Inhalt

VG Ansbach, Urteil v. 24.05.2023 – AN 3 K 21.01116
Titel:

Versagung der denkmalrechtlichen Erlaubnis für Dachflächenfenster im Denkmalensemble

Normenkette:
BayDSchG Art. 1 Abs. 3, Art. 6 Abs. 1, Abs. 2
Leitsätze:
1. Ein Ensemblebereich iSv Art. 1 Abs. 3 BayDSchG genießt aufgrund der Tatsache, dass das Ensemble selbst ein Baudenkmal darstellt, keinen geringeren Schutz vor Veränderungen als die Veränderungen eines einzelnen Baudenkmals. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
2. Im Denkmalschutzrecht gibt es keinen Bestandsschutz für die Perpetuierung von denkmalrechtswidrigen Zuständen. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
3. Das Vorliegen „gewichtiger Gründe des Denkmalschutzes“ rechtfertigt sich regelmäßig schon allein aus der Tatsache, dass es sich um ein Baudenkmal bzw. Ensemble handelt, welches verändert werden soll. Daneben können sich gewichtige Gründe auch aus dem Grundsatz der Materialgerechtigkeit – etwa hinsichtlich der Verwendung denkmalgerechter Materialien – ergeben. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
4. Maßgeblich ist sowohl für die Beurteilung nach Art. 6 Abs. 2 S. 1 oder S. 2 BayDSchG nicht ein „Durchschnittsbetrachter“, sondern ein fachkundiger, dem Denkmalschutz aufgeschlossener Betrachter. Dem Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege (BLfD) und seinen fachlichen Einschätzungen kommt dabei ein besonderes tatsächliches Gewicht zu. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
formell illegal durchgeführte "Dacherneuerung" im denkmalgeschützten Ensemble, kein "Bestandsschutz" bei bloßer Erneuerung bereits ursprünglich verbauter, denkmalwidriger Bauteile (Dachflächenfenster), gewichtige Gründe des Denkmalschutzes, Grundsatz der Materialgerechtigkeit, Landesamt für Denkmalpflege, wirtschaftliche Unzumutbarkeit
Fundstelle:
BeckRS 2023, 20858

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.   

Tatbestand

1
Die Beteiligten streiten über die Erteilung einer denkmalrechtlichen Erlaubnis für eine bereits durchgeführte Dachsanierung des Wohnanwesens auf dem Grundstück FlNr. … der Gemarkung … (…) in … Die Klägerin ist Eigentümerin des eingangs genannten Grundstücks, welches mit einem anscheinend im Jahr 1968 errichteten, (inklusive Dachgeschoss) dreigeschossigem Wohnhaus mit Satteldach und Dachflächenfenstern bebaut ist. Das Wohnhaus selbst ist kein Baudenkmal. Das klägerische Grundstück befindet sich im vom Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege (BLfD) definierten Denkmalensemble „Ortskern …“. Dieses ist u.a. wie folgt beschrieben: „Das Ensemble „Ortskern …“ umfasst den historischen Siedlungskern des Marktes mit den um die Pfarrkirche … gruppierten vier Schlössern samt Schlossgarten und Weiher sowie den östlich hiervon verlaufenden, landwirtschaftlich geprägten …“
2
Südöstlich grenzt das klägerische Grundstück an das Grundstück FlNr. … (...) an, auf welchem sich u.a. das Baudenkmal „…“ befindet. Hierzu wird in der Denkmalbeschreibung ausgeführt: „Ehemaliger Herrensitz, sog. …, dreigeschossiger hoher Sandsteinquaderbau mit Walmdach und Zwerchhäusern mit Satteldächern und Ziergiebeln, im Norden kräftiger Seitenrisalit mit Satteldach, nach Brand 1552 neu errichtet 1589.“
3
Nördlich des klägerischen Grundstücks befindet sich das Grundstück FlNr. … (...), auf dem sich das Baudenkmal „Gasthaus …“ befindet. Hierzu wird in der Denkmalbeschreibung u.a. ausgeführt: „Zweigeschossiger Sandsteinquaderbau mit Satteldach, im Kern Fachwerkbau, 1561 (dendrochronologisch) datiert.“
4
Nordöstlich des klägerischen Grundstücks befindet sich das Grundstück FlNr. … (...), auf dem sich ein als Baudenkmal anerkanntes Wohnhaus befindet. Hierzu wird in der Denkmalbeschreibung u.a. ausgeführt: „Wohnhaus, zweigeschossiger, verputzter Massivbau mit Satteldach, dendrochronologisch datiert 1686/1687.“
5
Weiter nördlich an das Gasthaus und das Wohngebäude schließt sich u.a. das Baudenkmal „…“ an.
6
Im Rahmen einer Baukontrolle durch das Landratsamt am 30. November 2020 wurde festgestellt, dass die bestehende Dacheindeckung und die bestehenden Dachflächenfenster des klägerischen Anwesens vollständig entfernt und mit einer neuen Dacheindeckung begonnen worden war. Die Arbeiten wurden vor Ort mündlich eingestellt. Mit Schreiben vom 30. November 2020 wurde die Klägerin darauf aufmerksam gemacht, dass sich das Anwesen im Ensemble und in direkter Sichtbeziehung zu verschiedenen Einzeldenkmälern befindet und für die bereits begonnenen Maßnahmen eine denkmalschutzrechtliche Erlaubnis notwendig sei. Im gleichen Schreiben wurde die Klägerin aufgefordert, den notwendigen Antrag umgehend zu stellen. Mit Antragsformular vom 1. Dezember 2020 wurde ein entsprechender denkmalschutzrechtlicher Antrag über die Standortgemeinde eingereicht. Hierin wird unter Baubeschreibung ausgeführt: „Dachsanierung mit Dachflächenfenster wie bisher gehabt. Laut vorheriger telefonischer Rücksprache mit Herrn … und Frau … im September 2020 wäre die geplante Maßnahme so in Ordnung. Dabei wurde ein Hinweis auf eine denkmalschutzrechtliche Erlaubnis nicht erwähnt.“
7
Das Landratsamt beteiligte das BLfD, welches eine entsprechende Stellungnahme unter dem 1. Dezember 2020 abgab. Darin wird ausgeführt, dass für die Bewertung des Antrags aus Sicht der Bau- und Kunstdenkmalpflege folgende Aspekte von Bedeutung seien. Sowohl vom Einmündungsbereich der Straße „…“ in den … als auch vom … über den … hinweg trete das Anwesen „…“ markant in Erscheinung und werde unmittelbar zusammen mit den an der Hangkante darüber erhebenden … wahrgenommen (wird weiter ausgeführt). Der Wichtigkeit dieses Anwesens für die Sichtbeziehungen der umliegenden Einzelbaudenkmäler des Ensembles entsprechend sei es erforderlich, dass sich dieses Anwesen bruchlos in das Ensemble einfüge. Um dies zu gewährleisten seien insbesondere die verwendeten Baumaterialien, die Baugestaltung und die Farbigkeit der charakteristischen Bauweise innerhalb des Ensembles anzugleichen. Ziel müsse es sein, dass das Haus sich in die Dachlandschaft des Ensembles nahtlos integriere und die Fassaden nicht durch störende moderne Materialien oder grelle Farben hervorstächen. Konkret auf das Dach bezogen bedeute dies, dass naturrote, nicht engobierte und nichtglasierte Biberschwanzziegel zu verwenden und die Ortgänge in traditionell handwerklicher Weise, aufgemörtelt, mit Windbrett oder Zahnleiste, also ohne Ortgangformziegel, auszubilden seien. Ferner seien Kaminköpfe zu verputzen. Von öffentlichen Flächen aus einsehbare Dachflächenfenster stellten besonders störende Fremdkörper dar, die zu vermeiden seien. Als ensemblegerechte Alternativen zur Dachraumbelichtung kämen angemessen gestaltete Einzelgauben oder gegebenenfalls auch ein Zwerchhaus in Betracht. Den aufgeführten Punkten widerspreche die beantragte Neueindeckung des Daches am Anwesen sowohl hinsichtlich der Verwendung von Dachpfannen samt Ortgangziegeln als auch der vorgesehenen Erneuerung der Dachflächenfenster. Zudem würde mit den beantragten Maßnahmen an markanter Stelle ein Bezugsfall geschaffen, der zukünftig die Pflege der Dachlandschaft im … Ensemble stark erschweren würde.
8
Mit Schreiben des Landratsamts vom 3. Dezember 2020 wurde der Klägerin die Situation ausführlich erläutert und eine Übergangslösung vorgeschlagen. Eine Erlaubnis für die Maßnahme könne nicht in Aussicht gestellt werden. Die Übergangslösung würde für das Landratsamt darin bestehen, dass vorübergehend die Dacheindeckung vervollständigt und die Dachflächenfenster eingebaut werden könnten, wenn die Klägerin bis Ende März einen Antrag auf denkmalschutzrechtliche Erlaubnis für eine denkmalschutzrechtliche zulässige Dacheindeckung mit Biberschwanzziegeln und Gauben stellen würde und diese Erlaubnis freiwillig umsetze. Die vorgeschlagene Übergangslösung erfolge ausdrücklich auf Kosten der Klägerin und ihrer Verantwortung. Außerdem habe diese Übergangslösung keine Auswirkung auf die Forderung des Landratsamts, die Dacheindeckung denkmalschutzrechtlich konform auszuführen und für eine Belichtung und Belüftung Dachgauben statt Dachflächenfenster zu errichten. Die Übergangslösung diene alleine dazu, dass die Räume im Dachgeschoss während der Wintermonate genutzt werden könnten.
9
Eine Stellungnahme der Klägerin hierzu ist aktenkundig nicht vermerkt. Die Dacheindeckung wurde jedoch offensichtlich wie ursprünglich geplant ausgeführt.
10
Mit Schreiben vom 18. März 2021 teilte das Landratsamt der Klägerin mit, dass es beabsichtige, den Antrag auf Erteilung einer denkmalschutzrechtlichen Erlaubnis abzulehnen.
11
Mit Schreiben vom 20. Mai 2021 zeigten sich hiesige Klägerbevollmächtigte auch im Verwaltungsverfahren an. Es wurde angemerkt, dass die Standortgemeinde der Dachsanierung im Vorfeld nicht widersprochen habe (wird weiter ausgeführt). Es sei fraglich, ob der Austausch der Dachziegel ein Fall des Art. 6 Abs. 1 Satz 2 BayDSchG sei. Die Versagung der Erlaubnis sei nicht verhältnismäßig, da die Klägerin sich im Vorfeld mit der Standortgemeinde in Verbindung gesetzt habe und ihr für die Dachsanierung bereits Kosten von 70.000,00 EUR entstanden seien (wird weiter ausgeführt). Im Vergleich zum vorher bestandenen Dachbild habe sich durch die Dachsanierung nichts wesentlich verändert. Demzufolge sei es auch nicht zu einer zusätzlichen Beeinträchtigung des Erscheinungsbilds des Denkmalensembles gekommen. Aus diesen Gründen würde keine Anpassung am Gebäude vorgenommen werden.
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Mit streitgegenständlichem Bescheid des Landratsamtes vom 20. Mai 2021 wurde der Antrag auf denkmalschutzrechtliche Erlaubnis abgelehnt.
13
Zur Begründung ist ausgeführt, dass die Maßnahmen zur Neueindeckung des Daches einer Erlaubnis nach Art. 6 Abs. 1 Sätze 2 und 3 BayDSchG bedürften. Hiernach seien jegliche Änderungen an einem Gebäude in einem Ensemble, welche sich auf das Erscheinungsbild des Ensembles auswirken könnten, erlaubnispflichtig. Die vollständige Neueindeckung eines Gebäudes und der Einbau von neuen Dachflächenfenstern wirke sich auf das Erscheinungsbild des Ensembles aus, da die neuen Materialien und die neuen Farben eindeutig und klar erkennbar seien und sich deutlich vom denkmalgeschützten Bestand abhöben. Bei der Beurteilung, ob sich die Maßnahme auf das Erscheinungsbild des Ensembles auswirke, sei allein auf die Maßnahme abzustellen, nicht auf einen Vergleich der bisherigen Situation oder der entstehenden Veränderung. Auch der sog. Materialgerechtigkeit werde widersprochen. So werde in der Rechtsprechung beispielsweise auch bei einem Austausch von Fenstern in einem Ensemble die Erlaubnispflicht nicht in Frage gestellt (unter Verweis auf Rechtsprechung). Die Maßnahmen stellten auch keine reine Instandhaltungsmaßnahme mehr dar. Dies könne jedoch dahinstehen, da eine Erlaubnisfreiheit für Instandhaltungsmaßnahmen, wie etwa im Baurecht, nicht gegeben sei. Nach Art. 6 Abs. 1 Satz 2 BayDSchG seien auch Änderungen an einem Gebäude erlaubnispflichtig, wenn sich die Maßnahmen auf das Erscheinungsbild eines Einzeldenkmals auswirken könnten. Das neue Material und die neuen Farben wirkten sich auf die Sichtbeziehungen zu den direkt anschließenden Einzeldenkmälern (* …, …, …*) aus.
14
Nach dem vom Landesdenkmalrat niedergelegten Empfehlungen für Baumaßnahmen in Ensembles gehörten zu den maßgeblichen Charakteristika von Ensembles u.a. die Dächer (unter Verweis auf Rechtsprechung). Dies zwar nur insoweit, als sie zu den maßgeblichen Charakteristika beitragen könnten, d.h. für Betrachter sichtbar seien, aber gerade dies sei für das Anwesen „…“ in besonderem Maße gegeben. Denn gerade die großen und markanten Dachflächen seien sehr gut vom höherliegenden … aber auch aus der Umgebung weithin sichtbar. Die direkt angrenzende unverbaute Wasserfläche und die Grünanlagen ermöglichen vielfältige Ausblicke auf das Gebäude und die daran anschließenden (markanten) Einzeldenkmäler. Die Dachfläche wirke sich somit direkt auf die verschiedenen Sichtachsen zu den Einzeldenkmälern aus. Für das Gesamterscheinungsbild des Ensembles seien insbesondere die verwendeten Baumaterialien und die Baugestaltung des Gebäudes anzugleichen. Ziel müsse es sein, dass sich das Gebäude in die Dachlandschaft des Ensembles nahtlos integriere. Bereits durch die verwendeten Dachpfannen mit Ortgangziegeln werde dieses Einfügen in das Ensemble jedoch nicht erreicht. Außerdem stellten die Dachflächenfenster besonders störende Fremdkörper dar. Es sei rechtlich zulässig, dass bei Gebäuden, die bereits zuvor den denkmalschutzrechtlichen Anforderungen nicht (vollständig) entsprochen hätten, im Rahmen eines Austausches wichtige Elemente – wie die Dacheindeckung und Dachflächenfenster – die nun geltenden denkmalschutzrechtlichen Anforderungen zugrunde gelegt werden (unter Verweis auf Rechtsprechung). Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit seien regelmäßig die Aufwendungen nicht zu berücksichtigen, die entstehen oder entstanden seien, weil die Maßnahme ohne die erforderliche Gestattung durchgeführt wurde (unter Verweis auf Rechtsprechung). Es sei nicht vorgebracht worden und auch nicht ersichtlich, dass die Kosten für eine Dachsanierung nach den Vorgaben des Denkmalschutzgesetzes außer Verhältnis stünden zum Nutzen der baulichen Anlage oder zu den Kosten der durchgeführten Maßnahmen. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeit könne auch nicht die (mögliche) Auskunft einer unzuständigen Behörde berücksichtigt werden. Da dies für die Prüfung des Antrags auf denkmalschutzrechtliche Erlaubnis nicht relevant sei, könne dahinstehen, welche Auskünfte genau gegeben worden seien und ob der übliche Verweis auf das Denkmalschutzrecht unterblieben sei.
15
Mit Schriftsatz vom 16. Juni 2021 – hier eingegangen am gleichen Tag – ließ die Klägerin Klage gegen den streitgegenständlichen Bescheid erheben. Mit Schriftsatz vom 11. Februar 2022 wurde die Klage weitergehend begründet. In tatsächlicher Hinsicht ist ausgeführt, dass auf Grund einer bevorstehenden und notwendigen Dachsanierung die Klägerin die Standortgemeinde kontaktiert habe, um die Arbeiten vorher abzusprechen. Die Standortgemeinde habe hiergegen keine Einwände erhoben. So habe die Klägerin am 12. Oktober 2020 einen Meisterbetrieb mit der Sanierung ihres Daches beauftragt. Im Wesentlichen seien hier nur Dachziegel ausgetauscht worden. Die Klägerin habe sich hierbei – wie mit der Standortgemeinde abgesprochen – für rote Tondachpfannen entschieden. Für die Sanierungsarbeiten am Dach seien der Klägerin Kosten von fast 70.000,00 EUR entstanden (unter Verweis auf ein entsprechendes Angebot der Firma). In rechtlicher Hinsicht ist ausgeführt, dass die Klägerin einen Anspruch auf Erteilung der beantragten denkmalschutzrechtlichen Erlaubnis habe. Die Sanierung des Daches der Klägerin bedürfe schon keiner Erlaubnis bzw. sie sei in jedem Fall erlaubnisfähig, da das Anwesen auf dem Grundstück der Klägerin kein Baudenkmal sei. Eine Erlaubnis gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. BayDSchG bedürfe nur, wer Baudenkmäler verändern wolle. Nach Satz 2 gelte dies auch, wenn in der Nähe von Baudenkmälern Anlagen verändert werden sollten, wenn sich dies auf Bestand oder Erscheinungsbild eines der Baudenkmäler auswirken könne. Nach dem Wortlaut seien die Sätze 1 und 2 nicht einschlägig, da es sich bei dem Gebäude der Klägerin nicht um ein Baudenkmal handele, sondern um ein im Ensemble befindliches Gebäude. Die Veränderung eines Ensembles nach Satz 3 sei nur dann erlaubnispflichtig, wenn die Veränderung sich auf das Erscheinungsbild des Ensembles auswirken könne (unter Verweis auf Rechtsprechung). Somit wäre die Sanierung des Daches auf dem Gebäude der Klägerin nur dann erlaubnispflichtig nach Satz 3, wenn sich die Veränderung auf das Erscheinungsbild des Ensembles auswirken würde. Es stelle sich also die Frage, ob überhaupt eine Veränderung und zudem ein Auswirken auf das Erscheinungsbild des Ensembles durch die Dachsanierung der Klägerin vorliege. Durch den reinen Austausch der Dachziegel liege keine denkmalschutzrechtlich relevante Veränderung des Bestandsgebäudes vor. Die Genehmigung dürfe im Übrigen nur versagt werden, wenn die geplante Veränderung das Erscheinungsbild des Ensembles wesentlich beeinträchtige. Dies setze eine empfindliche Störung des Erscheinungsbildes des Ensembles voraus. Es genüge nicht jede nachteilige Beeinflussung des Erscheinungsbilds. Die Beeinträchtigung müsse deutlich wahrnehmbar sein und vom Beobachter als belastend empfunden werden. Eine solch wesentliche Beeinträchtigung durch den Austausch der Dachziegel liege nicht vor. Die Klägerin habe lediglich die Dachziegel von alten Ziegeln zu neuen ausgetauscht; die Form der Ziegel sei beibehalten worden. Für einen objektiven Betrachter werde kaum eine Veränderung der Bestandssituation bei der Erneuerung des Daches erkennbar sein. Im Hinblick auf die Dachziegel sei zudem darauf hinzuweisen, dass selbst die Standortgemeinde grundsätzlich keine Bedenken gegen eine Neuerrichtung des Daches gesehen habe. Die Sanierung des Daches beeinträchtige auch nicht den Nahbereich. Dazu sei festzustellen, dass die Dachflächen der umliegenden Anwesen nicht einheitlich gestaltet seien, sondern sich der Nahbereich gerade durch eine uneinheitliche – jedenfalls was die Form der Dachziegel angehe – geprägte Dachgestaltung auszeichne. Das Landratsamt habe die fehlende Einheitlichkeit der Dachgestaltung im Ablehnungsbescheid vom 20. Mai 2021 unberücksichtigt gelassen. Durch die Anlage werde das Ensemble in seiner Gestaltung und Wirkung weder im Gesamten noch im Detail beeinträchtigt.
16
Selbst wenn das Vorhaben der Klägerin nicht erlaubnisfähig sei, wie dies vom Landratsamt angenommen werde, so sei der Ablehnungsantrag mit dem Hinweis der zu ändernden Dacheindeckung in jedem Fall ermessensfehlerhaft. Die Klägerin habe sich nach bestem Wissen und Gewissen vor den geplanten Sanierungsarbeiten bei der Standortgemeinde informiert, um das Vorhaben abzuklären. Einwände seien nicht vorgebracht worden. Im Übrigen habe das Landratsamt bei der Versagung der denkmalschutzrechtlichen Erlaubnis das eingeräumte Ermessen nicht sachgerecht ausgeübt. Das denkmalschutzrechtliche Erlaubnisermessen müsse rechtmäßig ausgeübt werden. Zweck des Erlaubnisvorbehalts sei es vor allem, durch eine präventive Kontrolle den Hauptzielen des Gesetzes einer möglichst unveränderten Erhaltung und einer möglichst zweckentsprechenden Nutzung der Denkmäler gegenüber Maßnahmen, die diesen Zielen typischerweise zuwiderliefen, im Rahmen des dem Denkmaleigentümer zumutbaren Geltung zu verschaffen. Es gehe nicht vorrangig um Zweckmäßigkeitserwägungen. Die Behörde treffe eine rechtsgestaltende Entscheidung, welche die Belange des Denkmalschutzes auf der einen sowie der widerstreitenden öffentlichen Belange und die öffentlichen privaten Belange auf der anderen Seite unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Vorgaben ausgleichen müsse. Hierfür müssten die vom Vorhaben berührten Belange berücksichtigt und miteinander sowie gegeneinander abgewogen werden. Das Landratsamt hätte die Erlaubnis nach Abwägung der entgegenstehenden Belange erteilen müssen, wenn nicht das Ermessen des Landratsamtes in diesem Fall sogar auf Null reduziert gewesen sei. Jedenfalls aber sei die Ablehnung mit dem Hinweis auf Änderung der Dacheindeckung unverhältnismäßig. Wie bereits ausgeführt, würde einem objektiven Dritten nicht auffallen, dass die Dachziegel der Klägerin sog. Tondachpfannen und keine Biberschwanzziegel sind. Vor allem weil sich die beiden Ziegelarten farblich nicht unterscheiden würden. Auch hinsichtlich der Kosten sei es für die Klägerin nicht möglich, nach bereits aufgewendeten 70.000,00 EUR eine erneute Änderung der Dacheindeckung vornehmen zu lassen. Nach einem Angebot des entsprechenden Meisterbetriebs lägen die Kosten für diese erneute Ab- und Eindeckung bei über 200.000,00 EUR (unter Verweis auf ein Angebot vom 7.8.2021). Dies stehe in keinem Verhältnis zu den – wenn überhaupt – ganz geringfügigen Abweichungen des Denkmalschutzes (Tondachpfannen anstelle von Biberschwanzziegeln), welche keine gravierenden Auswirkungen auf das Ensemble darstellen.
17
Mit Schriftsatz vom 11. Februar 2022 beantragt die Klägerin:
1. Der Bescheid des Landratsamtes … vom 20. Mai 2021 wird aufgehoben.
2. Der Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin die beantragte denkmalschutzrechtliche Erlaubnis zur Dachsanierung auf dem Grundstück FlNr. … der Gemarkung … zu erteilen.
Hilfsweise:
3. Der Beklagte wird verpflichtet, über den Antrag der Klägerin auf Erteilung einer denkmalschutzrechtlichen Erlaubnis zur Dachsanierung auf dem Grundstück FlNr. … der Gemarkung … unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu verbescheiden.
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Mit Schriftsatz vom 16. Februar 2022 beantragt der Beklagte,
die Klage abzuweisen.
19
Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, dass die Darstellung der Klägerin, dass keine denkmalschutzrechtliche Erlaubnis notwendig sei, nicht nachvollzogen werden könne. Das Gebäude sei unstrittig kein Baudenkmal, stehe jedoch im Ensemble und in unmittelbarer Nähe zu mehreren Einzelbaudenkmälern. Das Gebäude weise eine große Dachfläche auf und stehe an exponierter Stelle, so dass sich die Dacheindeckung des Gebäudes auf das Erscheinungsbild des Ensembles auswirke. Zusätzlich seien die direkten Sichtbeziehungen zu Einzelbaudenkmälern im Ensemble betroffen. Die Dächer und Dacheindeckungen von Gebäuden prägten die jeweiligen Gebäude und das Ensemble, so dass Änderungen sich auf das Ensemble auswirkten. Dabei sei allein auf die Maßnahme selbst abzustellen, ein Vergleich der bisherigen Situation und der neuen Situation sei für die Frage der Erlaubnispflicht nicht ausschlaggebend.
20
Die seitens der Klägerin dargestellte Unverhältnismäßigkeit sei aus Sicht des Landratsamtes nicht gegeben. Bei der Prüfung, ob denkmalschutzrechtlich geforderte Maßnahmen unverhältnismäßig seien, sei allein auf die Mehrkosten abzustellen, die durch die jeweiligen denkmalschutzrechtlich geforderten Maßnahmen entstünden. Dementsprechend seien die Kosten, die bei einer Dacheindeckung üblicherweise anfielen (z.B. Aufstellen von Gerüsten, Abtransport von altem Material) nicht zu berücksichtigen. Ebenso seien die bisherigen Kosten für die nicht erlaubten Maßnahmen bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit nicht zu berücksichtigen. Dies gelte auch für die eventuellen Kosten, die für zusätzliche Arbeiten auf Grund der unerlaubten Maßnahmen anfielen oder auch für die Werte der Bausubstanz (Dachflächenfenster, Ziegel), die zerstört oder unbrauchbar würden (unter Verweis auf Rechtsprechung). Des Weiteren entstünden durch die Gauben auch größere Nutzflächen. Auf die Begründung des Ablehnungsbescheids dürfe ergänzend verwiesen werden.
21
Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakte sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung am 24. Mai 2023 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

22
Die erhobene Klage ist als Verpflichtungsklage zulässig, aber unbegründet, da der streitgegenständliche Ablehnungsbescheid rechtmäßig ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 5 VwGO). Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung der begehrten denkmalrechtlichen Erlaubnis oder auf Neuverbescheidung ihres Antrags nach Art. 6 Abs. 2 BayDSchG.
23
1. Die beantragte Dacheindeckung mit Erneuerung der Dachflächenfenster ist denkmalrechtlich erlaubnispflichtig nach Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayDSchG.
24
Nach Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayDSchG bedarf derjenige, der ein Ensemble verändern will, einer Erlaubnis nur, wenn die Änderung eine bauliche Anlage betrifft, die für sich genommen ein Baudenkmal ist oder wenn sich die Veränderung auf das Erscheinungsbild des Ensembles auswirken kann. Veränderung in diesem Sinne ist jede Änderung der bestehenden Anlage nach denkmalfachlichen Aspekten (VG München, U.v. 25.6.2019 – M 1 K 17.1445 – juris Rn. 26 m.w.N.). Die Veränderung muss sich dabei auf das Erscheinungsbild des Ensembles auswirken können. Schutzgut der Erlaubnispflicht ist dabei das überlieferte Erscheinungsbild des Ensembles (vgl. Art. 6 Abs. 2 Satz 2 BayDSchG), zu dem auch das Straßen- und Ortsbild (Art. 1 Abs. 3 BayDSchG) gehören (BayVGH, B.v. 23.9.2021 – 9 ZB 21.521 – juris Rn. 5 = BayVBl 2022, 827). Ein Ensemblebereich im Sinne von Art. 1 Abs. 3 BayDSchG genießt dabei aufgrund der Tatsache, dass das Ensemble selbst ein Baudenkmal darstellt, keinen geringeren Schutz vor Veränderungen als die Veränderungen eines einzelnen Baudenkmals (BayVGH, B.v. 8.1.2021 – 9 ZB 19.282 – juris Rn. 9 m.w.N.). Die Möglichkeit der Auswirkung der Veränderung auf das Erscheinungsbild des Ensembles setzt eine „von außen“ wahrnehmbare Veränderung voraus. Diese ist auch dann gegeben ist, wenn es sich lediglich um einen Austausch vorhandener, nicht denkmalkonformer aber wichtiger Bauteile wie Fenster und Türen gegen gleichartige, nicht denkmalkonforme Bauteile in einem Bauwerk handelt, was selbst kein Baudenkmal ist (BayVGH, B.v. 23.9.2021 – 9 ZB 21.521 – juris Rn. 5 = BayVBl 2022, 827; vgl. auch B.v. 8.1.2020 – 1 ZB 19.1540 – juris Rn. 4 ff. zu nicht denkmalkonformen Fenstern in der unmittelbaren Umgebung). Die Wahrscheinlichkeit mit der der Blick des Betrachters auf die Veränderung fällt, ist dabei nicht entscheidend (BayVGH, B.v. 8.1.2020 – 1 ZB 19.1540 – juris Rn. 6).
25
1.1 Nach diesen Grundsätzen handelt es sich bei der streitgegenständlichen Dacheindeckung um eine Veränderung, die sich auf das Erscheinungsbild des Ensembles auswirken kann. Die insofern vom Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege in seiner Stellungnahme vom 1. Dezember 2020 dargelegte Einschätzung ist für das Gericht plausibel. Entscheidend ist für die Genehmigungspflicht hier, dass es sich bei dem Anwesen der Klägerin, welches selbst kein Baudenkmal ist, jedoch um ein Objekt im unmittelbaren Nähe- und Sichtbereich zu mehreren und vor allem zentralen Einzeldenkmälern handelt. Zu nennen sind hier vor allem das „…“, das „…“ mit angrenzender „…“ sowie in geringerem Maße das „Gasthaus …“ sowie das „…“ Die besondere Bedeutung der beiden Schlösser für das Ensemble wird schon aus der Ensemblebeschreibung deutlich, die neben dem Ortskern und der Pfarrkirche vor allem auf die vier Schlösser als Eigenart der Altstadt der Standortgemeinde abstellt. Zu den Besonderheiten des Ensembles gehört auch die wegen der vorherrschenden Dachformen (Walmdach/Satteldach) und der teilweise höhenversetzten Errichtung deutlich wahrnehmbare „Dachlandschaft“ des Ensembles. Gerade aufgrund des „Höhenversatzes“ und der Dachformen handelt es sich bei dem Einbau von neuzeitlichen Dachflächenfenstern im konkreten Fall um eine besonders sensible Veränderung der baulichen Anlage, die sich auch unschwer auf das Erscheinungsbild des Ensembles – insbesondere auf dessen „Dachlandschaft“ – aus dem 16. Jahrhundert auswirken kann. Dabei ist weiter zu berücksichtigen, dass die wahrnehmbare Dachlandschaft des Ensembles schon ausweislich der allgemein verfügbaren Satellitenaufnahmen weitestgehend frei von modernen Dachflächenfenstern ist. Lediglich die klägerische Dachfläche wird von dieser Fensterform geradezu geprägt (vgl. BayVGH, B.v. 22.3.2022 – 15 ZB 21.3085 – juris Rn. 10).
26
1.2 Die hiergegen vorgebrachten klägerischen Einwände verfangen nicht. Soweit die Klägerseite vorbringt, dass durch den „reinen Austausch der Dachziegel“ keine Veränderung des Bestandsgebäudes vorliege, hat sie sich jedoch schon nicht mit der Veränderung durch den Austausch der Dachflächenfenster auseinandergesetzt. Der Tausch der Dachflächenfenster alleine rechtfertigt schon die Annahme einer rechtserheblichen Veränderung im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayDSchG (s.o.). Soweit anzunehmen ist, dass sich die Klägerseite auch bezüglich der Dachflächenfenster darauf beruft, dass auch diese vor der Dachsanierung 2020 bereits verbaut waren, verkennt sie, dass es im Denkmalschutzrecht keinen Bestandsschutz für die Perpetuierung von denkmalrechtswidrigen Zuständen gibt (BayVGH, B.v. 23.9.2021 – 9 ZB 21.521 – juris Rn. 9 = BayVBl 2022, 827). Schutzgut des Ensembleschutzes ist das überlieferte Erscheinungsbild (vgl. Art. 6 Abs. 2 Satz 2 BayDSchG) und nicht das tatsächliche Erscheinungsbild. Mit diesem Schutzgut ist es unvereinbar, das Baudenkmal durch eventuell bestehende Vorbelastungen in seiner Schutzwürdigkeit zu mindern.
27
1.3 Eine baurechtliche Genehmigungspflicht besteht aufgrund Art. 57 Abs. 1 Nr. 11 Buchst. d) und f) BayBO bzw. Art. 57 Abs. 6 BayBO nicht. Ob darüber hinaus auch eine denkmalrechtliche Erlaubnispflicht nach Art. 6 Abs. 1 Satz 2 BayDSchG wegen der Nähe zu Einzeldenkmälern des Ensembles besteht, muss nicht entschieden werden.
28
2. Die beantragte Maßnahme ist jedoch nicht erlaubnisfähig, da der Versagungsgrund des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayDSchG vorliegt (2.1) und das Versagungsermessen ordnungsgemäß ausgeübt wurde (2.2).
29
Sowohl Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayDSchG als auch Art. 6 Abs. 2 Satz 2 BayDSchG sind auf die Erlaubnispflicht für Ensemblemaßnahmen nach Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayDSchG entsprechend anzuwenden, da das Ensemble selbst ein Baudenkmal ist (Art. 1 Abs. 3 BayDSchG) und insofern keinen geringeren Schutz beansprucht als ein Einzeldenkmal (BayVGH, B.v. 23.9.2021 – 9 ZB 21.521 – juris Rn. 6 = BayVBl 2022, 827; BayVGH, B.v. 28.8.2019 – 2 ZB 18.528 – juris Rn. 4 = BayVBl 2020, 57). Nach Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayDSchG kann die Erlaubnis versagt werden, soweit gewichtige Gründe des Denkmalschutzes für die unveränderte Beibehaltung des bisherigen Zustands sprechen. Das Vorliegen „gewichtiger Gründe des Denkmalschutzes“ rechtfertigt sich regelmäßig schon allein aus der Tatsache, dass es sich um ein Baudenkmal bzw. Ensemble handelt, welches verändert werden soll (BayVGH, U.v. 26.10.2021 – 15 B 19.2130 – juris Rn. 33 m.w.N.). Daneben können sich gewichtige Gründe auch aus dem Grundsatz der Materialgerechtigkeit – etwa hinsichtlich der Verwendung denkmalgerechter Materialien – ergeben (BayVGH, B.v. 23.9.2021 – 9 ZB 21.521 – juris Rn. 8 = BayVBl 2022, 827). Nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 BayDSchG kann die Erlaubnis versagt werden, soweit das Vorhaben zu einer Beeinträchtigung des Wesens, des überlieferten Erscheinungsbilds oder der künstlerischen Wirkung des Baudenkmals führen würde und gewichtige Gründe des Denkmalschutzes für die unveränderte Beibehaltung des bisherigen Zustands sprechen. Die hiernach vorausgesetzte „Beeinträchtigung“ muss erheblich sein, braucht aber noch nicht verunstaltend wirken (BayVGH, B.v. 12.6.2019 – 2 ZB 17.67 – juris Rn. 12). Maßgeblich ist sowohl für die Beurteilung nach Art. 6 Abs. 2 Satz 1 oder Satz 2 BayDSchG jedenfalls nicht ein „Durchschnittsbetrachter“, sondern ein fachkundiger, dem Denkmalschutz aufgeschlossener Betrachter (BayVGH, B.v. 12.11.2018 – 1 ZB 17.813 – juris Rn. 4, B.v. 26.10.2021 – 15 B 19.2130 – juris Rn. 34). Dem Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege (BLfD) und seinen fachlichen Einschätzungen kommt dabei ein besonderes tatsächliches Gewicht zu, wobei das Gericht allerdings an die Einschätzung nicht gebunden ist (BayVGH, B.v. 26.10.2021 – 15 B 19.2130 – juris Rn. 34 m.w.N.).
30
Gewichtige Gründe für die Beibehaltung des bisherigen Zustands ergeben sich nach Meinung des Gerichts nachvollziehbar und plausibel aus der Stellungnahme des BLfD vom 1. Dezember 2020 denen sich das Gericht anschließt. Der dort getroffenen Bewertung, dass sich das klägerische Anwesen an exponierter Stelle, im unmittelbaren Nähebereich zu mehreren bedeutenden Einzelbaudenkmälern befindet und damit eine besondere Stellung innerhalb des Ensembles einnimmt, kann sich das Gericht nur anschließen.
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Die exponierte Lage des Anwesens zeigt sich auch darin, dass viele öffentlich zugängliche Bilder der betroffenen Baudenkmäler (etwa auf „Google Maps“) das klägerische Anwesen deutlich im Vordergrund erkennen lassen. Das klägerische Anwesen liegt mithin für Dritte Betrachter in zentralen Sichtachsen (so auch die Stellungnahme des BLfD) insbesondere von der Straße „…“ und vom westlichen bzw. südlichen Ufer des … aus. Die Sichtachsen vom … ermöglichen die gleichzeitige Wahrnehmung mehrerer Einzeldenkmäler des Ensembles und einen unverbauten Blick, weshalb sie von zentraler Bedeutung für das Ensemble sind. Durch den vor Ort gegebenen Höhenversatz zwischen den erhöht ruhenden Schlössern und dem „darunterliegenden“ klägerischen Anwesen in Kombination mit den jeweiligen Dachformen (Walmdächer oder Satteldächer) können die Dachflächen – je nach Betrachtungswinkel – optisch sogar (insbesondere bei Betrachtung des „…“ vom südlichen Weiherufer aus) „ineinander übergehen“. Deswegen kommt der Dachgestaltung am klägerischen Anwesen nach Meinung des Gerichts auch eine besondere Rücksichtnahmepflicht gegenüber den benachbarten Baudenkmälern und der örtlichen „Dachlandschaft“ zu.
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Die vom BLfD in seiner Stellungnahme formulierte besonders störende „Fremdkörpereigenschaft“ der neuzeitlichen Dachflächenfenster ist für das Gericht gut nachvollziehbar und drängt sich bereits bei Betrachtung öffentlich zugänglicher Bilddokumente oder Satellitenaufnahmen auf. So hat kein einziges Baudenkmal in der Nähe diese Art von Fenster, wodurch der besonders störende Charakter dieser Fenster – gerade im Hinblick auf das soeben beschriebene „optische Ineinanderübergehen“ der Dachflächen – offensichtlich wird.
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Ob die gewichtigen Gründe im Übrigen auch im Hinblick auf die Verwendung von Tondachpfannen anstatt den anscheinend ortsüblichen Biberschwanzziegeln vorliegen, kann dahingestellt bleiben, da die Klägerin schon durch ihren Antrag deutlich zu erkennen gegeben hat, dass die Dachsanierung im Ganzen – „wie bisher gehabt“ – streitgegenständlich ist (vgl. BayVGH, B.v. 31.10.2012 – 2 ZB 11.1575 – juris Rn. 15).
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Auch die hiergegen vorgebrachten Einwände der Klägerseite überzeugen nicht. Letztlich ist auch diesbezüglich in der Sache ausgeführt, dass ein Vergleich nach Durchführung der Dachsanierung keinen wesentlich anderen Zustand zur Situation vor Durchführung der Dachsanierung ergeben würde. Auch wenn der Klägerseite zuzugestehen ist, dass es sich im Kern wohl nur um eine zum Ursprungszustand des klägerischen Anwesens „wesensgleiche Dachsanierung“ handelt, so ist aus Rechtsgründen davon auszugehen, dass dennoch „gewichtige Gründe“ i.S.d. Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayDSchG gegen die vorgenommenen Änderungen und damit für die Beibehaltung des bisherigen Zustands sprechen. Es ist obergerichtlich geklärt, dass bestehende Vorbelastungen die Schutzwürdigkeit eines Denkmals – und damit eines Ensembles – nicht schmälern können, da dieses ansonsten sukzessive preisgegeben würde (BayVGH, B.v. 23.10.2012 – 1 ZB 10.2062 – juris Rn. 14 m.w.N.). Dementsprechend spielt es vorliegend keine Rolle, dass sich der Zustand des klägerischen Anwesens optisch im Vergleich zur früheren Dachgestaltung kaum verändert haben mag. Gerade die Verhinderung einer Verfestigung der Beeinträchtigung des Ensembles durch das klägerische Anwesen spricht im Sinne der Vorschriften für eine Beibehaltung des bisherigen Zustands des klägerischen Anwesens. Dass der Klägerin im Denkmalschutzrecht kein Bestandsschutz zukommt und im vorliegenden Fall einer (denkmalschutzrechtlich) formell illegal vorgenommenen Dachsanierung (erst Recht) nicht zukommen kann, wurde oben bereits ausgeführt und bedarf keiner Vertiefung.
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2.2 Nach dem Maßstab des § 114 Satz 1 VwGO gerichtlich überprüfbare Ermessensfehler liegen ebenfalls nicht vor.
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Nach Art. 6 Abs. 2 Sätze 1 und 2 BayDSchG ist bei Vorliegen der jeweiligen Tatbestandsvoraussetzungen ein sog. Versagungsermessen eröffnet, auf dessen ordnungsgemäße Ausübung der Bauherr einen Anspruch hat (Art. 40 BayVwVfG). Dabei sind die öffentlichen Interessen an der möglichst unveränderten Beibehaltung des Baudenkmals gegen die privaten Eigentümerinteressen abzuwägen. Bei der Gewichtung der privaten Eigentümerinteressen ist von einem dem Denkmalschutz aufgeschlossen Bauherrn auszugehen (zum Ganzen, BayVGH, B.v. 26.10.2021 – 15 B 19.2130 – juris Rn. 58 f. m.w.N.).
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Vorliegend hat das Landratsamt im streitgegenständlichen Bescheid zumindest den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit deutlich angesprochen und insofern eine Angemessenheitsprüfung vorgenommen. Ein Ermessensausfall liegt somit nicht vor. Im Übrigen hat sich das Landratsamt auch mit den Aspekten der wirtschaftlichen Zumutbarkeit sowie des von der Klägerseite reklamierten Vertrauensschutz auseinandergesetzt und diese in rechtlich nicht zu beanstandender Weise bewertet und zugunsten des öffentlichen Interesses abgewogen.
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Auch die hiergegen vorgebrachten Einwände der Klägerseite verfangen nicht. Soweit die Klägerseite auf einen Ermessensfehler durch eine fehlende Auseinandersetzung mit der „uneinheitlichen Dachgestaltung“ in der näheren Umgebung abstellt, verkennt sie zum einen, dass die nähere Umgebung – jedenfalls im Hinblick auf die Gestaltung mit Dachflächenfenstern – im Wesentlichen durch den Verzicht auf diese Fensterform geprägt ist (siehe schon oben). Zum anderen ist zu betonen, dass das Gericht bereits in Übereinstimmung mit der Stellungnahme des BLfD festgestellt hat, dass dem klägerischen Anwesen aufgrund seiner Exponiertheit eine besondere Stellung und daraus folgend Rücksichtnahmepflicht innerhalb des Ensembles zukommt (siehe ebenfalls oben). Schon aufgrund dieser besonderen Situation kann es dahinstehen, ob - etwa im Hinblick auf die Verwendung von Biberschwanzziegeln – wirklich eine uneinheitliche Dachgestaltung in der näheren Umgebung vorliegt, da die besondere Bedeutung des Anwesens für das Ensemble auch vom Regelfall abweichende Anforderungen rechtfertigt.
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Im Hinblick auf eine vorgebrachte wirtschaftliche Unzumutbarkeit einer denkmalkonformen Dachsanierung sind ebenfalls keine Ermessenfehler ersichtlich. Eine wirtschaftliche Unzumutbarkeit, welche im Rahmen des Versagungsermessens zu berücksichtigen wäre, kann nach einhelliger obergerichtlicher Rechtsprechung dann angenommen werden, wenn der durch die denkmalkonforme Erhaltung verursachte Aufwand des Objekts nicht aus den zu erwartenden wirtschaftlichen Erträgen zu finanzieren ist, da der Denkmaleigentümer nicht gezwungen werden kann, dauerhaft defizitär zu wirtschaften (BayVGH U.v. 12.8.2015 – 1 B 12.79 – juris Rn. 15 ff. = NVwZ-RR 2016, 88 m.w.N.). Dabei ist ein Betrachtungszeitraum von 15 Jahren zugrunde zu legen (BayVGH a.a.O.). Zwar ist entgegen den eventuell so aufzufassenden Aussagen des Landratsamts im Klageverfahren dabei nicht nur der denkmalpflegerische Mehraufwand in die Berechnung einzustellen (BayVGH U.v. 12.8.2015 – 1 B 12.79 – juris Rn. 17), jedoch hat das Landratsamt – insoweit korrekt – ausgeführt, dass Kosten, die der Behebung einer denkmalrechtlich illegal durchgeführten Maßnahme – wie die Abdeckung des hier formell illegal neueingedeckten Daches – dienen, nicht als Aufwand zu erfassen sind (BayVGH, U.v. 28.6.2010 – 1 B 09.1911 – juris Rn. 81 = BayVBl 2011, 500; vgl. auch BayVGH U.v. 12.8.2015 – 1 B 12.79 – juris Rn. 18). Vorliegend liegt schon deswegen kein Ermessensfehler vor, da die Klägerseite zu keinem Zeitpunkt irgendwelche Zahlen zu möglicherweise zu erzielenden Einnahmen offengelegt hat und insofern keine Zumutbarkeitsberechnung möglich ist. Die bloße Einreichung eines Kostenvoranschlags für eine denkmalrechtlich konforme Dacheindeckung, der – wie das Landratsamt zu Recht moniert – nach obigem Maßstab auch noch irrelevante Kosten der Behebung eigener Rechtsverstöße enthält, ist nicht geeignet, eine wirtschaftliche Unzumutbarkeit zu begründen. Insofern ist die Klägerin schon ihrer Darlegungspflicht nicht nachgekommen (BayVGH, U.v. 12.8.2015 – 1 B 12.79 – juris Rn. 16).
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Schließlich können Ermessensfehler des Landratsamts auch nicht aus einem vermeintlichen Vertrauenstatbestand abgeleitet werden, da ein solcher nicht existiert. Es kann auch hier dahingestellt bleiben, ob sich die Klägerin vorab bei der Standortgemeinde informiert hat und welche Auskünfte ihr dort gegeben wurden. Ein Vertrauenstatbestand gegenüber dem passivlegitimierten Freistaat Bayern kann sich schon deswegen nicht ergeben, da die Gemeinde zum einen ihr eigener Rechtsträger ist und ihr Verhalten dem Freistaat nicht zugerechnet werden kann und zum anderen daraus, dass die Gemeinde keine denkmalrechtlichen Kompetenzen besitzt und insofern als sachlich unzuständige Behörde, die zuständige Behörde auch nicht binden kann.
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Nach alledem ist die Klage abzuweisen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Regelung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.