Titel:
Kein Vorbescheid mit Nebenbestimmungen, wenn der Bescheid in Bezug auf die Nebenbestimmungen keine Bindungswirkung entfaltet; Ermittlungspflichten der Behörde
Normenketten:
VwGO § 91
ZPO § 265
BayBO Art, 50, Art. 71
BauGB § 34
Leitsätze:
1. Ist für die Baubehörde im Rahmen eines Antrags auf einen Bauvorbescheid die konkrete Ausführung, insbesondere die bauliche und technische Ausgestaltung des streitgegenständlichen Wohnbauvorhabens offen (vorliegend: beantragt war der "Bau eines Einfamilienhauses", wobei als Unterlagen ein Auszug aus dem Liegenschaftskataster, die Nachbarunterschriften, eine im Auszug des Liegenschaftskatasters handschriftlich eingezeichnete Lage des Wohnbauvorhabens sowie eine Begründung mit Rechtsausführungen zur Erteilung des begehrten Vorbescheides beigefügt waren), kann der Vorbescheid keine Bindungswirkung zu Detailfragen der Lärmbelastung haben, sondern nur, ob das Vorhaben in irgendeiner Weise so errichtet werden kann, dass es mit den anzuwendenden bauplanungsrechtlichen Vorschriften im Einklang steht. Für eine Nebenbestimmung in Bezug auf Detailfragen zur Lärmbelastung bleibt dann kein Raum.(Rn. 43) (redaktioneller Leitsatz)
2. Hat die Baubehörde nicht hinreichend ermittelt, ob im vorliegenden Einzelfall ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme in Ansehung der Lärmbelastung besteht, welcher nur durch Erlass einer Nebenbestimmung beseitigt werden kann (vorliegend: Erstellen einer Lärmprognose für das Wohnbauvorhaben lediglich mit einer Pegelerhöhung, aber keine immissionsfachliche Ermittlung der Beurteilungspegel nach der TA Lärm), ist die Bauvoranfrage nicht bescheidungsfähgig. Insofern darf ein Vorbescheid dann nicht mit Nebenbestimmungen bezüglich des Lärmschutzes versehen werden. (Rn. 47 – 54) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Klageänderung, Eigentümerwechsel, Klage auf Erteilung eines baurechtlichen Vorbescheids, Vorbescheid mit Nebenbestimmungen, Vorbescheidsantrag ohne konkrete Fragen, Vorbescheid zur bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit eines Vorhabens (Bebauungsgenehmigung), Bindungswirkung des Vorbescheids für späteres Baugenehmigungsverfahren, Mangelhafte immissionsfachliche Beurteilung, Immissionschutz, Lärm, Lärmschutz, Vorbescheid, Nebenbestimmung, Bebauungsgenehmigung, Bauplanungsrecht, Rücksichtnahmegebot
Fundstelle:
BeckRS 2023, 20977
Tenor
I. Der Beklagte wird verpflichtet über den Antrag der Klägerin auf Erteilung eines Vorbescheids vom 16.9.2019 erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Das Urteil ist Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags.
Tatbestand
1
Die Klägerin begehrt einen baurechtlichen Vorbescheid für die Errichtung eines Einfamilienwohnhauses.
2
Die Klägerin war bis zum 2. September 2021 Eigentümerin des mit einem Zweifamilienhaus bebauten Grundstücks Fl.Nr. 1., Gemarkung … Nunmehr ist der Sohn der Klägerin, Herr Dr. …, Eigentümer dieses Grundstücks. Ein Bebauungsplan existiert für dieses Grundstück nicht.
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Östlich des Grundstücks Fl.Nr. 1. der Gemarkung … verläuft in Nord-Süd-Richtung die B. Straße. Östlich der B. Straße besteht ein Gewerbegebiet. Dieses Gewerbegebiet befindet sich im Geltungsbereich des am 7. März 1979 bekannt gemachten Bebauungsplans „B.“ der Stadt … Im Bebauungsplan „B.“ sind die östlich der B. Straße gelegenen Grundstücke Fl.Nrn. 2., 3. und 4. der Gemarkung … als „eingeschränktes Gewerbegebiet (GEe)“ ausgewiesen. Der Bebauungsplan enthält hinsichtlich des eingeschränkten Gewerbegebietes folgende Festsetzung:
„Bei der Errichtung der gewerblichen Anlagen im Gewerbegebiet sind diese in Bezug auf Schallschutz, Rauch, Geruch usw. so zu gestalten, dass keine Belästigungen für das westlich vorhandene MI-Gebiet entstehen. Der äquivalente Dauerschallpegel (Lärmpegel) darf im Gewerbegebiet nicht mehr als 65 dB(A) bei Tag und 50 dB(A) bei Nacht betragen, im GEe-Gebiet nicht mehr als 60 dB(A) bei Tag und 45 dB(A) bei Nacht.“
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Mit Formblattantrag vom 14. September 2019 beantragte die Klägerin die Erteilung eines Vorbescheids für die Errichtung eines Einfamilienhauses auf dem südöstlichen Teil des Grundstücks Fl.Nr. 1. der Gemarkung … Die Stadt … erteilte mit gemeindlicher Stellungnahme vom 13. November 2019 das gemeindliche Einvernehmen.
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Am 24. Februar 2020 hat die Klägerin zunächst eine Untätigkeitsklage zum Verwaltungsgericht Regensburg erhoben. Zur Begründung wird im Wesentlichen vorgetragen, dass das Landratsamt S. verpflichtet sei, die beantragte Genehmigung zu erteilen. Das beantragte Bauvorhaben befinde sich in einem Wohngebiet, das bereits seit den 1920er Jahren bestehe. In Kenntnis dieses Wohngebietes habe die Gemeinde ein Gewerbegebiet an dieses Wohngebiet heran geplant. Zum Schutz des Wohngebietes seien die zulässigen Betriebe im Gewerbegebiet eingeschränkt worden, so dass keine verschärfte Situation für die bestehenden Betriebe durch die Errichtung von Wohnhäusern eintrete. Die Betriebe hätten in Richtung des Gewerbegebietes genügende Entfaltungsmöglichkeiten. Zwischen dem Wohngebiet und dem Gewerbegebiet seien nur die Grundsätze über die Mittelwertbildung anzuwenden. Das Landratsamt habe bereits hinsichtlich des Baugrundstücks einen Mittelwert für ein allgemeines Wohngebiet angenommen. Die Grundsätze über eine heranrückende Wohnbebauung kämen in einer „Nahtstellensituation“ wie dieser überhaupt nicht zur Anwendung. Selbst wenn sie zur Anwendung kämen, würde dies im Ergebnis an der Bebaubarkeit des Grundstücks nichts ändern. Das betreffende Grundstück liege in einem im Zusammenhang bebauten Ortsteil und habe deshalb Baulandqualität. Nach der TA Lärm sei deshalb Gewerbelärm an der Grundstücksgrenze als maßgeblichen Immissionsort zu messen. Würde zusätzlich ein Zurückrücken verlangt werden, hieße das, dass das Gebot der Rücksichtnahme zweimal zulasten der Wohnbebauung angewendet werden würde. Die Bauaufsichtsbehörde nehme damit in unzulässiger Weise den Eigentümer eines Wohngrundstücks doppelt in Anspruch. Im Übrigen sei zur konkreten Planung darauf hingewiesen, dass der Abstand zur nächstgelegenen Lagerhalle rund 37 m und der Abstand zur nächstgelegenen Werkhalle rund 45 m betrage. Selbst nach den Kriterien des Landratsamtes wäre damit kein Heranrücken gegeben. Außerdem seien andere Wohnbauvorhaben wie zum Beispiel Reihenhäuser genehmigt worden, die direkt an der B. Straße liegen würden.
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Am 25. März 2020 erließ das Landratsamt S. einen Vorbescheid für die Errichtung eines Einfamilienwohnhauses auf dem Grundstück Fl.Nr. 1., Gemarkung … Der Vorbescheid enthält einen Lageplan, auf dem eine Bezugslinie eingetragen ist sowie auszugsweise folgende Bestimmungen:
I. Es ist baurechtlich zulässig, auf dem oben genannten Grundstück ein Einfamilienhaus entsprechend dem Standorteintrag im beiliegenden Lageplan zu richten.
II. Folgende Nebenbestimmungen sind zu beachten:
1. In Gebäudebereichen, die östlich der im beiliegenden Lageplan mit Bezugslinie bezeichneten Fläche liegen, dürfen keine öffenbare Fenster zu nach TA Lärm schutzbedürftigen Räumen angeordnet werden.
2. In den Bauantragsunterlagen sind der Bereich östlich der Bezugslinie und die getroffenen Maßnahmen darzustellen. […]“
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Zur Begründung wird vorgetragen, dass das Bauvorhaben im unbeplanten Innenbereich gemäß § 34 BauGB liege. Die Auflagen unter Ziffer II. seien erforderlich, da sich östlich der B. Straße das Gewerbegebiet „B.“ befinde. Aufgrund des Gewerbegebietes sei bei Bauanträgen westlich der B. Straße für Wohnhäuser zu prüfen, ob durch neue Immissionsorte die bestandsgeschützten Betriebe innerhalb des Bebauungsplanes in schalltechnischer Hinsicht eingeschränkt würden. Die Altbebauung (Stand: 1999) im Wohngebiet sei entlang einer Bezugslinie angeordnet worden. Kein bereits im Jahr 1999 bestehendes Wohnhaus mit Immissionsorten entsprechend der TA Lärm befinde sich östlich dieser Bezugslinie. Alle (später genehmigten) Gebäudeteile, die über diese Bezugslinie nach Osten hinausragen würden, enthielten keine Immissionsorte. Die Bezugslinie sei im genehmigten Lageplan grafisch dargestellt. Aus immissionsschutzfachlicher Sicht sei darauf zu achten, dass keine Immissionsorte im Sinne der TA Lärm östlich dieser Bezugslinie entstünden, also keine Immissionsorte näher an das Gewerbegebiet heranrücken würden. Anderenfalls würden diese Immissionsorte die bestandsgeschützten Betriebe gegenüber dem rechtlich zulässigen Genehmigungsumfang einschränken. Das mit der Bauvoranfrage beantragte Einfamilienhaus liege zu einem überwiegenden Teil östlich dieser Bezugslinie und rücke somit näher an das Gewerbegebiet heran. Daher seien Maßnahmen zum Lärmschutz erforderlich, wie z.B. der Einbau von nicht öffenbaren Fenstern mit mechanischer Be- und Entlüftung in schutzbedürftigen Räumen, der Verzicht auf Fenster in den betroffenen Bereichen oder eine angepasste Raumanordnung innerhalb des Gebäudes. Schutzbedürftige Räume seien Aufenthaltsräume, soweit sie gegen Geräusche zu schützen seien. Dazu würden zum Beispiel Wohnräume, Wohnküchen sowie Schlaf- und Büroräume zählen. Gebäude oder Gebäudeteile ohne Immissionsort im Sinne der TA Lärm (z.B. Garagen) dürften auch östlich der festgelegten Bezugslinie liegen.
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Die Klägerin beantragt zuletzt,
Der Beklagte wird verpflichtet, über den Antrag der Klägerin auf Erteilung eines Vorbescheids vom 16.9.2019 erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden.
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Das Landratsamt Ch. beantragt für den Beklagten,
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Der Klägerin sei am 25. März 2020 ein Vorbescheid für die Errichtung eines Einfamilienwohnhauses auf dem Grundstück Fl.Nr. 1. der Gemarkung … erteilt worden. Insofern habe sich der Rechtsstreit erledigt. Ergänzend zur Bescheidsbegründung wird ausgeführt: Die Beachtung des Rücksichtnahmegebotes sei Zulässigkeitsvoraussetzung des Einfügens gemäß § 34 BauGB. Die Nebenbestimmungen unter Ziffer II. Nr. 1 und 2 des Vorbescheids vom 25. März 2020 seien notwendig gewesen, um die gesetzlichen Anforderungen an das Gebot der Rücksichtnahme zu wahren. Östlich der B. Straße befinde sich das Gewerbegebiet „B.“. Durch die Auflagen werde sichergestellt, dass die in beiden Gebieten vorliegenden Nutzungen, die geeignet seien, Spannungen und Störungen hervorzurufen, einander so zugeordnet werden, dass Konflikte möglichst vermieden werden. Immissionsorte, die näher an das Gewerbegebiet heranrücken, würden die bestandsgeschützten Betriebe gegenüber dem rechtlich zulässigen Genehmigungsumfang einschränken. Der Begriff „näher“ werde im vorliegenden Fall durch eine Bezugslinie definiert, die sich aufgrund der Situation der bestehenden Bebauung westlich der B. Straße und des Gewerbegebietes „B.“ östlich der B. Straße ergebe. Sofern näher am Gewerbegebiet liegende Immissionsorte zu genehmigen seien, habe dies aus immissionsschutzfachlicher Sicht nicht ohne Auflagen zum Lärmschutz erfolgen können. Soweit die Klägerin auf andere genehmigte Wohnbauvorhaben in gleichem Abstand verweise, sei anzumerken, dass es nicht auf den Abstand eines einzelnen Gewerbebetriebes ankomme. Vielmehr müsse das Gewerbegebiet als Ganzes betrachtet werden. Die am Immissionsort zu erwartenden Lärmimmissionen würden naturgemäß von allen innerhalb des Gewerbegebietes gelegenen Betrieben hervorgerufen werden. Zudem sei bei den genehmigten Vorhaben durch gestalterische Planung sichergestellt worden, dass keine neuen Immissionsorte östlich der Bezugslinie entstünden.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten zum Sachverhalt wird auf die Gerichts- und Behördenakten sowie auf das Protokoll zur mündlichen Verhandlung verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Neuverbescheidung des Vorbescheidsantrags vom 16. September 2019 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts, § 113 Abs. 5 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
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A. Die Klage ist zulässig.
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I. Die Klägerin ist trotz des Eigentümerwechsels weiterhin prozessführungsbefugt.
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Nach dem über § 173 VwGO im Verwaltungsrechtsstreit entsprechend anwendbaren § 265 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) schließt die Rechtshängigkeit das Recht der einen oder der anderen Partei nicht aus, die im Streit befangene Sache zu veräußern oder den geltend gemachten Anspruch abzutreten. Die Veräußerung oder Abtretung hat auf den Prozess keinen Einfluss (§ 265 Abs. 2 Satz 1 ZPO).
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Streitbefangen ist hier der Anspruch auf Erteilung eines Vorbescheids. Gemäß Art. 71 Satz 1 Bayerische Bauordnung (BayBO) ist dem Bauherren auf Antrag ein Vorbescheid zu erteilen. Bauherr ist, wer auf seine Verantwortung eine Anlage vorbereitet oder ausführt oder vorbereiten oder ausführen lässt (vgl. Art. 56 Abs. 1 S. 1 BayBO in der Fassung der Bekanntmachung vom 4. August 1997). Der Bauherr muss daher nicht Eigentümer des Vorhabengrundstücks sein, denn ein Vorbescheid ergeht gem. Art. 71 Satz 4 i.V.m. Art. 68 Abs. 5 BayBO unbeschadet der Rechte Dritter (BeckOK BauordnungsR Bayern/Michl, 24. Ed. 1.12.2022, BayBO Art. 50 Rn. 6).
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Etwas anderes würde sich nur dann ergeben, wenn nicht nur ein Eigentümerwechsel, sondern auch ein Wechsel des Bauherren erfolgt wäre. Ein Bauherrenwechsel muss gem. Art. 50 Abs. 1 Satz 5 BayBO der Bauaufsichtsbehörde unverzüglich angezeigt werden und führt dazu, dass der neue Bauherr umfassend die öffentlich-rechtliche Verantwortlichkeit für das Bauvorhaben trägt. Erst mit der Anzeige des neuen Bauherren gegenüber der zuständigen Behörde wird der Bauherrenwechsel wirksam (BeckOK BauordnungsR Bayern/Michl, 24. Ed. 1.12.2022, BayBO Art. 50 Rn. 24). Der Bauherrenwechsel wurde jedoch bisher nicht angezeigt, weshalb die Klägerin weiterhin für das Bauvorhaben verantwortlich und daher auch prozessführungsbefugt ist.
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II. Die Änderung der Klage von einer Untätigkeitsklage zur Verpflichtungsklage ist zulässig.
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Eine Änderung der Klage ist gem. § 91 Abs. 1 VwGO zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält.
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Der Beklagte hat sich in den Schriftsätzen sowie in der mündlichen Verhandlung auf die geänderte Klage eingelassen, § 91 Abs. 2 VwGO. Darüber hinaus ist die Klageänderung sachdienlich gem. § 91 Abs. 1 Alt. 2 VwGO, da der Streitstoff – hier der Vorbescheid vom 25. März 2020 – derselbe bleibt und die Klageänderung zur Beilegung des Rechtsstreits führt (Eyermann/Wöckel, 16. Aufl. 2022, VwGO § 91 Rn. 31.
21
III. Die Klägerin ist auch klagebefugt.
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Die Klagebefugnis ist gem. § 42 Abs. 2 VwGO gegeben, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.
23
Im vorliegenden Fall wurde der Klägerin zwar nach Klageerhebung der begehrte Vorbescheid erteilt. Allerdings enthält der streitgegenständliche Bescheid Regelungen, die als „Nebenbestimmungen“ formuliert sind und den Umfang der Bindungswirkung des Vorbescheids einschränken.
24
Er erscheint daher nicht von vorherein ausgeschlossen, dass die Klägerin einen Anspruch auf Erteilung eines „uneingeschränkten“ Vorbescheids gem. Art. 71 Satz 1 BayBO hat. Ob die Voraussetzungen für eine Erteilung des begehrten Vorbescheid ohne Nebenbestimmungen vorliegen, ist im Rahmen der Begründetheit zu prüfen.
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B. Die Klage ist auch begründet, denn die Klägerin hat einen Anspruch auf Neuverbescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO).
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Nach Art. 71 Satz 1 BayBO kann vor Einreichung des Bauantrags auf schriftlichen Antrag des Bauherrn zu einzelnen in der Baugenehmigung zu entscheidenden Fragen vorweg ein schriftlicher Bescheid (Vorbescheid) erteilt werden. Enthält der Vorbescheidsantrag – wie im vorliegenden Fall – keine einzelnen Fragen, so hat die Genehmigungsbehörde einen solchen pauschalen Antrag aus Sicht des objektiven Empfängers auszulegen und das Begehren des Antragstellers zu ermitteln. Bei pauschalen Anträgen ohne klare Fragestellung kann sich nach dem Empfängerhorizont (vgl. § 133 BGB) und den Umständen des Einzelfalls durch Auslegung ergeben, dass es dem Bauherrn um die Antwort auf die Frage nach der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit eines Vorhabens geht (vgl. BayVGH, U.v. 21.10.2020 – 15 B 19.1591 – juris Rn. 27; B.v. 11.1.2011 – 15 ZB 08.1565 – juris Rn. 14; U.v. 24.3.2005 – 26 B 03.1776 – juris; U.v. 2.7.2004 – 1 B 02.1006 – juris Rn. 27; SächsOVG, U.v. 3.7.2012 – 4 B 808/06 – juris Rn. 55; BeckOK BauordnungsR Bayern/Michl, 24. Ed. 1.12.2022, BayBO Art. 71 Rn. 23).
27
In diesem Fall beinhaltet der Vorbescheid die verbindliche Feststellung der Bauaufsichtsbehörde, dass das Bauvorhaben bauplanungsrechtlich grundsätzlich zulässig ist (sog. „Bebauungsgenehmigung“; vgl. BayVGH, U.v. 14.12.2016 – 2 B 16.1574 – juris Rn. 41; Laser in Schwarzer/König, BayBO, 5. Aufl. 2022, Art. 71, Rn. 4; Busse/Kraus/Decker, 149. EL Januar 2023, BayBO Art. 71 Rn. 78, 92).
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Ergeht ein Vorbescheid in Form einer solchen Bebauungsgenehmigung, ist die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit nach Maßgabe der §§ 30 ff. BauGB im Baugenehmigungsverfahren nicht mehr zu prüfen.
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I. Im vorliegenden Fall richtet sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Bauvorhabens nach § 34 BauGB, denn das klägerische Grundstück liegt nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplans.
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Richtigerweise ist der Beklagte davon ausgegangen, dass im Rahmen des Vorbescheidsverfahrens auch das Rücksichtnahmegebot zu prüfen ist.
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Wird in einem Vorbescheid die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens entschieden, ist damit auch dessen Vereinbarkeit mit dem Rücksichtnahmegebot vollumfänglich mit bindender Wirkung für das Baugenehmigungsverfahren festgestellt. Daher ist zwingend das Rücksichtnahmegebot zu prüfen (BayVGH, U. v. 9.9.1999 – 1 B 96.3475 – juris Rn. 25, 26; VG München, U. v. 19.1.2015 – M 8 K 14.90 – juris Rn. 190 ff.; Molodovsky a. a. O. Art. 71 Rn. 40 m. w. N.; Jäde, BayVBl. 2002, 33/40). Ein Offenlassen oder ein „Verschieben“ auf das Baugenehmigungsverfahren ist daher nicht zulässig (BayVGH, U.v. 9.9.1999 – 1 B 96.347 – juris; BVerwG, U.v. 3.4.1987 – 4 C 41.84 – juris; Busse/Kraus/Decker, 149. EL Januar 2023, BayBO Art. 71 Rn. 75).
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Das Rücksichtnahmegebot geht im Rahmen des § 34 Abs. 1 BauGB im Begriff des Einfügens auf, sodass die Frage nach dem Einfügen nicht unabhängig von der Wahrung des Rücksichtnahmegebots beantwortet werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 13.3.1981 – 4 C 1.78 – juris Rn. 32; B.v. 27.3.2018 – 4 B 50.17 – juris Rn. 4). Daraus folgt, dass ein Vorhaben, das sich zwar innerhalb des aus der Umgebung ableitbaren Rahmens hält, sich trotzdem nicht einfügt, wenn es die gebotene Rücksichtnahme auf die in der unmittelbaren Nachbarschaft vorhandene Bebauung vermissen lässt (BVerwG, U.v. 27.8.1998 – 4 C 5/98, NVwZ 1999, 523).
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Inhaltlich zielt das Gebot der Rücksichtnahme darauf ab, Spannungen und Störungen, die durch unverträgliche Grundstücksnutzungen entstehen, möglichst zu vermeiden. Welche Anforderungen das Gebot der Rücksichtnahme begründet, hängt wesentlich von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles ab. Für eine sachgerechte Bewertung des Einzelfalles kommt es wesentlich auf eine Abwägung zwischen dem, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zumutbar ist, an (BVerwG, U.v. 18.11.2004 – 4 C 1.04 – juris, Rn. 22; U.v. 29.11.2012 – 4 C 8.11 – juris Rn. 16; BayVGH, B.v. 12.9.2013 – 2 CS 13.1351 – juris Rn. 4).
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Demnach ist das Rücksichtnahmegebot als gegenseitiges Gebot ausgestaltet (BVerwG Urt. v. 23.9.1999 – 4 C 6.98, BeckRS 1999, 30074474). Ist die Grundstücksnutzung aufgrund der konkreten örtlichen Gegebenheiten mit einer spezifischen gegenseitigen Pflicht zur Rücksichtnahme belastet, so führt das nicht nur zu Beschränkungen desjenigen, der Immissionen verursacht, sondern auch zu gewissen Duldungspflichten desjenigen, der sich solchen Immissionen aussetzt. Daraus folgen Obliegenheiten des Emittenten wie beispielsweise zu baulichen Vorkehrungen zur Minderung der Immissionen (vgl. BVerwG, U.v. 18.5.1995, 4 C 20/94, BVerwGE 98, 235 [246 ff.] m. w. N.). Umgekehrt kann einen Bauherrn, der mit seinem Wohnbauvorhaben an eine Emissionsquelle heranrückt, seinerseits die Obliegenheit treffen, technisch mögliche und wirtschaftlich vertretbare bauliche Vorkehrungen vorzunehmen, die die Störungen der Wohnnutzung spürbar mindern. Hat er aber seine Obliegenheit zur Minderung der Emissionen erfüllt, so kann ihm das Baurecht nicht alleine deshalb vorenthalten werden, weil der emittierende Nachbar seine Pflichten zur Emissionsminderung tatsächlich nicht erfüllt. Der emittierende Nachbar kann in einem solchen Fall die ihn treffenden Pflichten zur Lärmminderung in diesem Fall auch nicht mit der Begründung in Abrede stellen, der störende Betrieb sei zuerst errichtet worden und daher gegenüber der später heranrückenden Wohnbebauung „in ihrem Bestand“ geschützt. Ein dem Betreiber des störenden Betriebes zukommender baurechtlicher Bestandsschutz kann sich nur in den Grenzen entfalten, die ihm das Immissionsschutzrecht lässt (BVerwG, U.v. 23.9.1999, – 4 C 6.98, BeckRS 1999, 30074474).
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Ein Wohnungsbauvorhaben fügt sich dabei, was die von ihm hinzunehmenden gewerblichen Immissionen angeht, in eine bereits wegen vorhandener gewerblicher Nutzung „vorbelastete“
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Eigenart der näheren Umgebung ein, wenn es nicht stärkeren Belästigungen ausgesetzt sein wird, als die bereits vorhandene Wohnbebauung; die gewerbliche Nutzung braucht folglich gegenüber der hinzukommenden Wohnnutzung nicht mehr Rücksicht zu nehmen als gegenüber der bereits vorhandenen Wohnnutzung. Halten sich die von dem Gewerbebetrieb ausgehenden Belästigungen in den Grenzen des der Wohnnutzung im Sinne eines „Mittelwerts“ Zumutbaren, so hat der Gewerbebetrieb keine immissionsschutzrechtlichen Beschränkungen seines Betriebs infolge der hinzukommenden Wohnbebauung zu befürchten. Überschreiten die Belastungen diese Grenze, so hat der Betrieb Einschränkungen bereits wegen der vorhandenen und nicht erst wegen der hinzukommenden Wohnbebauung hinzunehmen (BVerwG, Beschluss vom 5. März 1984 – 4 B 171/83 –, juris).
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Das Landratsamt S. hat eine bestehende Konfliktlage zwischen der bereits vorhandenen Wohnbebauung und den emittierenden Betrieben im Gewerbegebiet angenommen. Daher wurde im streitgegenständlichen Bescheid geregelt, dass östlich einer im Bescheid festgelegten Bezugslinie keine neuen Immissionsorte entstehen dürfen. Diese Maßnahme wird dadurch konkretisiert, dass keine öffenbaren Fenster in schutzbedürftigen Räumen nach der TA Lärm errichtet werden dürfen (Ziffer II Nrn. 1 und 2). Nach Auffassung der Behörde würde das Wohnbauvorhaben ohne die Einhaltung dieser immissionsschutzrechtlichen Maßnahmen gegen das Rücksichtnahmegebot verstoßen.
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II. Die Nebenbestimmungen Ziffer II Nrn. 1 und 2 des streitgegenständlichen Bescheids erweisen sich als rechtswidrig.
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1. Im konkreten Einzelfall kann der beantragte Vorbescheid, mit dem über die grundsätzliche planungsrechtliche Zulässigkeit entschieden wird, nicht mit Nebenbestimmungen versehen werden, der die konkrete bauliche oder technische Ausgestaltung des Wohnbauvorhabens regelt.
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Ob grundsätzlich ein Vorbescheid mit Nebenbestimmungen erlassen werden darf, wird unterschiedlich beurteilt.
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Vereinzelt wird vertreten, dass zur Vermeidung eines Verstoßes gegen das Rücksichtnahmegebot bereits im Vorbescheid sichernde Regelungen aufzunehmen sind. Würde in Fällen, in denen unzumutbare Lärmbelastungen von vornherein nicht ausgeschlossen sind, ein vorbehaltloser Vorbescheid erteilt werden, stünde für das Baugenehmigungsverfahren auch bereits die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens und damit auch dessen Vereinbarkeit mit dem Rücksichtnahmegebot vollumfänglich und einschränkungslos fest. Ergänzende Nebenbestimmungen im Baugenehmigungsverfahren, die die Einhaltung des bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebotes etwa in Bezug auf Lärmfragen sichern könnten, wären dann nur unter (teilweiser) Rücknahme eines Vorbescheides gemäß Art. 48 BayVwVfG zulässig (vgl. BayVGH, B.v. 18.8.2016 – 15 B 14.1623 – juris; VG Ansbach, U.v. 26.4.2017 – AN 9 K 16.01416 –, juris).
42
Hingegen geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass ein Vorbescheid zu erteilen ist, wenn das Vorhaben durch die Art der baulichen Gestaltung und durch technische Vorkehrungen im Einklang mit den Vorgaben des Rücksichtnahmegebots ausgeführt werden kann. Ist nur die grundsätzliche planungsrechtliche Zulässigkeit eines Vorhabens Gegenstand eines Vorbescheidsantrages und wird darin über die konkrete Ausführung oder über einzelne Elemente der baulichen oder technischen Ausgestaltung keine Aussage getroffen, dann ist für Auflagen zur Einhaltung diesbezüglicher Voraussetzungen im Vorbescheid kein Raum. Nebenbestimmungen sind vielmehr dem späteren Baugenehmigungsverfahren vorbehalten. (BVerwG, U. v. 3.4.1987 – 4 C 41.84 – juris Rn. 24; VGH Baden-Württemberg, U.v. 17.4.2013 – 5 S 3140/11 –, juris Rn. 57Busse/Kraus/Decker, 148. EL November 2022, BayBO Art. 71 Rn. 92; Schwarzer/König/Laser, 5. Aufl. 2022, BayBO Art. 71 Rn. 17).
43
Das Gericht folgt der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts, nach der sich die Nebenbestimmungen im streitgegenständlichen Bescheid als rechtswidrig erweisen. Der Vorbescheidsantrag bezeichnet das Vorhaben als „Bau eines Einfamilienhauses“. Dem Vorbescheidsantrag waren ein Auszug aus dem Liegenschaftskataster, die Nachbarunterschriften, eine im Auszug des Liegenschaftskatasters handschriftlich eingezeichnete Lage des Wohnbauvorhabens sowie eine Begründung mit Rechtsausführungen zur Erteilung des begehrten Vorbescheides beigefügt. Unter Berücksichtigung dieser Antragsunterlagen kann ein positiver Vorbescheid nur die grundsätzliche planungsrechtliche Zulässigkeit zur umschriebenen Art und Größe des Vorhabens auf dem Baugrundstück klären. Da für den Beklagten die konkrete Ausführung, insbesondere die bauliche und technische Ausgestaltung des Wohnbauvorhabens offen ist, kann der Vorbescheid auch keine Bindungswirkung hierzu entfalten. Gegenstand des Vorbescheids kann folglich nur die Klärung sein, ob das Vorhaben in irgendeiner Weise so errichtet werden kann, dass es mit den anzuwendenden bauplanungsrechtlichen Vorschriften im Einklang steht. Nicht hingegen umfasst sind wesentliche Detailfragen zur Lärmbelastung, sodass für diesbezügliche Nebenbestimmungen kein Raum bleibt.
44
2. Selbst wenn man der Auffassung folgen würde, dass grundsätzlich ein Vorbescheid mit Nebenbestimmungen erlassen werden darf, so erweisen sich die Festlegung einer Bezugslinie sowie die Nebenbestimmungen in Ziffer II Nrn. 1 und 2 des streitgegenständlichen Bescheids als rechtswidrig.
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Nach Art. 36 Abs. 1 Alt. 2 BayVwVfG darf ein Verwaltungsakt, auf den ein Anspruch besteht, mit einer Nebenbestimmung nur versehen werden, wenn sie sicherstellen soll, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsakts erfüllt werden. Diese Vorschrift regelt abschließend, unter welchen Voraussetzungen ein begünstigender Verwaltungsakt bei einer gebundenen Entscheidung mit einer Nebenbestimmung versehen werden darf (vgl. für eine Baugenehmigung: VG München, U.v. 19.7.2021 – M 8 K 21.1170 – juris Rn. 17 ff.; BayVGH, B.v. 28.3.2022 – 2 ZB 21.2098 – BRS 2022, 9280 Rn. 3; vgl. zum gleichlautenden Art. 36 Abs. 1 VwVfG BW: BVerwG, U.v. 9.12.2015 – 6 C 37.14 – juris Rn. 10).
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Bei einem Vorbescheid gem. Art. 71 Satz 1 BayBO handelt es sich um einen solchen gebundenen Verwaltungsakt i.S.v. Art. 36 Abs. 1 BayVwVfG, auf den ein Anspruch besteht (vgl. BVerwG, U.v. 21.12.2011 – 4 C 12.10 – juris Rn. 21; Busse/Kraus/Decker, 149. EL Januar 2023, BayBO Art. 68 Rn. 23).
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Eine Nebenbestimmung gem. Art. 36 Abs. 1 Alt. 2 BayVwVfG darf daher nur dann ergehen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für die Erteilung des begehrten Verwaltungsaktes (noch) nicht vorliegen und deshalb der begehrte Verwaltungsakt nicht erteilt werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 9.12.2015 – 6 C 37/14 – juris Rn. 18).
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Gemessen hieran hätte der streitgegenständliche Vorbescheid nicht mit Nebenbestimmungen versehen werden dürfen. Das Landratsamt S. hat nicht hinreichend ermittelt, ob im vorliegenden Einzelfall ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme besteht, welcher nur durch Erlass einer Nebenbestimmung beseitigt werden kann.
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Zwar hat das Landratsamt S. eine Lärmprognose für das Wohnbauvorhaben erstellt (vgl. fachtechnische Stellungnahme zur Lärmsituation vom 11. April 2023). Allerdings wurde in dieser Lärmprognose lediglich eine Pegelerhöhung ermittelt. In dieser Pegelermittlung wird zugrunde gelegt, dass der Abstand zwischen dem Gewerbegebiet und dem bestehenden Wohnhaus (Referenzimmissionsschutz) größer ist als zum geplanten Wohnhaus. Das bedeutet, dass sich der Abstand zum nächstgelegenen Immissionsort verkürzt. Dies führt ausweislich der Stellungnahme vom 11. April 2023 zu einer Pegelerhöhung um 1 dB(A).
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Diese fachtechnische Stellungnahme ist jedoch unzureichend, denn es wurden keine Beurteilungspegel nach TA Lärm ermittelt. Zudem beruhen die gewählten Eingabeparameter auf Schätzungen und berücksichtigen weder die Genehmigungssituation der emittierenden Betriebe noch die tatsächliche Betriebssituation im Gewerbegebiet.
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Hinsichtlich der festgelegten „Bezugslinie“ ist festzustellen, dass diese eine immissionsfachliche Beurteilung nicht ersetzen kann. Die Bezugslinie wurde im Zuge eines Bauantrags im Jahr 1999 definiert und berücksichtigt die damalige Bebauungssituation im Bereich der B. Straße. Diese Bezugslinie beruht nicht auf den Vorschriften für die Ermittlung der Geräuschemissionen durch Messung oder durch Prognose nach Maßgabe des Anhangs der TA Lärm, sondern stellt allenfalls eine typisierende Betrachtungsweise dar.
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Stattdessen hätte das Landratsamt S. vor Erlass des Vorbescheids ermitteln müssen
- welchen Umfang die bestandskräftigen Genehmigungen der jeweiligen Betriebe im Gewerbegebiet haben,
- welche Immissionen ausgehend von der Genehmigungssituation der emittierenden Gewerbebetriebe am Wohnbauvorhaben zu erwarten sind,
- ob und inwieweit der im Bebauungsplan vorgesehene Lärmschutzwall die Lärmbelästigungen reduziert,
- welche Immissionsrichtwerte für das klägerische Wohnbauvorhaben maßgeblich sind (Ziffer 6.1 der TA Lärm).
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Ergibt diese immissionsfachliche Beurteilung, dass eine Konfliktsituation zwischen dem Wohnbauvorhaben und den emittierenden Betrieben im östlich gelegenen Gewerbegebiet besteht, ist sodann zu prüfen, ob und ggf. welche geeigneten und angemessenen Maßnahmen zur architektonischen Selbsthilfe in Betracht kommen (z.B. Schallschutzfenster mit einem bestimmten Schalldämmmaß). Hierfür ist es gegebenenfalls erforderlich, von der Bauherrin weitere Bauvorlagen gemäß Art. 71 Satz 4 BayBO i.V.m. Art. 64 Abs. 2 Satz 1 BayBO; §§ 3 Nr. 1, 5 BauVorlV anzufordern.
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Ohne eine immissionsfachliche Beurteilung, die nicht nur auf die Festsetzungen im Bebauungsplan „B.“ zu den Lärmpegeln, sondern die tatsächliche Lärmsituation abstellt, ist die Bauvoranfrage nicht bescheidungsfähig. Daher ist der Beklagte antragsgemäß zu verpflichten, über die Bauvoranfrage erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts entscheiden.
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C. Nach alledem war die Klage erfolgreich und die Kosten des Verfahrens waren dem Beklagten aufzuerlegen (vgl. § 154 Abs. 1 VwGO). Die Entscheidung bezüglich der vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.