Titel:
Einstweiliger Rechtsschutz, Vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung, Fälligkeitsmitteilung
Normenkette:
VwGO § 123
Schlagworte:
Einstweiliger Rechtsschutz, Vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung, Fälligkeitsmitteilung
Fundstelle:
BeckRS 2023, 21063
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 1.250,00 EUR festgesetzt.
Gründe
1
Der Antragsteller begehrt im Wege des Eilrechtsschutzes die vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung.
2
Der Antragsteller ist Eigentümer des Grundstücks FlNr. 1864/2 Gem. … … … Auf dem Grundstück befindet sich ein dem früheren Eigentümer mit Bescheid vom 5. September 1979 genehmigtes Bienenhaus. Mit Bescheid vom 8. August 1988 wurde diesem zudem ein Wirtschaftsschuppen zur Überwinterung von Bienenvölkern und einer Anhänger-Unterstelle genehmigt. Im Zuge einer Baukontrolle am 12. Mai 2022 stellte der Antragsgegner u.a. fest, dass auf dem Grundstück ein 7,30 m langer, 3,35 m breiter und bis zu 2,95 m hoher neuer Holzschuppen errichtet wurde.
3
Mit Schreiben vom 25. Mai 2022 wurde der Antragsteller zum Erlass einer beabsichtigten Beseitigungsanordnung angehört, mit Bescheid vom 21. September 2022 schließlich u.a. die Beseitigung des Holzschuppens (Nr. 1) bis zum 18. November 2022 und deren sofortige Vollziehung angeordnet. Für den Fall der Nichtbefolgung der Nr. 1 wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 2.500 € angedroht (Nr. 3). Dagegen erhob der Antragsteller mit am … Oktober 2022 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz seines Bevollmächtigten Klage (M 1 K 22.5217).
4
Am 29. März 2023 fand erneut eine Baukontrolle durch das Landratsamt statt, bei der festgestellt wurde, dass der Antragsteller der Anordnung nicht nachgekommen ist.
5
Mit Schreiben vom 30. März 2023 stellte das Landratsamt sodann das im Bescheid vom 21. September 2022 angedrohte Zwangsgeld bzgl. der Beseitigung des Holzschuppens (Nr. 3) in Höhe von 2.500 EUR fällig und drohte durch Bescheid ein weiteres Zwangsgeld in Höhe von 4.000 EUR an. Dem Antragsteller sei die Frist zur Beseitigung mit Schreiben vom 8. März 2023 letztmalig bis zum 27. März 2023 verlängert worden.
6
Am … April 2023 stellte der Bevollmächtigte des Antragstellers einen Eilantrag, mit dem er die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage vom … Oktober 2022 begehrt (M 1 S 23.2032). Dabei wurde der Antragsgegner vom Gericht gebeten, bis zur Entscheidung des Gerichts über den Antrag im Verfahren M 1 S 23.2032 von (weiteren) Vollstreckungsmaßnahmen abzusehen.
7
Am … April 2023 erhob der Bevollmächtigte des Antragstellers zudem Klage gegen den Bescheid vom 30. März 2023 (M 1 K 23.2125).
8
Mit Schriftsatz vom … Juli 2023 beantragt der Antragsteller,
9
den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO zu verpflichten, die Vollstreckung des Zwangsgelds aufgrund des Grundbescheids vom 21.09.2022 sowie der Fälligkeitsmitteilung und Zahlungsaufforderung vom 30.03.2023 vorläufig einzustellen.
10
Das Zwangsgeld sei nicht fällig geworden. Die Beitreibung des Zwangsgelds habe für den Antragsteller eine unbillige Härte zur Folge. Die Vollstreckungsvoraussetzungen lägen nicht vor, weil die Androhung gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstoße. Der Antragsgegner habe kein Vollzugsinteresse, weil die Beseitigungsanordnung rechtswidrig sei. Der Holzschuppen bestehe seit mehreren Jahrzehnten. Eine Nachahmung durch Dritte sei nicht zu befürchten. Die Behörde habe ihr Ermessen nicht ausgeübt. Es sei dem Antragsteller unzumutbar, das fällig gestellte Zwangsgeld zu bezahlen, weil die Festsetzung und Fälligstellung offensichtlich rechtswidrig seien.
11
Der Antragsgegner beantragt,
12
den Antrag abzulehnen.
13
Der Antragsteller habe keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Der Antragsgegner habe im Zuge des eingelegten Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO die Einstellung der angedachten Vollstreckungsmaßnahmen veranlasst. Die Ausführungen liefen daher ins Leere. Sie seien im Hauptsacheverfahren gegen den Bescheid vom 30. März 2023 zu behandeln.
14
Wegen der weiteren Einzelheiten und dem übrigen Vorbringen der Beteiligten wird auf die Gerichts- und die beigezogenen Behördenakten, auch in den Verfahren M 1 K 22.5217, M 1 K 23.2125 und M 1 S 23.2032 Bezug genommen.
15
Der Antrag hat keinen Erfolg.
16
1. Der gestellte Antrag ist als Antrag auf vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung hinsichtlich des festgesetzten Zwangsgeldes in Höhe von 2.000 EUR zu verstehen. Dem Antrag des anwaltlich vertretenen Antragstellers kann nicht entnommen werden, dass auch die Androhung weiteren Zwangsgeldes in Höhe von 4.000 EUR Streitgegenstand sein soll.
17
2. Der so verstandene Antrag, gerichtet auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO mit dem Ziel der vorläufigen Einstellung der Zwangsvollstreckung, ist bereits unzulässig.
18
a) Der Antrag ist zwar statthaft, weil gegen die Fälligkeitsmitteilung in der Hauptsache die Feststellungsklage nach § 43 VwGO (BayVerfGH, E.v. 24.1.2007 – Vf. 50-VI-05 – juris Rn. 46) statthaft ist, sodass ein ansonsten nach § 123 Abs. 5 VwGO vorrangiger Eilantrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ausscheidet.
19
b) Dem Antrag fehlt es jedoch am Rechtschutzbedürfnis.
20
Der Antragsgegner wurde mit Schreiben des Gerichts vom 5. Mai 2023 im Verfahren M 1 S 23.2032 gebeten, bis zur Entscheidung über den Antrag im Verfahren M 1 S 23.2032 von (weiteren) Vollstreckungsmaßnahmen abzusehen. Dies wurde dem Bevollmächtigten des Antragstellers mit Schreiben vom 5. Mai 2023 mitgeteilt. Nach den Ausführungen in der Antragserwiderung hat der Antragsgegner im Zuge des Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO die Einstellung der angedachten Vollstreckungsmaßnahmen, der Beitreibung des Zwangsgelds auf Grundlage der Fälligkeitsmitteilung vom 30. März 2023, veranlasst. Der am 17. Juli 2023 erhobene streitgegenständliche Antrag auf vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung – die bereits eingestellt worden ist – geht damit ins Leere; der Antragsteller hat den hier begehrten Rechtschutz bereits erreicht.
21
3. Ohne dass es hierauf entscheidungserheblich ankäme, wäre der Antrag auch unbegründet, weil der Antragsteller schon keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht hat.
22
Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind nach Satz 2 der genannten Vorschrift auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint (Regelungsanordnung). Dabei müssen ein Anordnungsgrund und das Bestehen eines Anordnungsanspruchs geltend und die zur Begründung notwendigen Tatsachen glaubhaft gemacht werden (§ 123 Abs. 3 VwGO, § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung – ZPO).
23
Der Antragsteller hat bereits keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Er hat nicht dargelegt, dass es unter Berücksichtigung seiner Interessen für ihn nicht zumutbar ist, die Entscheidung im Hauptsacheverfahren abzuwarten. Für eine Dringlichkeit in einem für das einstweiligen Verfahren relevanten Sinne reicht es nicht aus, dass die Beitreibung des fällig gewordenen Zwangsgeldes aufgrund seiner Höhe wirtschaftliche Auswirkungen beim Antragsteller hat (BayVGH, B.v. 8.11.2001 – 2 CE 01.2339 – juris Rn. 9); entscheidend ist, dass die Anordnung notwendig ist, um wesentliche Nachteile für den Antragsteller abzuwenden (Happ in Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 16. Aufl. 2022, § 123 Rn. 23). Der Antragsteller hat nicht dargelegt, dass das Zwangsgeld seine wirtschaftliche Grundlage gefährde. Seine Ausführungen beschränken sich darauf, dass die Beitreibung des Zwangsgelds eine unbillige Härte zur Folge hätte und die Zahlung des fällig gestellten Zwangsgelds aufgrund der Rechtswidrigkeit der Festsetzung und Fälligstellung unzumutbar sei. Dies genügt nicht den strengen Anforderungen an die Annahme derart wesentlicher Nachteile durch ein Zuwarten. Dass durch die sofortige Beitreibung des Zwangsgeldes existenzgefährdende Nachteile entstehen, wurde nicht glaubhaft gemacht.
24
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, wonach der unterliegende Teil die Kosten des Verfahrens trägt.
25
5. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) i.V.m. Nrn. 1.5 und 1.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013, wonach es das Gericht als angemessen erachtet, die Hälfte des fällig gestellten Zwangsgeldes in Höhe von 2.500 EUR, demnach 1.250 EUR, festzusetzen.