Inhalt

VG München, Beschluss v. 02.08.2023 – M 1 S 23.2032
Titel:

Erfolgloser Eilantrag gegen eine sofort vollziehbare Beseitigungsanordnung für einen Holzschuppen und eine dazugehörige Veranda

Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4, § 80 Abs. 5
BayBO Art. 76 S. 1
BauGB § 35 Abs. 1 Nr. 4, § 35 Abs. 4 Nr. 3
Leitsatz:
Die Bienenzucht des Antragstellers erfüllt nicht die Merkmale eines landwirtschaftlichen (Nebenerwerbs-)Betriebs. Es fehlen Angaben zur Anzahl der auf dem Grundstück gehaltenen Bienenvölkern sowie ein dazugehöriges Betriebskonzept bzw. Angaben zur Wirtschaftlichkeit des Betriebs. Der Antragsteller gibt an, er bemühe sich um eine Verkaufserlaubnis. Ein Gewinn wird nach diesen Angaben mithin bislang nicht erzielt. Nach alledem ist vielmehr davon auszugehen, dass es sich um die Fortführung von Hobby-Imkerei handelt. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Vorläufiger Rechtschutz, Beseitigungsanordnung, Besonderes Vollzugsinteresse (bejaht)
Fundstelle:
BeckRS 2023, 21066

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller wendet sich im Wege des Eilrechtschutzes gegen eine sofort vollziehbare Beseitigungsanordnung für einen Holzschuppen und eine dazugehörige Veranda.
2
Der Antragsteller ist Eigentümer des im Außenbereich befindlichen Grundstücks FlNr. 1864/2 Gem. … … … Auf dem Grundstück befindet sich ein dem früheren Eigentümer mit Bescheid vom 5. September 1979 genehmigtes Bienenhaus. Mit Bescheid vom 8. August 1988 wurde diesem zudem ein Wirtschaftsschuppen zur Überwinterung von Bienenvölkern und einer Anhänger-Unterstelle genehmigt.
3
Im Rahmen einer Baukontrolle am 12. Mai 2022 stellte der Antragsgegner fest, dass auf dem Grundstück ein 7,30 m langer, 3,35 m breiter und bis zu 2,95 m hoher Holzschuppen errichtet wurde. Er verfügt über eine Feuerstelle und eine Veranda. Ferner wurde eine Schaukel montiert. Nach den Feststellungen des Landratsamts diene der Schuppen als Garage für einen Rasenmäher und zur Herstellung von Honig, Wachs usw.
4
Mit Schreiben vom 25. Mai 2022 wurde der Antragsteller zum Erlass einer beabsichtigten Beseitigungsanordnung angehört.
5
Unter dem … Mai 2022 nahm der Antragsteller Stellung. Bei dem Neubau handle es sich um eine umfangreiche Renovierung der bereits vorhandenen Hütte. Diese sei durch ein Unwetter derart beschädigt worden, dass sie neu aufgebaut habe werden müssen. Die Nutzung entspreche dem Bescheid vom 8. August 1988. Die einzige Änderung sei, dass der Lagerraum gegen Nager sicher gemacht worden sei. Ferner sei das Tor verstärkt worden. Das Ziegeldach sei durch ein Blechdach ersetzt worden. Die Feuerstelle sei in den neuen Lagerraum verlegt worden. Sie werde zum Auskochen von Bienenwachs und der Herstellung von Kerzen genutzt.
6
Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 21. September 2022 ordnete der Antragsgegner die Beseitigung des Holzschuppens (Nr. 1) und der Veranda vor dem Schuppen (Nr. 2), jeweils bis zum 18. November 2022 und die sofortige Vollziehung dieser Anordnungen (Nr. 5) an. Ferner wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 2.500 € für den Fall der Nichtbefolgung der Nr. 1 (Nr. 3) und in Höhe von 1.000 € für den Fall der Nichtbefolgung der Nr. 2 (Nr. 4) angedroht. Der 1988 genehmigte Wirtschaftsschuppen sei laut Eingabeplan mit einer Breite von 2,60 m und einer Länge von 7,05 m genehmigt worden. Im Rahmen einer weiteren Baukontrolle sei zwar festgestellt worden, dass die Schaukel mittlerweile entfernt worden sei. Der Holzschuppen sei im Vergleich zur ersten Baukontrolle jedoch unverändert geblieben. Dieser sei einschließlich der davor befindlichen Veranda Gegenstand der Anordnung. Die Anordnung stütze sich auf Art. 76 Satz 1 BayBO. Die Anlage sei genehmigungspflichtig. Verfahrensfreiheit sei nicht gegeben, weil das Vorhaben keinem landwirtschaftlichen Betrieb diene. Eine Privilegierung habe im Rahmen der Ortseinsicht nicht festgestellt werden können. Es sei vielmehr der Eindruck entstanden, dass der Holzschuppen dem Aufenthalt von Menschen diene. Als sonstiges Vorhaben beeinträchtige es öffentliche Belange. Der Flächennutzungsplan sehe für das Grundstück eine Fläche für Landwirtschaft vor. Die natürliche Eigenart der Landschaft werde beeinträchtigt. Das öffentliche Interesse überwiege dem Interesse des Antragstellers. Das Landratsamt sehe sich angesichts der naturschutzrechtlich besonders schützenswerten Lage gehalten, für die Beseitigung gesetzwidriger Zustände Sorge zu tragen. Die Anlage könne zu einer negativen Vorbildwirkung führen. Die Beseitigungsanordnung sei geeignet und verhältnismäßig. Die Anordnung stelle keine unbillige Härte dar. Die Frist sei angemessen. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei geboten gewesen, weil ein dringendes öffentliches Interesse daran bestehe, eine geordnete bauliche Entwicklung zu gewährleisten. Eine negative Vorbildwirkung solle verhindert werden. Die Anlagen befänden sich zudem in einem Landschaftsschutzgebiet. Hier bestehe die Gefahr der Breitenwirkung. Ferner gebiete Art. 141 Abs. 3 BV die Anordnung der sofortigen Vollziehung. Im Übrigen handle es sich um eine einfache Anlage, die ohne großen Substanzverlust wiederaufgebaut werden könne.
7
Dagegen ließ der Antragsteller durch seinen Bevollmächtigten mit am 21. Oktober 2022 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz Klage erheben (Az. M 1 K 22.5217).
8
Mit Schriftsatz vom … April 2023 beantragt er zudem,
9
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Landratsamtes … vom 21.9.2022, Az.: … anzuordnen.
10
Die Beseitigungsanordnung sei rechtswidrig. Der Bau und die Nutzung des Schuppens seien durch die Baugenehmigung vom 8. August 1988 gedeckt. Es werde dort das für die Imkerei notwendige Material wie Gläser, Bienenkästen und Rähmchen gelagert. Die Feuerstelle diene dem Auskochen von Bienenwachs, der Herstellung von Kerzen und dem Desinfizieren von Rähmchen und Einlegeböden der Bienenkästen. Er diene nicht dem Aufenthalt von Menschen. Selbst wenn der Schuppen nicht genehmigt sei, sei er genehmigungsfähig. Er sei nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB privilegiert. Ohne den Schuppen könne die Bienenhaltung nicht ausgeübt werden. Ferner komme eine Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB in Betracht. Der Antragsteller bemühe sich um eine Verkaufserlaubnis. Die Imkerei werde seit 1979, also nachhaltig betrieben. Der Schuppen sei auch nach § 35 Abs. 2 BauGB zulässig. Öffentliche Belange würden nicht berührt. Die Anordnung des Sofortvollzugs sei rechtswidrig. Die Androhung des Zwangsgelds sei ebenfalls rechtswidrig, weil die zugrunde liegende Beseitigungsanordnung rechtswidrig sei.
11
Der Antragsgegner beantragt,
12
den Antrag abzulehnen.
13
Das öffentliche Vollzugsinteresse überwiege das Interesse des Antragstellers. Die Beseitigungsanordnung sei rechtmäßig. Ein Bestandsschutz werde nur für den vorhandenen Bestand gewährt. Vom Bestandsschutz nicht mehr gedeckt seien solche Maßnahmen, die einer Neuerrichtung gleichkämen. Der Holzschuppen sei unbestritten fast ausnahmslos mit neuen Baumaterialien errichtet worden. Im Übrigen weiche er von der genehmigten Nutzung ab. Eine Privilegierung sei nicht gegeben. Die Bienenhaltung gehöre nur ausnahmsweise zur Landwirtschaft. Sie sei hier nicht durch eine planmäßige eigenverantwortliche Bodenbewirtschaftung gekennzeichnet. Der Antragsteller bewirtschafte nicht den gesamten Boden für die Bienenhaltung, weil die Bienen zum Großteil fremdes Land befliegen. Das Vorhaben sei auch nicht nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB privilegiert. Die Vorschrift gelte nur für das auf das Erforderliche beschränkte Gebäude. Nach den Bildaufnahmen und der Ortseinsicht hätten keine Bienenkästen in dem Wirtschaftsschuppen festgestellt werden können. Als sonstiges Vorhaben sei es nicht genehmigungsfähig. Die Anordnung des Sofortvollzugs sei ermessensgerecht erfolgt. Die Gefahr einer Breitenwirkung sei nicht von der Hand zu weisen. Das gut einsehbare Grundstück lenke die Blicke auf sich. Es liege zudem in einem besonders schützenswerten Fauna-Flora-Habitat-Gebiet. Es handle sich um eine einfache bauliche Anlage, die ohne Substanzverlust wiederaufgebaut werden könne.
14
Der Antragsteller erwiderte, der Schuppen habe keine Außenwirkung. Das Grundstück sei von dichtem Bewuchs umgeben. Der Abbau zerstöre die Substanz der Sache. Der Schuppen sei nicht aus Fertigteilen hergestellt worden, sondern eine Einzelanfertigung.
15
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die beigezogene Behördenakte, auch im zugehörigen Hauptsacheverfahren M 1 K 22.5217, Bezug genommen.
II.
16
Der zulässige Antrag hat in der Sache keinen Erfolg.
17
1. Der Antrag, verstanden als Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage vom … Oktober 2022 gegen Nrn. 1 und 2 des Bescheids vom 21. September 2022 sowie als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen Nrn. 3 und 4 des Bescheids vom 21. September 2022, ist zulässig.
18
2. Der Antrag ist jedoch unbegründet.
19
Das Gericht der Hauptsache kann gem. § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO die aufschiebende Wirkung der Klage ganz oder teilweise wiederherstellen, wenn die vorzunehmende, eigene Interessenabwägung ergibt, dass das Interesse der Antragsteller an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage das öffentliche Interesse an der Vollziehung des Verwaltungsakts überwiegt. Maßgeblich dafür sind in erster Linie die Erfolgsaussichten der Klage in der Hauptsache. Erweist sich der angefochtene Verwaltungsakt nach gebotener, aber auch ausreichender summarischer Prüfung als voraussichtlich rechtswidrig, so ist die Vollziehung regelmäßig auszusetzen, da an der Vollziehung eines rechtswidrigen Verwaltungsakts kein öffentliches Interesse bestehen kann. Erscheint der Verwaltungsakt nach vorläufiger Betrachtung hingegen als voraussichtlich rechtmäßig, so ist der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz abzulehnen, sofern ein besonderes Vollzugsinteresse besteht. Stellen sich die Erfolgsaussichten als offen dar, findet eine eigene gerichtliche Abwägung der für und gegen den Sofortvollzug sprechenden Interessen statt.
20
Ausgehend davon ergibt die im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes vorzunehmende summarische Prüfung, dass die Klage keine Erfolgsaussichten hat, weil der angefochtene Verwaltungsakt – der Bescheid des Antragsgegners vom 21. September 2022 – voraussichtlich rechtmäßig ist.
21
a) Es bestehen keine Zweifel an der formellen Rechtmäßigkeit der Anordnung des Sofortvollzugs. Gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Dabei reicht jede schriftliche Begründung, die zu erkennen gibt, dass die anordnende Behörde eine Anordnung des Sofortvollzugs im konkreten Fall für geboten erachtet. Die Begründung muss kenntlich machen, dass sich die Behörde bewusst ist, von einem rechtlichen Ausnahmefall Gebrauch zu machen. Es müssen also die besonderen, auf den konkreten Fall bezogenen Gründe angegeben werden, die die Behörde dazu bewogen haben, den Suspensiveffekt auszuschließen (Hoppe in Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 16. Auflage 2022, § 80 Rn. 55).
22
Die Begründung des Antragsgegners unter II. (Seite 7 f.) des Bescheids genügt diesen Anforderungen. Er hat die Notwendigkeit der Anordnung des Sofortvollzugs u.a. mit einer negativen Vorbildwirkung sowie der Situierung der baulichen Anlage im Landschaftsschutzgebiet begründet. Ob die Begründung zutreffend ist, kann an dieser Stelle dahinstehen; auf die inhaltliche Richtigkeit der Begründung kommt es für die formelle Rechtmäßigkeit der Anordnung des Sofortvollzugs nicht an.
23
b) Nach der im Verfahren des Eilrechtsschutzes gebotenen, aber auch ausreichenden, summarischen Prüfung hat die Klage des Antragstellers gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 21. September 2022 voraussichtlich keinen Erfolg. Die Anordnung der Beseitigung des errichteten Holzschuppens (Nr. 1) und der Veranda (Nr. 2) ist rechtmäßig. Das Zwangsgeld begegnet ebenfalls keinen Bedenken, sodass der Bescheid nach summarischer Prüfung rechtmäßig ist und den Antragsteller nicht in seinen Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung überwiegt daher das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seiner Klage.
24
aa) Die Beseitigungsanordnung in Nr. 1 und Nr. 2 des Bescheids ist rechtmäßig.
25
(1) Die Anordnung ist formell rechtmäßig, insbesondere wurde der Antragsteller mit Schreiben vom 25. Mai 2022 vor Erlass des Bescheids angehört, Art. 28 BayVwVfG.
26
(2) Auch in materieller Hinsicht ist die Beseitigungsanordnung nicht zu beanstanden.
27
Rechtsgrundlage der angefochtenen Anordnung ist Art. 76 Satz 1 BayBO. Danach kann die Bauaufsichtsbehörde die teilweise oder vollständige Beseitigung von Anlagen, die im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet oder geändert werden, anordnen, wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können. Eine Errichtung im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften ist nach herrschender Meinung (Decker in Busse/Kraus, BayBO, 149. EL 2023, Art. 76 Rn. 79 m.w.N.) gegeben, wenn für das Vorhaben weder die erforderliche Baugenehmigung vorliegt (formelle Illegalität), noch das Vorhaben genehmigungsfähig ist (materielle Illegalität).
28
(a) Der streitgegenständliche Schuppen und die Veranda sind formell baurechtswidrig. Gemäß Art. 55 Abs. 1 BayBO bedürfen die Errichtung, Änderung und Nutzungsänderung von baulichen Anlagen grundsätzlich der Baugenehmigung.
29
Ein Fall des Art. 57 Abs. 6 BayBO, wonach Instandhaltungsarbeiten verfahrensfrei sind, liegt nicht vor. Instandhaltung sind alle Maßnahmen, die dazu dienen, Gebrauchsfähigkeit und Wert von Anlagen unter Belassung von Konstruktion und äußerer Gestalt zu erhalten (Dirnberger in Busse/Kraus, BayBO, 149. EL 2023, BayBO Art. 76 Rn. 440). Zur Instandhaltung gehört das Wiedererrichten zerstörter oder schadhafter Bauteile und das Beseitigen von Mängeln oder Schäden durch Maßnahmen, die den bisherigen Zustand im Wesentlichen unverändert lassen oder ihn wiederherstellen und erhalten. Nicht davon erfasst werden das vollständige Auswechseln von wesentlichen Bauteilen, das einer Neuerrichtung gleichkommt oder die vollständige Neuerrichtung einer Anlage. Werden wesentliche Bauteile, wie beispielsweise das Dach oder die Seitenwände gänzlich ausgetauscht oder hat der notwendige Arbeitsaufwand einer Instandhaltungseiner Quantität nach den Arbeitsaufwand für einen Neubau erreicht, ist das Vorhabenwie eine Neuerrichtung zu behandeln (Dirnberger, a.a.O., Art. 3 Rn. 81, 88).
30
Ausgehend von diesen Grundsätzen liegt weder hinsichtlich des Schuppens noch der Veranda eine bloße Instandhaltung vor. Die Antragspartei trägt hierzu selbst vor, dass der Wirtschaftsschuppen aufgrund eines Unwetters vollständig neu habe aufgebaut werden müssen. Bereits aus diesem Grund handelt es sich nicht um Instandhaltungsarbeiten, sondern um eine Neuerrichtung. Er trägt zudem vor, dass eine „umfangreiche Renovierung“ vorgenommen worden sei. Der Lagerraum sei gegen Nager sicher gemacht worden. Der Antragsteller habe das Tor verstärkt. Ferner sei das Ziegeldach durch ein Blechdach ersetzt und die Feuerstelle in den neuen Lagerraum verlegt worden. Zudem wurden die Maße des Gebäudes gegenüber der früheren Genehmigung verändert. All dies kommt in der Gesamtschau einer Neuerrichtung gleich. Bestandsschutz für das Alte ist damit erloschen.
31
(b) Die Anlagen sind darüber hinaus auch materiell baurechtswidrig. Als sonstiges, nicht privilegiertes Vorhaben im Außenbereich beeinträchtigt es öffentliche Belange, § 35 Abs. 2, Abs. 3 BauGB.
32
(aa) Die Anlagen sind nicht nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB privilegiert.
33
Der Wirtschaftsschuppen und die Veranda dienen keinem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb. Gemäß § 201 BauGB ist Landwirtschaft im Sinne des Baugesetzbuches auch die berufsmäßige Imkerei. Dazu gehören sowohl die hauptwie die nebenberuflich betriebene Imkerei. Allerdings muss auch bei der berufsmäßigen Imkerei die Absicht der Gewinnerzielung erkennbar im Vordergrund stehen. Die Betätigung muss auf Dauer angelegt sein und Erträge abwerfen, die auch neben einem Hauptberuf noch ein Eigengewicht haben. Ausgeschlossen ist daher die „Hobby-Imkerei“ (Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, 149. EL 2023, § 201 Rn. 22 m.w.N.; Beispiele: VG München, U. v. 28.3.2012 – M 9 K 11.3453 – juris Rn. 2: keine berufsmäßige Imkerei bei nur 8 eigenen Bienenvölkern; VG Köln, U. v. 7.9.2012 – 3 K 1669/10 – juris: verneint bei nur 3 Bienenvölkern; VG Gelsenkirchen, U. v. 11.3.2014 – 9 K 4545/10 – juris: verneint bei Haltung von 20-33 Bienenvölkern).
34
Die Bienenzucht des Antragstellers erfüllt nicht die Merkmale eines landwirtschaftlichen (Nebenerwerbs-)Betriebs. Es fehlen Angaben zur Anzahl der auf dem Grundstück FlNr. 1864/2 gehaltenen Bienenvölkern sowie ein dazugehöriges Betriebskonzept bzw. Angaben zur Wirtschaftlichkeit des Betriebs. Der Antragsteller gibt an, er bemühe sich um eine Verkaufserlaubnis. Ein Gewinn wird nach diesen Angaben mithin bislang nicht erzielt. Nach alledem ist vielmehr davon auszugehen, dass es sich um die Fortführung von Hobby-Imkerei handelt. Unabhängig davon ist auch nicht erkennbar, dass die Anlagen einem landwirtschaftlichen Betrieb dienen. Nach ständiger Rechtsprechung dient ein Vorhaben nur dann einem landwirtschaftlichen Betrieb im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB, wenn ein vernünftiger Landwirt unter Berücksichtigung des Gebots größtmöglicher Schonung des Außenbereichs dieses Vorhaben mit etwa dem gleichen Verwendungszweck und mit in etwa gleicher Gestaltung und Ausstattung für einen entsprechenden Betrieb errichten würde (st. Rspr seit BVerfG, U.v. 3.11.1972 – 4 C 9.70 – juris). Bei der Auslegung des Merkmals „dienen“ ist der Grundgedanke des § 35 BauGB, dass der Außenbereich grundsätzlich nicht bebaut werden soll, zu beachten; durch ihn wird die Privilegierung eingeschränkt. Nach den Angaben der Antragspartei werden in dem Wirtschaftsschuppen Gläser, Bienenkästen und Rähmchen gelagert, die Feuerstelle werde zum Auskochen von Bienenwachs, der Herstellung von Kerzen und dem Desinfizieren von Rähmchen und Einlegeböden der Bienenkästen verwendet. Demnach dient er primär als Lager- und Arbeitsraum. Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass der Wirtschaftsschuppen für diese Tätigkeiten notwendig ist. Nach den bei der Baukontrolle gefertigten Lichtbildern (Bl. 29) bietet das zugehörige Bienenhaus ausreichend Platz für o.g. Tätigkeiten. Dass die Errichtung eines 3,35 m breiten und 7,20 m langen Schuppens zur Unterbringung von Fahrzeugen notwendig ist (Bl. 32), ist ebenfalls nicht nachvollziehbar. Es ist nicht ersichtlich, dass der Schuppen auf den Standort im Außenbereich angewiesen wäre. Eine Darlegung, dass es die Bienenhaltung, -zucht oder die Verarbeitung der Stoffe erfordere, vor Ort das Material zu lagern und die Weiterverarbeitung durchzuführen, erfolgte nicht. Der pauschale Verweis darauf, dass die Einhaltung von Hygienestandards sonst unmöglich sei, reicht nicht aus. Stattdessen obläge es dem Antragsteller, im Innenbereich eine entsprechende bauliche Anlage für die Tätigkeiten zu nutzen und gegebenenfalls auch die Kosten hierfür zu tragen. Der Außenbereich mit dem Gebot seiner größtmöglichen Schonung ist nicht für die Errichtung baulicher Anlagen zur Unterbringung von Materialien aus Kosten- oder Praktikabilitätsgründen vorgesehen. Gleiches gilt für die Errichtung der Veranda. Der Gesamteindruck, dass die Anlagen vorwiegend der Nutzung zu Freizeitzwecken und lediglich untergeordnet der Imkerei dienen, wird durch die bei der Baukontrolle vorgefundene Schaukel – wenngleich diese mittlerweile beseitigt worden ist – und den sonstigen „Gartenschmuck“ bestätigt.
35
(bb) Die Anlagen sind ferner nicht nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB privilegiert.
36
Danach ist ein Vorhaben im Außenbereich privilegiert zulässig, wenn es wegen seiner besonderen Anforderungen an die Umgebung, seiner nachteiligen Auswirkungen auf die Umgebung oder wegen seiner besonderen Zweckbestimmung im Außenbereich ausgeführt werden soll. Der Tatbestand privilegiert grundsätzlich Bienenhäuser, soweit keine berufsmäßige Imkerei und damit eine landwirtschaftliche Privilegierung anzunehmen ist. Die Privilegierung nach Nr. 4 stützt sich darauf, dass die Bienenhaltung nur im Außenbereich die notwendige Futtergrundlage findet und im Hinblick auf die Bestäubung von Blüten nur im Außenbereich realisiert werden kann, schließlich weil von ihr Nachteile und Gefahren für die Umgebung ausgehen können (BVerwG, U.v. 13.12.1974 – 4 C 22.73). Vorhaben nach Nr. 4 sind auf das Erforderliche zu beschränken, also auf bauliche Anlagen, die der unmittelbaren Unterbringung der Bienen dienen, nicht etwa auf Zusatzeinrichtungen oder gar Wohnhäuser (Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, 149. EL 2023, § 35 Rn. 57). Der Wirtschaftsschuppen mit Maßen von 7,20 m x 3,35 m beschränkt sich nicht auf das für die Imkerei Erforderliche. Die Tatsache, dass der Antragsteller die bauliche Anlage u.a. zur Unterbringung von Fahrzeugen und zur Materiallagerung nutzt, zeigt, dass die Bienenunterbringung nur einen sehr untergeordneten Teil der Anlagen ausmacht. Dies gilt umso mehr für die Veranda.
37
(cc) Als sonstiges Vorhaben i.S.d. § 35 Abs. 2 BauGB beeinträchtigt es öffentliche Belange gemäß § 35 Abs. 3 BauGB.
38
Das Vorhaben widerspricht bereits den Darstellungen des Flächennutzungsplans, der für das Grundstück eine Fläche für Landwirtschaft vorsieht, § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB. Eine solche landwirtschaftliche Nutzung liegt gerade nicht vor (s.o.).
39
Die Anlagen beeinträchtigen ferner die natürliche Eigenart der Landschaft und ihren Erholungswert, § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 BauGB. Die Außenbereichslandschaft ist für die naturgegebene Bodennutzung bestimmt und soll grundsätzlich von allen Baulichkeiten freigehalten werden, die nicht unmittelbar ihrem Wesen und ihrer Funktion entsprechen. Die Anlage dient nicht der natürlichen Bodennutzung und ist der Landschaft wesensfremd.
40
Ein Fall des § 35 Abs. 4 Nr. 3 BauGB, wonach o.g. Belange einem sonstigen Vorhaben nicht entgegengehalten werden können, wenn es sich um die alsbaldige Neuerrichtung eines zulässigerweise errichteten, durch Brand, Naturereignisse oder andere außergewöhnliche Ereignisse zerstörten, gleichartigen Gebäudes an gleicher Stelle handelt, liegt nicht vor. Unabhängig davon, ob der ehemals bestandene, 1988 genehmigte Wirtschaftsschuppen tatsächlich durch ein solches Naturereignis zerstört worden ist – oder es sich womöglich um einen altersbedingten, allmählichen Verfall de Schuppens handelte –, sind die übrigen Voraussetzungen nicht gegeben. Der Antragsteller hat schon nicht ein gleichartiges Gebäude errichtet. Er hat wesentliche Veränderungen vorgenommen, die einer Neuerrichtung einer so nicht genehmigten baulichen Anlage gleichkommen.
41
c) Es besteht auch ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung der Beseitigungsanordnung.
42
Nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ist für die Anordnung des Sofortvollzugs ein besonderes Vollzugsinteresse erforderlich. Die Vollziehung des Verwaltungsakts muss wegen öffentlicher oder überwiegender privater Interessen besonders dringlich sein und keinen Aufschub bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens dulden (BayVGH, B.v. 23.8.2012 – 15 CS 12.130 – juris Rn. 12). Eine baurechtliche Beseitigungsanordnung ist in aller Regel eine schwerwiegende Maßnahme, deren Vollzug dem Betroffenen Kosten verursacht und in der Regel nur mehr schwer rückgängig zu machende Zustände schafft. Ihr Gewicht wird durch die Anordnung der sofortigen Vollziehung verstärkt, weil dadurch die Entscheidung in der Hauptsache im Kern vorweggenommen wird (BayVGH, B.v. 6.10.2000 – 2 CS 98.2373 – juris Rn. 16). Erforderlich ist deshalb ein besonderes Vollzugsinteresse, das im Falle der Baubeseitigung grundsätzlich nicht mit dem Interesse am Erlass des Bescheids identisch ist und regelmäßig im Hinblick auf das Regel-Ausnahme-Verhältnis des § 80 Abs. 1 und 2 VwGO grundsätzlich zu verneinen sein wird (Decker in Simon/Busse, BayBO, 144. EL September 2021, BayBO, Art. 76 Rn. 332 ff.). Bei Beseitigungsanordnungen ist deshalb regelmäßig ein strenger Maßstab anzulegen (BayVGH, B.v. 28.3.2007 – 1 CS 06.3006 – juris Rn. 27). Selbst die offensichtliche Rechtmäßigkeit einer Beseitigungsanordnung genügt in der Regel nicht, um deren sofortige Vollziehung zu begründen (BayVGH, B.v. 30.1.2019 – 9 CS 18.2533 – juris Rn. 25).
43
Von dem Grundsatz, dass der Sofortvollzug einer Beseitigungsanordnung die Hauptsache in unangemessener Weise vorwegnimmt, hat die Rechtsprechung jedoch Ausnahmen zugelassen. Ein besonderes öffentliches Interesse für die sofortige Beseitigung wird bei einfachen Anlagen (wie z. B. Feldstadel, Werbeanlagen etc.), die problemlos und ohne großen Aufwand, vor allem ohne großen Substanzverlust, ab- und ggf. später, sollte sich die Beseitigungsanordnung als rechtswidrig erweisen, wiederaufgebaut werden können, zu bejahen sein, weil durch die Beseitigung keine endgültigen, nicht wieder umkehrbaren Verhältnisse geschaffen werden. Damit läuft auch der effektive Rechtsschutz nicht leer (Decker in Busse/Kraus, BayBO, 144. EL September 2021, Art. 76 Rn. 343 m.w.N.). Vorliegend handelt es sich ausweislich der in den Behördenakten befindlichen Lichtbilder (Bl. 5 ff., Bl. 26 ff.) um einen in einfacher Bauweise errichteten Schuppen. Er besteht vollständig aus Holz, das Ziegeldach wurde durch ein Blechdach ersetzt. Dass es sich um eine Einzelanfertigung handelt, ist bei der Beurteilung der Bauweise unerheblich. Die Veranda ist ebenfalls in einfacher Holzbauweise errichtet. Diese Umstände lassen darauf schließen, dass der Aufwand des Rückbaus gering ist und die Baumaterialien im Wesentlichen wiederverwendet werden können. Die Anlage kann daher ohne größeren Substanzverlust beseitigt werden. Zu berücksichtigen ist ferner, dass dem Antragsteller das bestehende Bienenhaus verbleibt. Die Nutzung des Grundstücks zu Imkereizwecken ist demnach nicht völlig ausgeschlossen. Nach alledem setzt sich das öffentliche Interesse an der Entfernung gegenüber den wirtschaftlichen Interessen des Antragstellers am weiteren Bestand durch.
44
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs. Es erscheint angemessen, den für die Hauptsache anzunehmenden Streitwert von 5.000,00 EUR im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu halbieren.