Titel:
Gerichtliche Einsetzung einer Einigungsstelle – Scheitern innerbetrieblicher Verhandlungen
Normenketten:
ArbGG § 100
BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 7
ArbSchG § 3, § 5, § 12
Leitsätze:
1. Zur Erfüllung der innerbetrieblichen Verhandlungs- und Beratungspflichten genügt es, wenn der Betriebspartner, der die Bildung einer Einigungsstelle anstrebt, einen ernsthaften Verhandlungsversuch unternommen hat (Anschluss an LAG Hessen BeckRS 2007, 45077). (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
2. Vertreten die Betriebsparteien miteinander unvereinbare Standpunkte und sind sie nicht bereit, von diesen abzurücken, bedarf es zudem keiner weiteren innerbetrieblichen Verhandlungen, weil diese dann lediglich zu einer sinnlosen Förmelei würden. Maßgeblich für die Beurteilung ist der Zeitpunkt des letzten Anhörungstermins (Anschluss an LAG Hessen BeckRS 2014, 66426). (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
3. Danach waren hier weitere innerbetriebliche Verhandlungen jedenfalls deshalb nicht mehr erforderlich, weil der Betriebsrat diese nur unter Hinzuziehung einer externen Sachverständigen führen wollte und die Arbeitgeberin diesen Vorschlag auch noch im Anhörungstermin abgelehnt hat. Aufgrund dieser konträren, miteinander unvereinbaren Standpunkte beider Beteiligter scheiterten die innerbetrieblichen Verhandlungen. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Beschlussverfahren, Einigungsstelle, Mitbestimmungsrecht, Gefährdungsbeurteilung, Betriebsrat, ernsthafter Verhandlungsversuch, innerbetriebliche Verhandlungen, Scheitern
Rechtsmittelinstanz:
LArbG Nürnberg, Beschluss vom 17.07.2023 – 4 TaBV 10/23
Fundstelle:
BeckRS 2023, 21334
Tenor
1. Zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle mit den Regelungsgegenständen
„Aufstellung der Verfahrensreglungen zur Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen (§§ 3, 5 ArbSchG) und der Unterweisung der Arbeitnehmer (§ 12 ArbSchG) in Umsetzung der Verpflichtung gemäß §§ 5, 4, 3, 12 ArbSchG i. V. m. § 87 Nr. 7 BetrVG, insbesondere Verfahren zur Ermittlung und Beurteilung der Gefährdungen, Maßnahmenfestlegung, Wirksamkeitskontrolle, Dokumentation der Ergebnisse“
„Aufstellung der Verfahrensreglungen zur Gefährdungsbeurteilung Raumklima (Lufttemperatur, CO₂-Gehalt der Luft, Turbulenzgrad der Luft, Luftgeschwindigkeit, Luftfeuchtigkeit, Wärmestrahlung und raum-lufttechnische Anlagen) (§§ 3, 5 ArbSchG) in Umsetzung der Verpflichtung gemäß §§ 5, 4, 3, 12 ArbSchG i. V. m. § 87 Nr. 7 BetrVG, insbesondere Verfahren zur Ermittlung und Beurteilung der Gefährdungen, Maßnahmenfestlegung, Wirksamkeitskontrolle, Dokumentation der Ergebnisse“
wird Herr Richter am Arbeitsgericht T. R2. eingesetzt und die Anzahl der Beisitzer je Seite auf zwei festgesetzt.
2. Im Übrigen wird der Antrag abgewiesen.
Gründe
1
Der Antragsteller ist der gewählte fünfköpfige Betriebsrat der Antragsgegnerin. Betriebsratsvorsitzende ist Frau M. S2. Im Betrieb der Antragsgegnerin sind 59 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt.
2
Mit dem Antrag vom 16.03.2023 begehrt der anwaltschaftlich vertretene Antragsteller gemäß § 100 ArbGG die Bestellung einer Einigungsstelle mit den Regelungsgegenständen „Aufstellung der Verfahrensreglungen zur Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen (§§ 3, 5 ArbSchG) und der Unterweisung der Arbeitnehmer (§ 12 ArbSchG) in Umsetzung der Verpflichtung gemäß §§ 5, 4, 3, 12 ArbSchG i. V. m. § 87 Nr. 7 BetrVG, insbesondere Verfahren zur Ermittlung und Beurteilung der Gefährdungen, Maßnahmenfestlegung, Wirksamkeitskontrolle, Dokumentation der Ergebnisse“ sowie „Aufstellung der Verfahrensreglungen zur Gefährdungsbeurteilung Raumklima (Lufttemperatur, CO₂-Gehalt der Luft, Turbulenzgrad der Luft, Luftgeschwindigkeit, Luftfeuchtigkeit, Wärmestrahlung und raum-lufttechnische Anlagen) (§§ 3, 5 ArbSchG) in Umsetzung der Verpflichtung gemäß §§ 5, 4, 3, 12 ArbSchG i. V. m. § 87 Nr. 7 BetrVG, insbesondere Verfahren zur Ermittlung und Beurteilung der Gefährdungen, Maßnahmenfestlegung, Wirksamkeitskontrolle, Dokumentation der Ergebnisse“. Als Vorsitzenden schlägt er Herrn V. R3. und im Falle dessen Verhinderung Herr H1. D., vor.
3
Hierzu trägt der Antragsteller vor, er möchte von seinem Initiativrecht Gebrauch machen und zu den benannten Regelungsgegenständen eine Betriebsvereinbarung abschließen. Er habe in seiner Sitzung am 15.12.2022 beschlossen, von seinem Initiativrecht Gebrauch zu machen und die Beteiligte zu 2 unter Hinzuziehung von Rechtsanwältin S3. sowie Frau Dipl.-Soz. T. F., Gesellschaft für ... mbH, als Sachverständige zu Verhandlungen hierzu aufzufordern.
4
Die Beteiligte zu 2 habe die Beauftragung der Gesellschaft für gute Arbeit mbH abgelehnt. Weiterhin sei eine Hinzuziehung der Unterfertigten nach § 80 Abs. 3 BetrVG abgelehnt worden.
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Daraufhin hätten die Beteiligten einen Termin am 19.01.2023 u.a. zur Verhandlung über die im Antrag aufgeführten Regelungsgegenstände vereinbart. Dieser Termin habe auch zwischen den Beteiligten stattgefunden. Eine Einigung habe jedoch zwischen den Beteiligten nicht erzielt werden können.
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Daher habe der Antragsteller in seiner Sitzung am 03.02.2023 beschlossen, die Verhandlungen zur Betriebsvereinbarung mit den im Antrag genannten Regelungsgenständen für gescheitert zu erklären und seine Verfahrensbevollmächtigten mit sämtlichen notwendigen Schritten zur Einrichtung der Einigungsstelle ggf. im Verfahren nach § 100 ArbGG in allen Instanzen zu beauftragen.
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Nach Auffassung des Antragstellers sei die Einigungsstelle einzusetzen. Im Betrieb existiere keine Betriebsvereinbarung zu diesen Regelungsgegenständen. Darüber hinaus handele es sich bei vorliegenden Regelungsgegenstände um solche der erzwingbaren Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG. Das Verfahren der Gefährdungsbeurteilung unterliege insoweit der Mitbestimmung des Betriebsrats. Damit stellten sich bei einer Gefährdungsbeurteilung hinsichtlich jedes Beschäftigten zumindest die Fragen, welche Tätigkeiten beurteilt werden sollen, worin die mögliche Gefahr bei der Arbeit bestehe, woraus sie sich ergebe und mit welchen Methoden und Verfahren das Vorliegen und der Grad einer solchen Gefährdung festgestellt werden solle. Daneben ist das Verfahren zur Maßnahmenfestlegung, Wirksamkeitskontrolle, Dokumentation der Ergebnisse festzulegen.
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Die Verhandlungen über eine Betriebsvereinbarung zu den im Antrag aufgeführten Regelungsgegenständen seien auch gescheitert.
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Hierbei sei der Tatbestand des Scheiterns nach subjektiven Kriterien der beteiligten Verhandlungspartner zu beurteilen und im Ergebnis nicht justiziabel. Ob der Arbeitgeber die Einigungsstelle wünsche oder stattdessen lieber mit dem Betriebsrat allein verhandeln möchte, sei rechtlich unerheblich. Den Betriebspartnern stehe es frei, zu entscheiden, wann sie das Scheitern der Verhandlungen feststellten, sofern wenigstens einmal ernsthafte Verhandlungen stattgefunden hätten. Für den Fall, dass die Beteiligte zu 2 der Auffassung sein sollte, zwischen den Beteiligten hätten keine ernsthaften Verhandlungen stattgefunden, und als Erwiderung auf die Rechtsansicht der Beteiligten zu 2 in deren E-Mail vom 11.01.2023 verweist der Antragsteller auf den Beschluss des Landesarbeitsgerichts München vom 17.09.2015, Az. 2 TaBv 63/15.
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Die vorgeschlagenen Vorsitzenden, Herr R3. und Herr D., seien erfahrende Einigungsstellenvorsitzende, unparteiisch und daher geeignet, den Vorsitz der Einigungsstelle zu übernehmen.
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Bezüglich der Anzahl der Beisitzer sei davon auszugehen, dass es sich bei dem Regelungsgegenstand um einen solchen überdurchschnittlichen Schwierigkeitsgrades handele, da neben betrieblichen Sachverstand und juristischen Sachverstand auch arbeitswissenschaftlicher Sachverstand gefordert sei.
12
Der Antragsteller beantragt,
Zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle mit den Regelungsgegenständen
„Aufstellung der Verfahrensreglungen zur Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen (§§ 3, 5 ArbSchG) und der Unterweisung der Arbeitnehmer (§ 12 ArbSchG) in Umsetzung der Verpflichtung gemäß §§ 5, 4, 3, 12 ArbSchG i. V. m. § 87 Nr. 7 BetrVG, insbesondere Verfahren zur Ermittlung und Beurteilung der Gefährdungen, Maßnahmenfestlegung, Wirksamkeitskontrolle, Dokumentation der Ergebnisse“
„Aufstellung der Verfahrensreglungen zur Gefährdungsbeurteilung Raumklima (Lufttemperatur, CO₂-Gehalt der Luft, Turbulenzgrad der Luft, Luftgeschwindigkeit, Luftfeuchtigkeit, Wärmestrahlung und raum-lufttechnische Anlagen) (§§ 3, 5 ArbSchG) in Umsetzung der Verpflichtung gemäß §§ 5, 4, 3, 12 ArbSchG i. V. m. § 87 Nr. 7 BetrVG, insbesondere Verfahren zur Ermittlung und Beurteilung der Gefährdungen, Maßnahmenfestlegung, Wirksamkeitskontrolle, Dokumentation der Ergebnisse“
wird Herr V. R3., V. R3. Konfliktlösungen, im Falle dessen Verhinderung Herr H1. D., H1. D. Konfliktmanagement GmbH, eingesetzt.
Die Anzahl der Beisitzer je Seite wird auf drei festgesetzt.
Die Antragsgegnerin beantragt, den Antrag zurückzuweisen.
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Sie trägt vor, die beantragten Regelungsgegenstände könnten der Einigungsstelle nicht übertragen werden. Nach den vorhandenen Gefährdungsbeurteilungen der Beteiligten zu 2 bestünden keine Gefahren im Betrieb, die Maßnahmen erfordern würden, welche gleichwohl ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr.7 BetrVG eröffnen würden.
14
Nach Ansicht der Antragsgegnerin seien ernsthafte Verhandlungen nicht geführt worden. Diese Voraussetzung für die Anrufung der Einigungsstelle sei somit nicht gegeben.
15
Es seien weder ernsthafte Verhandlungen von Seiten des Beteiligten zu 1 betrieben noch seien Vorschläge zur Beilegung des Streits gemacht worden. In einem Monatsgespräch am 19.01.2023 sei vom Beteiligten zu 1 die Forderung aus dem Schreiben vom 19.12.2022 wiederholt worden, dass man die Hinzuziehung einer externen Sachverständigen weiterhin fordere. Inhaltlich sei nicht zum beantragten Regelungsgegenstand gesprochen worden. Die Absicht des Abschlusses einer (Betriebs-) Vereinbarung sei nicht thematisiert worden.
16
Da es sich beim Termin am 19.01.2023 – nach Vortrag der Beteiligten zu 1. um den (einzigen) „Verhandlungstermin“ gehandelt haben solle und im Anschluss die Verhandlungen für gescheitert erklärt worden sei, werde der Einwand des Rechtsmissbrauchs durch Anrufung der Einigungsstelle zum Zwecke der Hinzuziehung eines Sachverständigen erhoben.
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Es sei von der Beteiligten zu 2. ausdrücklich angeboten worden, auf externe Sachkunde zurückgreifen zu können, wenn die innerbetriebliche Sachverständige nicht alle Fragen zufriedenstellend beantworten könne. Daneben scheine die externe Beauftragung zur Klärung der grundsätzlichen Fragen nicht erforderlich. Hier scheine der Austausch mit dem internen Sachverstand sogar deutlich zielführender, da die Gefährdungsbeurteilungen im Konzern nach einheitlichen Vorgaben erstellt würden.
18
Für den Fall, der Einsetzung der beantragten Einigungsstelle, werde erklärt, dass seitens der Beteiligten zu 2 kein Vertrauen in die von der Beteiligten zu 1 vorgeschlagenen Einigungsstellenvorsitzenden gegeben sei. Nach Auffassung der Beteiligten zu 2. handele es sich bei Herrn V. R3. um keinen Experten auf dem Gebiet des beantragten Regelungsgegenstandes, so dass eine schnelle Entscheidung zum Regelungsgegenstand nicht zu erwarten sei. Ebenfalls bestehe kein Vertrauen zu Herrn H1. D. als Vorsitzenden einer Einigungsstelle mit dem beantragten Regelungsgegenstand. Stattdessen schlägt die Antragsgegnerin vor, das Gericht möge in eigenem Ermessen einen anderen Vorsitzenden auswählen.
19
Eine Besetzung der Einigungsstelle mit jeweils 2 Beisitzern sei angemessen.
20
Wegen des weiteren Sachvortrags der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 12.04.2023 verwiesen.
21
1. Der Antrag ist zulässig.
22
Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten ist eröffnet und das Arbeitsgericht Bayreuth im Beschlussverfahren örtlich zuständig (§§ 100 Abs. 1 Satz 3, 82 Abs. 1 Satz 1, 80 ff, 2a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG, § 76 Abs. 2, Abs. 3 BetrVG). Die Entscheidung ergeht durch die Vorsitzende allein, § 100 Abs. 1 Satz 1 ArbGG.
23
2. Der Antrag auf Einsetzung einer Einigungsstelle ist begründet.
24
a) Nach § 100 Abs. 1 Satz 2 ArbGG können wegen fehlender Zuständigkeit der Einigungsstelle die Anträge auf Bestellung des Vorsitzenden und auf Festsetzung der Anzahl der Beisitzer einer Einigungsstelle nur zurückgewiesen werden, wenn die Einigungsstelle offensichtlich unzuständig ist. Der Prüfungsmaßstab der Offensichtlichkeit gilt nicht nur für die Frage der Zuständigkeit der Einigungsstelle, sondern auch für alle anderen rechtlichen Vorfragen. Offenbar unzuständig ist die Einigungsstelle nur dann, wenn ihre Zuständigkeit unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt als möglich erscheint (vgl. LAG Köln 01.03.2001 – 3 TaBV 92/00; LAG Köln 24.10.1996 – 6 TaBV 59/96).
25
Es ist zu fragen, ob die Zuständigkeit der Einigungsstelle bei fachkundiger Beurteilung auf den ersten Blick unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt als möglich erscheint d. h., ob es für die Bejahung der Unzuständigkeit eine gefestigte Rechtsmeinung gibt, zu der eine Gegenmeinung nicht existiert oder nicht ernsthaft vertreten wird. Nur wenn diese Frage bejaht wird, ist der Antrag abzuweisen. Der Maßstab der offensichtlichen Unzuständigkeit gilt dabei nicht nur für die Frage der Unzuständigkeit der Einigungsstelle im engeren Sinn, sondern auch für alle sonstigen im Zusammenhang mit der Entscheidung zu prüfenden Fragen, z. B. auch für das Scheitern der Verhandlungen. Es würde dem mit § 100 ArbGG verfolgten Zweck, eine schnelle Bildung der Einigungsstelle zu erreichen, nicht entsprechen, wenn nicht auch andere schwierige rechtliche Vorfragen an dem Maßstab der Offensichtlichkeit geprüft werden (LAG Nürnberg Beschluss v. 5.4.2005 – 7 TaBV 7/05, m.w.N.)
26
b) Unter Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall kommt das Gericht zum Ergebnis, dass eine Wertung dahin nicht gerechtfertigt ist, eine Zuständigkeit der Einigungsstelle erscheine unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt als möglich.
27
a. Es besteht ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Regelung der Durchführung von Gefährdungsbeurteilungen gemäß § 87 Abs. 1 Nr.7 i.V.m. § 5 Abs. 1 ArbSchG und es ist insoweit die verbindliche Regelungskompetenz der Einigungsstelle gegeben (LAG Hamm, Beschluss vom 25.11.2014 – 7 TaBV 45/14, BAG, Beschluss vom 08.06.2004 – 1 ABR 4/03) Der Gegenstand der mit der Bestellung der Einigungsstelle angestrebten Betriebsvereinbarungen unterliegt somit der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr.7 BetrVG. Zumindest ist die Einigungsstelle für die beantragten Regelungsgegenstände nicht offensichtlich unzuständig. Der Einwand der Beteiligten zu 2 dahingehend, dass diese der Einigungsstelle nicht übertragen werden könnten, ist nicht nachvollziehbar.
28
b. Der Bestellung der Einigungsstelle steht auch nicht der Einwand der Beteiligten zu 2 entgegen, der Betriebsrat habe keine hinreichenden innerbetrieblichen Verhandlungen geführt. Es genügt zur Erfüllung der innerbetrieblichen Verhandlungs- und Beratungspflichten, wenn der Betriebspartner, der die Bildung der Einigungsstelle anstrebt, einen ernsthaften Verhandlungsversuch unternommen hat (Hess. LAG 17. April 2007 – 4 TaBV 59/07 – AuR 2008/77 L, zu III, m. w. N.). Vertreten die Betriebsparteien miteinander unvereinbare Standpunkte und sind sie nicht bereit, von diesen abzurücken, bedarf es zudem keiner weiteren innerbetrieblichen Verhandlungen, weil diese dann lediglich zu einer sinnlosen Förmelei würden. Maßgeblich für die Beurteilung ist der Zeitpunkt des letzten Anhörungstermins (Hess. LAG 14. Februar 2006 – 4 TaBV 1/06 – AuR 2006/413 L, zu II 2 c).
29
Danach waren hier weitere innerbetriebliche Verhandlungen jedenfalls deshalb nicht mehr erforderlich, weil der Betriebsrat diese nur unter Hinzuziehung einer externen Sachverständigen führen wollte und die Arbeitgeberin diesen Vorschlag auch noch im Anhörungstermin vom 12.04.2023 ablehnte. Aufgrund dieser konträren, miteinander unvereinbaren Standpunkte beider Beteiligter scheiterten die innerbetrieblichen Verhandlungen (vgl. LAG Hessen Beschluss vom 30.9.2014 – 4 TaBV 157/14).
30
Die vom Antragsteller vertretene Auffassung einer Bejahung eines Bedarfs erscheint auch nicht als unvertretbar. Der Antragsteller kann sich für seine Ansicht, er könne ohne juristische Beratung und ohne Hinzuziehung eines externen Sachverständigen keine erfolgreichen Verhandlungen führen, auf die Entscheidung des LAG München vom 17.09.2015 – 2 TaBV 63/15 berufen. Die in dieser Entscheidung vertretenen Argumente können nicht als ernsthaft unvertretbar eingestuft werden. Damit ist es nicht offensichtlich abwegig, ein Verhandlungsende und damit einen Bedarf für eine Einigungsstelle anzunehmen Dagegen wendet die Antragsgegnerin zu Unrecht ein, dass die konträren Standpunkte nicht die Sache, sondern lediglich das weitere Verfahren betrafen. Damit verkennt sie, dass ein Konsens über das weitere Verfahren Voraussetzungen jeglicher Verhandlungen in der Sache ist. Gelingt es den Betriebspartnern nicht einmal, sich über die weitere Verfahrensweise einig zu werden, ist Sachverhandlungen jegliche Grundlage entzogen. In diesem Fall können die Verhandlungen sinnvoll nur noch mit Hilfe eines unabhängigen Vorsitzenden in der Einigungsstelle fortgesetzt werden (vgl. LAG Hessen Beschluss vom 30.9.2014 – 4 TaBV 157/14)
31
c) Nachdem die vom Antragsteller vorgeschlagenen Vorsitzenden mangels hinreichendem Vertrauen abgelehnt wurden und deren Einsetzung daher nicht förderlich erscheint, wird Herr Richter am Arbeitsgericht T. R2. als Einigungsstellenvorsitzender bestellt. Er ist für diese Aufgabe geeignet, da er aufgrund seiner langjährigen Berufserfahrung über die erforderliche Sachkompetenz insbesondere auf dem Gebiet des Arbeitsrechts und im besonderen Maße des Betriebsverfassungsrechts verfügt und die notwendige Unparteilichkeit bei einem Berufsrichter gewährleistet ist.
32
d) Hinsichtlich der Zahl der von jeder Seite zu benennenden Beisitzer erscheinen zwei als angemessen und ausreichend. Hierdurch wird einerseits die Präsenz sowohl betriebsexternen juristischen Sachverstands gewährleistet und andererseits eine Verkomplizierung der Abstimmungs- und Entscheidungsprozesse in der Einigungsstelle sowie unverhältnismäßige Kosten durch die Heranziehung mehrerer externer Beisitzer vermeiden (Hess. LAG 03. November 2009 – 4 TaBV 185/09). Es ist auch kein Grund für eine Abweichung von der Regelbesetzung erkennbar. Weder ist nachvollziehbar, dass der Gegenstand der Einigungsstelle besonders kompliziert oder umfangreich ist, noch ist plausibel, aus welchem Grund eine erhöhte Schwierigkeit und/oder ein überdurchschnittlicher Umfang ohne weiteres überhaupt eine Erhöhung der Beisitzerzahl begründen sollen.