Inhalt

VG München, Beschluss v. 09.08.2023 – M 1 SN 23.3188
Titel:

Erfolgloser Eilantrag im baurechtlichen Nachbarklageverfahren gegen eine Baugenehmigung zur Nutzungsänderung eines Altenheims in eine Flüchtlingsunterkunft

Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 5, § 80a Abs. 3
BauGB § 212a
BauNVO § 3, § 15
BayBO Art. 47
Leitsätze:
1. Das Vorhaben – die Nutzungsänderung eines Altenheims in eine Flüchtlingsunterkunft – widerspricht nicht der Festsetzung des Plangebiets als allgemeines Wohngebiet, § 30 Abs. 1 BauGB. Bei der geplanten Flüchtlingsunterkunft handelt es sich um eine Anlage für soziale Zwecke, die im allgemeinen Wohngebiet gem. § 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO zulässig ist. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
2. Selbst wenn der von der Antragspartei erhobene Einwand der Funktionslosigkeit durchgriffe und sich das Gebiet in der Folge als reines Wohngebiet gem. § 3 BauNVO darstellen würde, lägen die Voraussetzungen für eine Ausnahme nach o.g. Vorschrift vor, sodass das Vorhaben selbst in einem reinen Wohngebiet zulässig wäre. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Stellplatzpflicht ist grundsätzlich nicht nachbarschützend. Sie dient vielmehr ausschließlich dem öffentlichen Interesse an der Entlastung der öffentlichen Verkehrsflächen vom ruhenden Verkehr. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Flüchtlingsunterkunft, Nachbarantrag, Vorläufiger Rechtschutz, Nachbarklage, allgemeines Wohngebiet, Flüchtlingsunterkunft für 80 Personen gebietsverträglich, keine Verletzung des Gebietserhaltungsanspruchs, keine Funktionslosigkeit des Bebauungsplans
Fundstelle:
BeckRS 2023, 21067

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert wird auf 3.750,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Beteiligten streiten über eine dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung zur Nutzungsänderung eines Altenheims in eine Flüchtlingsunterkunft.
2
Der Antragsteller ist Eigentümer des Grundstücks FlNr. 1319 Gem. … Ca. 230 m nördlich des Grundstücks des Antragstellers befinden sich die Grundstücke FlNrn. 1344/17, 1344/19 und 1344/34 Gem. … (Vorhabengrundstücke). Sämtliche Grundstücke liegen im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 7 „Rechts der …“ der Gemeinde K. von 1968. Der Bebauungsplan setzt als Art der baulichen Nutzung ein allgemeines Wohngebiet fest.
3
Mit Antrag vom 8. Mai 2023 beantragte der Beigeladene die Erteilung einer Baugenehmigung zur Umnutzung eines Altenheims in eine Flüchtlingsunterkunft auf den Vorhabengrundstücken. Nach der Betriebsbeschreibung sollen in den bestehenden Gebäuden insgesamt 80 Bewohner untergebracht werden.
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Mit Beschluss vom 16. Mai 2023 verweigerte die Gemeinde ihr Einvernehmen zu dem Vorhaben. Das Vorhaben sei als Anlage für soziale Zwecke im allgemeinen Wohngebiet zulässig. Das Einvernehmen könne jedoch nicht erteilt werden, weil die Anforderungen nach der Stellplatzsatzung nicht erfüllt seien.
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Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 6. Juni 2023 erteilte der Antragsgegner dem Beigeladenen die begehrte Baugenehmigung und beauflagte die Herstellung von acht KfZ-Stellplätzen und 60 Fahrradstellplätzen. Das Vorhaben werde planungsrechtlich nach § 30 BauGB beurteilt und entspreche der dort festgesetzten Art der Nutzung. Es entspreche bei Beachtung der festgesetzten Auflage den in Art. 60 Satz 1 BayBO als Prüfungsinhalt festgelegten öffentlich-rechtlichen Vorschriften. Eine Zustellung an den Antragsteller erfolgte nicht.
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Mit am … Juni 2023 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz seines Bevollmächtigten hat der Antragsteller Klage erhoben (M 1 K 23.3187) und beantragt zudem,
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die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 6. Juni 2023 anzuordnen.
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Die angefochtene Baugenehmigung verletze den Antragsteller in seinem Gebietserhaltungsanspruch. Bei dem Gebiet handle es sich um ein faktisches reines Wohngebiet. Der maßgebliche Bebauungsplan sei wegen Funktionslosigkeit außer Kraft getreten. Durch die zwischenzeitlich erteilten Baugenehmigungen und errichteten Vorhaben, insbesondere für die unmittelbar an die Vorhabengrundstücke angrenzenden Grundstücke für Wohngebäude, sei der Bebauungsplan obsolet geworden. Das Gebiet zeichne sich durch eine Bebauung aus, die überwiegend der reinen Wohnnutzung und nur in sehr geringem Maße nicht störenden Betrieben bzw. Läden des täglichen Bedarfs dienten. Die geplante Nutzung als Flüchtlingsunterkunft stelle keine Wohnnutzung dar. Sie sei auch nicht als Anlage für soziale Zweck ausnahmsweise in einem reinen Wohngebiet zulässig. Die geplante Erstaufnahmeeinrichtung wirke aufgrund des mit ihrer Größe verbundenen einhergehenden Ziel- und Quellverkehrs und des sozialen Lebens innerhalb der Flüchtlingsunterkunft im Freien störend in dem reinen Wohngebiet. Bodenrechtliche Relevanz sei gegeben. Aspekte seien insoweit zu erwartender erhöhter Lärm, die Erfahrungswerte und die zu erwartenden Konflikte innerhalb der Asylunterkunft. Dies gelte auch deshalb, weil nicht genügend Stellplätze vorhanden seien und deshalb mit einem erhöhten Parkplatz-Suchverkehr zu rechnen sei. Der Stellplatzbedarf könne mit dem eines Studentenwohnheims gleichgestellt werden. Dafür seien 0,5 Stellplätze pro Bett sowie weitere zehn Prozent Besucherparkplätze vorzuhalten. Die vorgesehenen 14 Stellplätze genügten nicht. Das Vorhaben verstoße auch gegen das Rücksichtnahmegebot. Durch das erhöhte Verkehrsaufkommen komme es zu erhöhten Lärmbelästigungen auf das Grundstück des Antragstellers. Zudem sei nicht geklärt, ob und inwiefern Lärm- und Brandschutzauflagen beachtet worden seien. Das Interesse des Antragstellers an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage überwiege das Vollzugsinteresse.
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Der Antragsgegner äußerte sich mit Schriftsatz vom 27. Juli 2023 und beantragt im Hauptsacheverfahren Klageabweisung. Einen gesonderten Antrag im Eilverfahren hat er nicht gestellt. Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit beurteile sich nach § 30 BauGB. Bei der Flüchtlingsunterkunft handle es sich um eine Anlage für soziale Zwecke, die in einem allgemeinen Wohngebiet zulässig sei. Zudem sei für das Vorhaben der Stellplatznachweis erbracht worden.
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Der Beigeladene hat sich im Verfahren nicht geäußert.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die beigezogene Behördenakte, auch im zugehörigen Klageverfahren M 1 K 23.3187, Bezug genommen.
II.
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1. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage des Antragstellers vom … Juni 2023 gegen die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung hat keinen Erfolg. Der Antrag ist zwar zulässig, aber unbegründet.
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a) Nach § 80a Abs. 3 Satz 2 VwGO i. V. m. § 80 Abs. 5 Satz 1 Var. 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO die gemäß § 212a Abs. 1 BauGB ausgeschlossene aufschiebende Wirkung einer Anfechtungsklage eines Dritten gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens ganz oder teilweise anordnen. Dabei trifft das Gericht eine eigenständige Ermessensentscheidung darüber, welches der Interessen – das Interesse des Bauherrn an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts oder das Interesse des Nachbarn an der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs – höher zu bewerten ist. Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache als wesentliches, aber nicht alleiniges Indiz zu berücksichtigen. Fällt die Erfolgsprognose zu Gunsten des Nachbarn aus, erweist sich die angefochtene Baugenehmigung also nach summarischer Prüfung gegenüber dem Nachbarn als rechtswidrig, so ist die Vollziehung der Genehmigung regelmäßig auszusetzen (BayVGH, B.v. 12.4.1991 – 1 CS 91.439 – juris). Hat dagegen die Anfechtungsklage des Nachbarn mit hoher Wahrscheinlichkeit keinen Erfolg, so ist das im Rahmen der vorzunehmenden und zu Lasten des Antragstellers ausfallenden Interessensabwägung ein starkes Indiz für ein überwiegendes Interesse des Bauherrn an der sofortigen Vollziehung der ihm erteilten Baugenehmigung (BayVGH, B.v. 26.7.2011 – 14 CS 11.535 – juris Rn. 18). Sind schließlich die Erfolgsaussichten offen, findet eine reine Abwägung der für und gegen den Sofortvollzug sprechenden Interessen statt (BayVGH, B.v. 26.7.2011, a.a.O.).
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b) Im Rahmen von Rechtsbehelfen Dritter können sich diese nur dann erfolgreich gegen eine Baugenehmigung zur Wehr setzen, wenn diese rechtswidrig ist und die Rechtswidrigkeit zugleich auf der Verletzung von Normen beruht, die gerade auch dem Schutz des betreffenden Nachbarn zu dienen bestimmt sind (BayVGH, B.v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017 – juris Rn. 20). Ferner ist zu beachten, dass ein Nachbar eine Baugenehmigung nur dann erfolgreich angreifen kann, wenn die Rechtswidrigkeit der Genehmigung sich aus einer Verletzung von Vorschriften ergibt, die gemäß Art. 59 oder Art. 60 BayBO Gegenstand der Prüfung im Baugenehmigungsverfahren waren. Vorliegend ist das Baugenehmigungsverfahren nach Art. 60 BayBO einschlägig, weil es sich bei der geplanten Flüchtlingsunterkunft als sonstige Einrichtung zur Unterbringung von Personen um einen Sonderbau handelt, Art. 2 Abs. 4 Nr. 11 BayBO.
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c) Ausgehend davon überwiegt das Vollzugsinteresse das Aussetzungsinteresse des Antragstellers. Die Klage des Antragstellers bleibt nach summarischer Prüfung voraussichtlich erfolglos, weil sie unbegründet ist. Der angefochtene Bescheid vom 6. Juni 2023 ist rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
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aa) Der Antragsteller wird durch das Vorhaben nicht in seinem Gebietserhaltungsanspruch verletzt.
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Der allgemeine bauplanungsrechtliche Gebietserhaltungsanspruch gewährt dem Eigentümer eines Grundstücks hinsichtlich der durch einen Bebauungsplan festgesetzten Nutzungsart einen Abwehranspruch gegen die Genehmigung eines Bauvorhabens im Plangebiet, das von der zulässigen Nutzungsart abweicht und zwar unabhängig davon, ob die zugelassene gebietswidrige Nutzung des Nachbarn ihn selbst unzumutbar beeinträchtigt oder nicht (BayVGH, U.v. 12.7.2012 – 2 B 12.1211 – juris Rn. 27). Dieser bauplanungsrechtliche Nachbarschutz beruht auf dem Gedanken des wechselseitigen Austauschverhältnisses. Soweit der Eigentümer eines Grundstücks in dessen Ausnutzung öffentlich-rechtlichen Beschränkungen unterworfen ist, kann er deren Beachtung grundsätzlich auch im Verhältnis zum Nachbarn durchsetzen (BVerwG, U.v. 11.5.1989 – 4 C 1.88 – juris Rn. 43).
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Ausgehend davon liegt keine Verletzung des Gebietserhaltungsanspruchs vor.
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(1) Das Vorhaben richtet sich nach § 30 Abs. 1 BauGB i.V.m. § 4 BauNVO, weil es im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 7 „Rechts der …“ der Gemeinde K. liegt und dieser als Art der baulichen Nutzung für die Vorhabengrundstücke ein allgemeines Wohngebiet festsetzt.
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Der Bebauungsplan ist nach summarischer Prüfung nicht funktionslos geworden, die von der Antragspartei erhobenen Bedenken greifen nicht durch. Eine bauplanerische Festsetzung tritt wegen Funktionslosigkeit nur dann außer Kraft, wenn und soweit die Verhältnisse, auf die sich die Festsetzung bezieht, in der tatsächlichen Entwicklung einen Zustand erreicht haben, der eine Verwirklichung der Festsetzung auf unabsehbare Zeit ausschließt und die Erkennbarkeit dieser Tatsache einen Grad erreicht hat, der einem etwa dennoch in die Fortgeltung der Festsetzung gesetzten Vertrauen die Schutzwürdigkeit nimmt. Entscheidend ist dabei, ob die jeweilige Festsetzung noch geeignet ist, zur städtebaulichen Ordnung im Sinn des § 1 Abs. 3 BauGB im Geltungsbereich des Bebauungsplans einen sinnvollen Beitrag zu leisten (BayVGH, B.v. 12.8.2014 – 2 ZB 13.912 – juris Rn. 7). Es ist nicht erkennbar, dass durch die von der Antragspartei beschriebene Entwicklung im Plangebiet die Festsetzung zur Art der baulichen Nutzung funktionslos geworden ist. Nach den Ausführungen des Bevollmächtigten sei dies aufgrund zwischenzeitlich erteilter Baugenehmigungen und errichteter Vorhaben, insbesondere im Umgriff des Vorhabengrundstücks, der Fall. Auch ein allgemeines Wohngebiet dient jedoch vorwiegend dem Wohnen, § 4 Abs. 1 BauNVO. Baugenehmigungen für Wohnnutzung widersprechen dem Gebietscharakters eines allgemeinen Wohngebiets damit nicht, sondern charakterisieren dieses vielmehr. Im Übrigen führt die Antragspartei selbst aus, dass das Gebiet in geringem Maße auch nicht störenden Betrieben bzw. Läden des täglichen Bedarfs diene, welche ebenfalls charakteristisch für ein allgemeines Wohngebiet sind, vgl. § 4 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 Nr. 2 BauNVO. Unter diesen Umständen bestehen für eine Funktionslosigkeit der Festsetzung keine Anhaltspunkte.
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(2) Das Vorhaben – die Nutzungsänderung eines Altenheims in eine Flüchtlingsunterkunft – widerspricht nicht der Festsetzung des Plangebiets als allgemeines Wohngebiet, § 30 Abs. 1 BauGB. Bei der geplanten Flüchtlingsunterkunft handelt es sich um eine Anlage für soziale Zwecke, die im allgemeinen Wohngebiet gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO zulässig ist (Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, 149. EL 2023, § 4 BauNVO Rn. 94 m.w.N.). Dass (Erst-)Aufnahmeeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünfte Anlagen für soziale Zwecke – und nicht Wohngebäude oder Beherbergungsbetriebe sind – ergibt sich überdies auch aus § 246 Abs. 11 Satz 1 BauGB. Nach dieser Vorschrift gilt § 31 Abs. 1 BauGB mit der Maßgabe, dass bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünfte oder sonstige Unterkünfte für Flüchtlinge oder Asylbegehrende in der Regel zugelassen werden sollen, soweit in den Baugebieten nach den §§ 2 bis 7 BauNVO Anlagen für soziale Zwecke als Ausnahme zugelassen werden können. Der Gesetzgeber geht also davon aus, dass es sich bei Flüchtlingsunterkünften um Anlagen für soziale Zwecke handelt.
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Selbst wenn der von der Antragspartei erhobene Einwand der Funktionslosigkeit durchgriffe und sich das Gebiet in der Folge als reines Wohngebiet gemäß § 3 BauNVO darstellen würde, lägen die Voraussetzungen für eine Ausnahme nach o.g. Vorschrift vor, sodass das Vorhaben selbst in einem reinen Wohngebiet zulässig wäre.
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(3) Die geplante Flüchtlingsunterkunft mit einer Kapazität für 80 Personen ist im Einzelfall auch gebietsverträglich. Selbst wenn ein Vorhaben nach der BauNVO regelmäßig oder ausnahmsweise in dem jeweiligen Gebiet zugelassen werden kann, ist als ungeschriebene Einschränkung zu prüfen, ob es als solches gebietsverträglich ist (BVerwG, U.v. 21.3.2002 – 4 C 1/02 – juris Rn. 12). Relevant für die Beurteilung der Gebietsunverträglichkeit sind alle mit der Zulassung des Vorhabens nach der Art der Nutzung typischerweise verbundenen Auswirkungen auf die nähere Umgebung wie insbesondere die Art und Weise der Nutzungsvorgänge, der Umfang, die Häufigkeit und die Zeitpunkte dieser Vorgänge, der damit verbundene An- und Abfahrtsverkehr sowie der Einzugsbereich des Vorhabens (BVerwG, B.v. 31.7.2013 – 4 B 8.13 – juris Rn. 7). Entscheidend ist, ob ein Vorhaben dieser Art generell geeignet ist, ein bodenrechtlich beachtliches Störpotenzial zu entfalten, das sich mit der Zweckbestimmung des Baugebiets nicht verträgt.
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Gemessen daran ist die Flüchtlingsunterkunft in dem festgesetzten allgemeinen Wohngebiet gebietsverträglich. Obgleich es sich um eine nicht unerhebliche Anzahl von Bewohnern handelt, ist ein bodenrechtlich beachtliches Störpotenzial, das sich mit der Zweckbestimmung des allgemeinen Wohngebiets nicht verträgt, durch das Vorhaben des Beigeladenen nicht zu besorgen. Es wahrt die dem allgemeinen Wohngebiet gemäß § 4 Abs. 1 BauNVO zugewiesene allgemeine Zweckbestimmung des vorwiegenden Wohnens. Auch wenn es sich bei einer Flüchtlingsunterkunft nicht um Wohnen, sondern um eine Anlage für soziale Zwecke handelt (s.o.), ist sie dem Wohnen gleichwohl ähnlich, was für die Frage der Gebietsverträglichkeit Berücksichtigung finden kann (BayVGH, U.v. 13.9.2012 – 2 B 12.109 – juris Rn. 32 m.w.N.). Insoweit ist auch die grundlegende Intention des Gesetzgebers zu berücksichtigen, dass derartige Anlagen in einem allgemeinen Wohngebiet nicht nur ausnahmsweise, sondern allgemein zulässig sind. Gegen eine Gebietsunverträglichkeit sprechen überdies die zu erwartenden Auswirkungen auf die nähere Umgebung. Allein eine hohe Unterbringungskapazität führt nicht automatisch zu bodenrechtlich beachtlichen Auswirkungen auf die Umgebung. Zwar werden sich die Bewohner der Unterkunft auf dem Gelände der Vorhabengrundstücke aufhalten. Nennenswerter Publikumsverkehr besteht bei einer Flüchtlingsunterkunft jedoch grundsätzlich nicht. Insbesondere ist auch nicht zu erwarten, dass die Wohnruhe der näheren Umgebung durch verstärkten Zu- und Abgangsverkehr mit Kraftfahrzeugen gestört wird; eigene Kraftfahrzeuge besitzen Asylbewerber in diesem Verfahrensstadium in der Regel nicht. Soweit es, wie von der Antragspartei befürchtet, zu Konflikten innerhalb der Flüchtlingsunterkunft kommen sollte, ist solchen Störungen im Einzelfall mit den Mitteln des Ordnungs- oder Polizeirechts oder des zivilen Nachbarrechts zu begegnen.
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bb) Das Vorhaben verletzt voraussichtlich auch nicht das sich aus § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO ergebende Gebot der Rücksichtnahme gegenüber dem Antragsteller.
26
Das Maß der gebotenen Rücksichtnahme hängt von den besonderen Umständen des Einzelfalls ab. Bei der in diesem Zusammenhang anzustellenden Interessenabwägung ist ausschlaggebend, was dem Rücksichtnahmebegünstigten und dem zur Rücksichtnahme Verpflichteten nach der jeweiligen Situation, in der sich die betroffenen Grundstücke befinden, im Einzelfall zuzumuten ist. Im Rahmen einer Gesamtschau der von dem Vorhaben ausgehenden Beeinträchtigungen sind die Schutzwürdigkeit des Betroffenen, die Intensität der Beeinträchtigung, die Interessen des Bauherrn und das, was beiden Seiten billigerweise zumutbar oder unzumutbar ist, gegeneinander abzuwägen (BVerwG, B.v. 10.1.2013 – 4 B 48/12 – juris Rn. 7).
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Dass über die oben dargelegten Erwägungen hinaus weitere Gründe im Einzelfall gegen eine Zulassung des Vorhabens sprechen, ist nicht ersichtlich. Die Asylbewerberunterkunft dürfte sich noch im Rahmen dessen halten, was ihrer Umgebung und dem Antragsteller zugemutet werden kann. Die Asylbewerberunterkunft ist zwar hinsichtlich ihres Umfangs aufgrund der Unterbringungskapazität von bis zu 80 Personen relativ groß. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass es sich vorliegend nicht um die Neuerrichtung einer Asylbewerberunterkunft handelt, sondern um die Zuführung einer neuen Nutzung für bereits vorhandene Gebäude, die in der Vergangenheit schon für soziale Zwecke, als Altersheim, genutzt wurden. Ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme ist auch bei Berücksichtigung des durch das Vorhaben verursachten Parksuchverkehrs nicht erkennbar. Zwar ist nicht auszuschließen, dass durch das Vorhaben auch Verkehr in die Seiten straße getragen wird, in welcher sich das Grundstück FlNr. 1319 des Antragstellers befindet. Eine allgemeine Verkehrszunahme ist jedoch grundsätzlich noch nicht rücksichtslos, der durch ein Vorhaben verursachte und diesem zuzurechnende Fahrzeugverkehr kann nur in Ausnahmefällen, wenn insbesondere mangels ausreichender Parkmöglichkeiten (im Bereich der öffentlichen Verkehrsflächen oder auf dem Vorhabengrundstück) der hierdurch bewirkte Park- oder Parksuchverkehr den Nachbarn unzumutbar beeinträchtigt, zu einer Unzumutbarkeit für die betroffenen Nachbarn führen (BayVGH, U.v. 25.8.2009 – 1 CS 09.287 – juris Rn. 39). Eine unzumutbare Belastung des Antragstellers unter diesem Aspekt ist selbst bei Berücksichtigung der Maximalauslastung nicht erkennbar, zumal die Vorhabengrundstücke und das Grundstück des Antragstellers an unterschiedlichen Straßen anliegen und der Abstand der Grundstücke zueinander ca. 230 m betrifft. Hinzu kommt, dass das öffentliche Interesse an der Schaffung von Flüchtlingsunterkünften und die damit verbundene gesetzgeberische Wertung in die Gesamtbetrachtung einzustellen ist. Die ausdrückliche Nennung der Flüchtlingsunterbringung als Allgemeinwohlgrund in § 31 Abs. 2 Nr. 1 BauGB, die Benennung des Belangs in § 1 Abs. 6 Nr. 13 BauGB und vor allem die weitreichenden Sondervorschriften in § 246 BauGB betonen die herausgehobene Bedeutung der Aufgabe der Flüchtlingsunterbringung. Das dringende öffentliche Interesse an der Unterbringung von Flüchtlingen kann es rechtfertigen, einem Nachbarn ein Mehr an Beeinträchtigungen zuzumuten (Blechschmidt in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, 149. EL 2023, § 246 Rn. 59a m.w.N.).
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cc) Soweit der Antragsteller rügt, dass das Vorhaben nicht den Anforderungen an die Stellplatzsatzung entspricht, verhilft dieser (isolierte) Belang dem Antrag ebenfalls nicht zum Erfolg.
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Gemäß Art. 47 Abs. 1 Satz 1 BayBO sind Stellplätze in ausreichender Zahl und Größe und in geeigneter Beschaffenheit herzustellen, wenn Anlagen errichtet werden, bei denen ein Zu- und Abfahrtsverkehr zu erwarten ist. Gemäß Art. 47 Abs. 2 Satz 2 BayBO ist die durch eine örtliche Bauvorschrift oder eine städtebauliche Satzung festgelegte Zahl maßgeblich, sofern eine solche Regelung besteht.
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Obgleich sowohl Art. 47 BayBO als auch eine auf Grund der Vorschrift erlassene örtliche Bauvorschrift im Genehmigungsverfahren nach Art. 60 BayBO zu prüfen sind, Art. 60 Satz 1 Nr. 2 BayBO, kann der Antragsteller die Einhaltung der maßgeblichen Zahl der notwendigen Stellplätze deshalb nicht mit Erfolg rügen, weil die Stellplatzpflicht grundsätzlich nicht nachbarschützend ist. Sie dient vielmehr ausschließlich dem öffentlichen Interesse an der Entlastung der öffentlichen Verkehrsflächen vom ruhenden Verkehr (BayVGH, B.v. 21.4.2004 – 20 B 02.2396 – juris Rn. 25; BayVGH, B.v. 25.8.2009 – 1 CS 09.287 – juris Rn. 39). Stellplätze können allenfalls im Einzelfall dann unzulässig sein, wenn sie nach Anzahl, Art, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen, insbesondere wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die für die Umgebung nach der Eigenart des Gebiets unzumutbar sind, §§ 12, 15 BauNVO (Würfel in Busse/Kraus, Bayerische Bauordnung, 149. EL 2023, Art. 47 Rn. 228). Dies ist jedoch eine Frage des Gebots der Rücksichtnahme, welches hier nicht verletzt ist (s.o.). Überdies macht der Antragsteller hier ohnehin nicht ein Übermaß, sondern das Fehlen ausreichender Stellplätze geltend.
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dd) Das Vorhaben verletzt den Antragsteller auch im Hinblick auf brandschutzrechtliche Anforderungen nicht in seinen nachbarschützenden Rechten. Der gemäß Art. 62 b Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BayBO erforderliche Brandschutznachweis liegt vor (Bl. 29 ff. d. BA). Die von der Antragspartei angeführten Bedenken, dass Brandschutzauflagen nicht beachtet würden, können somit keine Rechtsverletzung des Antragstellers begründen. Auch insoweit gilt im Übrigen, dass der erhebliche Abstand der Grundstücke zueinander eine Beeinträchtigung des Antragstellers unter diesem Aspekt ausschließt.
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2. Der Antrag war daher mit der Kostenfolge aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO abzulehnen. Es entspricht der Billigkeit, dass der Beigeladene seine außergerichtlichen Kosten selbst trägt, weil dieser keinen Antrag gestellt und sich somit keinem Prozessrisiko ausgesetzt hat.
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3. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i.V.m. Nrn. 9.7.1, 1.5 des Streitwertkatalogs. Es erscheint angemessen, den für die Hauptsache anzunehmenden Streitwert von EUR 7.500,00 im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu halbieren.