Titel:
Bohrung zur Vorbereitung einer Eisenbahnstrecke (Brenner-Nordzulauf)
Normenkette:
BayStrWG Art. 54 Abs. 1 S. 1, Art. 56 Abs. 1
Leitsatz:
Die Wasserbehörde darf ihre Entscheidung nicht auf außerhalb der Wasserwirtschaft liegende Anforderungen stützen, wenn für diese neben der wasserrechtlichen Zulassung gesonderte behördliche Zuständigkeiten bestehen und besondere Verfahren vorgeschrieben sind. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Beschwerde im einstweiligen Rechtsschutz, Bohrung zur Vorbereitung des Neu- bzw. Ausbaus einer Eisenbahnstrecke (sog. Brenner-Nordzulauf), keine Sachbescheidungskompetenz der Wasserbehörde für straßen- und wegerechtliche Sondernutzungserlaubnis
Vorinstanz:
VG München, Beschluss vom 27.02.2023 – M 31 S 23.758
Fundstelle:
BeckRS 2023, 20812
Tenor
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
III. Der Streitwert wird auf 3.750 EUR festgesetzt.
Gründe
1
Die Antragstellerin, eine kreisangehörige Gemeinde, begehrt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen eine der Beigeladenen erteilte beschränkte wasserrechtliche Erlaubnis zur Niederbringung einer Bohrung.
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Mit Bescheid vom 27. Januar 2023 wurde der Beigeladenen nach §§ 8, 10 WHG i.V.m. Art. 15 BayWG die stets widerrufliche beschränkte Erlaubnis zur Niederbringung einer Bohrung mit Ausbau zu einer 5-Zoll-Grundwassermessstelle (DN 125) auf dem Grundstück FlNr. …64 Gemarkung S* … erteilt (Nr. I.1. des Bescheidstenors). Die sofortige Vollziehbarkeit wurde angeordnet (Nr. III des Bescheidstenors).
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Die Beigeladene ist Vorhabenträgerin der Planung für den Neu- bzw. Ausbau der Eisenbahnstrecke Brenner-Nordzulauf (ABS/NBS München – Rosenheim – Kiefersfelden – Grenze D/A (- Kufstein)), deren Vorbereitung die streitgegenständliche (Erkundungs-)Bohrung dient.
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Gegen den Bescheid erhob die Antragstellerin am 17. Februar 2023 Klage zum Verwaltungsgericht München (M 31 K 23.756), über die noch nicht entschieden ist. Zudem beantragte sie, die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen den Bescheid vom 27. Januar 2023 wiederherzustellen. Zur Begründung trug sie im Wesentlichen vor, dass der Bescheid gegen das Rücksichtnahmegebot verstoße, denn das von der Antragsgegnerin geplante Vorhaben, Brenner Nordzulauf, insbesondere in der nunmehr gewählten Trassenführung „pink“, würde die schützenswerten Interessen der Antragstellerin und ihrer Bürger massiv beeinträchtigen. Die Baumaßnahme werde das äußerst schützenswerte Trinkwasservorkommen „Ödenwald“, dessen Ausweisung als Wasserschutzgebiet bevorstehe, zerstören. Mit der Bohrung sei zudem eine massive Zerstörung und Beeinträchtigung der schützenswerten Landschaft verbunden, da das Grundstück FlNr. …64 im unmittelbaren nördlichen Anschluss an das Landschaftsschutzgebiet „Schutz des Simsees und seiner Umgebung“ liege und es an eine im Ökoflurkataster ausgewiesene Fläche grenze. Außerdem sei die Zufahrt zu dem Bohrgrundstück nur über den im Eigentum der Antragstellerin stehenden Weg FlNr. …1 möglich, der jedoch nur als öffentlicher Feld- und Waldweg gewidmet sei. Die Vornahme der Bohrung sei somit nur unter benutzungswidriger Inanspruchnahme gemeindlicher Flächen möglich. Zudem werde durch den Transport von schwerem Gerät die Wegfläche beschädigt.
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Das Verwaltungsgericht München lehnte mit Beschluss vom 27. Februar 2023 den Antrag ab. Der Antrag sei bereits unzulässig, im Übrigen sei er unbegründet. Der Antragstellerin fehle die Antragsbefugnis. Sie habe keine Verletzung in eigenen Rechten dargetan. Die in der Sache vorgetragenen Einwände könnten nur Gegenstand eines gegen das Vorhaben bezogenen Rechtsschutzverfahrens gegen den Planfeststellungsbeschluss sein. Durch das Bohrvorhaben würden keine vollendeten Tatsachen in Bezug auf das Gesamtvorhaben geschaffen. Eine Verletzung des wasserrechtlichen Rücksichtnahmegebots scheide ebenfalls aus. In Bezug auf die Geltendmachung von Belangen des Natur- und Landschaftsschutzes sei die Antragstellerin ebenfalls nicht antragsbefugt, da sie nicht berechtigt sei, sich zur Sachwalterin von Belangen des Gemeinwohls zu machen. Die von der Antragstellerin geltend gemachte rechtswidrige Inanspruchnahme des Wegegrundstücks sei mit Blick auf § 12 Abs. 1 Nr. 2 WHG nicht vom Prüfproramm der streitbefangenen wasserrechtlichen Erlaubnis umfasst. Nach Art. 53 Nr. 1, Art. 56 BayStrWG sei das Benutzungsregime an öffentlichen Feld- und Waldwegen einem gesonderten (Verwaltungs-)Verfahren überantwortet, sodass sich die Wasserbehörde einer entsprechenden Prüfung zu enthalten habe. Die Befürchtungen der Antragstellerin im Hinblick auf eine Beschädigung der Wegfläche seien ebenfalls nicht Prüfungsgegenstand der Erlaubnis, wie sich aus den dem Bescheid beigefügten Hinweisen ergebe.
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Mit ihrer am 16. März 2023 eingelegten Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Rechtschutzbegehren weiter. Sie beantragt,
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den Beschluss vom 27. Februar 2023 aufzuheben und dem Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der gegen den Bescheid vom 17. Februar 2023 erhobenen Anfechtungsklage stattzugeben.
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Der Antragsgegner und die Beigeladene beantragen,
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die Beschwerde zurückzuweisen.
10
Sie verteidigen die angegriffene Entscheidung des Verwaltungsgerichts.
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A. Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.
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Die dargelegten Beschwerdegründe, auf die sich die Prüfung des Senats nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt, rechtfertigen keine Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag der Antragstellerin auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer gegen den Bescheid vom 27. Januar 2023 gerichteten Klage zu Recht abgelehnt, denn er ist bereits unzulässig. Der Antragstellerin fehlt die notwendige Antragsbefugnis entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO. Insoweit verweist der Senat auf die Ausführungen in seinem Beschluss vom 6. März 2023 im Verfahren 8 CS 22.2607 und auf die erschöpfenden und zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts (vgl. § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO).
13
Auch aus dem vorgebrachten Einwand, für die Bohrung auf dem Grundstück FlNr. …64 werde bestimmungswidrig ein im Eigentum der Antragstellerin stehender öffentlicher Feld- und Waldweg benutzt, ergibt sich nicht die Möglichkeit einer Verletzung eines subjektiven Rechts im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO. Der Bescheid greift nicht in die Rechte der Antragstellerin als Straßenbaulastträgerin für den öffentlichen Feld- und Waldweg ein, da er insoweit keine Regelung trifft. Die Frage der Zuwegung zur Bohrstelle gehört, wie das Verwaltungsgericht ebenfalls zu Recht ausführt, nicht zum Prüfprogramm einer beschränkten wasserrechtlichen Erlaubnis nach § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Alt. 1 WHG i.V.m. Art. 15 BayWG. Zwar ist gem. § 12 Abs. 1 Nr. 2 WHG die wasserrechtliche Erlaubnis zu versagen, wenn das Vorhaben auch andere als wasserrechtliche Anforderungen nicht erfüllt (vgl. Knopp/Müller in Sieder/Zeitler/Dahme/ Knopp, WHG AbwAG, Stand Februar 2022, § 12 WHG Rn. 40). Jedoch darf die Wasserbehörde ihre Entscheidungen nicht auf solche außerhalb der Wasserwirtschaft liegende Anforderungen stützen, wenn für diese neben der wasserrechtlichen Zulassung gesonderte behördliche Zuständigkeiten bestehen und besondere Verfahren vorgeschrieben sind (vgl. BVerwG, U.v. 17.3.1989 – 4 C 30.88 – BVerwGE 81, 349 = juris Rn. 17; HessVGH, U.v. 3.6.1996 – 7 UE 311/90 – ZfW 1997, 243 = juris Rn. 41; Czychowski/Reinhardt, WHG, 13. Aufl. 2023, § 12 WHG, Rn. 30). Eine Konzentrationswirkung der wasserrechtlichen Erlaubnis sieht das Gesetz nicht vor. Für die Sondernutzung an einem öffentlichen Feld- und Waldweg gilt Art. 56 Abs. 1 BayStrWG.
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B. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 und 3 VwGO. Die Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen entspricht der Billigkeit, weil diese ein Kostenrisiko übernommen hat (vgl. § 162 Abs. 3 VwGO).
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C. Die Streitwertfestsetzung stützt sich auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 34.2.6 und 1.5 des Streitwertkatalogs 2013.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).