Titel:
Anspruch auf Bauhandwerkersicherung auch noch nach Kündigung durch den Unternehmer
Normenkette:
BGB § 631 Abs. 1, § 650f Abs. 1, Abs. 5
Leitsatz:
Der Anspruch auf Stellung einer Sicherheit für den Vergütungsanspruch des Unternehmers geht auch dann nicht unter, wenn der Unternehmer den Vertrag wegen nicht geleisteter Sicherheit kündigt. (Rn. 10 und 17 – 26) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Vergütung, Sicherheitsleistung, Kündigung, Bauhandwerkersicherung, Erlöschen, Sicherungsverlangen, Kündigungsvergütung, Architekt
Vorinstanzen:
OLG München, Hinweisbeschluss vom 19.06.2023 – 28 U 1119/23 Bau
LG München I, Teilurteil vom 28.02.2023 – 24 O 7467/22
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe vom -- – VII ZR 158/23
Fundstellen:
MDR 2023, 1379
ZfIR 2024, 30
LSK 2023, 21248
BeckRS 2023, 21248
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Teilurteil des Landgerichts München I vom 28.02.2023, Aktenzeichen 24 O 7467/22, wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts München I und dieser Beschluss sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 175.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe
1
Die Parteien streiten über die Pflicht zur Erbringung von Sicherheitsleistungen.
2
Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts München I vom 28.02.2023 und den Hinweis des Senats vom 19.6.2023 Bezug genommen.
3
Im Berufungsverfahren wird durch die Beklagte mit Schriftsatz vom 02.06.2023 beantragt,
- 1.
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Das Teilurteil des Landgerichts München I vom 28.02.2023 zu Az. 24 O 7467/22 wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.
- 2.
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Hilfsweise: Das Teilurteil des Landgerichts München I vom 28.02.2023 zu Az. 24 O 7467/22 wird aufgehoben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.
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Ergänzend wird auf den Hinweis des Senats vom 19.06.2023 Bezug genommen.
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Die Berufung gegen das Teilurteil des Landgerichts München I vom 28.02.2023, Aktenzeichen 24 O 7467/22, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordern und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
1. Offensichtliche Aussichtslosigkeit der Berufung
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Die Berufung der Beklagten gegen das Teilurteil des Landgerichts München hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg im Sinn von § 522 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Davon ist der Senat nach eingehender Prüfung der Sach- und Rechtslage überzeugt. Er würde in der Sache nicht anders entscheiden als das Landgericht.
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Zur Begründung nimmt der Senat zunächst auf die zutreffenden Ausführungen des Erstgerichts in den Urteilsgründen sowie auf seinen Hinweis vom 19.06.2023 Bezug, in dem er seine leitenden Erwägungen bereits zum Ausdruck gebracht hat.
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Die Ausführungen des Berufungsführers in der Gegenerklärung vom 25.07.2023 sind nicht geeignet, die im Ersturteil und im Hinweisbeschluss ausgeführten Argumente zu entkräften bzw. der Berufung zum Erfolg zu verhelfen.
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Mit der Gegenerklärung vom 25.07.2023 wendet sich der Berufungsführer vertieft gegen die bereits im Hinweisbeschluss vom 19.06.2023 enthaltene Auffassung des Senats, dass die Klägerin weiterhin einen Anspruch auf Sicherheit nach § 650f Abs. 1 BGB hat, obwohl der Vertrag gern. § 650f Abs. 5 S. 1 BGB wegen Nichtleistung der Sicherheit gekündigt wurde.
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Der Anspruch auf Stellung einer Sicherheit gern. § 650f Abs. 1 BGB geht auch nach Kündigung des Vertrages nach § 650f Abs. 5 S. 1 BGB nicht unter.
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I. Ziel des § 650f BGB, wie auch der Vorgängervorschrift des § 648a BGB, ist die frühzeitige Sicherung des Unternehmers in Hinblick auf Vergütungsansprüche auch im Fall einer Insolvenz des Bestellers.
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Der Gesetzgeber wollte dem Unternehmer die Möglichkeit eröffnen, möglichst schnell und effektiv vom Besteller eine Sicherheit für den Fall erlangen zu können, dass der Besteller ihn nicht bezahlt (vgl. Begründung zu § 648a a.F., BT Drs. 16, 511,1). § 650f BGB verfolgt nunmehr den Zweck, die Sicherung effektiver auszugestalten und die Unternehmerrechte zu stärken. Er räumt dem Unternehmer einen Anspruch auf die Sicherheit ein, der folglich auch einklagbar ist (vgl. Kniffka/Jurgeleit/Schmitz Bauvertragsrecht, Stand 29.05.2023, § 650f Rdn 6 unter Hinweis auf BGH, Urt. v. 27.5.2010 – VII ZR 165/09 Rdn. 19 f.; Urt. v. 6.3.2014 – VII ZR 349/12 Rdn. 13).
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Diesem Gesetzeszweck liefe es zuwider, wenn der Anspruch auf Sicherheitsleistung nach Ausübung des Kündigungsrechts nach § 650f Abs. 5 BGB erlöschen würde. Denn dann hätte der Besteller es in der Hand, den bestehenden Sicherungsanspruch durch Verweigerung der Sicherheitsleistung bis zur Kündigung durch den Unternehmer zu verhindern und den Zweck des Sicherungsverlangens und den tatsächlich bestehenden Anspruch auf Sicherheit auszuhöhlen. Der Besteller könnte auf diese Weise die Verpflichtung zur Leistung einer Sicherheit abschließend umgehen.
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II. Der Klägerin steht auch weiterhin ein sicherbarer Vergütungsanspruch zu, §§ 631, 650f Abs. 5 S. 2 BGB.
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I. Der Anspruch auf Sicherheit entsteht mit dem Verlangen des Unternehmers auf Sicherheit (vgl. BGH Urteil v. 25. 03.2021, VII ZR 94/20).
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Der Anspruch auf Sicherheitsleistung ist nicht von einem Vorleistungsrisiko des Unternehmers abhängig (BGH Urteil vom 06.03.2014, VII ZR 349/12). Die Bauhandwerkersicherheit sichert nicht eine Vorleistung des Unternehmers ab, sondern dessen Vergütungsanspruch (Senat, Beschluss vom 20.10.2019, 28 U 3648/19).
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II. Ein Erlöschen des Anspruchs auf Sicherheitsleistung mit Kündigung des Vertrages ist der gesetzlichen Regelung nicht zu entnehmen.
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Der Anspruch besteht bis zur vollständigen Befriedigung der von § 650f BGB erfassten Ansprüche (BeckOGK/Mundt, 1.4.2023, BGB § 650f Rn. 48.; Grüneberg/Retzlaff Rn. 12). Auch die Kündigung nach § 650f Abs. 5 BGB führt nicht zum Erlöschen des Anspruchs. Die Kündigung nach § 650f Abs. 5 BGB ist ein Sonderfall der Kündigung aus wichtigem Grund. Die Kündigung nach § 650f Abs. 5 BGB führt zur großen Kündigungsvergütung, wie sie auch in § 648 BGB vorgesehen ist (Grüneberg/Retzlaff, 82. Auflage 2023, § 650 f Rn. 21). Unabhängig vom Kündigungsgrund hat der Unternehmer nach einer Kündigung stets Anspruch auf Vergütung der erbrachten Leistungen gern. § 631 BGB (Kniffka/Koeble, Teil 8 Die Abwicklung des gekündigten Bauvertrages Rn. 46).
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Der Anspruch aus § 648 S. 2 BGB oder § 8 Abs. 1 Nr. 2 VOB/B ist ein Vergütungsanspruch, der sich aus dem Vertrag ergibt, § 631 Abs. 1 BGB, und der um die ersparten Aufwendungen (bzw. Kosten nach VOB/B) und um den anderweitigen oder böswillig unterlassenen anderweitigen Erwerb gekürzt wird (Kniffka/Koeble, a.a.O.).
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Es handelt sich daher hier bei dem – dem Sicherungsverlangen zugrunde gelegten – Anspruch aus § 650f Abs. 5 S. 2 BGB um den bisherigen Vergütungsanspruch des Unternehmers und nicht einen Anspruch eigener Art. § 650f Abs. 5 S.1 BGB ist in Bezug auf die Kündigung als Rechtsfolgenverweisung anzusehen und entspricht der Regelung des § 648 BGB.
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III. Der Vergütungsanspruch aus § 650f Abs. 5 BGB ist nicht als Schadensersatzanspruch, sondern ausdrücklich als Vergütungsanspruch, entsprechend § 648 BGB, ausgestaltet.
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Während das bis zum 01.01.2009 geltende Recht dem Unternehmer nach der Vertragsaufhebung nur einen Vertrauensschadensersatzanspruch gewährte, entspricht die Regelung in § 650f Abs. 5 Satz 2 BGB der seit jeher maßgeblichen Abrechnungsvorgabe des § 648 Satz 2 BGB. Zugleich präzisierte der Gesetzgeber des Forderungssicherungsgesetzes die Vermutung sprachlich (§ 650f Abs. 5 Satz 3 BGB) und inkorporierte sie auch in § 648 Satz 3 BGB (KniffkaJurgeleit/Schmitz, Bau vertragsrecht/Schmitz Stand 23.5.2023, § 650f Rn. 206). Der Unternehmer behält also nach § 650f Abs. 5 BGB seinen Vergütungsanspruch und ist entsprechend dem Wortlaut des § 648 BGB verpflichtet, sich ersparte Aufwendungen anrechnen zu lassen. Der Vergütungsanspruch bestand daher weiter. Der Anspruch ist unter Berücksichtigung des § 650f Abs. 5 S. 2 BGB um die ersparten Aufwendungen zu kürzen.
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IV. Auch nach einer Kündigung kann der Unternehmer daher wegen seines offenen Vergütungsanspruchs – wie er sich infolge der Kündigung berechnet – neben oder vor der Klage auf Zahlung der Vergütung eine Klage auf Sicherheit anhängig machen (Kniffka Bau vertragsrecht/Schmitz § 650f Rn. 185).
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Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den von der Berufungsführerin in ihrem Schriftsatz vom 25.7.2023 in Bezug genommenen Entscheidungen.
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Insbesondere der Entscheidung des BGH vom 23.11.2017, VII ZR 34/15 ist ein Untergang des Anspruchs auf Sicherheit nicht zu entnehmen. Auch nach der Kündigung kann der Anspruch auf Sicherheitsleistung noch geltend gemacht werden (vgl. Kniffka/Koeble Kompendium des Bau rechts, Teil 9 Rn. 172). Die Entscheidung stellt vielmehr eindeutig klar, dass auch nach einer Kündigung noch ein Sicherheitsanspruch in Bezug auf den Vergütungsanspruch besteht.
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Hinsichtlich der Entscheidungen des Landgerichts Hamburg vom 16.07.2010 sowie der Entscheidung des Landgerichts Stuttgart v. 03.12.2010 ist festzuhalten, dass diese noch zum alten Recht vor Änderung des § 648a a.F. durch das Forderungssicherungsgesetz zum 01.01.2009 ergingen. Die Entscheidung des Landgerichts Hamburg vom 06.12.2012 orientierte sich inhaltlich stark an der Entscheidung des Landgerichts Hamburg vom 03.12.2010 und wurde mit der Entscheidung des BGH vom 06.03.2014 hinfällig. Dies kommt in der Entscheidung des BGH vom 06.03.2014, VII ZR 349/12 in Rn. 18/19 zum Ausdruck, da der Senat in dieser Entscheidung deutlich macht, dass entgegen der bisher überwiegend veröffentlichen Rechtsprechung, unter Zitat der Entscheidung des LG Hamburg, eine differenzierte Betrachtung geboten ist und auch nach Kündigung des Vertrages der Unternehmer eine Sicherheit verlangen kann(BGH Urteil vom 06.03.2014, VII ZR 3349/12).
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V. Die Höhe der Sicherheit hat sich indessen nunmehr an dem Werklohn zu orientieren, den der Unternehmer nach der Kündigung noch verlangen kann.
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Er muss also ersparte Aufwendungen und anderweitig erzielten oder erzielbaren Erwerb berücksichtigen (§ 650f Abs. 5 Satz 2 BGB). Dies ist in der zutreffenden Entscheidung des Landgerichts berücksichtigt.
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2. Weitere Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 Nr. 2 – 4 ZPO Der Senat hält aufgrund der Sach- und Rechtslage eine mündliche Verhandlung für nicht geboten, § 522 Abs. 2 Nr. 4 ZPO.
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Der Rechtssache kommt im Übrigen auch keine grundsätzliche Bedeutung zu, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts, § 522 Abs. 2 Nr. 2 und 3 ZPO. Insbesondere orientiert sich die Entscheidungen an der Rechtsprechung des Bundesgerichtshof zu § 650f BGB bzw. § 648a BGB a. F.
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Die Berufung ist daher zurückzuweisen.
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VI. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgt gemäß § 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 3 ZPO, 47, 48 GKG bestimmt.