Inhalt

OLG München, Beschluss v. 24.07.2023 – 11 W 768/23 e
Titel:

Kostenschuldnerhaftung des antragstellenden Miterben bei einem Teilerbschein

Normenketten:
GNotKG § 22 Abs. 1, § 81 Abs. 2, Abs. 3, § 136 Abs. 1 Nr. 1
GVG § 119 Abs. 1 Nr. 1b
FamFG § 352a
Leitsätze:
1. Unter dem Begriff des „Verfahrens“ im Sinne der § 136 Abs. 1 Nr. 1 GNotKG und § 22 ist das konkrete Verfahren, etwa die Erbscheinserteilung, nicht aber das gesamte Nachlassverfahren nach dem Tode einer Person als Ganzes zu verstehen (Rn. 11). (redaktioneller Leitsatz)
2. Im Erbscheinverfahren ist Kostenschuldner gemäß § 22 Abs. 1 GNotKG der Antragsteller; bei einem gemeinschaftlichen Erbschein oder einem Teilerbschein können nur die Miterben, die einen Antrag gestellt haben, als Kostenschuldner herangezogen werden (Rn. 13). (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Antragstellerhaftung nach § 22 Abs. 1 GNotKG tritt unabhängig von der Motivation des Antragstellers ein (Rn. 15). (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Erbscheinsverfahren, Kostenschuldner, Antragsteller, Miterben, Teilerbschein, Motive, Beschwerde
Vorinstanz:
AG Kaufbeuren, Beschluss vom 22.02.2023 – VI 000969/12
Fundstellen:
ErbR 2024, 68
FamRZ 2024, 294
ZEV 2023, 755
BeckRS 2023, 21225
LSK 2023, 21225

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
1
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die (alleinige) Inanspruchnahme für die Kosten eines von ihm beantragten Teilerbscheins.
2
Auf eine Sterbefallmitteilung des Standesamts vom 25.06.2012 leitete das Amtsgericht Kaufbeuren vorliegendes Nachlassverfahren ein. Da die kinderlose Erblasserin kein Testament verfasst hatte, ordnete das Gericht eine Nachlasspflegschaft an, deren Wirkungskreis auch die Erbenermittlung umfasste. Umfangreiche Ermittlungen des Nachlasspflegers führten zunächst zur Feststellung der Erben auf der Seite der Mutter der Erblasserin; diesbezüglich wird auf die Niederschrift des – vom Nachlassgericht Kaufbeuren zugezogenen – Amtsgerichts Freyung vom 21.07.2020 Bezug genommen: Danach sind mütterlicherseits 22 Miterben mit unterschiedlichen Anteilen am Nachlass vorhanden. Die Miterbin zu 12 beantragte in diesem Termin einen Teilerbschein hinsichtlich der genannten Abkömmlinge der Großeltern mütterlicherseits.
3
Dementsprechend hob das Amtsgericht Kaufbeuren mit Beschluss vom 30.10.2020 die Nachlasspflegschaft bezüglich der mütterlichen Seite auf und erteilte antragsgemäß einen Teilerbschein.
4
Mit Schreiben vom 04.03.2021 teilte der Nachlasspfleger dem Nachlassgericht Kaufbeuren mit, dass der Beteiligte (Miterbe) R. W. T. den der Erbenermittlung entsprechenden Teilerbschein „väterlicherseits“ beantragen möchte. Die Nachlassakten mögen mit einem vorbereiteten Antrag an das für dessen Wohnort zuständige Nachlassgericht Bamberg gesandt werden. Der Nachlasspfleger habe die Verwandtschaftsverhältnisse väterlicherseits mit Herrn T. auf dessen Wunsch hin ausführlich besprochen und ihm diese dargelegt; die Ermittlungen seien vollständig. Gleichzeitig bat der Nachlasspfleger um Übersendung des Entwurfs des Erbscheinsantrages zur Durchsicht und zum Abgleich. Am 28.05.2021 übersandte er dem Gericht eine detaillierte Stellungnahme zu dem Entwurf. Neben einer Reihe von Änderungen/Ergänzungen wird auf Seite 2 unten mitgeteilt, der Antrag möge dahin ergänzt werden, dass der Antragsteller „die Kosten für die Beteiligten verauslagt“.
5
Das Amtsgericht Kaufbeuren übermittelte die Akten sodann zur Aufnahme des Erbscheinsantrages mit eidesstattlicher Versicherung an das Nachlassgericht Bamberg, das Termin auf den 28.07.2021 bestimmte; hierzu wurde der Antragsteller geladen, wobei ihm eine Kopie des vom Amtsgericht Kaufbeuren angefertigten Protokoll-Entwurfs übermittelt und ihm mitgeteilt wurde, es sei beabsichtigt, den Erbscheinsantrag im Termin antragsgemäß zu protokollieren. Ausweislich der Niederschrift vom 28.07.2021 wurden die Abkömmlinge der Großeltern der Erblasserin väterlicherseits festgestellt und sodann die Miterben benannt, davon als Nr. 26 der Antragsteller. In der Niederschrift ist weiter festgehalten, dass dieser einen Teilerbschein „gemäß der vorstehend festgestellten Erbfolge“ beantragt, ferner eine Übersendung an ihn; anschließend gab der Antragsteller die hinsichtlich der maßgeblichen Feststellungen erforderliche eidesstattliche Versicherung ab. Der Miterbenanteil des Antragstellers beträgt 1/120. Nach einer Berichtigung des Textes erteilte das Amtsgericht Kaufbeuren nach Rückkunft der Akten am 26.01.2022 den Erbschein und übersandte allen darin benannten Miterben eine Abschrift.
6
Mit der beschwerdegegenständlichen Schlusskostenrechnung vom 14.03.2022 machte die Kostenbeamtin gegenüber dem Antragsteller die Kosten für das Verfahren über den Antrag auf Erteilung des Teilerbscheins sowie für die Abnahme der eidesstattlichen Versicherung geltend (KV-GNotKG Nrn. 12210 und 23300); als Verfahrenswert ging es von € 30.199,00 aus.
7
Gegen diese Rechnung wandte sich der Antragsteller mit mehreren Schreiben, mit denen er im Wesentlichen geltend macht, er habe den Antrag auf Erteilung des Teilerbscheins „auf Veranlassung des Nachlassgerichts“ gestellt, um die Feststellung der Beteiligten abschließen zu können. Von einer Übernahme der Kosten für alle Beteiligten sei nie die Rede gewesen. Diese würden zudem gesamtschuldnerisch für die Gerichtskosten haften; er bitte, die Kosten auf alle Erben aufzuteilen; er habe keinen Kontakt zu diesen und könne anteilige Kosten von ihnen nicht einholen.
8
Das Amtsgericht wertete die Schreiben als Erinnerung, der es mit Beschluss vom 22.02.2023 nicht abhalf. Zur Begründung wird angeführt, der Miterbe R. T. habe vor dem Amtsgericht Bamberg einen Antrag auf Erteilung eines Teilerbscheins hinsichtlich der Verwandten väterlicherseits gestellt. Der Nachlasswert zum Todestag habe insgesamt € 60.399,00 betragen, so dass für den Teilerbschein ein Wert von € 30.199,00 zugrunde gelegt worden sei. Der Miterbe R. T. schulde gemäß § 22 Abs. 1 GNotKG als Antragsteller des Teilerbscheins die Kosten für dessen Erteilung sowie für die Abnahme der eidesstattlichen Versicherung. Anwendbar seien die Kostenvorschriften des GNotKG (nicht die Kostenordnung), da der Erbscheinsantrag am 28.07.2021 gestellt worden sei.
9
Dagegen erhob der Antragsteller Beschwerde; er macht geltend, gemäß der Kostenordnung sei „jeder Einzelne auf die Gebühr nach seinem Anteil beschränkt“. Es sei klar gestellt worden, dass er bei Beantragung des Teilerbscheines nur für seinen Erbanteil gehandelt habe. Überdies habe die Bank nach wie vor keine Auszahlungen geleistet.
II.
10
Die gemäß § 81 Abs. 2, 3 GNotKG zulässige Beschwerde, über die nach § 119 Abs. 1 Nr. 1 b) GVG das OLG zu entscheiden hat, bleibt in der Sache ohne Erfolg; nach dem Akteninhalt kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Antragsteller seinen Antrag lediglich hinsichtlich seiner eigenen Anteilsquote gestellt hat:
11
1. Anwendbar sind die Vorschriften des GNotKG (§ 136 Abs. 1 Nr. 1 GNotKG): Zwar wurde die Nachlassakte noch vor dessen Inkrafttreten am 01.08.2013 angelegt. Abzustellen ist jedoch auf den konkreten Antrag, hier auf Erteilung des Teilerbscheins, der am 28.07.2021 gestellt wurde. Es kommt nicht auf die diesbezüglichen Vorgaben etwa der Aktenordnung an, nämlich das gesamte Nachlassverfahren in einer Akte zu führen, vielmehr ist unter dem Begriff des „Verfahrens“ im Sinne des FamFG bzw. des GNotKG stets das konkrete Verfahren, etwa die Erbscheinserteilung, nicht aber das gesamte Nachlassverfahren nach dem Tode einer Person als Ganzes zu verstehen (vgl. z.B. OLG München, Beschl. v. 06.07.2017 – 31 Wx 409/16 Kost, unter II. 2. b) m.w.N.). Dementsprechend bezieht sich § 22 GNotKG (Antragstellerhaftung) auf das konkrete Erbscheinserteilungsverfahren und mithin dasjenige Verfahren, das durch den Erbscheinsantrag eingeleitet wurde (s. auch Korintenberg-Wilsch, GNotKG, § 22 Rn. 2).
12
2. Der angefochtene Beschluss lässt Rechtsfehler nicht erkennen; die Beschwerdebegründung vermag hieran nichts zu ändern.
13
Im Erbscheinsverfahren ist der Antragsteller gemäß § 22 Abs. 1 GNotKG Kostenschuldner, da es sich um ein Verfahren handelt, das nur auf Antrag eingeleitet wird. Wird die Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins (§ 352 a FamFG) oder Teilerbscheins von allen Miterben beantragt, haften auch alle Erben als echte Mitschuldner. Wird der Antrag hingegen nicht von allen gestellt, haften nur die antragstellenden Miterben. Miterben, die keinen Antrag gestellt haben, können nicht als Kostenschuldner herangezogen werden (s. etwa Senatsbeschluss vom 03.04.2023 – 11 W 183/23; Korintenberg-Wilsch, a.a.O., KV-GNotKG Nr. 12210 – 12212 Rn. 17 a; derselbe, a.a.O., § 22 Rn. 6 a).
14
Beantragt wurde hier nicht etwa ein Teilerbschein ausschließlich für den Erbanteil des Antragstellers, vielmehr – entsprechend der unmissverständlichen Niederschrift vor dem Amtsgericht Bamberg vom 28.07.2021 – für sämtliche Miterben der väterlichen Seite der Erblasserin: Insoweit hat der Antragsteller ausdrücklich erklärt, beantragt werde ein Teilerbschein „gemäß der vorstehend festgestellten Erbfolge …“. Wie oben ausgeführt, wurde dem Antragsteller ein entsprechender Entwurf vor dem Termin übersandt. Ausweislich der Mitteilung des Nachlasspflegers vom 04.03.2021 ist auch eine Besprechung erfolgt. Ob von einer Kostenübernahme die Rede war oder nicht, spielt keine Rolle, weil sich die Haftung des Antragstellers aus dem Gesetz ergibt; im Übrigen heißt es in dem Schreiben des Nachlasspflegers vom 28.05.2021, dort S. 2 u., ausdrücklich, der Antragsteller verauslage die Kosten für die Beteiligten.
15
Keine Rolle spielt auch die Frage einer Motivation, also ob die Antragstellung nicht etwa im Interesse des Miterben, sondern des Gerichts erfolgt ist, um diesem beim Abschluss des Verfahrens zu helfen. Der Kostenbeamte ist nicht in der Lage, derartige Motive zu ermitteln und § 22 Abs. 1 GNotKG enthält diesbezüglich auch keinerlei Einschränkungen. Die Antragstellerhaftung des Miterben für den von ihm beantragten Erbschein tritt ferner unabhängig davon ein, ob diesem die auf ihn entfallende Quote von der Bank bereits ausbezahlt wurde. Auch insoweit enthält das Gesetz keine Einschränkungen oder Vorgaben.
16
3. Die Gebühr ist zutreffend berechnet, insbesondere hat die Kostenbeamtin nur die Hälfte des Wertes des Nachlasses zugrunde gelegt, weil hinsichtlich der mütterlichen Linie der Erblasserin bereits ein Teilerbschein vorliegt (§ 40 Abs. 2 GNotKG).
17
4. Ob der Antragsteller später einen Anspruch gegen die übrigen Miterben auf anteilige Beteiligung an den beschwerdegegenständlichen Gebühren hat, spielt im vorliegenden Verfahren keine Rolle. In einem Fall, in dem sich die übrigen Miterben dem Antrag auf Erteilung eines Erbscheins ausdrücklich widersetzt hatten, ging der BGH davon aus, dass ein derartiger Anspruch (aus Geschäftsführung ohne Auftrag) nicht besteht (s. Urteil vom 07.10.2020 – IV ZR 69/20 Tz 15 ff.).