Titel:
Keine Berücksichtigung von Erlösen aus Phasen fehlenden SodEG-Leistungsbezugs als vorrangige Mittel
Normenketten:
SodEG § 2, § 3, § 4 S. 1
AufenthG § 43
Leitsätze:
1. Eine mittelbare Beschränkung iSd § 2 S. 3 SodEG liegt bei einer allgemein-üblichen bzw. auf Corona-Schutzmaßnahmen zurückgehenden erhöhten Vorsicht oder der Geltung von Abstandsgeboten oder Maskenpflichten nicht vor. (Rn. 63) (redaktioneller Leitsatz)
2. Erwirtschaftet ein Dienstleister Erlöse in einer Phase ohne SodEG-Leistungsbezug, sind diese nicht als vorrangige Mittel iSd § 4 S. 1 Nr. 1 SodEG anzusehen. (Rn. 69) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Frage der Berücksichtigung von Erlösen aus Phasen fehlenden SodEG-Leistungsbezugs als vorrangige Mittel i.S.d. § 4 Satz 1 Nr. 1 SodEG., SodEG, Beschränkung, Abstandsgebot, Maskenpflicht, vorrangige Mittel
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Urteil vom 20.02.2025 – 6 B 24.1719
Fundstelle:
BeckRS 2023, 21251
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für den Förderzeitraum Januar bis März 2021 unter Abänderung des Bescheides vom 17. März 2021 in Form des Widerspruchsbescheides vom 17. November 2021 einen Betrag von 38.180,25 EUR im Monat (insgesamt 114.540,75 EUR) zu bezahlen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages.
Tatbestand
1
Der Kläger begehrt eine die in einem Bescheid der Beklagten festgesetzte Zuschussgewährung übersteigende Förderung nach dem Sozialdienstleister-Einsatzgesetz.
2
Der Kläger ist die öffentliche, nach dem Niedersächsischen Erwachsenenbildungsgesetz anerkannte Weiterbildungseinrichtung für die Stadt und den Landkreis … Er ist als Verein organisiert und als gemeinnützig anerkannt.
3
Der Kläger besitzt seit dem 1. Januar 2006 eine Zulassung zur Durchführung von Integrationskursen i.S.d. § 43 AufenthG. Letztmals wurde die Zulassung mit Wirkung ab 1. Juli 2022 bis zum 30. Juni 2026 verlängert.
4
Der Kläger beantragte bei der Beklagten für den Zeitraum ab 16. März 2020 erstmals Leistungen nach § 3 des Gesetzes über den Einsatz der Einrichtungen und sozialen Dienste zur Bekämpfung der Coronavirus SARS-CoV-2 Krise in Verbindung mit einem Sicherstellungsauftrag (Sozialdienstleister-Einsatzgesetz, i.F. SodEG). Am 13. Mai 2020 stellte er einen Folgeantrag. Mit Bescheid vom 22. Juni 2020 gewährte die Beklagte dem Kläger einen monatlichen, nicht rückzahlbaren Zuschuss von 46.371,74 EUR. Der Zuschuss wurde unter der Maßgabe bewilligt, dass er bis zum Ende der Maßnahmen i.S.v. § 2 Satz 2 SodEG, längstens bis zum Ende des Sicherstellungsauftrags nach § 5 SodEG gewährt werde.
5
Mit Schreiben vom 25. August 2020 teilte der Kläger der Beklagten mit, ab September 2020 keine SodEG-Zuschüsse mehr zu benötigen; er bat deshalb um Einstellung der SodEG-Zahlungen ab diesem Zeitpunkt.
6
Am 18. Februar 2021 beantragte der Kläger erneut die Gewährung monatlicher SodEG-Zuschüsse.
7
Mit Bescheid vom 17. März 2021 gewährte die Beklagte dem Kläger einen monatlichen Zuschuss in Höhe von 19.533,00 EUR. Die Auszahlung erfolgte im März 2021.
8
Am 29. März 2021 erhob der Kläger Widerspruch gegen den Bescheid vom 17. März 2021.
9
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 17. November 2021 – zugestellt am 25. November 2021 – als unbegründet zurück.
10
Dagegen hat der Kläger am 21. Dezember 2021 Klage erhoben. Zur Begründung bringt er im Wesentlichen vor, er biete Integrations- und Berufssprachkurse an. Pandemiebedingt habe er solche 2020 und 2021 nur eingeschränkt durchführen können. Zur Abmilderung der daraus resultierenden finanziellen Belastung habe der Kläger für den Zeitraum ab 16. März 2020 Leistungen nach dem SodEG beantragt. Ab September 2020 habe er die Kurse wieder weitgehend in Präsenz durchführen können. Deshalb habe er für den Bereich der Integrationskurse für September 2020 keine Leistungen beansprucht. Für den Bereich der Berufssprachkurse habe ihm die Beklagte für September 2020 Leistungen gewährt, obwohl er der Beklagten mitgeteilt habe, darauf keinen Anspruch mehr zu haben.
11
Für die Zeit zwischen 1. Oktober und 31. Dezember 2020 habe er keine SodEG-Leistungen beansprucht, obwohl er seine Bildungseinrichtung trotz Fehlens einer formalen Schließungsanordnung auf Bitten des … Ministers für … ab dem 16. Dezember 2020 geschlossen habe.
12
Für den Zeitraum zwischen 1. Januar und 31. März 2021 habe er SodEG-Leistungen beantragt. Sodann habe ihm die Beklagte die Integrationskurse betreffend mit Bescheid vom 17. März 2021 monatliche Leistungen von 19.523,00 EUR [sic!] gewährt. Dabei habe sie den maximalen SodEG-Zuschuss von 43.097,90 EUR um vorrangige Mittel i.S.d. § 4 Nr. 1 SodEG in Höhe von 23.564,90 EUR gekürzt. Der Kürzungsbetrag sei die Summe der Beträge von 3.966,67 EUR, 950,98 EUR und 18.647,25 EUR. Die erste Position sei der erzielte Erlös aus Online-Tutorien, die zweite betreffe erhaltenes Kurzarbeitergeld und die dritte sei ein Betrag für „Auszahlungen für Kursabschnitte, die im SodEG-Zuschusszeitraum geflossen sind“ (eine genaue Aufschlüsselung der Kürzungsbeträge fände sich auf Seite 2 des Widerspruchsbescheides vom 17. November 2021; die dort genannten Beträge seien ihm auch tatsächlich zugeflossen).
13
Nach Ansicht des Klägers habe die Beklagte den monatlichen Zuschuss nicht um 18.647,25 EUR kürzen dürfen. Eine Berücksichtigung als vorrangige Mittel scheide aus, wenn Zahlungseingänge Kursabschnitte beträfen, die in Zeiträumen durchgeführt worden seien, in denen keine SodEG-Leistungen beantragt oder gewährt worden seien. Der fragliche Erlös von 55.941,75 EUR betreffe zwischen Oktober und Dezember 2020 durchgeführte Kurse (55.941,75 / 3 = 18.647,25 EUR im Monat). Für diese Periode habe er keine SodEG-Leistungen beantragt. Daher handele es sich auch nicht um vorrangige Mittel nach § 4 Satz 1 und 2 SodEG. Die Beklagte lege fälschlich einen am 16. März 2020 begonnenen, einheitlichen SodEG-Zuschusszeitraum zugrunde. Sie begründe dies mit dem Fortbestehen der pandemischen Lage und der durchgehenden Geltung hoheitlich einschränkender Maßnahmen. Hinsichtlich etwaiger vorrangiger Mittel sei aber auf den Zufluss der Gelder im jeweiligen Bewilligungszeitraum abzustellen.
14
Nach § 4 Satz 1 Nr. 1 SodEG hätten Leistungsträger einen nachträglichen Erstattungsanspruch gegenüber den sozialen Dienstleistern soweit diesen im Gewährungszeitraum vorrangige Mittel aus Rechtsverhältnissen nach § 2 Satz 2 SodEG zugeflossen seien. Zwar sei es richtig, dass vorrangige Mittel im genannten Sinn zur Vermeidung von Rückforderungen bereits bei der Zuschussgewährung berücksichtigt werden könnten. Seines Erachtens gehe es der Regelung zu den vorrangigen Mitteln darum, dass soziale Dienstleister SodEG-Leistungen nicht für Zeiträume beantragten, in denen sie Kurse anböten und Erlöse erzielten. Aus diesem Grund sollten erwirtschaftete Mittel bei der Bemessung der SodEG-Leistungen abgezogen werden.
15
Jedoch dürften nach seiner Ansicht nicht auch solche Zuflüsse als vorrangig in Abzug gebracht werden, die Kurse in Zeiträumen betreffen, für die keine SodEG-Leistungen beantragt worden seien. Andernfalls würden nach seiner Ansicht solche sozialen Dienstleister benachteiligt, die trotz der pandemischen Lage und der damit für sie verbundenen Herausforderungen Kurse durchführten – auch um nicht auf staatliche Hilfen angewiesen zu sein.
16
Seines Erachtens widerspreche der Abzug von Zuflüssen für Zeiträume, in denen keine SodEG-Leistungen beansprucht worden seien, der Meinung der Legislative und der Beklagten, Erlöse aus vor dem 16. März 2020 beendeten Kursen nicht als vorrangige Mittel zu qualifizieren, auch wenn sie dem sozialen Dienstleister erst nach dem 16. März 2020 zugeflossen seien.
17
Nach seiner Auffassung rechtfertige sich die unterschiedliche Behandlung auch nicht dadurch, dass Zahlungen für bis zum 29. Februar 2020 beendete Kurse in die SodEG-Bemessungsgrundlage einflössen. Nach dem Gesetzeswortlaut sei der Monatsdurchschnitt der im Zeitraum März 2019 bis Februar 2020 geleisteten Zahlungen zu ermitteln. Seines Erachtens sei sowohl für die Bemessungsgrundlage als auch für die vorrangigen Mittel auf den Zeitpunkt des Zuflusses abzustellen.
18
Dennoch weiche die Beklagte bei der Bemessungsgrundlage zu Gunsten der sozialen Dienstleister vom Zufluss-Prinzip ab, während sie bei der Qualifikation vorrangiger Mittel zu ihren Lasten auf dem Zufluss-Prinzip beharre. Es sei willkürlich, das Zufluss-Prinzip nur für bestimmte Tatbestandsmerkmale anzuwenden. Die Bemessungsgrundlage berechne sich nach seiner Kenntnis anhand tatsächlich geleisteter Zahlungen. Dies zeigten auch die FAQ der Beklagten (Stand 15. September 2021; Frage III. 6.): „Als Basis für die Höhe der zu gewährenden Zuschüsse werden i.d.R. die in den letzten zwölf vollen Kalendermonaten geleisteten tatsächlichen Zahlungen für […Kurse] herangezogen (1. März 2019 bis 29. Februar 2020 (Integrationskurse) bzw. 1. April 2019 bis 31. März 2020 (Berufssprachkurse).“ Dies zeige, dass Zahlungen für vor dem 16. März 2020 beendete Kurse nicht als vorrangige Mittel berücksichtigt würden. Dies sei auch sachgerecht, da es sich nicht um Kurse handele, die trotz hoheitlicher Entscheidungen möglich blieben. Dies müsse auch für Kurse gelten, die nach dem 16. März 2020 trotz geltender Corona-Schutz-Maßnahmen hätten durchgeführt werden können.
19
Der Wortlaut des § 4 Satz 1 Nr. 1 SodEG ermögliche eine Erstattung bzw. Kürzung nur, wenn „im Zeitraum der Zuschussgewährung vorrangige Mittel aus Rechtsverhältnissen nach § 2 Satz 2 SodEG, die vorbehaltlich der hoheitlichen Entscheidung im Sinne von § 2 Satz 3 SodEG weiterhin möglich sind, tatsächlich zugeflossen sind.“ Darin manifestiere sich, dass der Gesetzgeber nur Kurserlöse als vorrangige Mittel einordnen wollte, die aus Kursen resultierten, die in Zeiträumen mit hoheitlichen Corona-Schutz-Beschränkungen durchgeführt worden seien.
20
Die Beklagte begründe die Differenzierung der Erlöse vor und nach dem 16. März 2020 beendeter Kurse damit, dass erstere nicht pandemiebedingt hoheitlich eingeschränkt gewesen seien. Indes wolle sie nach dem 16. März 2020 durchgeführte Kurse anders behandeln, da sie von fortlaufenden hoheitlichen Corona-Schutz-Beschränkungen ausgehe. Die Auslegung der Beklagten widerspreche dem gesetzgeberischen Willen. Soziale Dienstleister müssten nach § 3 Satz 7 SodEG [Anm.: Gemeint ist § 3 Satz 8 SodEG] den Leistungsträgern „den Zeitpunkt der Beendigung der Beeinträchtigung nach § 2 Satz 3“ unverzüglich mitteilen. Daraus folge, dass der Gesetzgeber für die Frage pandemiebedingter Einschränkungen auf die individuelle Situation eines sozialen Dienstleisters, mithin dessen tatsächliche Betriebsbeschränkungen rekurrieren wolle – nicht auf die allgemeine Pandemielage respektive einen von den Leistungsträgern definierten Zeitraum.
21
Der Gesetzgeber habe die vorrangigen Mittel seines Erachtens definiert, um Zahlungen an soziale Dienstleister zu berücksichtigen, die diese für Kurse erhielten, die während des SodEG-Leistungsbezugs durchgeführt worden seien. Dies solle Mitnahmeeffekte und ungerechtfertigte Doppel-Begünstigungen vermeiden. Hätte die Legislative auf eine gesetzlich bestimmte Pandemielage abstellen wollen, ergäbe § 3 Satz 7 SodEG [Anm.: Gemeint ist § 3 Satz 8 SodEG] nach Ansicht des Klägers keinen Sinn. Es könne nicht die Aufgabe der sozialen Dienstleister gewesen sein, über eine legislativ bestimmte, allgemeingültige Lage zu informieren. Vielmehr belege § 3 Satz 7 SodEG [Gemeint: § 3 Satz 8 SodEG], dass der Gesetzgeber für die Frage der pandemiebedingten Einschränkungen auf die individuelle Situation des jeweiligen sozialen Dienstleisters und tatsächliche Betriebsbeschränkungen habe abstellen wollen – nicht etwa auf die allgemeine Pandemielage oder einen von den Leistungsträgern definierbaren Zeitraum. Dies sei auch sinnvoll, da die hoheitlichen Maßnahmen einzelne Dienstleister unterschiedlich getroffen hätten. Die Konstellation des Klägers belege, dass einzelne Dienstleister in bestimmten Zeiträumen trotz der grundsätzlich bestehenden hoheitlichen Einschränkungen ihren Kursbetrieb hätten nahezu uneingeschränkt durchführen können. In der Folge sei für die Frage der Anrechnung vorrangiger Mittel nicht abstrakt der gesamte Zeitraum ab dem 16. März 2020 zu betrachten. Dem Sinn und Zweck des Gesetzes entsprechend sei entscheidend, ob es sich um Mittel handele, die für Zeiträume gezahlt werden, in denen Zuschüsse nach dem SodEG in Anspruch genommen worden seien; nur dann seien Kurse „trotz einschränkender Maßnahmen erfolgt“. Es widerspreche dem Zweck des Gesetzes, für einen Zeitraum SodEG-Leistungen zu gewähren, obwohl der Leistungsträger trotz bestehender hoheitlicher Corona-Schutzmaßnahmen Kurse habe durchführen können. Gleichermaßen sinnwidrig sei, die Zahlungen für solche Kurse später in Zeiträumen als vorrangige Mittel zu berücksichtigen, in denen infolge hoheitlicher Maßnahmen keine Kurse durchgeführt werden konnten.
22
Beim monatlichen Zufluss des Klägers von 18.647,25 EUR im Leistungszeitraum Januar bis März 2021 handele es sich um Gelder für Kurse, die der Kläger im Zeitraum September bis Dezember 2020 durchgeführt habe. Für diesen Zeitraum habe der Kläger keine SodEG-Leistungen beantragt. Es sei Zufall, dass die Erlöse im Beantragungszeitraum Januar bis März 2021 zugeflossen seien. Hier beruhe dies darauf, dass die für die Abrechnungen beim Kläger zuständige Mitarbeiterin im Dezember erkrankt gewesen sei, was die Kursabrechnung verzögert habe. Es entspreche nicht der Vorstellung des Gesetzgebers, auf eine „Pandemielage“ abzustellen, die der Leistungsträger definiere und in deren Zeitraum ununterbrochen Leistungen gewährt würden. Andernfalls läge es in der Hand der Dienstleister, die Antragszeiträume so zu wählen, dass alle Zahlungsstichtage außerhalb der Antragszeiträume lägen, so dass die Anrechnung vorrangiger Mittel ausscheide. Zudem führe die Auslegung der Beklagten dazu, dass auch Leistungsträger durch die Wahl des Auszahlungszeitraums aktiv gestalten könnten, ob ein Dienstleister in einem Zeitraum „förderberechtigt“ sei. Dem Kläger lägen Unterlagen zu Fällen vor, in denen die Beklagte mittels unaufgeforderter Zahlung von Vorschüssen auf beendete, nicht abgerechnete Kurse wohl gezielt vorrangige Mittel habe schaffen wollen, um SodEG-Ansprüche für bestimmte Zeiträume zu vermeiden. Leistungsträger oder Dienstleister sollten die Anspruchsberechtigung nicht konstruieren können, indem sie Antragszeiträume und Auszahlungszeitpunkte manipulieren. Das Gesetz sei seinem Wortlaut entsprechend so auszulegen, dass es primär darauf ankomme, ob Kurse im Antragszeitraum trotz pandemiebedingter Einschränkungen möglich gewesen seien. Nur dafür erhaltene Mittel seien als vorrangig zu berücksichtigen. Falsch sei, nur auf den Mittel-Zufluss abzustellen. Auch treffe nicht zu, dass sich dies i.R.d. Gesamtförderzeitraums immer ausgleiche. Die Anwendbarkeit des SodEG orientiere sich an Zeiträumen, in denen pandemiebedingt eine Einschränkung des Kursbetriebes bestehe – mithin ein Einnahmenverlust. Sobald wieder Kurse durchgeführt werden könnten, ende die Anwendbarkeit des SodEG. Stelle man hier auf das Zufluss-Prinzip ab, führe dies regelmäßig dazu, dass Dienstleister, die sich bemühten in Zeiten geringer Einschränkungen ihr Kursprogramm durchzuführen, auch für Zeiten eines strengeren „Lockdowns“ keinen Anspruch hätten. Führe ein Dienstleister etwa in den Monaten Juli/August Kurse durch, habe er keinen SodEG-Anspruch. Werde nun die Kursdurchführung für September/Oktober untersagt, gingen in dieser Zeit aber die Erlöse für Juli/August ein, habe er nun ebenfalls keinen bzw. nur einen geminderten Anspruch. Nehme dieser Dienstleister im November/Dezember die Kurse wieder auf, habe er mangels Einschränkungen erneut keinen Anspruch. Zugleich habe er aber auch keine Mittel, da die Zahlungen für November/Dezember beim Dienstleister regelmäßig verzögert eingingen. Sei in diesem Kontext beabsichtigt, eine für Dienstleister existenzgefährdende Liquiditätslücke zu vermeiden, sei bei der Gesetzesauslegung konsequent sowohl für die Anwendungszeiträume des SodEG als auch für die Anspruchsberechtigung auf den Mittelzufluss abzustellen. Alternativ seien nur solche Zahlungen als vorrangige Mittel zu berücksichtigen, die Zeiträume beträfen, in denen trotz eingeschränkten Kursbetriebs ein Anspruch nach SodEG geltend gemacht werde. Nach Ansicht des Klägers wende die Beklagte das Zufluss-Prinzip nicht konsistent an. Das verursache willkürliche und existenzgefährdende Ergebnisse. Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 19/18107 S. 37 zu § 4) solle der Erstattungsanspruch „eine ungerechtfertigte Bereicherung der Empfänger von Zuschüssen vermeiden“. Hierzu sei es aber weder nötig noch gerechtfertigt, Zahlungen als vorrangige Mittel anzurechnen, die für Leistungen der sozialen Dienstleister für Zeiträume geleistet würden, in denen keine Zuschüsse nach dem SodEG in Anspruch genommen würden. Auch der Verweis der Gesetzesbegründung auf den „allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch“ spreche nicht für die Auslegung der Beklagten.
23
Im Widerspruchsbescheid nehme die Beklagte rechtsirrig an, dass „das SodEG nicht mit den üblichen Maßstäben, die an Gesetze gestellt werden, gemessen werden“ könne. Allein die Tatsache eines unter Zeitdruck durchgeführten Gesetzgebungsverfahrens ändere nicht die in einem Rechtsstaat geltenden Auslegungsmaßstäbe. Der Kläger beabsichtige nicht, redaktionelle Ungenauigkeiten für einen im Ergebnis unberechtigten Vorteil auszunutzen. Es gehe ihm darum, eine dem Gesetzeszweck widersprechende allein am Zufluss-Prinzip orientierte Auslegung zu vermeiden. Der Gesetzgeber habe kein Interesse, Dienstleister zu bestrafen, die trotz pandemiebedingter Erschwernisse Kurse durchgeführt hätten.
24
Der Kläger beantragt zuletzt,
- 1.
-
Der [sic!] Beklagte wird verurteilt unter Abänderung des Bescheides vom 17.3.2021 in der Form der Widerspruchsentscheidung vom 17.11.2021, einen Bescheid zu erlassen, in dem die monatliche Leistung auf € 38.180,25 festgelegt wird.
- 2.
-
Hilfsweise, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
25
Die Beklagte beantragt zuletzt;
die Klage kostenpflichtig abzuweisen.
26
Zur Begründung verweist sie auf die Gründe ihrer angegriffenen Verwaltungsentscheidung und ihren Widerspruchsbescheid. Vertiefend führt sie aus, Sinn und Zweck der Zuschussgewährung nach dem SodEG sei die Sicherung des Bestands sozialer Dienstleister im Aufgabenbereich des Sozialgesetzbuchs oder des Aufenthaltsgesetzes in einer Zeit, in der sie ihren Bestand infolge coronabedingter hoheitlicher Einschränkungen nicht selbst hätten sichern können.
27
Der Gesetzgeber habe stets klargestellt, dass die sozialen Dienstleister ihren Bestand vorrangig mit anderen finanziellen Mitteln sichern müssten; die SodEG-Zuschüsse seien als nachrangig qualifiziert worden. Dies zeige die Wertung des § 4 SodEG; ferner ergebe sich dies aus der Begründung des durch Artikel 10 des Gesetzes für den erleichterten Zugang zu sozialer Sicherung und zum Einsatz und zur Absicherung sozialer Dienstleister aufgrund des Coronavirus SARS-CoV-2 (SozialschutzPaket) eingeführten SodEG (vgl. BT-Drs.19/18107 v. 24.03.2020, S. 34 ff.): „Dieser besondere Sicherstellungsauftrag gilt nur, soweit die sozialen Dienste und Einrichtungen nicht mit vorrangigen verfügbaren Mitteln ihren Bestand absichern können“; „der besondere Sicherstellungsauftrag für soziale Dienstleister greift im Übrigen nur subsidiär gegenüber vorrangigen Möglichkeiten der Bestandssicherung“; „im Übrigen greift der Sicherstellungsauftrag für soziale Dienstleister erst, wenn diese in ihrem Bestand gefährdet sind; soweit ein Dienstleister seine originären Aufgaben auch in der Coronavirus SARS-CoV-2 Krise weiter erfüllt und dafür Vergütungen erhält, ist die Inanspruchnahme des Sicherstellungsauftrages und damit die Abgabe der Erklärung zur Bereitstellung seiner Kapazitäten zur Krisenfolgenbewältigung nicht erforderlich;“ „nach § 4 ist der besondere Sicherstellungsauftrag in seiner Wirkung nachrangig gegenüber den allgemeinen Handlungsmöglichkeiten der Leistungsträger, den Bestand sozialer Dienstleister zu sichern. Die Leistungsträger sollen die sozialen Dienstleister dabei unterstützen, ihren Bestand nach eigenen Kräften im Rahmen der Möglichkeiten nach den Nummern 1 bis 4 zu sichern. […]“ SodEG-Zuschüsse seien demnach zu jeder Zeit als „letztes Mittel“ der Bestandssicherung vorgesehen gewesen. Dabei sei es Leistungsträgern in erweiternder Auslegung der §§ 3 f. SodEG ermöglicht worden, schon im Bewilligungsverfahren zu diesem Zeitpunkt bekannte vorrangige Mittel in Abzug zu bringen – ungeachtet dessen, dass insoweit nachgelagert ein nachträglicher Erstattungsanspruch entstehe (BT-Drs.19/18107 v. 24.03.2020, S. 36 zu § 3). Diese grundlegende Wertung belege nach ihrer Ansicht, dass die SodEG-Zuschüsse nicht der Kompensation conronabedingter Umsatz- oder Gewinneinbußen habe dienen sollen. Sie habe nur ein Mindestmaß an Liquidität der sozialen Dienstleister sicherstellen sollen, damit diese ihre Leistungen auch nach der Pandemie erbringen könnten.
28
Vorrangige Mittel i.S.d. § 4 Satz 1 Nr. 1 SodEG seien Zahlungen aus Rechtsverhältnissen nach § 2 Satz 2 SodEG, die vorbehaltlich hoheitlicher Entscheidungen i.S.v. § 2 Satz 3 SodEG weiterhin möglich gewesen seien. Solche vorrangige Mittel aus Rechtsverhältnissen nach § 2 Satz 2 SodEG zwischen dem Kläger und der Beklagten könnten etwa Zahlungen für durchgeführte Kursabschnitte, durchgeführte Abschlusstests sowie alle damit zusammenhängenden (Neben-) Leistungen des Klägers sein. Vorrangige Mittel seien daher auch Erlöse aus der Durchführung sog. Online-Tutorien. Letztere seien nicht als Online-Unterricht bzw. Ersatz für den Integrationskurs zu werten, sondern als Überbrückungsmaßnahme zur Aufrechterhaltung des Sprachniveaus der Teilnehmenden bis zur Fortsetzung der Kurse.
29
Weitere tatbestandliche Voraussetzung des § 4 Satz Nr. 1 SodEG sei, dass es sich um Zahlungen für Leistungen handele, „die vorbehaltlich der hoheitlichen Entscheidungen im Sinne von § 2 Satz 3 weiterhin möglich sind“. Entscheidungen im Sinne von § 2 Satz 3 SodEG seien „hoheitliche Entscheidungen, die im örtlichen Tätigkeitsbereich von sozialen Dienstleistern unmittelbar oder mittelbar den Betrieb, die Ausübung, die Nutzung oder die Erreichbarkeit von Angeboten der sozialen Dienstleister beeinträchtigen“. Voraussetzung für die Einordnung als vorrangiges Mittel sei demnach, dass der Auszahlung Leistungen zugrunde lägen, die erbracht worden seien, während einschränkende Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie in Kraft gewesen seien. Dies sei ab Mitte März 2020 und jedenfalls bis zum hier streitigen Zeitraum 1. Januar bis 31. März 2021 durchgehend der Fall gewesen. Zudem seien die „Corona-Schutzverordnungen“ der Länder Maßnahmen, die den Kursbetrieb durchgehend zumindest teilweise eingeschränkt hätten. Zwar sei in den meisten Bundesländern ab etwa Mai 2020 die Kursdurchführung in Präsenz generell wieder möglich gewesen. Jedoch hätten dabei weiterhin Einschränkungen hinsichtlich der Rahmenbedingungen, insbesondere zur Teilnehmerzahl, gegolten. Für den Kläger habe die … Verordnung über Maßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus SARS-CoV-2 (…) durchgehend mehr oder weniger weitreichende Beschränkungen vorgesehen – etwa, dass Hygienekonzepte erarbeitet werden und zur Anwendung hätten kommen müssen, die die Anzahl von Personen in Einrichtungen begrenzten und steuerten (* …*). Da die Kostenerstattung für die Durchführung der Integrationskurse in der Regel teilnehmerbezogen erfolge, wirkten sich Beschränkungen auf die Durchführung der Kurse aus. Nach Auffassung der Beklagten komme es § 4 Satz 1 Nr. 1 SodEG nur darauf an, ob im Leistungszeitraum hoheitliche Maßnahmen gegolten hätten. Irrelevant sei hingegen, ob zu diesem Zeitpunkt SodEG-Zuschüsse bezogen worden seien. Dies sei weder dem Wortlaut noch in anderer Weise dem Gesetz zu entnehmen. Zahlungen der Beklagten für die Durchführung von Leistungen nach dem AufenthG seien immer als vorrangige Mittel i.S.d. § 4 Satz 1 Nr. 1 SodEG zu qualifizieren – unabhängig davon, wann die Leistung (nach März 2020) erbracht worden sei.
30
Dies stehe auch nicht im Widerspruch zur Gewährung von Zuschüssen im ersten Zuschusszeitraum ab 16. März 2020: Anders als Leistungen, die nach dem 16. März 2020 – etwa im Herbst 2021 – erbracht worden seien, seien zuvor erbrachte Leistungen nicht „vorbehaltlich der hoheitlichen Entscheidungen im Sinne von § 2 Satz 3 weiterhin möglich“ gewesen. Vor dem 16. März 2020 habe es keine den Kursbetrieb einschränkenden Maßnahmen aufgrund der Corona-Pandemie gegeben, mithin keine hoheitlichen Entscheidungen i.S.v. § 2 Satz 3 SodEG.
31
Selbst wenn man darin einen Widerspruch erkennen wolle, könne dies ihres Erachtens nicht dazu führen, hier tatsächlich zugeflossene vorrangige Mittel nicht vom Zuschuss abzuziehen. Vielmehr wäre hier allenfalls zu hinterfragen, ob das Absehen von der Anrechnung im ersten Zuschusszeitraum (zugunsten der sozialen Dienstleister) zwingend gewesen sei. Auch diese Mittel hätten Integrationskursträger wie der Kläger zur Bestandssicherung nutzen können.
32
Im Zeitraum der Zuschussgewährung tatsächlich zugeflossene Mittel seien stets als vorrangig i.S.d. § 4 Satz 1 SodEG anzurechnen. Das Zufluss-Prinzip, mithin ein konsequentes Abstellen auf den Zeitpunkt, an dem vorrangige Mittel dem sozialen Dienstleister tatsächlich zugeflossen seien, folge unmittelbar aus dem Wortlaut der Norm. Zu diesem Ergebnis führe aber auch der Gesetzeszweck, Zuschüsse subsidiär und nur für den Fall zu gewähren, dass der soziale Dienstleister seinen Bestand bzw. seine Liquidität nicht anderweitig selbst sichern könne. Im hier zu beurteilenden Zuschusszeitraum vom 1. Januar bis 31. März 2021 seien dem Kläger unstreitig die im Widerspruchsbescheid aufgelisteten Mittel zugeflossen. Die Zahlungen hätten ihm somit zur Erhaltung seiner Liquidität, mithin zur Bestandssicherung zur Verfügung gestanden. Angesichts der Subsidiarität der SodEG-Zuschüsse hätten solche somit nicht gezahlt werden können. Es sei irrelevant, wann der soziale Dienstleister die den Zahlungen zugrundeliegenden Leistungen erbracht und ob er zu dieser Zeit SodEG-Zuschüsse bezogen habe.
33
Der Kläger repliziert insoweit, das Bestehen einer „Corona-Schutzverordnung“ könne keine Einschränkung i.S.d. § 2 Satz 3 SodEG gewesen sein. Der Betrieb unter Geltung eines Hygienekonzepts sei nicht mit Einschränkungen des Kursbetriebes gleichzusetzen. Der Kursbetrieb sei unter einem Hygienekonzept teilweise uneingeschränkt möglich gewesen. Weiter gehe die Beklagte fehl in der Annahme, dass etwaige Friktionen dadurch gelöst würden, dass auch vorrangige Mittel für vor dem 16. März 2020 abgehaltene Kurse als vorrangige Mittel abgezogen werden müssten. Seines Erachtens komme dies nach dem Gesetzeswortlaut nicht in Betracht. Stattdessen sei der auslegungsbedürftige und -fähige Gesetzeswortlaut entsprechend seiner Ansicht zu verstehen.
34
Ferner meint der Kläger, die Ausführungen der Beklagten zeigten, dass die periodenverschobene Vereinnahmung der Gelder systemimmanent sei. Ein reines Zuflussprinzip führe zu einem Abzug vorrangiger Mittel, obwohl die Zahlungsfähigkeit des Klägers durch die verspätete Zahlung der Kurse aus dem vierten Quartal 2020 in keiner Weise erhöht werde. Der Kläger habe die Kurskosten vollumfänglich vorfinanziert. Insoweit könne von einer Steuerung des Zuflusses durch den sozialen Dienstleister zur Gestaltung der Höhe der vorrangigen Mittel und damit der SodEG-Zahlungen nicht die Rede sein. Vielmehr könne allein die Beklagte den Zufluss-Zeitpunkt steuern. Eine solche Steuerungsmöglichkeit liege auch in der Befugnis, nach Eingang einer Abrechnung eine Verwaltungsprüfung anzuordnen. Beim Kläger sei etwa für einen am 22. April 2022 abgerechneten Kurs die Ankündigung einer Verwaltungsprüfung für diesen Kurs eingegangen. In der Konsequenz habe der Kläger für den Kurs jedenfalls bis 22. November 2022 keine Bezahlung erhalten.
35
In der mündlichen Verhandlung vom 4. Juli 2023 hat die Kammer mit den Beteiligten die Sach- und Rechtslage erörtert; im Übrigen hat sie die Beteiligten ergänzend befragt.
36
Zu weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Beteiligten, die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten sowie die Sitzungsniederschrift. Sie alle sind Grundlage der richterlichen Entscheidungsfindung gewesen.
Entscheidungsgründe
37
Die zulässige Klage ist begründet.
38
I. Die Klage ist zulässig, insbesondere wurde sie am 21. Dezember 2021 fristgerecht erhoben, § 74 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO: Die Zustellung des Widerspruchsbescheides vom 17. November 2021 erfolgte nach unbestrittenem Klägervortrag am 25. November 2021. Im Übrigen lässt sich der Zustellungszeitpunkt anhand der Behördenakten zwar nicht exakt verifizieren; indes brachte die Poststelle der Beklagten die diesbezügliche Postzustellungsurkunde am 23. November 2021 auf den Weg (vgl. handschriftlicher Vermerk auf Bl. 36 des 2. Bandes der Behördenakte). Die Klagefrist kann somit am 21. Dezember 2021 denknotwendig noch nicht verstrichen gewesen sein.
39
II. Die Klage ist auch begründet. Der Kläger hat für den gegenständlichen Förderzeitraum – Januar, Februar und März 2021 – einen die Gewährung aus dem angegriffenen Bescheid vom 17. März 2021 übersteigenden Anspruch auf einen monatlichen „SodEG“-Zuschuss von insgesamt 38.180,25 EUR.
40
Dabei war hier im Ergebnis auf die SodEG-Fassung abzustellen, die zur Zeit der Antragstellung bestand (Fassung vom 9. Dezember 2020, veröffentlicht im BGBl. S. 2855).
41
Bei der Verpflichtungsklage ist für die Beurteilung eines Anspruchs die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung entscheidend. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bedeutet dies, dass ein Kläger mit seinem Verpflichtungsbegehren nur Erfolg haben kann, wenn er im Zeitpunkt der letzten gerichtlichen Entscheidung einen Anspruch auf die begehrte Leistung hat. Das Bestehen des Anspruchs beurteilt sich aber nach dem materiellen Recht. Das materielle Recht enthält die tatbestandlichen Voraussetzungen etwa einer Anspruchsgrundlage und die Antwort auf die Frage, zu welchem Zeitpunkt diese Voraussetzungen erfüllt sein müssen – insbesondere bei zeitgebundenen Ansprüchen, also solchen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt entstehen oder die sich auf einen bestimmten Zeitraum beziehen (VG Gera, U.v. 3. November 2022 – 3 K 819/21 Ge – Rn. 24 – 25 juris). Ändert sich das materielle Recht während des Verfahrens, so ist auf Grundlage dieser Änderung zu entscheiden, ob das neue Recht einen durch das alte Recht begründeten Anspruch beseitigt, verändert, unberührt lässt oder erstmals einen solchen begründet (BVerwG, Urt. v. 30. Oktober 1969 – 8 C 112.67 –; 21. Mai 1976 – 4 C 80.74 –; 3. November 1987 – 9 C 254.86 –; 17. Oktober 1989 – 9 C 58.88 –; 1. Dezember 1989 – 8 C 17.87 –; 20. März 1996 – 6 C 4.95 –; 31. März 2004 – 8 C 5.03 – jeweils juris; auch Schübel-Pfister in: Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 113 Rn. 57).
42
Letzteres ist aber hier nicht der Fall. Etwaige Änderungen des SodEG – die letzte Fassung stammt von 18. März 2022, veröffentlich in BGBl. I S. 473 – regelten spätere Zeiträume der Zuschussgewährung, nahmen aber keinen Einfluss auf etwaige frühere Zuschussansprüche.
43
Im Folgenden wird die jeweilige SodEG-Fassung aus Gründen der Vereinfachung nur exakt zitiert, sofern es explizit darauf ankommt. Kein näher ausdifferenziertes Zitat wird erfolgen, sofern sich der Wortlaut des SodEG mit Blick auf eine Norm im Zeitverlauf nicht verändert hat.
44
1. Unproblematisch und zwischen den Beteiligten unstreitig ist, dass der Anwendungsbereich des SodEG zur Zeit der Antragstellung eröffnet war (§ 2 Satz 1, 5 Satz 3 SodEG in der Fassung vom 9. Dezember 2020, BGBl. I S. 2855).
45
Vorliegend blieb unstreitig, dass der Kläger für die Beklagte grundsätzlich Kurse durchführte – mithin in einem Rechtsverhältnis mit der Beklagten i.S.d. § 2 Satz 2 SodEG in der Fassung vom 9. Dezember 2020 stand. Ferner war sein Kursbetrieb im relevanten Zeitraum Januar bis März 2021 in diesem Sinne unstreitig beeinträchtigt.
46
Deshalb war auch ohne entscheidende Bedeutung, dass der Wortlaut des § 2 Satz 2 SodEG in der Fassung vom 9. Dezember 2020, BGBl. I S. 2855 („Soziale Dienstleister in diesem Sinne sind alle natürlichen und juristischen Personen und Personengesellschaften, die durch Maßnahmen zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten nach dem Fünften Abschnitt des Infektionsschutzgesetzes beeinträchtigt sind und in einem Rechtsverhältnis zu einem Leistungsträger nach Satz 1 zur Erfüllung von Aufgaben nach dem Sozialgesetzbuch oder dem Aufenthaltsgesetz stehen“) gegenüber der vorherigen Fassung geringfügig verändert wurde („Soziale Dienstleister in diesem Sinne sind alle natürlichen und juristischen Personen und Personengesellschaften, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens von Maßnahmen zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten nach dem Fünften Abschnitt des Infektionsschutzgesetzes in einem Rechtsverhältnis zu einem Leistungsträger nach Satz 1 zur Erfüllung von Aufgaben nach dem Sozialgesetzbuch oder dem Aufenthaltsgesetz stehen, vgl. § 2 S. 2 SodEG in der Fassung vom 29. Mai 2020, BGBl. I S.- 1055).
47
Der Gesetzgeber hat die Neu-Formulierung als bloße Konkretisierung bezeichnet (BT-Drs. 19/24034, S. 40) woraus folgt, dass die Rechtslage im Kern unverändert bleiben sollte. Die Neufassung verdeutlicht, dass der Anwendungsbereich des SodEG eröffnet ist, sofern grundsätzlich beeinträchtigende Maßnahmen zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten nach dem Fünften Abschnitt des Infektionsschutzgesetzes in Kraft sind. Er stellt nicht auf eine tatsächliche Beeinträchtigung in einem bestimmten Zeitpunkt ab (so auch Ziff. II Nr. 7 der „FAQ“ der Beklagten zum SodEG vom 15. September 2021). Folglich deutet er bereits an, dass die Fragen der Eröffnung des Anwendungsbereichs des SodEG (§ 2 SodEG) und nach der individuellen Zuschussberechtigung zu differenzieren sind. Letztgenannte Berechtigung verlangt die Beeinträchtigung des Antragstellenden im Einzelfall (vgl. § 3 Satz 1 i.V.m. § 2 SodEG sowie später).
48
2. Ferner stellten die Beteiligten auch den maximal möglichen Zuschuss als Ausgangspunkt der Berechnung des später tatsächlich gezahlten monatlichen Zuschusses nach § 3 Satz 1 SodEG nicht infrage (43.097,90 EUR). Auch für die Kammer sind insoweit keine Fehler erkennbar.
49
3. Streitig war allein, welche sog. vorrangigen Mittel i.S.d. § 4 Satz 1 SodEG im Rahmen der Zuschussgewährung vom maximal möglichen Zuschuss abgezogen dürfen. Konkret betraf dies unstreitige Erlöse i.H.v. 55.941,75 EUR, die im 1. Quartal zugeflossen wären – für die die zugrundeliegende Leistung aber unstreitig im letzten Quartal 2020 erbracht wurde.
50
Die Beklagte meint, diesen Gesamterlös verteilt auf den beantragten Zuschusszeitraum Januar bis März 2021 vom oben genannten maximal möglichen SodEG-Zuschuss abziehen zu können (55.941,75 EUR verteilt auf drei Monate = monatlicher Abzug von 18.647,25 EUR).
51
Nach Überzeugung der Kammer ist dies aber nicht rechtmäßig.
52
a) Zwar hält die Kammer wie die Beteiligten eine Saldierung festgesetzter SodEG-Zuschüsse und vorrangiger Mittel i.S.d. § 4 Satz 1 Nr. 1 SodEG bereits i.R.d. bescheidmäßigen Zuschussfestsetzung für möglich.
53
Diskussionswürdig ist dies deshalb, weil das Zuschussgewährungsverfahren des SodEG eigentlich zweigestuft aufgebaut ist: So findet zunächst ein vorläufiges Gewährungsverfahren statt, § 3 SodEG. Nach Ablauf des Sicherstellungsauftrages respektive dem Ende des Zuschussgewährungszeitraums kommt es zum zeitlich nachgelagerten Schlussabrechnungs- bzw. Erstattungsverfahren aus § 4 SodEG (zum zeitlichen Auseinanderfallen von Gewährungs- und Erstattungsverfahren vgl. nur Wortlaut § 4 Satz 3 SodEG in der Fassung vom 20. Mai 2020 – BGBl. I S. 1055 bzw. § 4 Satz 4 in allen Folgefassungen – BGBl. I S. 2855 und BGBl. I S. 473: Der Erstattungsanspruch setzt danach vollständige Kenntnis voraus und entsteht „[F…]rühestens drei Monate nach der letzten Zuschusszahlung“).
54
Die Kammer hält dieses Vorgehen aber für zulässig. Sie erkennt die praktischen Vorteile der Verrechnung schon im vorläufigen Gewährungsverfahren. Ferner deutet auch der Gesetzgeber die Möglichkeit an, schon bei der Berechnung des Zuschusses summarisch den Zufluss vorrangiger Mittel zu berücksichtigen (BT- Drs. 19/18107, S. 37). Im Übrigen hat das Landessozialgericht Hessen überzeugend zur Zulässigkeit ausgeführt (Hessisches LSG, U.v. 16.3.2022 – L 4 SO 119/21 –, juris). Dabei nimmt die Kammer aber zugleich an, dass die Beklagte auch in Fällen derartiger Vorab-Saldierung ein Schlussabrechnungs- bzw. Erstattungsverfahren durchführt.
55
b) Der Betrag von 55.941,75 EUR kann aber nicht als vorrangiges Mittel i.S.d. § 4 Satz 1 Nr. 1 SodEG berücksichtigt werden.
56
aa) Die Auslegung von Wortlaut und Systematik des SodEG führt dazu, dass die betreffenden Mittel nicht als vorrangig i.S.d. § 4 Satz 1 Nr. 1 SodEG qualifiziert werden können.
57
§ 4 Satz 1 Nr. 1 SodEG qualifiziert vorrangige Mittel – in allen bisherigen SodEG-Fassungen – als: „Mittel aus Rechtsverhältnissen nach § 2 Satz 2, die vorbehaltlich der hoheitlichen Entscheidungen im Sinne von § 2 Satz 3 weiterhin möglich sind“.
58
Bei den Entscheidungen i.S.v. § 2 Satz 3 SodEG handelt es sich – wiederum in allen SodEG-Fassungen wortgleich formuliert – um: „Hoheitliche Entscheidungen, die im örtlichen Tätigkeitsbereich von sozialen Dienstleistern unmittelbar oder mittelbar den Betrieb, die Ausübung, die Nutzung oder die Erreichbarkeit von Angeboten der sozialen Dienstleister beeinträchtigen“.
59
Dies zeigt, dass das Gesetz den Mittelzufluss gewissermaßen qualifiziert – letztlich als Ausfluss des subsidiären Charakters des SodEG (vgl. u.a.: BT-Drs. 19/18107, S. 36). Dabei impliziert der Begriff der Beeinträchtigung zweierlei:
60
(1) So muss es sich um Mittel handeln, die in der Corona-Zeit bzw. dem von Maßnahmen nach dem 5. Abschnitt des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) geprägten Sicherstellungsauftrag i.S.d. § 2 SodEG erwirtschaftet wurden – auch die Beklagte scheint nicht der Auffassung zu sein, dass etwa erst verspätet zugeflossene Mittel aus Kursen aus der Zeit zwischen März 2019 und Februar 2020 später als vorrangige Mittel abzuziehen seien (notabene würden solche Mittel nach § 3 Satz 2 SodEG auch nicht die Bemessungsgrundlage erhöhen, da die Norm explizit nicht auf die Zeit der Leistungserbringung, sondern die in dem Zeitraum „geleisteten Zahlungen“ abstellt).
61
(2) Zugleich muss das Bestehen hoheitlicher Entscheidungen i.d.S. „den Betrieb, die Ausübung, die Nutzung oder die Erreichbarkeit von Angeboten der sozialen Dienstleister (§ 2 Satz 3 SodEG) beeinträchtigen“.
62
Eine Beeinträchtigung liegt rein sprachlich vor, wenn der Ablauf mehr als nur unerheblich verändert wird. Der Duden listet als Synonyme etwa auf: „Behinderung, Beschädigung, Beschränkung, Hemmung“ (https://www.duden.de/rechtschreibung/Beeintraechtigung, abgerufen am 6. Juli 2023). Schon nach dem Wortlaut liegt demnach nahe, dass eine Hemmung des Betriebs, der Ausübung, der Nutzung oder der Erreichbarkeit von Angeboten der sozialen Dienstleister mehr sein muss, als etwa die Pflicht zum Tragen einer Maske. Paradebeispiel einer Beeinträchtigung dürfte demnach eine (Teil-)Schließungsanordnung sein. Erzielt ein Dienstleister in einer solch beeinträchtigenden Zeit dennoch Erlöse – wie hier etwa durch Online-Tutorien – sind dies eindeutig vorrangige Mittel.
63
Zwar lässt der Wortlaut des § 2 Satz 3 SodEG auch „mittelbare“ Beeinträchtigungen zu. Doch meint dies nicht, dass jede geringfügige Änderung gegenüber der „Vor-SARS-CoV-2-Zeit“ als Beeinträchtigung i.d.S. zu sehen wäre. Insbesondere lässt sich dies nicht mit einer allgemein-üblichen bzw. auf Corona-Schutzmaßnahmen zurückgehenden erhöhten Vorsicht oder der Geltung von Abstandsgeboten etc. begründen – dies nähme den Dienstleistern das allgemeine Geschäftsrisiko und widerspräche dem Charakter des SodEG als subsidiäres, ausschließlich der Existenzsicherung in der Pandemie (vgl. BT-Drs. 19/18107, S. 36) dienendes Instrument. Vielmehr hat die mittelbare Beeinträchtigung im Blick, dass der Betrieb des Dienstleisters durch Maßnahmen indirekt beschränkt wird. Dies wäre etwa bei einer (zeitweisen) Ausgangsbeschränkung der Fall, die die Berufsausübung der Kursleiter nicht hindert, die aber ggf. bewirkt, dass Privatpersonen ihre Wohnung (zeitweise) nicht ohne triftigen Grund verlassen dürfen; hier würde die Durchführung von in dieser Zeit angesetzten Kursen mittelbar ausgeschlossen.
64
Folglich enthebt auch das Merkmal der Mittelbarkeit nicht von der Voraussetzung der Beeinträchtigung. Eine solche liegt aber nicht vor, wenn grundsätzlich jeder Bürger den Kursbetrieb in Anspruch nehmen kann – selbst wenn etwa Abstandsgebote (die ohnehin nie als justiziable Vorgabe konzipiert waren) oder etwa eine Maskenpflicht galt.
65
Die hier in Rede stehenden Mittel resultieren aus Zeiten der Phase zwischen 1. Oktober und 15. Dezember 2020. Zwar verweist die Beklagte zurecht darauf, dass … Dienstleister zeitweise Hygienekonzepte erarbeiten mussten (vgl. etwa … Verordnung über Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus SARS-CoV-2 (…).
66
Wie herausgearbeitet beeinträchtigt dies allein aber nicht den Betrieb i.S.d. § 2 Satz 3 SodEG. Die Beeinträchtigung des Betriebs muss auch die Art des betreffenden Kurses in den Blick nehmen – hier Integrationskurse, die in einer Art Klassenverband abgehalten werden. Dass der Kläger hinsichtlich der Erbringung dieser Kurse aber in einer Weise von den Corona-Schutzmaßnahmen betroffen gewesen wäre, die dazu geführt hätte, dass er seine Angebote inhaltlich und mit Blick auf den Umfang nach dem Sinn und Zweck der Integrationskurse coronabedingt nicht mehr erbringen konnte, trägt aber auch die Beklagte nicht vor. Im Übrigen mag die Frage des Vorliegens relevanter Beeinträchtigungen i.S.d. § 2 Satz 3 SodEG wohl mit Eintritt eines (Teil-)Lockdowns anders zu beurteilen sein. Doch einerseits war Erwachsenenbildung in Niedersachsen auch während der „2. Welle“ nicht untersagt; zudem resultieren die Erlöse aus Kursen, die – zwischen den Beteiligten unstreitig – ohne größere Beschränkungen abgehalten werden konnten.
67
Gehen die gegenständlichen 55.941,75 EUR aber nicht auf eine Zeit relevanter Beeinträchtigung zurück, scheidet die Berücksichtigung als vorrangiges Mittel i.S.d. § 4 Satz 1 SodEG aus.
68
Dieses vom Wortlaut vorgegebene Verständnis führt nebenbei auch dazu, dass die von mannigfachen Umständen abhängige Zufälligkeit des Zeitpunkts des Zuflusses nicht allein über die Frage der endgültigen Zuschusshöhe entscheiden kann. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass das Verständnis der Beklagten einen so wohl nicht beabsichtigten Kreislauf in Gang setzen könnte: Hiernach wäre nicht nur möglich, dass Dienstleister in bestimmten Phasen mangels Beeinträchtigung Kurse veranstalteten, aber weder SodEG-Leistungen noch die typischerweise verzögert bezahlten Kursgelder erhielten. Ermöglicht würde auch, dass in Phasen erheblicher Beeinträchtigung die dem Grunde nach zustehende SodEG-Leistung – je nachdem wie viele Kurse der Dienstleister im vorgenannten Zeitraum abhalten konnte – auf bis zu null reduziert würde, falls erst jetzt im vorangegangen Zeitraum erwirtschaftete Mittel zuflössen.
69
bb) Gegen eine Möglichkeit der Saldierung der spezifisch auf den Zeitraum September bis 16. Dezember 2020 zurückgehenden Erlöse spricht weiter konkret der Wortlaut der gesetzlichen Überschrift des § 4 SodEG: „Erstattungsanspruch“ bzw. eine Betrachtung der Systematik des Zuschussgewährungsverfahrens.
70
(1) Eine Erstattung setzt denknotwendig voraus, dass der Erstattende zuvor etwas erhalten hat.
71
Hat aber der Kläger wie hier infolge des Schreibens vom 25. August 2020 im Zeitraum September bis Dezember 2020 keine SodEG-Mittel erhalten, fehlt es insoweit an der Grundlage für eine Erstattung. Es ist nicht einzusehen, weshalb sich diese Betrachtung deshalb ändern soll, weil die Beklagte vorliegend das spätere Erstattungsverfahren durch die Saldierung teilweise vorwegnimmt.
72
Gegen eine Möglichkeit der Saldierung der auf den Zeitraum Oktober bis 16. Dezember 2020 zurückgehenden Erlöse spricht daneben die eigentliche Systematik des SodEG: § 4 Satz 1 SodEG ist wie beschrieben originär als nachgelagertes Verfahren der Schlussabrechnung konzipiert gewesen. Mithin wird ex-post betrachtet, inwieweit ein Dienstleister, der i.S.d. Sicherstellungsauftrags aus § 3 SodEG Leistungen beansprucht hat, schutzbedürftig war (§§ 3 Satz 1, 2 Sätze 2 und 3 SodEG). Mithin stellt § 4 Satz 1 Nr. 1 SodEG die in Anspruch genommenen SodEG-Zuschüsse der Zeit des Leistungsbezugs den im Zuschusszeitraum zugeflossenen Mitteln etwa aus veranstalteten Kursen gegenüber.
73
Hat ein Dienstleister für einen bestimmten Zeitraum – unabhängig davon, ob ihm ein Anspruch zugestanden hätte – keinerlei SodEG-Zuschuss beantragt, so ist für eine solche Gegenüberstellung kein Raum. Ohne die Beantragung von SodEG-Mitteln kommt es nicht zum Erstattungsverfahren. Es ist aber nicht ersichtlich, weshalb das anders zu beurteilen sein soll, wenn der Dienstleister „zwischen zwei SodEG-Phasen“ längere Zeit – hier vier Monate – keine SodEG-Zuschüsse beantragt.
74
Steht dieser Befund fest, leuchtet aber nicht ein, weshalb die teilweise Antizipation des Erstattungsverfahrens mittels Saldierung diesen ändern sollte; das Gegenteil erschiene sogar unbillig. Dies sieht wohl auch die Beklagte. Immerhin erklärte diese in der mündlichen Verhandlung ohne dies näher auszudifferenzieren, man habe in vergleichbaren Fällen eine rückwirkende Beantragung von SodEG-Mitteln ermöglicht. Das kann und muss hier nicht beurteilt werden.
75
(2) Für die Kammer steht aber fest, dass das SodEG seit jeher als unterstützendes Instrument der Teilkompensation gedacht war (so bereits: BT-Drs. 19/18107, S. 36). Insofern setzte die Zuschusszahlung immer eine Beeinträchtigung voraus.
76
Nach dem heutigen Wortlaut des § 3 Satz 1 SodEG in der Fassung vom 9. Dezember 2020, BGBl. I S. 2855 hat ein Dienstleister in Zeiten fehlender Beeinträchtigung keinen SodEG-Anspruch nach § 3 Satz 1.
77
Indes galt dies schon in der ersten SodEG-Fassung – wenn auch dies auch durch das Ineinandergreifen mehrerer Normen aus dem Blick hätte geraten können (manche Leistungsträger sollen der Ansicht gewesen sein, ungeachtet der tatsächlichen Beeinträchtigung Zuschüsse ab dem 16. März 2020 zahlen zu müssen, vgl. BT-Drs. 19/1807, S. 36):
78
Nach § 3 Satz 1 SodEG in der Fassung vom 20. Mai 2020 – BGBl. I S. 1055 erfüllen „[…d]ie Leistungsträger […] den […] Sicherstellungsauftrag nach § 2 durch Auszahlung von monatlichen Zuschüssen […] ab dem maßgeblichen Zeitpunkt nach § 2 Satz 2.“ § 2 Satz 2 SodEG definierte den Zeitpunkt als den „des Inkrafttretens von Maßnahmen zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten nach dem Fünften Abschnitt des Infektionsschutzgesetzes“. § 2 Satz 3 SodEG definierte die Maßnahmen als: „[…H]oheitliche Entscheidungen, die […] unmittelbar oder mittelbar den Betrieb, die Ausübung, die Nutzung oder die Erreichbarkeit von Angeboten der sozialen Dienstleister beeinträchtigen.“
79
Im Übrigen erklärte der Gesetzgeber bei Schaffung der heutigen Formulierung des § 3 Satz 1 SodEG in der Fassung vom 9. Dezember 2020, BGBl. I S. 2855, die Voraussetzungen für den SodEG-Zuschuss würden „konkretisiert“. Das zeigt, dass die Rechtslage nicht geändert wurde. Zudem schilderte die Legislative die genannte Ansicht einer allein auf den 16. März 2020 abstellenden Betrachtung, ohne sich diese Argumentation offenbar zu eigen machen zu wollen (vgl.: BT-Drs. 19/24034, S. 40). Mithin galt das „Beeinträchtigungserfordernis“ von Beginn an.
80
Soll heißen: In Zeiten fehlender Beeinträchtigung hatten Dienstleister zu keinem Zeitpunkt einen SodEG-Anspruch. Hatten sie aber keinen SodEG-Anspruch, müssen ihnen in dieser Zeit erwirtschaftete Mittel verbleiben. Teilt ein Dienstleister wie hier am 25. August 2020 mit, dass er seine Kurse in einem bestimmten Zeitraum ohne wesentliche Beeinträchtigungen durchführen kann – obwohl er zu dieser Zeit mangels der heutigen Regelung § 3 Satz 8 SodEG in der Fassung vom 9. Dezember, BGBl. I S. 2855 dazu im SodEG nicht verpflichtet wurde – verzichtet er somit möglicherweise gar nicht auf SodEG-Zuschüsse. Dementsprechend erschiene eine Anrechnung der in diesem Zeitraum erwirtschafteten Mittel als systemwidrig.
81
cc) Weiterhin führt die mit dem Gesetzeswortlaut übereinstimmende teleologische Betrachtung dazu, dass die beklagtenseits vorgenommene Saldierung in Höhe von 55.941,75 EUR nicht rechtmäßig war.
82
§ 4 Satz 1 SodEG ist eine Konkretisierung des allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs. Er will Überkompensationen vermeiden (Schlegel/Meßling/Bockholdt, Corona-Gesetzgebung, § 16 Sozialdienstleister-Einsatzgesetz Sicherstellungsauftrag und Rettungsschirm Rn. 59, beck-online). Es geht ihm demnach um die Verhinderung einer ungerechtfertigten Bereicherung von Empfängern der SodEG-Zuschüsse (BT-Drs. 19/1807, S. 37).
83
Eine Bereicherung setzt voraus, dass das betreffende Subjekt etwas erlangt hat.
84
Im Kontext des originären Anwendungsbereichs des § 4 Satz 1 Nr. 1 SodEG heißt ungerechtfertigte Bereicherung folglich, dass sich im Erstattungs- bzw. Schlussabrechnungsverfahren manifestiert, dass der betreffende Dienstleister während der Geltung des Sicherstellungsauftrags i.S.d. §§ 2, 3 Satz 1 SodEG und trotz beantragter SodEG-Leistungen – mindestens teilweise – in der Lage war, seinen Bestand selbst zu sichern, indem er Mittelzuflüsse generierte.
85
Ungerechtfertigt bereichert wäre ein Dienstleister somit, wenn er einen nach § 3 Satz 2 SodEG berechneten Zuschuss – die Beklagte übt ihr diesbezügliches Ermessen nach ihren FAQ grundsätzlich auf 75% der Umsätze im Vergleichszeitraum aus (Ziff. III Nr. 6 d. FAQ, vgl. Versionen v. 14. April und v. 25. Mai 2020 sowie v. 15. September 2021) – und daneben Mittel etwa aus Kursen erhielte.
86
Bezieht ein Dienstleister in einer Phase aber keine SodEG-Zuschüsse, erlangt er schon nichts – ganz gleich, ob er auf einen ihm zustehenden SodEG-Anspruch verzichtete oder ob er ohnehin keinen Anspruch gehabt hätte. Mangels Erlangtem fehlt aber eine Bereicherung. Fehlt die Bereicherung, gibt es keine Basis für die Frage nach deren „Ungerechtfertigtkeit“: Wer nicht bereichert ist, ist denknotwendig nicht damit zu konfrontieren, inwieweit eine Bereicherung ungerechtfertigt sein kann.
87
Schließlich ist auch nicht ersichtlich, dass das herausgearbeitete Ergebnis eine „Rosinenpickerei“ der Dienstleister ermöglicht hätte (in dem Sinn, dass sie für einen Zeitraum das Ende des SodEG-Leistungsbezugs beantragen konnten, um erwirtschaftete Mittel aus dem Zeitraum voll behalten zu können und für andere Zeiträume SodEG-Zuschüsse zu beantragen und keine bzw. eingeschränkt Kurse anzubieten). So liegt dieser Betrachtung vermutlich die nicht schlüssige Annahme zugrunde, dass der Dienstleister zur Zeit der Beantragung des Endes der Leistungen genau wissen könne, wie hoch die ihm für die betreffende Folgeperiode zufließenden Mittel wären und dass er auf einen ihm günstigen Vorteil spekuliere. Dies liegt aber neben der Sache: In der ungewisse Phase des Corona-Herbstes konnte mutmaßlich kein Dienstleister exakt prognostizieren, welche Kurse er zu welcher Zeit anbieten würde können. Im Übrigen widerspricht dieser Gedanke der bewussten Ausnutzung von Spielräumen den Gedanken des Gesetzgebers: Dieser hat von Beginn an klargestellt, dass die Dienstleister auch unter Geltung des SodEG sich vorrangig durch die Erfüllung ihrer originären Aufgaben selbst erhalten müssen (u.a. BT-Drs. 19/18107, S. 36). Damit hat er dem Gedanken Ausdruck verliehen, dass Dienstleister nicht ihr allgemeines Geschäftsrisiko auf die Leistungsträger überwälzen können, die die SodEG-Mittel auszahlen. Beantragt aber ein Dienstleister die Einstellung von SodEG-Zahlungen, gibt er zu verstehen, dass er i.S.d. Gesetzgebers subsidiäre Leistungen nicht mehr beansprucht und sein Geschäftsrisiko fortan wieder selbst trägt.
88
Dabei zeigt der vorliegende Fall anschaulich, dass von einer Übervorteilung des Klägers nicht die Rede sein kann: Mit Bescheid vom 22. Juni 2020 setzte die Beklagte zugunsten des Klägers einen monatlichen SodEG-Zuschuss von 46.371,74 EUR fest; dabei galten die auflösenden Bedingungen des Endes beeinträchtigender Maßnahmen sowie des Sicherstellungsauftrags. Mit Schreiben vom 25. August 2020 erklärte der Kläger, die Zahlungen des Zuschusses mögen künftig eingestellt werden. In der Folge erbrachte er bis Ende 2020 auf Basis des Rechtsverhältnisses mit der Beklagten Integrationskurse, die ihm verteilt auf vier Monate Mittel i.H.v. 55.941,75 EUR einbringen konnten. Selbst wenn man somit die Herangehensweise der Beklagten dauerhafter relevanter Beeinträchtigungen des Kursbetriebs zwischen September und 15. Dezember 2020 teilen wollte, wäre somit zu sehen, dass es sich bei der Mitteilung des Klägers aus seiner Perspektive um das Gegenteil einer „Rosinenpickerei“ handelte – immerhin besiegelte er damit, künftig weniger Mittel zu erhalten.
89
Nach alledem war wie erfolgt zu tenorieren.
90
III. Die Entscheidung über die Kosten basiert auf § 154 Abs. 1 VwGO, diejenige zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 167 Abs. 1 und 2 VwGO i.V.m. 708, 709 Satz 1 ZPO.