen lassen, damit die am Verfahren Beteiligten (vgl. Art. 13 Abs. 1 BayVwVfG) die mit dem Genehmigungsbescheid getroffene Regelung nachvollziehen können. Nachbarn müssen zweifelsfrei feststellen können, ob und in welchem Umfang sie betroffen sind. Maßgebend sind die Umstände des Einzelfalls, wobei Unklarheiten zu Lasten der Behörde gehen. Was Gegenstand der Baugenehmigung sein soll, bestimmt der Bauherr durch seinen Bauantrag. Der Inhalt der (erlassenen) Baugenehmigung ergibt sich aus der Bezeichnung, den Regelungen und der Begründung im Baugenehmigungsbescheid, der konkretisiert wird durch in Bezug genommenen Bauvorlagen und sonstige Unterlagen. Wird in der Baugenehmigung auf den Antrag oder auf bestimmte Antragsunterlagen verwiesen, ist die Baugenehmigung hinreichend bestimmt, wenn es der Antrag oder die in Bezug genommenen Antragsunterlagen sind. Eine Verletzung von Nachbarrechten liegt vor, wenn die Unbestimmtheit der Baugenehmigung ein nachbarrechtlich relevantes Merkmal betrifft, wenn also wegen Fehlens oder Unvollständigkeit der Bauvorlagen bzw. mangels konkretisierender Inhalts- oder Nebenbestimmungen der Gegenstand und/ oder der Umfang der Baugenehmigung und damit des nachbarlichen Störpotenzials bei deren Umsetzung nicht eindeutig festgestellt und aus diesem Grund eine Verletzung von Nachbarrechten nicht eindeutig ausgeschlossen werden kann. Ein Nachbar kann somit eine unzureichende inhaltliche Bestimmtheit (nur) geltend machen, soweit dadurch nicht sichergestellt ist, dass das genehmigte Vorhaben allen dem Nachbarschutz dienenden Vorschriften entspricht (BayVGH, B.v. 11.1.2022 – 15 CS 21.2913 – juris Rn. 23 m.w.N.).
91
Dies berücksichtigend stellt sich die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung als ausreichend bestimmt dar. Die Baugenehmigung nennt ausdrücklich alle Unterlagen, die zum Bestandteil der Baugenehmigung gemacht worden sind. Insoweit sind Bestandteil der Baugenehmigung u.a. der Bauantrag vom Februar 2022 mit Baubeschreibung, der Lageplan M = 1:1.000, Tektur Juli 2022, der Eingabeplan, die Betriebsbeschreibung vom 4. Juli 2022 mit Zusatzerklärung vom 10. Juli 2022 und das Schallgutachten vom Ingenieurbüro … sowie verschiedene weitere Unterlagen. Zusätzlich sind die zum Bestandteil der Baugenehmigung gemachten Pläne mit einem Genehmigungsstempel versehen. Unschädlich ist dabei, dass der gestempelte Genehmigungsvermerk Bezug nimmt auf eine Baugenehmigung vom „21.12.2022“, obwohl die Baugenehmigung tatsächlich auf den 19. Dezember 2022 datiert ist. Denn da sich aus dem Stempel auch die Nummer des Bauvorhabens „…“ ergibt und es in diesem Vorgang gerade nur die Baugenehmigung vom 19. Dezember 2022 gibt, ist eine Zuordnung trotz des offensichtlichen Fehlers, der entsprechend Art. 42 BayVwVfG jederzeit berichtigt werden könnte, problemlos möglich. Hinzukommt, dass der Bezug zu den Unterlagen bereits durch die ausdrückliche Benennung im Baugenehmigungsbescheid erfolgt, so dass selbst ungestempelte bzw. nicht mit Genehmigungsvermerk versehene Unterlagen zur Auslegung des Inhalts der Baugenehmigung herangezogen werden können (BayVGH, B.v. 26.4.2022 – 1 CS 22.551 – juris Rn. 6). Entsprechend ist es auch unschädlich, wenn nicht alle in der Baugenehmigung in Bezug genommenen Unterlagen mit einem Genehmigungsvermerk/-stempel versehen sind.
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Demnach ist der Einwand der Antragstellerin, es sei nicht ausreichend erkennbar, auf welche Unterlagen sich die Aufzählung in der Baugenehmigung beziehe, für das Gericht nicht nachvollziehbar. Bereits die Aufzählung der zum Bestandteil des Bescheides gemachten Unterlagen ist so detailliert, dass unzweifelhaft erkennbar ist, um welche Unterlagen es sich handelt. Offensichtlich fehl geht z.B. der Hinweis, dass die Betriebsbeschreibung nicht ausreichend klar erkennbar sei, da einmal das Datum „4.7.2022“ vermerkt sei, das Dokument gleichzeitig aber den Zusatz „10. Juli 2022“ enthalte. Selbst bei oberflächlicher Betrachtung erschließt sich dem Leser, dass sich die Betriebsbeschreibung aus dem erläuternden Schreiben der Beigeladenen vom 10. Juli 2022 und dem Formular „Bau- und Betriebsbeschreibung“ vom 4. Juli 2022 zusammensetzt. Diesen Zusammenhang macht aber gerade der Zusatz „10. Juli 2022“ auf dem Formblatt „Bau- und Betriebsbeschreibung“ deutlich. Dass auch beide Teile der Betriebsbeschreibung Bestandteil der Baugenehmigung sein sollen, ergibt sich unproblematisch aus der Formulierung „Betriebsbeschreibung vom 4. Juli 2022 mit Zusatzerklärung vom 10. Juli 2022“.
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Entsprechend ergibt sich aus der Baugenehmigung und den in Bezug genommenen Unterlagen unzweifelhaft die Gestaltung, der Umfang und der geplante Betrieb des Vorhabens, soweit nicht zusätzlich entsprechende Auflagen und Beschränkungen in die Baugenehmigung aufgenommen worden sind. Erkennbar sind die ausgewählten technischen Anlagen (2 x Fröling Turbomat 400 inkl Partikelfilter), die Betriebszeiten (24/7), Organisation, Ablauf und Häufigkeit der Anlieferung von Hackschnitzeln und zu erwartende Auswirkungen. Im Übrigen hat der Antragsgegner mit verschiedenen Auflagen sichergestellt, dass das genehmigte Vorhaben allen dem Nachbarschutz dienenden Vorschriften entspricht.
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Soweit die Bevollmächtigte der Antragstellerin versucht, mit dem Hinweis auf einen in der Biomassefeuerungsanlage „…“ zum Einsatz kommenden Bagger die Bestimmtheit der Baugenehmigung in Zweifel zu ziehen, so bleibt sie damit erfolglos. Denn aus Sicht des Gerichts ist ausreichend plausibel durch die Beigeladene vorgetragen, dass der Baggereinsatz einem technischen Defekt in der Anlage „…“ geschuldet war. Entsprechend betrifft der Einsatz des Baggers gerade nicht den regulären Betriebsablauf der Biomassefeuerungsanlage. Genehmigt ist im Übrigen nur der in der Betriebsbeschreibung dargestellte Betriebsablauf, also die Anlieferung mittels Traktor und Abschiebewagen, was einen dauerhaften Einsatz eines Baggers ausschließt, nicht aber einen vorübergehenden Einsatz eines Baggers z.B. zu Reparaturzwecken.
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c) Die Antragstellerin kann sich nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht erfolgreich auf eine Verletzung des Gebietserhaltungsanspruchs berufen. Dieser scheidet aus, da das Grundstück der Antragstellerin nicht in demselben Plangebiet liegt wie die Baugrundstücke.
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Da der Gebietsbewahrungsanspruch auf der durch eine Baugebietsfestsetzung wechselseitigen Eigentumsbindung beruht, besteht ein von konkreten Beeinträchtigungen unabhängiger gebietsübergreifender Schutz der Nachbarn vor (behaupteten) gebietsfremden Nutzungen im lediglich angrenzenden Plangebiet grundsätzlich nicht (BayVGH, B.v. 18.2.2020 – 15 CS 20.57 – juris Rn. 18 m.w.N.). Ein nur im Ausnahmefall in Betracht kommender gebietsübergreifender Nachbarschutz hängt davon ab, ob sich der Begründung des Bebauungsplans oder anderen Unterlagen des Planaufstellungsverfahrens ein entsprechender Planungswille der Gemeinde entnehmen lässt (BayVGH, B.v. 18.2.2020 – 15 CS 20.57 – juris Rn. 18 m.w.N.).
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Ein derartiger Planungswille ist vorliegend weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
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Entsprechend kommt es nicht darauf an, ob mit der streitgegenständlichen Baugenehmigung eine Befreiung gemäß § 31 Abs. 2 BauGB bzw. eine Ausnahme im Falle einer der Versorgung der Baugebiete mit Elektrizität, Gas, Wärme und Wasser sowie zur Ableitung von Abwasser dienenden Nebenanlage im Sinne des § 14 Abs. 2 Satz 1 BauNVO hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung ausdrücklich oder konkludent erteilt worden ist. Denn selbst das Fehlen einer ggf. erforderlichen Befreiung bzw. Ausnahme hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung kann einen nicht bestehenden Gebietserhaltungsanspruch nicht verletzen.
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d) Für den Fall, dass ein von der konkreten Belastungswirkung unabhängiger baugebietsübergreifender Gebietserhaltungsanspruch ausscheidet und dass auch ein Verstoß gegen sonstige drittschützende Festsetzungen des Bebauungsplans nicht in Betracht kommt, kommt ein bauplanungsrechtlicher Nachbarschutz über § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO nur noch unter dem Gesichtspunkt des Gebots der Rücksichtnahme in Betracht (BayVGH, B.v. 18.2.2020 – 15 CS 20.57 – juris Rn. 20 m.w.N.). Gleiches gilt, soweit mit der Baugenehmigung Befreiungen von den Festsetzungen des Bebauungsplanes „…“ bezüglich der festgesetzten Dachneigung und der festgesetzten Baugrenzen erteilt worden ist. Denn bei Befreiungen von einer – wie vorliegend – nicht nachbarschützenden Festsetzung, richtet sich der Nachbarschutz nach den Grundsätzen des im Tatbestandsmerkmal „unter Würdigung nachbarlicher Interessen“ enthaltenen Rücksichtnahmegebots (BayVGH, B.v. 26.4.2023 – 1 CS 22.2416 – juris Rn. 10).
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Dem Gebot der Rücksichtnahme kommt drittschützende Wirkung zu, soweit in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist. Es wird zulasten des Nachbarn verletzt, wenn durch das geplante Vorhaben die Nutzung des Nachbargrundstücks unzumutbar beeinträchtigt wird, also unter Berücksichtigung der Schutzwürdigkeit der Betroffenen, der Intensität der Beeinträchtigung und der wechselseitigen Interessen das Maß dessen überschritten wird, was der Nachbar billigerweise hinnehmen muss. Die Anforderungen, die das Gebot der Rücksichtnahme im Einzelnen begründet, hängen wesentlich von den jeweiligen Umständen ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zu Gute kommt, desto mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Abzustellen ist darauf, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten ist (BayVGH, B.v. 21.1.2022 – 1 CS 21.2866 – juris Rn. 14 m.w.N.).
101
Eine Verletzung des Rücksichtnahmegebotes ist nach Einschätzung des Gerichts nicht gegeben.
102
aa) Die Antragstellerin ist voraussichtlich keinen unzumutbaren Beeinträchtigungen durch Lärmimmissionen ausgesetzt.
103
Bei Bestimmung der Grenze der Zumutbarkeit von Umwelteinwirkungen ist grundsätzlich auf die Begriffsbestimmungen des Immissionsschutzrechts (§ 3 Abs. 1 BImSchG) und auf dessen materiell-rechtliche Maßstäbe (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 22 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG) zurückzugreifen (BayVGH, B.v. 21.1.2022 – 1 CS 21.2866 – juris Rn. 14 unter Verweis auf BVerwG, U.v. 23.9.1999 – 4 C 6.98 – BVerwGE 109, 314; BayVGH, B.v. 3.5.2016 – 15 CS 15.1576 – UPR 2017, 32; VGH BW, U.v. 12.10.2017 – 3 S 1457/17 – ZfBR 2018, 171). Was die Zumutbarkeit von Lärmimmissionen betrifft, können anerkanntermaßen die Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm – TA Lärm – bzw. die darin enthaltenen Immissionsrichtwerte herangezogen werden. Die TA Lärm gehört zu den normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften, welche vorbehaltlich abweichender Erkenntnisse im Regelfall der gerichtlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden.
104
Im Rahmen des Gebots der Rücksichtnahme hat die Bauaufsichtsbehörde bei der Prüfung, ob und inwieweit von einer Anlage Immissionen ausgehen können, der Reichweite der Immissionen nachzugehen. Sie muss insbesondere prüfen, in welchem Umkreis die Immissionen noch zumutbar sind. Sie ist daher verpflichtet, zugunsten eines Nachbarn gegebenenfalls durch Auflagen in der Baugenehmigung, mittels einer konkreten Betriebsbeschreibung oder durch Ähnliches sicherzustellen, dass der Nachbar vor unzumutbaren Immissionen geschützt wird. Dabei reicht die Festsetzung von Immissionswerten allein für die Erfüllung der Schutzpflicht nicht immer aus. Die Festlegung des maßgeblichen Immissionsrichtwerts genügt vielmehr zur Sicherung der Nachbarrechte grundsätzlich nur, wenn feststeht, dass die bei der Nutzung der Anlage entstehenden Immissionen die für die Nachbarschaft maßgebliche Zumutbarkeitsgrenze nicht überschreiten, was nur durch entsprechende Lärmermittlungen (Schallimmissionsprognosen) nachgewiesen werden kann. Es ist dabei grundsätzlich Sache des Bauherrn, im Genehmigungsverfahren den Nachweis zu erbringen, dass die zur Genehmigung gestellte Anlage die einschlägigen Zumutbarkeitskriterien der TA-Lärm einhält. An die insoweit bereits im Genehmigungsverfahren vorzunehmende prognostische Einschätzung einer Einhaltung der Zumutbarkeitskriterien sind insoweit hohe Anforderungen zu stellen, als sie in jedem Fall „auf der sicheren Seite“ liegen muss. Andernfalls würden die regelmäßig nicht zu vermeidenden Unsicherheiten bei der nachträglichen Kontrolle, ob der bei der Genehmigung vorausgesetzte Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen tatsächlich gewahrt ist, zulasten der zu schützenden Betroffenen gehen. Eine solche Sichtweise ist angesichts des hohen Werts der Schutzgüter, die mit der Vermeidung schädlicher Umwelteinwirkungen geschützt werden sollen – hier also vornehmlich die Gesundheit der Nachbarn – auch mit Blick auf die – in erster Linie wirtschaftlichen – Interessen des Bauherrn gerechtfertigt. Daher muss bereits die genehmigte Nutzung in der Baugenehmigung durch konkrete Regelungen eingeschränkt werden. Denn die Vereinbarkeit des Vorhabens mit den öffentlich-rechtlichen Vorschriften muss bereits durch die Baugenehmigung im Zeitpunkt ihrer Erteilung gewährleistet sein (BayVGH, U.v. 16.11.2006 – 26 B 03.2486 – juris Rn. 28 und 30; B.v. 2.10.2012 – 2 ZB 12.1898 – juris Rn. 5 m.w.N.).
105
Gemessen an diesen Maßstäben beeinträchtigt die angegriffene Baugenehmigung nach summarischer Prüfung die Antragstellerin nicht in unzumutbarer Weise in ihren Rechten.
106
Der Antragsgegner hat in der Baugenehmigung die durch die Beigeladene einzuhaltende Lärmgrenzwerte von tagsüber 54 dB(A) und nachts 39 dB(A)- ausgehend von den gemäß Nr. 6.1 d) der TA Lärm für ein Mischgebiet geltenden Werte von 60 dB(A) bzw. 45 dB(A) und um 6 dB(A) reduziert zur Berücksichtigung der Vorbelastungen gemäß Nr. 3.2.1 Abs. 6 der TA Lärm – sowie von tagsüber 49 dB(A) und nachts 34 dB(A) – ausgehend von den gemäß Nr. 6.1 e) der TA Lärm für ein allgemeines Wohngebiet geltenden Werte von 55 dB(A) bzw. 40 dB(A) und um 6 dB(A) reduziert zur Berücksichtigung der Vorbelastungen gemäß Nr. 3.2.1 Abs. 6 der TA Lärm – (Auflage Nr. 4 zum Immissionsschutz) festgesetzt. Darüber hinaus ist festgelegt, dass einzelne kurzzeitige Geräuschspitzen die Immissionsrichtwerte am Tag um nicht mehr als 30 dB(A) und in der Nacht nicht mehr als 20 dB(A) überschreiten dürfen (vgl. Nr. 6.1 Satz 2 TA Lärm). Der Betrieb der Anlage zur Nachtzeit ist zwar grundsätzlich zulässig, jedoch wurde die Anlieferung der Hackschnitzel in der Nachtzeit ausgeschlossen und auch untertags zeitlich eingeschränkt (Auflage Nr. 5 zum Immissionsschutz).
107
Soweit die Bevollmächtigten der Antragstellerin bemängeln, dass aus den immissionsschutzrechtlichen Auflagen der Baugenehmigung nicht ausreichend deutlich erkennbar sei, welche Anwesen in der Umgebung des Vorhabens geschützt werden sollen, so verhilft dies dem Antrag der Antragstellerin nicht zum Erfolg. Die Auflage Nr. 4 zum Immissionsschutz fordert die Einhaltung des festgesetzten Immissionsgrenzwert an den nächstgelegenen Wohnhäusern (insbesondere …) hinsichtlich des Grenzwertes für allgemeine Wohngebiete und am nächsten Gebäude (…) hinsichtlich des Grenzwertes für Mischgebiete. Dies entspricht den Vorgaben der Nr.2.3 TA Lärm, wonach als maßgeblicher Immissionsort der Ort im Einwirkungsbereich der Anlage ist, an dem eine Überschreitung der Immissionsrichtwerte am ehesten zu erwarten ist. Demnach bedarf es darüber hinaus keine Festlegung von weiteren Orten, bei denen eine Überschreitung der Immissionsrichtwerte mit weniger hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, denn wenn schon an dem in geringerer Entfernung zum Vorhaben liegenden Immissionsort eine Überschreitung der Richtwerte nicht zu erwarten ist (laut Bewertung der Umweltschutzingenieurin der Antragsgegnerin liegt bereits dieser Immissionsort außerhalb des Einwirkbereiches des streitgegenständlichen Vorhabens), so gilt dies erst recht für weiter entfernt liegende Anwesen, wie z.B. das Grundstück der Antragstellerin, das noch dazu auch außerhalb der Hauptwindrichtung liegt.
108
Dabei durfte der Antragsgegner für die immissionsschutzrechtliche Bewertung auf die Schallschutztechnische Untersuchung zur Errichtung einer Biomassefeuerungsanlage am Bauort „…, …“ zurückgreifen. Es ist den Bevollmächtigten der Antragstellerin zwar darin zuzustimmen, dass die zu erwartenden Auswirkungen auf einen Immissionsort nicht nur von der Anlage abhängen, sondern auch von weiteren Rahmenbedingungen wie z.B. der Topografie und baulichen Situation, dies wurde von der zuständigen Umweltingenieurin in ausreichender Weise bei der Übertragung der Ergebnisse des Gutachtens für den Bauort „…, …“ auf das streitgegenständliche Vorhaben berücksichtigt. Denn offensichtlich wurden gerade nicht die Ergebnisse des Gutachtens „…, …“ ungeprüft auf das streitgegenständliche Vorhaben übertragen.
109
Letztlich bestätigt aber das zwischenzeitlich durch die Beigeladene vorgelegte Gutachten des Ingenieurbüros … vom 23. Juni 2023, dem ein „worst-case-Szenario“ hinsichtlich eines angenommenen Immissionsortes am Wohnhaus der Antragstellerin zugrunde liegt, dass eine Überschreitung der in der Baugenehmigung festgelegten Immissionsgrenzwerte ausgeschlossen ist (vgl. Nr. 6.1.1 des Gutachtens). Der Einwand der Antragstellerin, das Gutachten könne keine Aussagen für das streitgegenständliche Vorhaben treffen, da es ein hypothetisches Vorhaben betrachte, entbehrt jeglicher Grundlage, da das Gutachten gerade all die Befürchtungen der Antragstellerin aufgreift, mit denen vor allem eine Unbestimmtheit der Baugenehmigung und der Bauvorlagen gerügt wird.
110
Dass die Stellungnahme der Umweltingenieurin bzw. die Gutachten der Ingenieurbüros „…“ und … inhaltlich bzw. oder fachlichen Aspekten fehlerhaft sind, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Die Bevollmächtigten der Antragstellerin haben insoweit lediglich formale Aspekte (z.B. hinsichtlich der Übertragbarkeit bzw. die Anwendung eines worst-case-Szenarios) gerügt.
111
bb) Die Antragstellerin ist voraussichtlich auch keinen unzumutbaren Beeinträchtigungen durch Gerüche, Staub, Abgase und anderen Immissionen der Luftreinhaltung ausgesetzt. Dies steht – unabhängig von der Frage, inwieweit die in Nr. 4 festgelegten Grundsätze zur Ermittlung und Maßstäbe zur Beurteilung von schädlichen Umwelteinwirkungen nach der TA Luft auch für nicht nach dem BImSchG genehmigungsbedürftige Anlagen herangezogen werden sollen (Nr. 1 Abs. 6 Satz 1 TA Luft) – nach summarischer Prüfung aufgrund der Stellungnahme der Umweltingenieurin des Beklagten sowie der Berechnung des Schornsteinfegermeisters fest.
112
Das geplante Vorhaben hält die Anforderungen der für die Errichtung, die Beschaffenheit und den Betrieb von Feuerungsanlagen, die keiner Genehmigung nach § 4 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes bedürfen, geltenden 1. BImSchV bzw. der nach § 19 1. BImSchV alternativ anwendbaren Richtlinie VDI 3781 Blatt 4 (Ausgabe Juli 2017) ein. Insbesondere weist der Kamin die erforderliche Höhe über First bzw. über Dach auf.
113
Hinzukommt, dass das Grundstück der Antragstellerin zum einen nicht im 45 m betragenden Einwirkungsbereich des Vorhabens und zum anderen außerhalb der Hauptwindrichtung liegt. Dass diese Feststellungen der Umweltingenieurin unzutreffend sein sollen, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Laut Betriebsbeschreibung vom 4. Juli 2022, die – wie bereits ausgeführt – ausdrücklich zum Bestandteil der Baugenehmigung gemacht worden ist, kommt ausschließlich Hackgut aus unbehandeltem Holz zur Anwendung, so dass es gerade nicht zu Rückständen aus der Verbrennung von z.B. Holzschutzmitteln, Beschichtungen oder Schwermetallen kommt. Anhaltspunkte, dass sich die Beigeladene nicht an ihre eigene Betriebsbeschreibung hält, sind nicht ersichtlich und würden im Falle ihres Vorliegens keine Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung haben, sondern nur im Rahmen der Prüfung eines bauaufsichtlichen Einschreitens von Bedeutung sein.
114
Auch kommt die Beigeladene ihrer Obliegenheit nach Nr. 1 Abs. 6 Satz 3 und 4 TA Luft, schädliche Umwelteinwirkungen auf ein Mindestmaß zu reduzieren, durch den Einbau von Partikelfiltern nach. e) Soweit sich die Antragstellerin auf eine Unrichtigkeit der auf Forderung des Staatlichen Bauamtes … in die Baugenehmigung aufgenommenen Auflage Nr. 2 bezieht, so kann dies dem Antrag der Antragstellerin nicht zum Erfolg verhelfen. Zuzugeben ist, dass die Auflage – soweit die Zufahrt auf eine Länge von „50 m“ mit einer staubfreien Decke zu versehen ist – offensichtlich unzutreffend ist, da eine derartige Zufahrt laut genehmigter Planunterlagen nicht vorhanden ist und innerhalb des genehmigten Bauvorhabens auch gar nicht umgesetzt werden kann. Dies verletzt die Antragstellerin aber nicht in ihren subjektiven Rechten. Art. 23 BayStrWG als Rechtsgrundlage der Auflage enthält Vorschriften über das Verbot oder die Beschränkung des Anbaues an Straßen im Interesse der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs (Wiget in: Zeitler, BayStrWG Art. 23 Rn. 1). Vorschriften über die Verkehrssicherheit sind jedoch nicht drittschützend (vgl. Dirnberger in Busse/Kraus, BayBO, 146. EL Mai 2022, Art. 66 Rn. 277, BayVGH, U.v. 14.9.2009 – 8 B 08.2829 – juris Rn. 18; VG Ansbach, U.v. 23.6.2022 – AN 17 K 21.00698 – juris Rn. 48).
115
Im Übrigen ist aufgrund der Situierung der Zufahrt und der Entfernung zum Grundstück der Antragstellerin auch eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme durch die Zufahrtssituation ausgeschlossen.
116
f) Die Verletzung sonstiger im Hinblick auf die Antragstellerin drittschützender Normen ist weder vorgetragen noch ersichtlich.
117
Insbesondere entfalten die Normen des Bundesnaturschutzgesetzes und des Bayerischen Naturschutzgesetzes keine drittschützende Wirkung. Die Ziele und Grundsätze des Naturschutzes und der Landschaftspflege sind dem öffentlichen Interesse zuzuordnen. Durch das Naturschutzrecht werden nur die Interessen der Allgemeinheit geschützt und es ist nicht dazu bestimmt, dem Schutz Dritter zu dienen. Auch der Tier- und Pflanzenschutz verfolgt vielmehr das Ziel des Gemeinwohls. Der verfassungsrechtlich verankerte Umweltschutz als Staatsziel begründet kein Abwehrrecht. Es handelt sich ausschließlich um objektiv-rechtlich zu verstehende Verfassungssätze ohne anspruchsbegründende Wirkung. Ein „Grundrecht auf Umweltschutz“ existiert nicht (VG München, B.v. 30.8.2021 – M 1 SN 21.2740 – juris Rn. 26 m.w.N.).
118
Fehlt es nach alldem an einer Verletzung der Antragstellerin in ihr zukommenden drittschützen-den Rechten, so bleibt die erhobene Drittanfechtungsklage aller Voraussicht nach erfolglos. Mithin war der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen den der Beigeladenen erteilten Baugenehmigungsbescheid des Antragsgegners vom 19. Dezember 2022 abzulehnen.
119
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO; da sich die Beigeladene durch eine Antragstellung einem Kostenrisiko ausgesetzt hat, entspricht es der Billigkeit, ihr einen Erstattungsanspruch auch für ihre außergerichtlichen Kosten zuzubilligen.
120
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Ziff. 9.7.1 und 1.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.